Einleitung
Die tuberöse Sklerose ist ein autosomal dominantes Erbleiden mit hoher Penetranz,
wechselnder klinischer Expressivität und großer intrafamiliärer Variabilität. Bis
zu 60 % resultiert die Erkrankung jedoch auch aus Spontanmutationen [1 ].
Mit einer Prävalenz von 1:5800 ist sie die zweithäufigste neurokutane Erkrankung [12 ]. Die Erstbeschreibung erfolgte durch Bourneville (1880) und Pringle (1890). Die
Gene für die tuberöse Sklerose konnten 1993 auf Chromosom 16 und 1997 auf Chromosom
9 identifiziert werden [11 ]
[13 ]. Die tuberöse Sklerose ist eine Erkrankung, die an den verschiedensten Organsystemen
Gewebeatypien und Tumoren hervorrufen kann. Veränderungen im Bereich des zentralen
Nervensystems können zu epileptischen Anfällen führen, die bei über 80 % der Betroffenen
vorliegen. Besonders häufig ist das altersgebundene West-Syndrom (Blitz-Nick-Salaam-Anfälle),
welches in der Phase der Kortikalisation (5. - 7. Lebensmonat) manifest wird.
Bei etwa 50 % der Patienten besteht eine angeborene geistige Behinderung, die auf
eine vorgeburtliche Hirnentwicklungsstörung zurückzuführen ist. Die im Hirnrindenbereich
zur Verkalkung neigenden, knollenförmigen Hirnareale (Tuberome) haben zu der Namensgebung
beigetragen. Aber auch andere Hirntumoren, z. B. Astrozytome, wurden beschrieben [9 ]. Weiterhin kann es zu kardialen Rhabdomyomen (50 %) sowie eine Nierenbeteiligung
(80 %) in Form von Nierenzysten oder Angiomyolipomen kommen [12 ]. Ebenso wurden multiple Skelettveränderungen [4 ], Hamartome im Augenbereich, Gingivahyperplasien und Zahnschmelzdefekte beschrieben
[12 ]. In 50 % der Fälle besteht eine Hautbeteiligung [4 ].
Klassischerweise zeigen sich schmetterlingsförmig ausgeprägte Angiofibrome im Gesichtsbereich,
hypomelanotische, diffus über den Körper verteilte, blattförmige, Maculae „ash leaf
spots” und fibromatöse Plaques. Weiterhin typisch sind subunguale Fibrome „Koenen-Tumoren”
sowie leder- bzw. orangenhautartige Bindegewebsveränderungen im Lumbosakralbereich
„Chagrin-Flecken” [12 ]. Bei den Angiofibromen handelt es sich um rötliche, leicht blutende Knötchen, die
sich bei 90 % der Betroffenen ausbilden und häufig eine erhebliche kosmetische Beeinträchtigung
darstellen. Die frühere Bezeichnung Adenoma sebaceum ging fälschlicherweise von einer
tumorösen Veränderung der Talgdrüsen aus [12 ]. Die Lasertherapie der Angiofibrome erfolgte bisher mit dem Argonlaser [6 ], und in den letzten Jahren zunehmend mit den ablativen CO2 -Lasern und Erbium:YAG-Lasern [2 ]
[5 ]
[9 ]. Wir möchten die Therapie mit einem modifizierten Erbium:YAG-Laser mit nachfolgenden
„Koagulationsimpulsen” vorstellen und gegenüber den bisherigen Therapien abgrenzen.
Anamnese
In der Familienvorgeschichte ist bei der Schwester der Mutter, sowie bei deren Tochter
ein zerebrales Krampfleiden bekannt. Bei der Patientin selbst kam es ab dem 10. Lebensjahr
zu psychomotorischen Krampfanfällen, etwa gleichzeitig kam es zur Bildung papulöser
Hautveränderungen im Gesicht, die sich histologisch als Angiofibrome darstellten.
Computertomographisch zeigten sich multiple, kleine zerebrale kalkdichte Herde.
Befund
Bei der Vorstellung im November 1997 zeigten sich multiple hirsekorngroße braun-rötliche
Knötchen mit weicher, glänzender Oberfläche im Gesicht, mit Betonung der Wangenregion
(Abb. [1 ]). Weitere für die tuberöse Sklerose typische Hautveränderungen waren nicht festzustellen.
Abb. 1 Adenoma sebaceum vor Behandlungsbeginn.
