Pneumologie 2001; 55(4): 177-189
DOI: 10.1055/s-2001-12991
ÜBERSICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapiemitarbeit bei ambulanten Asthmapatienten: Empirischer Vergleich der Compliance-Raten bei unterschiedlicher Operationalisierung der Medikamenten-Compliance[1]

Therapy Compliance by Ambulatory Asthma Patients: An Empirical Comparison of Compliance Rates in Different Operationalisation of Drug ComplianceS. Mühlig1 , K. Ch Bergmann2 , O. Twesten1 , F. Petermann1
  • 1Zentrum für Rehabilitationsforschung, Universität Bremen
  • 2Allergie- und Asthmaklinik, Bad Lippspringe
Further Information

Dr S Mühlig

ZFR
Universität Bremen

Grazer Straße 6
28359 Bremen

Email: E-mail: muehlig@uni-bremen.de

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Table of Contents #

Einleitung

Die in der Literatur berichteten Compliance-Raten bei Patienten mit Asthma bronchiale weisen eine extreme Spannbreite auf (vgl. Mühlig, Petermann & Bergmann, in diesem Heft). Es besteht die begründete Vermutung, dass diese Diskrepanzen der empirischen Befunde eher auf methodische Heterogenität als auf reale Stichprobenunterschiede zurückzuführen sind. Je nach Operationalisierung der Patientenmitarbeit in der AM-Therapie lassen sich - selbst bei Einsatz des gleichen MEMS-Gerätes zur Messung der Medikamenten-Compliance - höchst unterschiedliche Compliance-Parameter ableiten, die zwangsläufig zu abweichenden Resultaten führen. Zur Exemplifizierung der Operationalisierungsproblematik bei der Auswahl unterschiedlicher Compliance-Parameter und des daraus resultierenden „Äpfel-und-Birnen”-Problems werden hier erstmalig die verschiedenen Maße für die Medikamenten-Compliance von Patienten, die in empirischen Studien wechselweise verwendet werden, bei derselben Stichprobe direkt gegenübergestellt. Zu diesem Zweck wurden sämtliche Parameter, die sich aus den elektronisch-apparativen Aufzeichnungen mit Hilfe des „Doser”-Gerätes bestimmen lassen, synchron erhoben. Die jeweiligen Ergebnisse dieser unterschiedlichen Compliance-Messungen werden differenziell dargestellt und in der Ergebnisdiskussion integriert sowie hinsichtlich ihrer Aussagekraft interpretiert und bewertet, um Schlussfolgerungen für eine künftige methodische Vereinheitlichung der elektronischen Compliance-Messung abzuleiten.

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Methoden

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Messinstrument

Elektronische Monitoringsysteme (Medication Event Monitoring System - MEMS) registrieren mittels eingebauter Mikrochips alle „AM-Ereignisse” (z. B. Sprühstöße), die mit dem Öffnen oder der Bedienung des AM-Behältnisses verbunden sind und als Indikatoren für die AM-Applikationen betrachtet werden. MEMS gelten im Vergleich zu anderen direkten und indirekten Messverfahren als besonders valide [1] [2] [3] [4] und werden inzwischen als „Goldstandard” für die Compliance-Messung betrachtet [5]. Sie stellen in Bezug auf Handhabbarkeit, Kosten und Aufwand eine günstige Alternative zu den direkten Verfahren dar und werden deshalb für verschiedene Indikationsgruppen vergleichsweise häufig eingesetzt. Ihr besonderer Vorteil liegt darin, dass sie Daten über Einnahmemuster und längere Messreihen des Medikationsverhaltens von Patienten liefern und damit wertvolle Hinweise für spezifische Compliance-Ursachen oder -Bedingungen bereitstellen. Vor allem das „drug-dumping”-Phänomen (Tendenz, das AM-Behältnis kurz vor einem bevorstehenden Arztbesuch zu entleeren, um Compliance vorzutäuschen) oder die „White-coat-adherence” (Tendenz, die reguläre Medikation erst unmittelbar vor oder nach einem bevorstehenden Arztbesuch wieder aufzunehmen) lassen sich mit keinem anderen Verfahren identifizieren. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie zu falsch positiven Resultaten führen können, wenn der Patient sein AM zwar regelmäßig anwendet, dabei aber Handhabungsfehler macht (z. B. falsche Inhalationstechnik), die die reale Wirkstoffexposition beeinträchtigen. Umgekehrt können auch falsch negative Resultate aus einem unsachgemäßen Gebrauch des Applikationssystems resultieren („test-firing”, d. h. Probesprühstöße „zur Reinigung der Düse”). Die MEMS lassen somit letztlich keine Rückschlüsse auf die tatsächlich korrekte Anwendung des AM und vor allem auf seine biologische Wirkstoffexposition zu. „This approach does not circumvent the fundamental problem of confirming that what came out of the bottle or aerosol necessalily went into the patient” [6].

Die Compliance gegenüber den inhalativen Basis- und Bedarfs-AM wurde in dieser Studie mittels eines elektronischen Medication Event Monitoring System (MEMS) apparativ gemessen. Der Doser ist ein relativ neues und preisgünstiges Gerät (Fa. MEDITRACK) zur Messung der Compliance bei der Anwendung von inhalativen AM („metered-dose inhaler - MDI”) in der Asthmatherapie (vgl. Abb. [1]). Es kann sowohl zur Selbstkontrolle der AM-Anwendung durch den Patienten (Anzeige bereits ausgelöster Hübe am aktuellen Tag sowie der verbleibenden Füllmenge) als auch zur Überprüfung der Medikamenten-Compliance durch den Kliniker oder für wissenschaftliche Studien eingesetzt werden. Das Gerät enthält einen Mikrochip zur Registrierung der ausgelösten Hübe und passt generell für alle gebräuchlichen Dosieraerosole, ist aber durch einfache technische Umrüstung auch für andere Applikationssysteme (bestimmte Pulverinhalatoren) verwendbar. Es eignet sich somit zur Compliance-Prüfung sowohl der Basistherapie mit inhalativen Corticosteroiden als auch der Bedarfstherapie mit inhalativen β2-Sympathomimetika. Der Doser ist unkompliziert anzubringen und zu bedienen: Er wird einfach auf das AM-Behältnis aufgesteckt und durch Druckauslösung des AM-Applikators aktiviert, wobei seine Funktionsweise darin besteht, dass jeder druckausgelöste AM-Hub durch das elektronische Aufzeichnungssystem automatisch registriert und mit einem Piepton bestätigt wird. Auf dem Display kann der Patient die Anzahl der ausgelösten Hübe des laufenden Tages sowie der Anzahl der insgesamt noch zur Verfügung stehenden Einzeldosen ablesen. Außerdem erinnert der Doser den Patienten mittels eines Piepsignals bei einer Restfüllmenge von 20 Einzelhüben daran, das AM-Behältnis rechtzeitig zu ersetzen. Schließlich kann mit Hilfe der „history”-Funktion die AM-Anwendung der jeweils letzten 30 Tage abgerufen werden (Anzahl der Auslöseereignisse pro Tag). Das Doser-Gerät liefert also drei Messdaten: a) die Gesamtzahl der Auslösungen (= Einzeldosen) an einem Tag, b) die Gesamtzahl der im Behältnis verbliebenen Einzeldosen und c) die Anzahl von Auslöseergeignissen (= Einzeldosen) für jeden Tag des Untersuchungszeitraumes über maximal 30 Tage („history”).

Die Hauptnachteile des Dosers gegenüber anderen MEMS (wie z. B. dem Chronolog) bestehen darin, dass er keine Uhrzeit (sondern nur das Datum) registriert und damit die tageszeitliche Compliance nicht erfasst, nur 30 Tage in Folge aufzeichnet und daher nur relativ kurzfristige Dokumentationen des Einnahmeverhaltens zulässt. Nachteilig ist zudem, dass nach 30 Registrierungstagen die Zählung von vorne beginnt und alle älteren Daten dabei überschrieben werden, so dass der Zähler regelmäßig und rechtzeitig übertragen werden muss. Zudem lässt sich das Zählwerk nicht zurückstellen, wenn die Datenerhebung unterbrochen worden ist. Schließlich bietet das Gerät keine Möglichkeiten hinsichtlich der elektronischen Datenübertragung und keinerlei Software-Angebote zur Datenverarbeitung oder grafischen Darstellung. Die Daten müssen manuell ausgelesen, in den PC übertragen und mit herkömmlichen Statistikprogrammen ausgewertet werden. Zudem sind einige typische Fehlerquellen zu beachten, da es beim Doser unter bestimmten Umständen zu Fehlregistrierungen kommen kann. Wenn das Gerät seitlich zusammengedrückt oder nicht richtig auf dem Kopf gehalten wird, kann es bspw. zu einer DA-Auslösung kommen, ohne dass diese registriert wird. Auch bei einer mehrmals kurz hintereinander (< 1 s.) ausgelösten Betätigung des DA wird nur eine der Applikationen registriert. Wenn die AM-Applikation vor dem Schlafengehen, aber nach Mitternacht (Datumswechsel) benutzt wird, registriert der Doser sie für den neuen Kalendertag (was in der Interpretation u. U. zu einer doppelten Zählung von Non-Compliance bei tatsächlich korrektem Verhalten führt). Andererseits besitzen die Doser eine vergleichsweise hohe technische Robustheit. Simmons et al. [7] berichten von einer Ausfallquote von lediglich 1,8 - 2,0 % bei den Doser-, aber 18,8 % bei den Chronolog-Geräten.

Simmons et al. [7] evaluierten die Genauigkeit, Reliabilität und Validität dieses Messinstrumentes in drei aufwändig angelegten multizentrischen Studien sowohl unter Labor- als auch klinischen Realbedingungen. Die mittels Doser registrierten Einzelereignisse (Hübe) stimmten zu 96,7 % mit der Registrierung der tatsächlichen Anzahl der täglichen AM-Anwendungen unter direkter Verhaltensbeobachtung sowie zu 96,9 % mit der ausgewogenen Gewichtsdifferenz des DA-Kanisters (AM-Schwundmessung) überein. Die interne Konsistenz (Übereinstimmungsvalidität) zwischen der Tagesanzeige (Anzahl Auslöser pro Tag) und der Anzeige der verbleibenden Einzeldosen im Behältnis erbrachte eine Übereinstimmung von 99,8 %. Sämtliche Werte fielen unter klinischen Bedingungen und in der realen Versorgungspraxis ähnlich gut aus. Zudem wurde das Doser-Gerät erstmals parallel mit dem „Nebulizer-Chronolog” eingesetzt, um die Übereinstimmungsvalidität beider MEMS mit den unmittelbaren Selbstbeobachtungsdaten im direkten Vergleich zu testen. Das Ergebnis belegte eine höhere externe Validität des Dosers (97,2 %) gegenüber dem bereits seit Jahren verwendeten und wesentlich teureren Chronolog (92,5 %).