Therapie und Verlauf
Bei der Patientin bestand aufgrund der kosmetisch entstellenden Gesichtsveränderungen
ein ausgeprägter Leidensdruck. So wurden von 1995 bis 1997 in ein- bis zweimonatigen
Abständen 10 Abtragungen mit dem CO2 -Laser durchgeführt. Aufgrund der bekannten zerebralen Krampfanfälle wollte man eine
Vollnarkose vermeiden, so wurden jeweils Teilbereiche von 3 - 5 cm2 nach Infiltrationsanästhesie mit Meaverin 1 % behandelt. Die Therapie mit dem CO2 -Laser (Fa. Sharplan) erfolgte im Superpulsmodus, defokussiert mit einer Stärke von
7,5-12 Watt und einer Pulsdauer von 0,2 s. Die Nachbehandlung der ausgeprägten Erosionen
erfolgte mit Flammazine Salbe. Zur Vermeidung der schmerzhaften Lokalanästhesie und
zur effektiveren Behandlung einer größeren Fläche pro Sitzung wurde ab November 1997
die Therapie mit dem Erbium:YAG-Laser (Superb:SL, Fa. Aesculap) 2940 nm, 4 Hz, 500
mJ, Pulsdauer 0,26 ms, Fokus 3 mm ohne Scanner durchgeführt. Dabei erfolgte die Therapie
der Nodi auf der gesamten betroffenen Fläche, nachdem 30 min vorher EMLA-Salbe okklusiv
aufgetragen wurde.
Als problematisch erwies sich die Blutungsneigung der Angiofibrome (Abb. [2 ]). Dabei zeigte sich, dass nach dem Eröffnen der Papillenspitzen ein weiterer Abtrag
nur noch nach Blutstillung möglich war. Hierbei war ein rein mechanisches Abwischen
des austretenden Blutes in der Regel nicht ausreichend, so dass nicht mehr weiter
abgetragen werden konnte. Zudem empfand die Patientin die sezernierenden Wundflächen
mit nachfolgender ausgeprägter Krustenbildung als unangenehm. Aus diesen Gründen wurde
im Halbseitenversuch die Abtragung mit dem Erbium:YAG-Laser in oben beschriebenem
Modus mit gleicher Einstellung, aber permanent zugeschalteter Abfolge von abgeschwächten
Impulsen in kurzzeitigen Abständen zum eigentlichen ablativen Impuls (Programm 4:
Nachschaltung von 7 abgeschwächten Impulsen), durchgeführt. Dabei zeigte sich auf
dem mit zusätzlichen Koagulationsimpulsen behandelten Areal im Vergleich zur Gegenseite
eine deutlich geringere Blutung (Abb. [2 ]), so dass pro Sitzung ein wesentlich tieferer Abtrag erfolgen konnte. Nachteilig
war die diskret stärkere subjektive Schmerzhaftigkeit. Unmittelbar nach der Behandlung
wurden gekühlte Kochsalzkompressen für 30 min aufgelegt, im Anschluss wurde Flammazine
Creme® zweimal täglich über 7 Tage aufgetragen. Der Heilungsverlauf wurde in wöchentlichen
Abständen bis 3 Wochen nach Laserung beobachtet (Abb. [3 ]), hierbei konnte kein deutlicher Unterschied bei der Wundheilung zwischen den beiden
Behandlungsarealen festgestellt werden. Bei Nachuntersuchungen im Abstand von 3, 6
und 12 Monaten fand sich keine Narbenbildung oder Pigmentierungsstörung. Subjektiv
empfand die Patientin die geringere Krustenbildung auf der mit Heizimpulsen behandelten
Fläche als angenehm.
Abb. 2 Zustand unmittelbar nach der Behandlung mit dem Erbium: YAG-Laser: linke Wange ohne
und rechte Wange mit Anwendung von „Koagulationsimpulsen”.
Abb. 3 Wundheilungsverlauf nach zwei Wochen.
Diskussion
Die Angiofibrome im Rahmen einer tuberösen Sklerose stellen häufig ein großes psychisches
Problem für die betroffenen Patienten dar. Da eine Camouflage die Angiofibrome nur
kosmetisch unbefriedigend überdecken kann, kommen vorwiegend abtragende Techniken
in Frage. Hierbei sind die häufigen Rezidive [12 ], sowie das Risiko der Narbenbildung durch therapeutische Maßnahmen [2 ], besonders zu berücksichtigen. Weiterhin sollte eine Vollnarkose bei zerebraler
Beteiligung der Erkrankung möglichst vermieden werden. Beschrieben wurde die Therapie
mit Kryotherapie und Dermabrasion [3 ]; unter oben genannten Gesichtspunkten erscheint jedoch der Einsatz der Lasertherapie
vorteilhaft zu sein [2 ]
[3 ]
[6 ]
[8 ]. Ursprünglich dominierend in der Therapie der Angiofibrome war der Argonlaser [6 ]. Die Eindringtiefe des Argonlasers liegt bei etwa 1mm. Bei einer Wellenlänge von
488 bzw. 514 nm erfolgt die Absorption in den beiden Hauptchromophoren Oxyhämoglobin
und Melanin. Der Argonlaser arbeitet jedoch nur teilselektiv, da sein Emissionsspektrum
nicht optimal mit dem Absorptionsspektrum von Oxyhämoglobin übereinstimmt. Da der
Argonlaser im Dauerstrichbetrieb arbeitet, kommt es häufig zur thermischen Schädigung
des umliegenden Gewebes [6 ]. So finden sich z. B. bei Patienten mit Feuermalen in 5 - 22 % der Patienten hypertrophe
Narben nach Argonlasertherapie [6 ]. Da der Kupferdampflaser (511 nm und 578 nm) auch im gepulsten Modus anwendbar ist,
zeigt sich hier eine deutlich geringere Narbenbildung [3 ]. In den letzten Jahren haben sich jedoch hauptsächlich die ablativen Laser in der
Therapie der Angiofibrome durchgesetzt [2 ]
[5 ]
[9 ]. Hier handelt es sich einmal um den CO2 -Laser mit einer Wellenlänge von 10 600 nm. Die Strahlung wird durch die Gewebeflüssigkeit
absorbiert und es kommt zu einer superfiziellen Vaporisation.
Aufgrund seines ausgeprägten thermischen Effektes [6 ] kommt es zwar einerseits zu einer Blutstillung, andererseits bestehen ein relativ
hohes Narbenrisiko und eine ausgeprägte Schmerzhaftigkeit [6 ]. Bei der Anwendung des Erbium:YAG-Lasers mit einer Wellenlänge von 2 940 nm kommt
es bei sehr kurzen Impulsdauern zu einer explosionsartigen Gewebeabtragung mit minimaler
thermischer Schädigung [5 ]. Besonders vorteilhaft sind hier die im Vergleich zum CO2 -Laser deutlich verminderte Schmerzhaftigkeit, das wesentlich geringere Narbenrisiko,
sowie die verkürzte posttherapeutische Erythemzeit [2 ]
[5 ]. Problematisch ist jedoch, dass durch den geringen thermischen Effekt auch keine
Blutstillung erreicht werden kann [8 ]. Aus diesem Grunde setzten wir einen Erbium:YAG-Laser ein, der nach dem eigentlichen
ablativen Impuls nachfolgend eine Serie von abgeschwächten Impulsen in kurzer Zeitfolge
abgibt und damit gleichzeitig zu einer Blutstillung führt. Wir haben dieses Verfahren
zur Abtragung unterschiedlichster Hautveränderungen (z. B. Xanthelasmen, Verruccae
seborrhoicae, aktinische Keratosen) in über 100 Fällen durchgeführt und überblicken
einen Nachbeobachtungszeitraum von bis zu 18 Monaten. Eine postoperative Narbenbildung
oder Pigmentierungsstörungen ist dabei nicht aufgefallen.
Als Anästhesie reichte eine okklusive Vorbehandlung mit EMLA-Salbe, so dass eine Wiederholung
der Behandlung mit relativ geringem Aufwand bei Rezidiven jederzeit möglich ist. Um
die Schmerzhaftigkeit der Therapie weiter zu reduzieren, haben wir in jüngster Zeit
das Verfahren weiter modifiziert, in dem wir eine Abtragung im konventionellen Modus
bis zum auftritt der ersten Punktblutung durchführen, dann erfolgt die Zuschaltung
der „Koagulationsimpulse”. Nach Abschluss erfolgt eine restliche Blutstillung ausschließlich
mit „Koagulationsimpulsen”. Ob eine Veränderung in der Anzahl „Koagulationsimpulse”
weitere Ergebnisverbesserungen erbringen kann, soll in weiteren Untersuchungen überprüft
werden.