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Die Compliance-Parameter

Die mit dem Doser messbare Medikamenten-Compliance lässt sich auf drei unterschiedlichen Dimensionen operationalisieren (vgl. Kasten 1).

Kasten 1Operationalisierungsebenen der Compliance auf Basis von Doser-Messungen
1) Definitionsperspektive der Compliance
- zeitraumbezogen: Einhaltung der Verschreibung über einen definierten Zeitraum (Anzahl der Behandlungstage),
- mengenbezogen: Einhaltung einer minimalen Wirkstoffgesamtmenge,
- kontinuitätsbezogen: unterbrechungsfreie Einhaltung der Verschreibung über einen definierten Zeitraum;
2) quantitative Ausprägung der Compliance (absolute vs. relative Definition nach klinisch relevanten Trennpunkten, ab wie viel Prozent Abweichung Non-Compliance besteht);
3) qualitative Klassifizierung von Patienten (nach spezifischer Perspektive und Trennkriterien).

Der Übersichtlichkeit halber sind diese drei unterschiedlichen Dimensionen der Compliance-Operationalisierung in Abb. [2] dargestellt. Wie ersichtlich, kann Compliance jeweils nach einem zeitbezogenen (definierter Zeitraum oder Zeitpunkte mit vs. ohne Compliance) bzw. mengenbezogenen (Übereinstimmung der verschriebenen und applizierten Wirkstoffmenge) Kriterium bestimmt werden. Für den zeitbezogenen Aspekt können unterschiedliche Zeitfenster (z. B. Anzahl der Tage über den Untersuchungszeitraum oder Intervalle mit Einnahmekontinuität vs. -unterbrechungen) definiert werden. Alle diese Kategorien können prinzipiell wiederum nach unterschiedlichen Trennpunkten für die Abgrenzung zwischen Compliance und Non-Compliance (totale vs. ausreichende Einnahmekonformität) differenziert werden. Und schließlich lässt sich aus jeder der möglichen Kombinationen dieser beiden Dimensionen noch die prozentuale Anzahl der Patienten bestimmen, die diese Merkmale bzw. Merkmalskombinationen erfüllen oder nicht. Somit lassen sich insgesamt zwölf unterschiedliche Maße für Compliance (in der Abb. [2] repräsentiert als Blöcke) unterscheiden.

Im Einzelnen lassen sich auf Basis der Doser-Aufzeichnungen folgende - in der Forschungspraxis meist alternierend verwendete - Compliance-Parameter bestimmen, welche in dieser Studie für dieselben Patienten parallel ermittelt wurden:

  1. Zunächst stellt das durchschnittliche Ausmaß der Fehldosierungen bei Asthma einen klinisch relevanten globalen Indikator (Durchschnittswerte für die Gesamtstichprobe) für die adherence dar (Mengen-Compliance). Dieses lässt sich wiederum bestimmen a) als Differenz der Summe aller verschriebenen und der Summe aller tatsächlich applizierten Einzeldosen (als Summendifferenz für die Gesamtstichprobe oder gemittelte Gesamtdosisdifferenz aller Einzelpatienten) oder b) als die von allen Patienten kumulierten Abweichungen der Tagesdosen pro Patient über den Untersuchungszeitraum (gemittelte Differenz der für jeden Patienten addierten abweichenden Tagesdosiereinheiten von der individuell verschriebenen Tages-Gesamtdosis).

  2. Ein anderer bedeutsamer globaler Indikator ist die prozentuale Anzahl der Tage, an denen die Patienten der Stichprobe ihr Arzneimittel korrekt vs. nicht korrekt eingenommen haben (Zeitraum-Compliance). Dabei wurde der Prozentsatz der Tage mit vollständiger Compliance auf Basis der Summe der dokumentierten Behandlungstage des jeweiligen Patienten ermittelt. Dieser Indikator lässt sich wiederum nach drei Kriterien darstellen: die prozentuale Anzahl der Tage mit korrekter Dosierung, mit Unter- oder Überdosierung.

  3. Zudem ist die richtige Medikamenteneinnahme auch durch die Kontinuität bzw. Gleichmäßigkeit der korrekten Applikation bestimmt. Da die kumulierten Werte nichts über eventuelle zeitliche Schwankungen im Einnahmeverhalten aussagen, könnten sie zu falsch positiven Beurteilungen der Compliance führen. Mit Hilfe der Doser-Daten lassen sich aber auch Einnahmepausen („drug holidays”) oder Therapieunterbrechungen („on-off-Compliance”) identifizieren. Da gerade das abrupte Absetzen von Medikamenten ein besonderes Risiko darstellt, bildet die Einnahmekontinuität einen eigenen wichtigen Compliance-Indikator. Als Parameter für eine befriedigende adherence kann in diesem Kontext a) ein Minimalzeitraum von einer Woche betrachtet werden, während der die Dosierung ohne Unterbrechung korrekt erfolgt (7-Tages-Intervall der Compliance) oder umgekehrt b) ein maximales Tagesintervall von Therapieunterbrechung („drug holidays”) bis zu dem noch von einer ausreichenden Therapieeffektivität ausgegangen werden kann (z. B. ≥ 3 Tage Unterbrechung = Non-Compliance).

  4. Schließlich lässt sich für jeden der beschriebenen Compliance-Indikatoren der prozentuale Anteil der Patienten bestimmen, der dieses Kriterium erfüllt. In diesem Fall bezieht sich die Compliance-Rate nicht auf durchschnittliche Stichprobenwerte, sondern auf Untergruppen von Patienten, die nach unterschiedlichen Kriterien als compliant oder non-compliant eingestuft werden können; im Einzelnen der prozentuale Anteil der Patienten mit
    - einer ausreichenden Wirkstoffgesamtmenge über den Untersuchungszeitraum,
    - einer klinisch ausreichenden Anzahl von Behandlungstagen mit vollständiger Einhaltung der Verschreibung,
    - tageszeitlich vollständig korrekter Einhaltung der Verschreibung (in Bezug auf die Anzahl der Tage und die Wirkstoffgesamtmenge pro Tageszeit) und
    - ausreichender Einnahmekontinuität bzw. signifikanten Therapieunterbrechungen.

Die getrennte Darstellung nach a) den kumulierten einzelnen Messereignissen (Tagesanzahl, Dosierungsabweichungen, Einnahmeintervalle) über die gesamte Stichprobe und b) nach prozentualen Anteilen von Patienten, die ein bestimmtes Compliance-Kriterium erfüllen oder nicht, erlaubt unterschiedliche Aussagen: Die Identifikation der jeweiligen Anzahl von Patienten, die nach unterschiedlichen Kriterien als compliant oder non-compliant einzustufen sind, verweist auf die Relation der Patientensubgruppen, bei denen aufgrund ihrer Therapiemitarbeit ausreichende Behandlungserfolge zu erwarten sind bzw. derjenigen, die ggfs. spezieller Unterstützung bedürfen (Patiententypologie). Die Verteilung der Messereignisse in der Stichprobe repräsentiert demgegenüber die relative Bedeutung bestimmter, durchschnittlich auftretender Non-Compliance-Verhaltensweisen der Patienten, die möglicherweise Rückschlüsse auf spezifische Ansatzpunkte für Interventionen zur Compliance-Verbesserung zulassen (Verhaltenstypologie). Da mehrere non-compliante Verhaltensmuster bei demselben Patienten vorkommen können, würde die alleinige Darstellung der Prozentanteile von Patienten mit ausreichender vs. unzureichender Einhaltung der Verschreibung möglicherweise zu Fehlschlüssen in Bezug auf die zugrunde liegenden Verhaltensbedingungen führen.

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Stichprobe

Es nahmen insgesamt n = 117 Patienten mit chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen der Ambulanz der Allergie- und Asthmaklinik Bad Lippspringe an der Studie teil. Diese erhielten ein Doser-Gerät zu ihrem Dosieraerosol und wurden instruiert, dieses über einen Zeitraum von vier Wochen wie gewohnt zu benutzen. Die Patienten wurden über den Zweck der Untersuchung aufgeklärt, aber die Funktionsweise des Dosers (exakte Registrierung des AM-Gebrauches) nicht genau erklärt, sondern darauf hingewiesen, dass das Gerät primär zur Selbstkontrolle der AM-Einnahme diene (halbverdeckte Compliance-Messung).

Von den Patienten mit unterschiedlichen pneumologischen Diagnosen, die bis zum Ende der Studie teilnahmen und verwertbare Datensätze lieferten, wurden für die vorliegende Auswertung aus Vergleichbarkeitsgründen nur erwachsene Patienten (≥ 16 Jahre) mit Asthma bronchiale (n = 67) bzw. asthmaähnlichem Störungsbild (n = 9) oder Zusatzdiagnose chronisch-obstruktive Bronchitis (n = 11) einbezogen. Somit reduzierte sich der Stichprobenumfang auf n = 87 Patienten im Alter zwischen 16 und 78 Jahren (mean age = 43,7 Jahre), darunter 48 % Männer und 52 % Frauen. Die Chronizität der Erkrankung lag durchschnittlich bei knapp 4 Jahren (min. = 0;4, max. = 25;0), die Krankheitsschweregrade verteilten sich folgendermaßen: 54 % leicht, 14 % mittelgradig, 5 % schwer. 51 % der Patienten litten unter einer allergischen, 23 % unter einer nichtallergischen Asthmaform und 26 % unter Asthma vom Mischtyp. Unter den Patienten befanden sich 63 % Nichtraucher, 18 % Exraucher und 15 % aktive Raucher (missings = 3 %). Die klinische Symptomatik nach Patientenangaben (während der letzten Woche vor Behandlungsbeginn) verteilte sich in der Stichprobe wie folgt:

Alle Patienten erhielten als Dauermedikation ein inhalatives Glukokortikoid (Beclomet®) sowie ein inhalatives β2-Sympathomimetikum (Salbutamol®) nach Bedarf verschrieben, wobei die hier vorgestellte Compliance-Registrierung sich ausschließlich auf die Beclomet®-Anwendung bezog. Die mittlere Verschreibungsdosis lag bei 2,3 Dosen Beclomet® am Tag (min.-max.: 1 - 4): 1 DE/Tag (3 %), 2 DE/Tag (79 %), 3 DE/Tag (1 %), 4 DE/Tag (16 %). Die durchschnittliche verschriebene monatliche Gesamtdosis pro Patient betrug ca. 70 Hübe (min.-max. 30,4 - 121,7 Einzeldosen im Monat).

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Ergebnisse

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Mengen-Compliance: Diskrepanz zwischen der Summe der korrekten AM-Anwendungen vs. Fehldosierungen (Gesamtstichprobe)

Als Indikator für die Durchschnitts-Compliance in einer Stichprobe kann zunächst die Übereinstimmung zwischen der verschriebenen und der applizierten Wirkstoffmenge (Summe der Einzeldosen) über den Untersuchungszeitraum betrachtet werden. Dieser Abgleich kann auf drei Arten geschehen:

  1. als Vergleich aller verschriebenen und aller verabreichten Hübe über die Gesamtstichprobe und den gesamten Untersuchungszeitraum (absolute Gesamtdosisdifferenz),

  2. über den Vergleich aller verschriebenen und aller verabreichten Hübe pro Einzelpatient, die anschließend für die Stichprobe kumuliert und gemittelt werden (durchschnittliche Gesamtdosisdifferenz) oder

  3. über den Vergleich der Abweichungen der verschriebenen vs. eingenommenen Tagesdosen, die über die Stichprobe aufsummiert und gemittelt werden (gemittelte individuelle Tagesabweichungen).

Diese Vergleichswerte lassen sich in Summendifferenzen ausdrücken, die dann das Ausmaß der mengenbezogenen Non-Compliance repräsentieren. Bei diesen Compliance-Parametern handelt es sich allerdings um Durchschnittswerte der Gesamtstichprobe, die keinerlei Aussagen über die Relation von complianten oder non-complianten Patienten erlauben. Sie sollten daher nicht als „Compliance-Rate” interpretiert werden, geben aber dennoch wertvolle Hinweise für den durchschnittlichen quantitativen Grad der Abweichung der eingenommenen Wirkstoffmenge von der Verschreibungsdosis.

Im ersten Fall ergibt sich eine Diskrepanz zwischen der insgesamt verschriebenen Wirkstoffmenge (5205 Dosiseinheiten - DE für alle Patienten) und dem tatsächlich Gesamtarzneimittelverbrauch (Anzahl von applizierten DE: 4495 Hübe) von lediglich 13,6 %. Auf Basis dieser globalen AM-Schwundmessung ergäbe sich also eine Compliance-Rate von 86,4 %. Sehr ähnlich fällt die für jeden Einzelpatienten ermittelte und anschließend für die Gesamtstichprobe aufaddierte Differenz zwischen der individuellen Gesamtverschreibungsdosis (z. B. 120 Hübe/Monat) und der tatsächlichen Verabreichungen (z. B. 90 Hübe/Monat) aus: durchschnittlich 12,3 % Abweichung von der Verschreibungsmenge (87,7 % Compliance). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei diesen Summenvergleichen (u. U. extrem) abweichende Einnahmemuster (wie drug-dumping, drug-holidays) nicht erfasst werden und daher zu einer erheblichen Überschätzung der tatsächlichen Compliance führen können.

Aussagekräftiger ist der Grad der durchschnittlichen Abweichung der eingehaltenen von den verschriebenen Tagesdosen (z. B. 2-2-2). Dabei lässt sich sowohl die Summe der insgesamt in einem Monat registrierten Abweichungen von der Tagesverschreibung der einzelnen Patienten bestimmen als auch die Über- und Unterdosierungen differenziell darstellen. In diesem Fall beträgt die durchschnittliche Differenz zwischen Verschreibungs- und Einnahmemenge bezogen auf die Tagesdosen immerhin fast 40 %, davon 26 % Unter- und 14 % Überdosierungen. Das heißt, weniger als zwei Drittel aller verschriebenen Tagesdosierungen wurden tatsächlich eingehalten.

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Zeitraum-Compliance: Anzahl der Behandlungstage mit korrekter vs. abweichender Dosierung (Gesamtstichprobe)[2]

Als zweiter gebräuchlicher Indikator für die durchschnittliche Compliance soll die (prozentuale) Anzahl der Tage mit verschreibungskonformer vs. abweichender Dosierung bezogen auf die Gesamtstichprobe betrachtet werden. Dabei handelt es sich ebenfalls um gemittelte Werte aller Patienten, die den Durchschnitt der tagesbezogenen Compliance repräsentieren und keine Aussagen über Subgruppen der Patienten erlauben. Da bei der Ermittlung der Anzahl der Behandlungstage mit korrekter bzw. abweichender Dosierung eine Differenzierung nach dem Ausmaß der jeweiligen Diskrepanz der eingenommenen zur verschriebenen Tagesdosis (z. B. < 75 % der Tagesdosis = Non-Compliance) im Falle der inhalativen Applikation aufgrund der geringen Anzahl messbarer AM-Ereignisse nicht möglich ist, kann lediglich dichotom getrennt werden zwischen Tagen mit maximaler Compliance einerseits und Tagen mit Dosisabweichungen jeglicher Ausprägung andererseits (absolutes Trennkriterium). Dementsprechend wurde ausreichende Compliance hier definiert als vollständige Einhaltung der Verschreibungsdosis an mindestens 75 % der Behandlungstage.

Der durchschnittliche Anteil der Behandlungstage mit vollkommen korrekter AM-Einnahme betrug in der hier untersuchten Stichprobe immerhin fast die Hälfte (48 %), der Anteil der Tage mit Unterdosierung gut ein Drittel (37 %) und der mit Überdosierung 15 %. Auf Basis des Parameters „Anteil der Behandlungstage mit optimaler Compliance” ergibt sich somit eine Non-Compliance-Rate von 52 %, d. h. an über der Hälfte aller registrierten Behandlungstage wurden die Verschreibungen nicht korrekt umgesetzt.

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Einnahmekontinuität: Ausreichende Einnahme ohne Unterbrechungen

Über die reine Anzahl der Tage mit korrekter Compliance hinaus ist auch deren Verteilung über den Behandlungszeitraum klinisch relevant, da ein Dauermedikament erst über eine möglichst kontinuierliche Einnahme seine volle Wirksamkeit entfalten kann. Längere Unterbrechungen der Wirkstoffzufuhr am Stück wirken sich viel gravierender aus als die gleiche Anzahl von einzelnen Therapiepausentagen und sind daher als eigenes Kriterium zur Bestimmung von Non-Compliance heranzuziehen. Außerdem können infolge von „drug holidays” nicht nur Therapieeffekte prophylaktischer Medikationen aufgehoben, sondern durch abrupte Schwankungen des Wirkstoffspiegels besondere AM-Risiken (z. B. Rebound-Effekt) verursacht werden (vgl. Mühlig, Petermann & Bergmann, in diesem Heft).

Das Zielverhalten Einnahmekontinuität lässt sich a) entweder positiv (klinisch relevante Sequenzlänge von unterbrechungsfreier AM-Einnahme) oder b) negativ (als klinisch definierte kritische Sequenz von Tagen mit Therapieunterbrechung) definieren. Als klinisch relevante Tagessequenz vollständiger Medikamenten-Compliance wurde hier ein 1-Wochen-Zeitraum (7 Tage) festgelegt, wohingegen „drug holidays” als Therapiepause von ≥ 3 zusammenhängenden Tagen bestimmt wurden.

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Mehrtagesintervall optimaler Compliance

Betrachtet man zunächst alle Mehrtagesintervalle (≥ 2 Tagen) mit vollständig verschreibungskonformem Einnahmeverhalten (in Bezug auf die Tagesdosis) unabhängig von ihrer unterschiedlichen Länge, ergibt sich eine Gesamtanzahl von 315 derartigen Sequenzen in der Stichprobe. Im Mittel wurden je Patient 3,6 derartige Compliance-Intervalle beobachtet (min.-max.: 0 - 9). Die durchschnittliche Länge derartiger Intervalle mit vollständig korrekter Dosierung lag bei 4,3 Tagen (= 15,7 % der Beobachtungstage), variierte aber zwischen zwei und 18 Tagen (= 6,7 % - 60 % der Untersuchungstage). Im Durchschnitt gelang es den Patienten also nur, gut vier Tage ohne Unterbrechung ihre Verschreibung optimal einzuhalten. Keiner der Untersuchungsteilnehmer erreichte eine Compliance-Sequenz von mehr als 18 Tagen. Um diese absoluten Angaben am Untersuchungszeitraum zu relativieren, ist der prozentuale Anteil der Compliance-Intervall-Tage von Interesse: Die Anzahl der Tage, welche in ein Compliance-Intervall (≥ 2 Tage) fielen, betrug im Mittel für jeden Patienten 11,6 Tage (= 41,7 % der Beobachtungsdauer) und variierte von null bis 29 Beobachtungstagen. Das heißt, immerhin gut zwei Fünftel der Behandlungstage mit optimaler Compliance gingen jeweils ein Tag mit inkorrekter AM-Anwendung voraus bzw. folgte ihm. Fast ein Drittel aller derartigen Compliance-Mehrtagesintervalle erstreckte sich dementsprechend über lediglich 1 - 2 Tage, 45 % über 3 - 4 Tage und weitere 18 % über 5 - 6 Tage.

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Tagesintervall optimaler Compliance

Bei der Betrachtung des Zielparameters 7-Tages-Intervall ohne Therapieunterbrechung stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Insgesamt wurden in der Stichprobe 38 solcher Sequenzen registriert. Dabei wiesen 18 Patienten ein Intervall und zehn Patienten zwei derartige Intervalle auf. Im Mittel wurde je Patient eine Häufigkeit von nur 0,4 in Bezug auf die definierten ≥ 7-Tages Compliance-Intervalle beobachtet. Die Anzahl der Tage, welche in ein solches ≥ 7-Tages-Compliance-Intervall fielen, betrug insgesamt 362 Tage, also im Mittel nur 4,2 Tage (= 14,7 % der Untersuchungsdauer; min.-max.: 0 - 29 Tage) pro Patient. Werden nur die Patienten betrachtet, die überhaupt eine solche Sequenz aufwiesen, beträgt die mittlere Anzahl der zusammenhängenden Compliance-Tage 12,9 (= 45,2 % der Behandlungstage) und die durchschnittliche Länge von zusammenhängenden Compliance-Sequenzen (≥ 7 Tage) 9,5 Tage (= 23,3 % - 60,0 % der Beobachtungstage; min.-max.: 7 - 18 Tage).

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Therapieunterbrechungen („drug holidays”)

a) jegliche Einnahmepausen: Da an 84,5 % aller Behandlungstage mindestens eine Applikation registriert wurde, lag der Anteil der geprüften Behandlungstage mit vollständiger Einnahmeverweigerung oder Einnahmepausen bei nur 15,5 % (vgl. Tab. [1]). Die mittlere Anzahl der Einnahmepausen - ohne Berücksichtigung von deren Länge - je Patient lag bei 1,2 (min.-max.: 0 - 6 Therapieunterbrechungssequenzen). Die durchschnittliche Länge der Therapiepausenintervalle über die Stichprobe gemittelt lag bei 4,1 Tagen (= 15,2 % der Beobachtungstage; min.-max.: 1 - 30). Die Anzahl der Behandlungstage, welche in ein Pausenintervall fielen, beträgt im Mittel für jeden Patienten 4,2 Tage (15,5 % der Behandlungsdauer; min.-max.: 0 - 30 Tage).

b) drug holidays (≥ 3 Tage): Die mittlere Anzahl der drug holidays (von mindestens drei Tagen Länge) pro Patient beträgt 0,43 (vgl. Tab. [3]). Im Durchschnitt trat also nur bei höchstens der Hälfte der Stichprobenpatienten mindestens ein „drug holidays”-Ereignis auf, allerdings mit einer erheblichen Spannbreite (min.-max.: 0 - 3). Ohne Berücksichtigung ihrer Länge ist die bloße Anzahl von Therapiepausentagen aber wenig aussagekräftig, da ein Patient fast über den gesamten Untersuchungszeitraum zusammenhängend non-compliant sein könnte, aber nur mit einer einzigen Therapieunterbrechung registriert würde. Da ohne definierte Bezugsgröße Anzahl und Länge der Therapiepausen inhaltlich also nicht interpretierbar sind, ist zusätzlich jeweils die Relation zur Gesamtzahl der dokumentierten Behandlungstage der Patienten zu berücksichtigen: Im Mittel wies jeder Patient der Stichprobe 3,2 drug-holidays-Tage auf. In der Relation zwischen der Gesamtzahl aller drug-holidays-Tage (277 Tage) und der Gesamtzahl der dokumentierten Behandlungstage (hier: 2325 registrierte Tage von allen Patienten) ergibt sich ein Durchschnittsanteil der Therapiepausentage von 11,9 % des Beobachtungszeitraumes über die Gesamtstichprobe. Unter Einbeziehung nur derjenigen Patienten, die mindestens ein drug-holidays-Ereignis aufwiesen, beträgt der Anteil der Therapiepausentage aber sogar 41,3 % am Untersuchungszeitraum und die tatsächliche mittlere Anzahl von drug-holidays-Tagen 11,1 Tage.

Da bei der Berechnung der Therapiepausenlänge durch Einbeziehung der Gesamtstichprobe (d. h. auch der Patienten ohne drug holidays) deren tatsächliche Größenordnung „weggemittelt” würde, interessieren hier primär die Patienten mit tatsächlich aufgetretenen drug holidays. Werden nur diese zugrunde gelegt, liegt die durchschnittliche Therapiepausenlänge je Patient bei 8,2 Tagen (30,1 % der Behandlungstage). Sofern also überhaupt Therapiepausen bei den Studienteilnehmern auftraten, erstreckten diese sich im Durchschnitt über den relativ langen Zeitraum von über einer Woche ohne jegliche Wirkstoffzufuhr - und machte damit im Durchschnitt fast ein Drittel des untersuchten Behandlungszeitraumes dieser Patienten aus.

Tab. 1Tagesmengenbezogene Non-Compliance (Mittelwert der Gesamtstichprobe)
nCl (-95 %)Cl (+95 %)min.-max.SDSEmean M
prozentualer Anteil der Ab-weichung von der Tagesgesamt-dosis (kumulierte absolute Tages-differenzen: Verschreibungsdosis - eingenommene Dosis über dieGesamtstichprobe gemittelt)8632,5846,291,67 - 164,2931,983,4539,4
prozentualer Anteil der Unter-dosierungen8620,5131,230,00 - 100,025,012,7025,87
prozentualer Anteil der Über-dosierungen869,7617,370,00 - 90,4817,751,9113,57
Tab. 2Zeitraumbezogene Patienten-Compliance (Mittelwert der Gesamtstichprobe)
nCl (-95 %)Cl (+95 %)min.-max.SDSEmean M
prozentualer Anteil der Untersuchungs-tage mit korrekter Dosierung8642,4653,830,0 - 96,726,522,8648,1
prozentualer Anteil der Untersuchungs-tage mit Unterdosierung8631,1542,650,0 - 100,026,812,8936,9
prozentualer Anteil der Untersuchungs-tage mit Überdosierung8611,7918,120,0 - 76,1914,761,5915,0
prozentualer Anteil der Untersuchungs-tage mit mindestens einer Dosierungs-einheit8679,090,00,0 - 100,025,642,7684,5
Tab. 3Einnahmekontinuität vs. -unterbrechungen
nCl (-95 %)Cl (+95 %)min.-max.SDSEmean mean
Anzahl der Intervalle mit korrekter Compliance (≥ 1 Tage)863,904,790,0 - 9,02,070,224,35
mittlere Länge der Intervalle mit korrekter Compliance (≥ 1 Tage)822,713,651,0 - 14,52,140,243,18
mittlere prozentuale Länge der Intervalle mit korrekter Compliance (≥ 1 Tage)8210,2113,353,3 - 48,37,150,7911,78
Anzahl der Intervalle mit korrekter Compliance (≥ 2 Tage)862,403,110,0 - 7,01,650,182,76
mittlere Länge der Intervalle mit korrekter Compliance (≥ 2 Tage)753,784,892,0 - 14,52,420,284,33
mittlere prozentuale Länge der Intervalle mit korrekter Compliance (≥ 2 Tage)7513,8517,596,7 - 48,38,110,9415,72
Anzahl der Intervalle mit korrekter 7-Tages-Compliance860,290,590,0 - 2,00,700,080,44
mittlere Länge der Intervalle mit korrekter 7-Tages-Compliance288,4610,617,0 - 17,02,770,529,54
mittlere prozentuale Länge der Intervalle mit korrekter 7-Tages-Compliance2830,0237,4423,3 - 56,79,571,8133,73
Anzahl der Intervalle mit Therapieunter-brechung (≥ 1 Tag)860,851,530,0 - 6,01,590,171,19
mittlere Länge der Intervalle mit Therapieunterbrechung (≥ 1 Tag)442,285,961,0 - 30,06,050,914,12
mittlere prozentuale Länge der Intervalle mit Therapieunterbrechung (≥ 1 Tag)448,9721,363,3 - 100,020,393,0715,17
Anzahl der Intervalle mit tagesbez. drug holidays (≥ 3 Tage)860,270,590,0 - 3,00,760,080,43
mittlere Länge der Intervalle mit drug holidays (≥ 3 Tage)254,9211,393,0 - 30,07,841,578,15
mittlere prozentuale Länge der Intervalle mit drug holidays (≥ 3 Tage)2519,5940,5710,0 - 100,025,405,0830,08
Tab. 4Prozentualer Anteil der Patienten, die sich an x % der Tage absolut an die tägliche Verschreibungsdosis hielten, unter- oder überdosierten
Behandlungstagetotale Compliance (Anteil Patienten)Unterdosierung (Anteil Patienten)Überdosierung (Anteil Patienten)
≥ 75 % der Behandlungstage19,8 %14,0 %1,2 %
50 - 74 % der Behandlungstage33,7 %14,0 %2,3 %
< 50 % der Behandlungstage46,5 %72,1 %96,5 %
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Anteil der Patienten mit ausreichender Compliance

Für die Bestimmung von Compliance-Raten wird als dritter Indikator der prozentuale Anteil von Patienten, die die jeweiligen klinisch relevanten Kriterien für Therapiemitarbeit erfüllen, herangezogen. Da aber für die Klassifizierung der Patienten als compliant vs. non-compliant die absolute Einhaltung der Verschreibung ein zu restriktives Kriterium darstellt, wurde auf der Basis der Einschätzung, bis zu welchem Grad von Therapiebefolgung noch eine ausreichende therapeutische Effektivität der Wirksubstanz zu erwarten ist, ein entsprechender Trennpunkt definiert. Im Fall der Glukosteroide wurde hier von einer maximal tolerierbaren Abweichung von 25 % ausgegangen und die Patienten mit über diesem Grenzwert liegenden Differenzen von der Verschreibung als non-compliant eingestuft. Die 25 %-Grenze gilt hier sowohl in Bezug auf die Gesamtmenge der Abweichungen von der Verschreibungsdosis als auch in Bezug auf die Anzahl der Tage, an denen die Patienten sich vollkommen compliant verhielten oder nicht.

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Prozentualer Anteil der Patienten mit ausreichender Wirkstoffgesamtmenge über den Untersuchungszeitraum (alle verschriebenen vs. alle eingenommenen Einzeldosen)

Als Compliance-Indikator soll zunächst wieder die Differenz zwischen der für den Untersuchungszeitraum verschriebenen Gesamt-Dosis (z. B. 2-2-2 für 30 Tage = 180 Hübe) und der tatsächlich insgesamt eingenommenen Wirkstoffgesamtmenge herangezogen werden. Bezogen auf die Patientenanteile nach den definierten Trennkriterien ergibt sich folgendes Bild:

Immerhin 79 % der Patienten applizierten sich über den Untersuchungszeitraum eine ausreichende Wirkstoffgesamtmenge von ≥ 75 % der verschriebenen Gesamt-Dosis, weitere 10,5 % der Patienten erreichten eine Gesamtwirkstoffmenge zwischen 50 % und 74 % und ebenfalls 10,5 % applizierte sich eine absolut unzureichende Menge von < 50 % der verschriebenen Gesamtdosis.

Bezogen auf die summierten Abweichungen der eingenommenen von den applizierten Tagesdosen, ergibt sich ein ähnliches Resultat: Der Anteil der Patienten, die im Mittel zu mindestens 75 % der Tagesdosen von der Verordnung abwichen, betrug 14 %, der Anteil mit Ist-Soll-Differenzen von 50 - 75 % ihrer Verschreibungsdosis 11,6 %, während drei Viertel der Patienten weniger als 50 % Wirkstoffmengenabweichungen aufwiesen.

Differenziert nach den prozentualen Anteilen von Patienten mit systematischer Unter- und Überdosierung betrachtet, zeigt sich, dass der Anteil der Unterdosierer erwartungsgemäß weit überwiegt. In Bezug auf das differenzielle Ausmaß der Unterdosierungsmuster wiesen 84 % der Patienten eine Übereinstimmung der Soll- und Ist-Dosis von < 50 % auf. Aber immerhin je 8 % zeigten deutliche Unterdosierungen um 51 - 75 % bzw. sogar über 75 % der Verschreibungsdosis. Demgegenüber zeigten 95 % der Patienten Überdosierungen von < 50 %, und nur verschwindende 5 % Überdosierungen um mehr als 50 % der Verschreibungsdosis.

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Prozentualer Anteil der Patienten mit ausreichender Anzahl von Tagen mit vollständiger Compliance

Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei Zugrundelegung einer ausreichenden Anzahl von Compliance-Tagen als Compliance-Indikator: Nur knapp ein Fünftel (19,8 %) aller untersuchten Patienten folgte an mindestens drei Viertel des Untersuchungszeitraumes der Verschreibung, ein weiteres Drittel (33,7 %) der Patienten waren an 50 - 74 % der Behandlungstage voll compliant und fast jeder zweite Patient (46,5 %) hielt sich an weniger als der Hälfte der Behandlungstage vollständig an die ärztliche Verschreibung. Daraus folgt, dass nach dem oben beschriebenen Trennkriterium in Bezug auf diesen Compliance-Indikator 80,2 % der Patienten als non-compliant einzustufen wären.

Dabei gelang jedem 20. Patienten (5 %) nicht einmal ein einziger Tag mit vollständig korrekter Einhaltung der verschriebenen Dosierung, immerhin 17 % nur bis zu fünf Tagen (< 20 % der Behandlungstage) und weiteren 15 % nur zwischen fünf und zehn Tagen (21 - 40 % der Behandlungstage). Nur 13 % der Patienten waren an mehr als 80 % der Behandlungstage voll compliant.

In Bezug auf den prozentualen Anteil der Patienten, die zu systematischer Unterdosierung neigen, zeigt sich, dass sich immerhin je 14 % der Patienten an mehr als der Hälfte resp. sogar an mehr als drei Viertel der Behandlungstage unterdosierten. Bei weniger als drei Viertel (72,1 %) der Patienten blieb der Anteil der Tage mit Unterdosierungen unter 50 %. Nur bei 2,3 % wurde überhaupt kein Unterdosierungstag registriert, bei fast einem Drittel aller Patienten (32,6 %) blieb der Anteil der Tage mit Unterdosierungen unter 20 %, und bei weiteren 29 % lag er zwischen 20 % und 40 % der beobachteten Behandlungsdauer.

Demgegenüber fiel der Anteil der Patienten mit systematischer Überdosierung („Hypercompliance”) wesentlich weniger gravierend aus: Bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten (96,5 %) blieben die Tage mit Überdosierungen unter einem Anteil von 50 % der beobachteten Behandlungssequenz, nur bei 2,3 % kamen Überdosierungen an 51 % - 75 % der Behandlungstage vor und bei einem Patienten (1,2 %) sogar an drei Viertel der Behandlungstage. Bei immerhin 14,0 % der Patienten wurde überhaupt kein Tag mit Überdosierungen festgestellt, bei 60,5 % beschränkte sich der Anteil der Überdosierungstage auf höchstens fünf, und bei weiteren 20,9 % auf sechs bis zehn Tage.

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Prozentualer Anteil der Patienten mit ausreichender Einnahmekontinuität (absolut)

Nur ein Drittel der Patienten (32,5 %) schaffte es, mindestens einmal sieben Tage ohne Unterbrechung ihre Verschreibung korrekt einzuhalten: Bei einem Fünftel (20,9 %) konnte ein ≥ 7-Tages-Intervall und bei weiteren 11,6 % sogar zwei derartige Intervalle beobachtet werden. Somit waren insgesamt über zwei Drittel (67,5 %) der Patienten nicht in der Lage, ihre Verschreibung mindestens eine Woche ohne Unterbrechung korrekt einzuhalten (bei einem durchschnittlichen Erhebungszeitraum von 27 Tagen) und wären nach diesem Kriterium als non-compliant einzustufen. Kein Patient war länger als 18 Tage (66,6 % der Beobachtungsdauer) ununterbrochen compliant, und immerhin 4,7 % der Patienten gelang sogar kein einziger Tag mit optimaler AM-Anwendung. Bei je 5,8 % betrug die Anzahl derartiger Tage genau sieben bzw. acht Tage, bei 3,5 % der Patienten zwischen neun und zehn, und bei insgesamt 17,4 % mehr als zehn Tage.

Werden alle Mehrtagesintervalle (> 1 Tag) ununterbrochener Verschreibungseinhaltung berücksichtigt, zeigt sich, dass 12,8 % der Patienten ihr AM so unregelmäßig einnahmen, dass überhaupt keine zusammenhängende Sequenz von Compliance-Tagen resultierte. Das heißt, diese Patienten unterbrachen die reguläre Einnahme an mindestens jedem zweiten Tag. Bei 11,6 % der Patienten wurde ein einzelnes Mehrtagesintervall registriert, bei 18,6 % zwei, bei 16,3 % drei und bei 29,1 % vier Intervalle. 11,6 % der Patienten wiesen zwischen fünf und sieben Mehrtagesintervalle auf. Gut ein Fünftel aller Patienten (12,0 %) wies Compliance-Mehrtagesintervalle in einer Länge von lediglich zwei Tagen im Mittel auf, 44,0 % zeigten einen zusammenhängenden Compliance-Zeitraum von drei bis vier Tagen, 34,7 % zwischen fünf und sechs Tagen und weitere 9,2 % von sieben bis 16 Tagen.

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Prozentualer Anteil der Patienten mit Therapieunterbrechungen („drug holidays”)

Vorübergehende vollständige Therapiepausen - unabhängig von ihrer Länge - kamen insgesamt bei 44 der Patienten (= 51,2 %) vor: Bei 19 (22,1 %) der Patienten wurde eine Therapieunterbrechung während des Untersuchungszeitraumes festgestellt, bei acht (9,3 %) zwei Unterbrechungen, bei weiteren acht (9,3 %) drei Unterbrechungen, bei fünf (5,8 %) vier Unterbrechungen und bei vier (4,7 %) sogar mehr als vier Therapiepausen.

Wird das Kriterium „drug holidays” strenger definiert (nur Intervalle von ≥ 3 Tagen Therapieunterbrechung) ist bei 70,9 % der Patienten ist kein einziges drug-holidays-Ereignis zu verzeichnen. Dagegen findet sich knapp ein Drittel (29 %) Patienten mit durchschnittlich 8,2 Tagen Einnahmepausen. Insgesamt 17,4 % der Patienten wiesen eine Periode von mindestens drei Tagen „drug holidays” auf. Bei 11,6 % wurden mehrere Therapieunterbrechungen festgestellt, darunter kamen bei 9,3 % der Patienten Therapiepausen zwei mal und bei 2,3 % sogar drei mal vor.

Die Länge der „drug holidays” variierte zwischen drei und 30 Tagen, im Mittel waren es 8,2 Tage. In 52 % der Fälle blieb die Therapiepausenlänge unter fünf Behandlungstagen, während sie bei weiteren 28 % der Patienten zwischen fünf und zehn Tagen andauerte und bei 20 % sogar noch darüber lag. Dementsprechend lag bei 88,4 % der Patienten weniger als die Hälfte des Behandlungszeitraumes in einem drug-holidays-Intervall. Allerdings machte bei 8,1 % der Patienten der Anteil der drug-holidays-Tage mehr als die Hälfte (51 % - 75 %) und für 3,5 % sogar mehr als drei Viertel aller Behandlungstage aus.

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Zusammenfassung und Diskussion

Da Ziel dieser Studie der direkte Vergleich der Resultate bei unterschiedlicher Operationalisierung von „Compliance” war, wurden die unterschiedlichen - in der empirischen Forschung gebräuchlichen - Parameter der Compliance-Messung mittels MEMS parallel erhoben. Wie gezeigt werden konnte, resultieren bei derselben Stichprobe und unter Einsatz desselben Messinstrumentes tatsächlich höchst unterschiedliche Compliance-Raten, je nachdem, welche Definition und Untersuchungsperspektive zugrunde gelegt wird. Dabei wird deutlich, dass die isolierte Betrachtung jeweils einzelner Parameter zu einem verzerrten Bild der wahren Compliance führen muss. Daher bedarf es einer integrativen Interpretation und Bewertung dieser Resultate hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Zielrichtung und Aussagekraft, um die Patienten-Compliance einer kohärenten Beurteilung unterziehen zu können.

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Verteilungsmuster der Compliance in der Gesamtstichprobe (Stichprobenparameter)

Die globale Diskrepanz zwischen der über einen Untersuchungszeitraum verschriebenen und der während dieser Zeit wirklich verabreichten Wirkstoffgesamtmenge kann lediglich als Maß für den Umfang der definitiv nicht verwendeten AM-Menge und damit als Indikator für den richtignegativen Compliance-Befund angesehen werden, lässt aber viel Spielraum für falschpositive Interpretationen.

Die Übereinstimmung Verschreibungsmenge - Verabreichungsmenge fällt erwartungsgemäß sehr hoch aus: Die Summenkongruenz über die Gesamtstichprobe liegt bei 86,4 %, die Übereinstimmung der individuell verschriebenen vs. eingenommenen Gesamtdosen sogar bei 87,7 % (min.-max.: 0 % - 176,2 %). Insgesamt sind also absolut wie durchschnittlich gut vier Fünftel aller verschriebenen Hübe auch ausgelöst worden. Ohne Berücksichtigung der - interindividuell und zeitlich sehr variierenden - Einnahmemuster würden diese Ergebnisse eine fast optimale Compliance suggerieren. Zum einen besagt die Anzahl von DA-Auslösungen aber noch nichts darüber, ob das AM wirklich inhaliert oder lediglich in die Luft gesprüht wurde („dumping”, „test-firing”). Zum anderen kann die AM-Anwendungen intraindividuell (über die Zeit) sowie interindividuell sehr stark variieren, so dass bei der Betrachtung nur der durchschnittlichen Wirkstoffmengendifferenz ein Großteil der Patienten, die sich in Wirklichkeit stark abweichende AM-Dosen verabreicht hatten, übersehen würden. Insbesondere statistische „Ausreißer nach oben” können zu einer erheblichen Überschätzung der Gruppen-Compliance beitragen. Auch auf der Ebene des intraindividuellen Vergleiches der Gesamtverschreibungs- und Gesamtapplikationsdosis kommt es zu falsch positiven Ergebnissen, da der Summenvergleich eine gegenseitige Nivellierung von Unter- und Überdosierungsereignissen impliziert, die das Bild weiter verfälschen können. So könnte ein fiktiver Patient bspw. sechs Tage die Einnahme ganz einstellen und anschließend die versäumten Hübe durch Verdreifachung der Tagesdosis innerhalb von drei Tagen „ausgleichen”. In der Summe der Hübe würde er dann u. U. als maximal compliant (fehl-)eingeschätzt, während er tatsächlich aber sogar in doppelter Weise non-compliant (erst Einnahmepause, dann erhebliche Überkompensation) war. Neben der Tatsache non-complianten Verhaltens an sich würden in diesem Fall sowohl quantitative Aspekte wie die Länge des non-complianten Zeitraums insgesamt (9 Tage) und das Ausmaß der Überdosierung als auch qualitative Aspekte wie der abrupte Wechsel der Wirkstoffzufuhr unentdeckt bleiben. Es ist evident, dass derartige Summenmaße der Compliance, wie sie bspw. mittels mechanischer Zählwerke oder Restdosenanzeigen an den AM-Behältnissen praktiziert werden (AM-Schwundmessung = „pill-counting”-Methode) für sich genommen zu wenig sinnvollen Resultaten führen. Sie sind allerdings - wie noch gezeigt wird - als Korrektiv für die Interpretation der stringenten definierten Compliance-Indikatoren unverzichtbar.

Bedeutsamer für die Bestimmung der quantitativen Ausprägung von Non-Compliance in einer Stichprobe ist die Diskrepanz zwischen den verschriebenen und eingenommenen Wirkstoffmengen (= Anzahl der Hübe) pro Tag, also die Tagesdosenabweichung. Dieser Indikator basiert auf der Annahme, dass die Einhaltung der verschriebenen Tagesgesamtdosis (unabhängig von der tageszeitlich korrekten Einnahme) wenigstens näherungsweise eine korrekte Umsetzung der Therapieverordnungen reflektiert. Die durchschnittliche Abweichung von der verschriebenen Tagesgesamtdosis lag bei 39,4 %. Das heißt, immerhin mehr als ein Drittel aller verschriebenen Tagesdosen wurde nicht ordnungsgemäß eingehalten, sondern unter- bzw. überschritten. Die Betrachtung der Diskrepanz zwischen verschriebener und eingenommener Tagesgesamtdosis ist aber insensitiv gegenüber Tagesschwankungen der AM-Einnahme, da dabei alle durch den Patienten vorgenommenen Kompensationen innerhalb eines Tages nicht erfasst und einige Aspekte der tatsächlichen Non-Compliance damit nicht aufgedeckt werden können.

Die prozentuale Anzahl der Behandlungstage mit vollständiger Compliance über die Gesamtstichprobe stellt ein weiteres sehr verbreitetes Compliance-Maß in MEMS-Studien dar. Es bildet einen mittelwertbasierten Indikator für die durchschnittliche Ausprägung der Non-Compliance in der untersuchten Population. Der wesentliche Nachteil besteht darin, dass die Berechnung dieser Compliance-Tage auf einer dichotomen Einteilung (totale Compliance vs. jegliche Verschreibungsabweichung) beruht. Da also nur die Behandlungstage mit 100 %iger Einhaltung der verschriebenen Tagesdosis als „compliant” und alle Tage mit suboptimaler Anwendung (ohne Berücksichtigung der klinischen Relevanz der Ausprägung von Tagesdosisabweichungen) als „non-compliant” gezählt werden, bildet dieser Parameter ein überstrenges Maß zur Beurteilung der Patientenmitarbeit. Aus dieser Perspektive ist ein Anteil von 48,1 % der insgesamt über alle Patienten beobachteten Behandlungstage mit vollständiger Einhaltung der Tagesdosis zwar nicht optimal, aber nicht überzubewerten. Insbesondere unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gesamtmengendifferenzen relativiert sich der Eindruck einer vermeintlich „nur” 50 %igen Compliance deutlich. Dennoch kann es für den Kliniker nicht befriedigen, wenn seine Verschreibungen nicht an mehr als der Hälfte aller Behandlungstage vollständig eingehalten werden. Das Verhältnis von Tagen mit Unter- (36,9 %) und Überdosierung (15 %) entspricht den durchschnittlichen Ergebnissen in anderen Studien (vgl. Mühlig, Petermann & Bergmann, in diesem Heft). Patienten scheinen generell zu einer gewissen Übervorsichtigkeit in der AM-Einnahme zu tendieren oder die Einnahme aus unbeabsichtigten Gründen häufiger zu versäumen, woraus auf Dauer eine systematische Unterdosierung resultiert.

Die Einnahmekontinuität wurde zum einen über eine definierte Sequenz zusammenhängender Tage mit optimaler Compliance und zum anderen über eine relevante Anzahl von Tagen mit Therapieunterbrechungen („drug holidays”) bestimmt. Die klinisch relevante Anzahl von aufeinander folgenden Compliance-Tagen wurde hier auf eine Woche festgesetzt (7-Tages-Intervall), wobei wiederum nur die Tage mit optimaler Verschreibungseinhaltung einbezogen werden konnten. Die Setzung auf sieben Tage erfolgte unter Berücksichtigung der Länge des Untersuchungszeitraumes und klinischer Aspekte (für den Patienten spürbarer Therapieeffekt der topischen Steroide nach ca. 7 Tagen). Einen bedeutsamen Indikator für Non-Compliance stellen vollständige Therapieunterbrechungen dar, die eine kontinuierliche Wirkstoffversorgung beeinträchtigen und aufgrund abrupter Schwankungen in der Bioverfügbarkeit weitere Risiken verursachen können. Hier wurde als klinisch relevanter Trennpunkt eine Unterbrechungsdauer von mindestens drei zusammenhängenden Tagen definiert.

Vollständige Einnahmepausen, also Behandlungstage ohne jegliche AM-Ereignisse (≥ 1 Tag), traten in der hier untersuchten Stichprobe eher selten (15,5 % aller registrierten Patienten-Behandlungstage) auf. Durchschnittlich betrug die Anzahl derartiger Therapieunterbrechungen pro Patient nur 1,2 Ereignisse (Länge unberücksichtigt). Bezogen auf die „drug holidays” im engeren Sinne (Unterbrechungen ≥ 3 Tage) ergibt sich ein ähnliches Bild: Insgesamt nur gut ein Zehntel (12,0 %) der Behandlungstage fielen in ein längeres Unterbrechungsintervall. Derartige „drug holidays” traten durchschnittlich bei nicht einmal der Hälfte der Untersuchungsstichprobe auf. Das heißt, für die meisten Patienten gilt, dass sie zwar mindestens eine Therapiepause (unterschiedlicher Länge) einlegten, aber überwiegend ohne Unterbrechung regelmäßig Wirkstoff (jedoch in variierender Menge) eingenommen haben. In der Teilgruppe der Patienten, bei denen mindestens ein „drug holidays”-Ereignis auftrat, betrug der Anteil an allen Behandlungstagen allerdings 41,3 %. Das heißt, dass Patienten, die zu mehrtägigen Einnahmeunterbrechungen neigen, der Therapieerfolg sehr gefährdet erscheint, da sie durchschnittlich an fast der Hälfte der Therapietage keinerlei Wirkstoff einnehmen. Die durchschnittliche Länge vollständiger Einnahmeunterbrechungen betrug immerhin 4,1 Tage (15,2 % des Beobachtungszeitraumes) und fällt damit deutlich höher aus als erwartet: Offensichtlich ist die Nichteinnahme der AM nicht auf bloßes Vergessen an Einzeltagen zurück zu führen, da sie sich im Durchschnitt über mehrere Tage erstreckt. Es hat folglich den Anschein, dass die betroffenen Patienten eine bewusste Entscheidung zur intermittierenden Therapieunterbrechung treffen. Dabei handelt es sich möglicherweise um regelmäßige Auslassungsversuche, z. B. um sich von dem Medikament nicht abhängig zu fühlen, einer vermeintlichen Toleranzentwicklung gegenüber der Wirksubstanz entgegenzusteuern oder die Wirkung des AM zu „testen”. Die mittlere Länge der „drug holidays” ≥ 3 Tage betrug sogar 8,2 Tage (30 % des Beobachtungszeitraumes), d. h. diese Patienten blieben im Durchschnitt über eine Woche ohne jegliche Wirkstoffexposition. Es muss allerdings betont werden, dass es sich bei diesen Prozentwerten um rein deskriptive Größen handelt, die sämtliche Verteilungscharakteristika (interindividuelle Unterschiede) der Therapiepausentage in der Stichprobe außer Acht lassen. Die Relation zwischen der Anzahl der Tage mit signifikanter Einnahmeunterbrechung (von mindestens drei Tagen in Folge) und der Summe der untersuchten Behandlungstage kann also lediglich einen Anhaltspunkt für die relative Bedeutung des „drug holidays”-Phänomens in einer Stichprobe liefern. Im Vergleich zwischen zwei Patientenstichproben könnte dies bspw. Hinweise auf die unterschiedliche Effektivität in der Therapiekontrolle, evtl. auftretende Nebenwirkungen oder AM-Anwendungsprobleme geben.

In der Stichprobe wurden insgesamt 38 7-Tages-Intervalle mit optimaler Compliance gezählt, wobei die durchschnittliche Länge einer verschreibungskonformen Tagessequenz sogar bei nur 3,2 Tagen (11,8 % der Behandlungstage) lag. Insgesamt fielen durchschnittlich nur deutlich weniger als die Hälfte (41,7 %) aller Behandlungstage in ein Compliance-Intervall von ≥ 2 Tagen Verordnungseinhaltung. Das heißt, die korrekte Einnahme ist im Mittel spätestens alle zwei Tage von einem Tag mit Dosisabweichung unterbrochen worden. Durchschnittlich gelang es den Patienten also, nicht mehr als drei Tage ohne Unterbrechung ihre Verschreibung optimal einzuhalten. Beinahe drei Viertel aller beobachteten derartigen Mehrtagessequenzen erstreckten sich dabei über höchstens vier Tage. Somit ist festzustellen, dass die überwiegende Mehrheit der Behandlungstage sich auf Zeitintervalle verteilte, die von Therapieabweichungen unterbrochen wurden. Der Anteil der Behandlungstage innerhalb einer 7-Tages-Sequenz optimaler Compliance an allen Beobachtungstagen der Gesamtstichprobe betrug sogar nur 14,7 %. Im Durchschnitt lag die Häufigkeit derartiger Compliance-Intervalle pro Patient bei 0,4, das heißt, sie wurden im Mittel bei weniger als jedem zweiten Patienten überhaupt registriert. Da sich in der Stichprobe immerhin zehn Patienten mit zwei 7-Tages-Intervallen fanden, fällt der Anteil derjenigen, die nicht ein einziges Mal eine Woche voll compliant waren, sogar noch etwas höher aus. Unter denjenigen Studienteilnehmern, die überhaupt mindestens eine 7-Tages-Sequenz aufwiesen, betrug die durchschnittliche Länge unterbrechungsloser Compliance 9,5 Tage (max.: 18 Tage). Offensichtlich bestanden auf Patientenseite erhebliche Schwierigkeiten, das Therapieschema auch nur eine einzige Woche kontinuierlich und unterbrechungslos korrekt anzuwenden. Selbst bei den disziplinierteren Patienten gelang kaum eine korrekte Einnahmekontinuität von mehr als 10 Tagen.

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Patientenanteil mit ausreichender Compliance

Der Prozentsatz von Patienten einer definierten Stichprobe, die als „ausreichend compliant” klassifiziert werden, ist abhängig von den zugrunde gelegten Definitions- und Trennkriterien für die klinische Wirksamkeitsgrenze bei verordnungsabweichender Anwendung eines Arzneimittels.

Der Anteil der Patienten mit ausreichender Wirkstoffgesamtmenge über den Untersuchungszeitraum ist einer der verbreitetsten Compliance-Indikatoren. Der Trennpunkt wurde auf die als kritisch betrachtete minimale Wirkstoffmenge (hier: ebenfalls 75 %) festgelegt, die die Patienten über einen mehrwöchigen Behandlungszeitraum einnehmen müssen, um einen ausreichenden Therapieeffekt zu erzielen. In Bezug auf die insgesamt eingenommene Wirkstoffmenge wären fast vier Fünftel der Patienten (79 %) als ausreichend compliant einzustufen und je 10,5 % als deutlich suboptimal (aber potenziell noch mit geringem therapeutischen Effekt) bzw. als völlig unzureichend mit Wirkstoff versorgt. Strenger interpretiert wären nach diesem Compliance-Indikator bei einem Trennpunkt von 75 % Einhaltung der Verschreibungsmenge 79 % der Patienten als compliant und 21 % als non-compliant zu klassifizieren. In Bezug auf Einhaltung der Tagesdosen ergab sich ein ähnlicher Patientenanteil. In beiden Fällen ist aber - wie dargelegt - von einer massiven Überschätzung der wirklichen Compliance auszugehen.

Die Patienten waren demgegenüber überwiegend nicht in der Lage, die Verschreibungsdosen an mehr als der Hälfte der Behandlungstage fehlerfrei einzuhalten. Da sich im Fall der inhalativen Glukosteroide eine prozentuale quantitative Abweichung von der Tagesdosis nicht sinnvoll bestimmen lässt, wird sehr häufig eine Mindestanzahl von Behandlungstagen mit optimaler Compliance als Trennkriterium zwischen Complyern und Non-Complyern herangezogen. Diese wurde hier auf 75 % der Untersuchungstage festgelegt, was im Vergleich zu anderen Studien eine durchschnittliche Größenordnung darstellt. Das heißt, Patienten, die an mindestens drei Viertel der Behandlungstage vollständig verschreibungskonform handelten, wurden als „compliant” klassifiziert und umgekehrt. Nur ein Fünftel (19,8 %) der Patienten erreichte diese Zielgröße einer Einhaltung der Verschreibung an mindestens drei Viertel der Behandlungstage. Fast die Hälfte (46,5 %) hielt die Verschreibung nicht einmal jeden zweiten Tag vollständig korrekt ein. Diese müssten als non-compliant eingestuft werden, da die therapeutische Effektivität in diesem Fall als ernsthaft gefährdet angesehen werden kann. Bei einem weiteren Drittel (33,7 %) der Untersuchungsteilnehmer war die Medikamenten-Compliance mindestens mangelhaft ausgeprägt (mit deutlich eingeschränktem therapeutischen Effekt). Da dieses Kriterium aber darauf basiert, dass die Patienten zu drei Viertel aller Behandlungstage ihre Verschreibung vollkommen korrekt einzuhalten haben, ist es als überrestriktiv einzustufen und daraufhin zu hinterfragen, ob es in dieser Stringenz als klinisch sinnvoller Compliance-Indikator zu betrachten ist. Dennoch überrascht die vergleichsweise sehr niedrige Quote von nur knapp einem Fünftel der Patienten, die dieses Kriterium erfüllen. Umgekehrt ausgedrückt wären nach diesem Maßstab über 80 % der Patienten als non-compliant einzustufen. Selbst wenn der Trennpunkt auf ≥ 50 % der Behandlungstage mit vollständiger Verschreibungskonformität herabgesetzt wird, könnte nur ein Drittel der Patienten als ausreichend compliant eingestuft werden. Sogar bei einer sehr toleranten Auslegung bleibt also fast die Hälfte (46,5 %) der Studienteilnehmer, für die (mit weniger als 50 % von Compliance-Tagen) eine unzureichende Therapieumsetzung zu konstatieren ist.

Dabei spielt die systematische Unterdosierung offensichtlich die wichtigste Rolle. Das Unterdosierungs-Überdosierungs-Verhältnis entspricht in etwa den Befunden aus anderen Studien. Die Tatsache, dass jeder dritte Patienten an immerhin mindestens der Hälfte der Behandlungstage sein AM unterdosiert, sollte allerdings zu denken geben. Dieses Ergebnis deutet auf eine ausgeprägte Unachtsamkeit oder persistierende Überängstlichkeit der Patienten im Gebrauch der inhalativen Glukokortikoide hin und macht die Notwendigkeit gezielterer Schulungsbemühungen deutlich. Überdosierungen kommen in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Forschungsstand wesentlich seltener vor. Lediglich eine kleine Minderheit von 3,5 % neigt in nennenswertem Ausmaß (≥ 50 % der Behandlungstage) zur Einnahme erhöhter Wirkstoffmengen.

Die überwiegende Mehrzahl der Patienten verabreicht sich also zwar eine ausreichende Wirkstoffgesamtmenge im Monat, nimmt diese aber sehr unregelmäßig ein. Diese Diskrepanz zwischen der globalen mengenbezogenen Einhaltung der Verschreibung einerseits und der Einhaltung der Tagesdosen bzw. der Anzahl der Compliance-Tage andererseits ist somit dadurch zu erklären, dass ersterer einen wesentlich weniger restriktiven Maßstab der Patientencompliance darstellt, da die zeitlichen Einnahmeschwankungen bei der mengenbezogenen Betrachtung unberücksichtigt bleiben. Obwohl dies eine tendenzielle Überschätzung der wahren Compliance durch die Mengenparameter impliziert, relativiert die Betrachtung der Mengendiskrepanz zwischen Verschreibung und Einnahme andererseits das eher überpointierte Bild auf Basis der Tage mit totaler Compliance - sofern absichtliche Verfälschungen („drug dumping”) ausgeschlossen werden können. Insofern kommt die Berücksichtigung beider Parameter der Wahrheit wahrscheinlich am nächsten.

Vollständige Therapieunterbrechungen (unabhängig von ihrer Dauer) wurden bei jedem zweiten Patienten (51,2 %) registriert, darunter bei knapp der Hälfte (43,3 %) aber nur einmal und bei je einem Fünftel zwei- bzw. dreimal. Fast die Hälfte (48,8 %) aller untersuchten Patienten hat das AM also ohne vollständige Unterbrechungen täglich eingenommen (korrekte Dosierung unberücksichtigt) und wäre nach diesem Kriterium als ausreichend compliant einzustufen. Wirkliche „drug holidays” (Unterbrechungen ≥ 3 Tage) finden sich sogar nur bei einem knappen Drittel (29 %) der Patienten. Allerdings macht die durchschnittliche Therapiepausendauer von über acht Tagen bei dem betroffenen Drittel der Stichprobe einen erheblichen Anteil (ca. 30 %) des Beobachtungszeitraumes aus. Nur bei der Hälfte dieser Patienten beschränkten sich die Therapiepausen auf weniger als 5 Tage, bei den übrigen erreichten sie einen Umfang von 5 - 10 Tagen (28 %) oder sogar darüber (20 %), und bei ungefähr einem Drittel der Therapieunterbrecher wurden mehrere Therapiepausen festgestellt. Bei Patienten, die zu vollständigen Therapieunterbrechungen neigen, scheint demnach ein erhebliches Compliance-Problem vorzuliegen, da die Einnahmepausen tendenziell ein therapiegefährdendes Ausmaß annehmen. Eine Minderheit von 12,8 % Patienten der Stichprobe, bei denen in Bezug auf ihren jeweiligen Gesamtbeobachtungszeitraum sogar an mehr als der Hälfte der Behandlungstage überhaupt keine Wirkstoffeinnahme registiert wurde, wären eindeutig als hochgradig non-compliant einzustufen.

In Bezug auf die 7-Tages-Einnahmekontinuität stellte sich heraus, dass nur ein Drittel der Patienten (32 %) in der Lage war, die Verschreibung über sieben zusammenhängende Tage fehlerlos einzunehmen (7-Tages-Intervall). Jedem 20. Patienten (4,7 %) gelang kein einziger Tag mit vollkommen verschreibungsgemäßer AM-Anwendung. Auch dieser Indikator dürfte sich unter Alltagsbedingungen noch ungünstiger darstellen. Dieses Ergebnis weist auf einen erheblichen Bedarf nach besserer Integration der Selbstbehandlung in die Alltagsroutinen hin.

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Schlussfolgerungen

Zusammengefasst wird deutlich, dass die Berücksichtigung jeweils nur eines Compliance-Indikators (wie bspw. die Anzahl der Compliance-Tage) ein verzerrtes Bild ergibt. Es lässt sich zwar feststellen, dass die Medikamenten-Compliance der Patienten insgesamt suboptimal ausfällt. Das Hauptproblem scheint aber weniger in einer bedeutsamen Unterschreitung der eingenommenen Wirkstoffgesamtmenge zu liegen als vielmehr in der Ungleichmäßigkeit der Einnahme. Während eine hohe Übereinstimmung (rund 86 %) mit der verschriebenen Gesamtdosis festzustellen ist, wurde insgesamt immerhin gut der Hälfte (51,9 %) der Tagesverschreibungen nicht eingehalten. Dabei sind erhebliche interindividuelle Differenzen zu konstatierten. Immerhin jeder fünfte Patient (21 %) unterschritt die verschriebene Gesamtwirkstoffmenge um mehr als 25 % und wäre als non-compliant zu beurteilen. Vorausgesetzt, dass die ausgelösten Hübe auch wirklich verabreicht (kein „test-firing” oder „dumping”) und technisch korrekt inhaliert wurden, wären umgekehrt immerhin fast 80 % der Patienten aufgrund einer genügenden Wirkstoffgesamtmenge als ausreichend compliant einzustufen. Demgegenüber lag der Anteil der Behandlungstage mit korrekter AM-Einnahme insgesamt bei unter 50 % (48,1 %).

Das gravierendere Problem liegt demnach in der inter- und intraindividuellen Variabilität der AM-Anwendung. Nur jeder fünfte Patient (19,8 %) hat sich an drei Viertel des Behandlungszeitraumes exakt an die verschriebene Tagesdosierung gehalten, knapp der Hälfte der Patienten (46,5 %) gelang dies nicht einmal an jedem zweiten Behandlungstag. Offensichtlich neigt die Mehrheit der Patienten dazu, die Verschreibungsdosis entweder versehentlich teilweise zu versäumen oder eigenmächtig zu verändern. Dabei wurde anscheinend ein Teil der Fehldosierungen zu einem anderen Zeitpunkt kompensiert (vor- oder nachgeholt), da die Differenz der Gesamtwirkstoffmenge sehr viel geringer ausfällt als die Compliance-Tageabweichungen. Auch die Abweichung aller Tagesdosen beträgt nur ca. 40 %, was darauf hinweist, dass die Tagesmenge überwiegend eingehalten wurde. Es kann also nur ein Teil der Diskrepanz zwischen der Einhaltung der Gesamtwirkstoffmenge und den registrierten Compliance-Tagen auf Therapiepausen bzw. Behandlungstage mit extrem abweichender Dosierung zurückzuführen sein - was durch die geringe Anzahl von Tagen mit Therapieunterbrechung gestützt wird. Ein erheblicher Teil der festgestellten Diskrepanz muss vielmehr auf interindividuellen Differenzen beruhen.

Die dargestellten Resultate belegen, dass die Compliance-Raten, je nachdem, welche Operationalisierung der Compliance-Definition zugrunde gelegt wird, zwischen 14 % und 87 % schwanken. Dabei handelt es sich durchgängig um Compliance-Maße, die in empirischen Studien üblicherweise Verwendung finden. Dieser exemplarischer Nachweis, in welchem Ausmaß die Compliance-Rate in Abhängigkeit von der gewählten Perspektive variiert und bei derselben Stichprobe zu extrem abweichenden Resultaten führt, stützt die Vermutung, dass die Variabilität der in der Literatur berichteten Compliance-Raten (vgl. Mühlig, Bergmann & Petermann, in diesem Heft) häufig weniger auf reale Stichprobenunterschiede als vielmehr auf methodische Uneinheitlichkeiten zurückzuführen ist. Wie gezeigt, kann die isolierte Betrachtung einzelner Compliance-Indikatoren zu massiv verzerrten Einschätzungen führen. Jedes Compliance-Maß für sich genommen ist entweder zu wenig aussagekräftig oder zu restriktiv definiert und deshalb im Grunde nicht sinnvoll zu interpretieren. Erst durch die Integration der verschiedenen Perspektiven ergibt sich ein plausibles und aussagefähiges Bild des tatsächlichen Patientenverhaltens (vgl. Mühlig, Petermann & Bergmann, in diesem Heft).

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Abb. 1Doser-Gerät (Fa. MEDITRACK).

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Abb. 2Operationalisierungsebenen der Medikamenten-Compliance.

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Abb. 3Verteilungen der Dosierungsverordnungen.

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Abb. 4Prozentualer Anteil der Behandlungstage mit korrekter, Über- und Unterdosierung.

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Abb. 5Prozentualer Anteil der Patienten mit Einhaltung der Wirkstoffgesamtmenge.

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Abb. 6Prozentualer Anteil der Patienten mit Fehldosierungen insgesamt.

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Abb. 7Prozentualer Anteil von Patienten mit ausreichendem Anteil von Compliance-Tagen.

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Abb. 8Prozentualer Anteil von Patienten mit Unter- und Überdosierungs-Tagen.

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Literatur

  • 1 Spector S L. Is your asthmatic patient really complying?.  Ann Allergy. 1985;  55 552-556
  • 2 Mawhinney H, Spector S L, Kinsman A, Siegel S C, Rachelefsky G S, Katz R M, Rohr A S. Compliance in clinical trials of two nonbronchodilator, antiasthma medications.  Ann Allergy. 1991;  66 294-299
  • 3 Rand C S, Wise R A, Nides M, Simmons M S, Bleeker E R, Kusek J W, Li C, Tashkin D P. Metered-dose inhaler adherence in a clinical trial.  Am Rev Respir Dis. 1992;  146 1559-1564
  • 4 Chowienczyk P J, Lawson C P, Morris J, Kermani A, Cochrane G M. Electronic diary to record physiological measurements.  The Lancet. 1992;  339 251
  • 5 Hasford J, Behrend C, Sangha O. Vergleichende Analyse und Bewertung von Methoden zur Erfassung der Compliance. In: Petermann F (Hrsg). Compliance und Selbstmanagement Göttingen: Hogrefe 1998: 21-44
  • 6 Horn C R. The assessment of therapeutic compliance by asthmatic patient.  Eur Respir J. 1992;  5 126-127
  • 7 Simmons M S, Nides M A, Kleerup E C, Chapman K R, Milgrom H, Rand C S, Spector S L, Tashkin D P. Validation of the doser, a new device for monitoring metered-dose inhaler use.  J Allergy Clin Immunol. 1998;  102 409-413

1 sponsored by ORION-Pharma, Hamburg

2 Da aufgrund organisatorischer Bedingungen nicht für alle Patienten identische Messreihen vorliegen (Differenz ± 1 Woche), wurden alle Angaben zur „Anzahl der Tage mit einem bestimmten Medikationsverhalten” jeweils auf die tatsächliche Anzahl von realisierten Messtagen bezogen.

Dr S Mühlig

ZFR
Universität Bremen

Grazer Straße 6
28359 Bremen

Email: E-mail: muehlig@uni-bremen.de

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Literatur

  • 1 Spector S L. Is your asthmatic patient really complying?.  Ann Allergy. 1985;  55 552-556
  • 2 Mawhinney H, Spector S L, Kinsman A, Siegel S C, Rachelefsky G S, Katz R M, Rohr A S. Compliance in clinical trials of two nonbronchodilator, antiasthma medications.  Ann Allergy. 1991;  66 294-299
  • 3 Rand C S, Wise R A, Nides M, Simmons M S, Bleeker E R, Kusek J W, Li C, Tashkin D P. Metered-dose inhaler adherence in a clinical trial.  Am Rev Respir Dis. 1992;  146 1559-1564
  • 4 Chowienczyk P J, Lawson C P, Morris J, Kermani A, Cochrane G M. Electronic diary to record physiological measurements.  The Lancet. 1992;  339 251
  • 5 Hasford J, Behrend C, Sangha O. Vergleichende Analyse und Bewertung von Methoden zur Erfassung der Compliance. In: Petermann F (Hrsg). Compliance und Selbstmanagement Göttingen: Hogrefe 1998: 21-44
  • 6 Horn C R. The assessment of therapeutic compliance by asthmatic patient.  Eur Respir J. 1992;  5 126-127
  • 7 Simmons M S, Nides M A, Kleerup E C, Chapman K R, Milgrom H, Rand C S, Spector S L, Tashkin D P. Validation of the doser, a new device for monitoring metered-dose inhaler use.  J Allergy Clin Immunol. 1998;  102 409-413

1 sponsored by ORION-Pharma, Hamburg

2 Da aufgrund organisatorischer Bedingungen nicht für alle Patienten identische Messreihen vorliegen (Differenz ± 1 Woche), wurden alle Angaben zur „Anzahl der Tage mit einem bestimmten Medikationsverhalten” jeweils auf die tatsächliche Anzahl von realisierten Messtagen bezogen.

Dr S Mühlig

ZFR
Universität Bremen

Grazer Straße 6
28359 Bremen

Email: E-mail: muehlig@uni-bremen.de

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Abb. 1Doser-Gerät (Fa. MEDITRACK).

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Abb. 2Operationalisierungsebenen der Medikamenten-Compliance.

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Abb. 3Verteilungen der Dosierungsverordnungen.

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Abb. 4Prozentualer Anteil der Behandlungstage mit korrekter, Über- und Unterdosierung.

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Abb. 5Prozentualer Anteil der Patienten mit Einhaltung der Wirkstoffgesamtmenge.

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Abb. 6Prozentualer Anteil der Patienten mit Fehldosierungen insgesamt.

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Abb. 7Prozentualer Anteil von Patienten mit ausreichendem Anteil von Compliance-Tagen.

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Abb. 8Prozentualer Anteil von Patienten mit Unter- und Überdosierungs-Tagen.