Zeitschrift für Palliativmedizin 2001; 2(1): 20-24
DOI: 10.1055/s-2001-11935
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ärztliche Sterbebegleitung und passive Sterbehilfe

Eine empirische Studie zu ethischen, medizinischen und psychologischen ProblemenA. Wünsch1 , D. Lange2 , J. Bengel3 , W. Hiddemann2 , S. Reiter-Theil1
  • 1Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin, Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  • 2Medizinische Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum München-Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität
  • 3Psychologisches Institut, Abteilung für Rehabilitationspsychologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Ärzte müssen bei der Betreuung sterbender Patienten abwägen, welche medizinischen Interventionen möglich und sinnvoll sind. Sie befinden sich in einem Spannungsfeld von medizinethischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und psychologischen Problemstellungen, die es zu beachten gilt. Die bisherige Forschung zur Sterbebegleitung zeichnet sich vor allem durch Erfahrungsberichte, Kasuistiken und theoretische Beiträge aus. Empirische Arbeiten liegen im deutschsprachigen Raum kaum vor. Methodik: Ein Fragebogen mit 30 Items wurde entwickelt und an niedergelassene und Krankenhausärzte verschiedener Fachdisziplinen, Positionen und Berufserfahrung verschickt. Dabei wurde der Fragebogen an die gesamte Ärzteschaft in Süd-Württemberg verschickt sowie selektiv an onkologisch geschulte Ärzte aus einem Adressenverteiler im Raum Göttingen. In dieser Publikation beziehen wir uns auf die Stichprobe aus Süd-Württemberg. 468 Fragebogen wurden statistisch ausgewertet. Ergebnisse: Neben Fragen der Therapiebegrenzung wird von Ärzten der Umgang mit den Angehörigen sterbender Patienten als größte Schwierigkeit genannt, unabhängig vom Tätigkeitsbereich. Die Mehrzahl der Ärzte fühlt sich bei der ärztlichen Sterbebegleitung unsicher. Mit zunehmender Berufserfahrung nehmen die wahrgenommenen Schwierigkeiten ab. Schlussfolgerung: In Fragen der Therapiebegrenzung trifft der Arzt auf ein Handlungsfeld, in dem neben medizinischem Wissen kommunikative und psychosoziale Fähigkeiten gefordert sind sowie die Kompetenz, mit ethischen Konflikten umzugehen. Dies stellt vor allem Anforderungen an junge Ärzte und deren Ausbildung.

Care for the Dying - An Empirical Study of Ethical, Medical and Psychological Problems

Background: In terminal care physicians are faced with the problem to decide which life sus-taining therapy is possible but still meaningful. There, physicians are faced with ethical, judical, social and psychological problems. So far, studies in this area have been restricted mostly to reports about personal experiences, case studies and theoret-ical considerations. There is a lack of empirical data in German-speaking literature. Methods: A questionnaire with 30 items was developed and sent to hospital physicians and physicians in private practice of all kinds of disciplines, various positions and different experience. A complete enquiry of physicians took place in South-Wuerttemberg and a selective enquiry of oncologically trained physicians from the region around Goettingen, Germany. In this paper we refer to the sample of South-Wuerttemberg. 468 received questionnaires were statistically analys-ed. Results: Disregarding their clinical field, a large majority of physicians reported problems concerning withdrawal of treatment and the care for the relatives of the dying. Most of the physicians felt unsecure in these tasks. With increasing professional experience the problems decrease. Conclusions: In terminal care physicians need not only medical, communicative and social skills, but also competence to deal with ethical conflicts. As a result suggestions for specific training in ethical and psychosocial competence will be made, particularly for young and unexperienced physicians.

Literatur

  • 1 Klaschik E. Sterbehilfe - Sterbebegleitung.  Internist. 1999;  40 276-282
  • 2 Reiter-Theil S, Lenz G. Probleme der Behandlungsbegrenzung im Kontext einer internistischen Intensivstation.  Zeitschrift für Medizinische Ethik. 1999;  45 205-216
  • 3 Sahm S. Selbstbestimmung am Ende des Lebens. Frankfurter Allgemeine Zeitung 1998, 18. März: S.N1
  • 4 Hiddemann W. Das Thema Sterben und Tod im Unterricht: Beispiel einer Vorlesung. In: Reiter-Theil S (eds) Vermittlung Medizinischer Ethik. Theorie und Praxis in Europa. Baden-Baden; Nomos 1997: 120-130
  • 5 Reiter-Theil S. Therapiebegrenzung und Sterben im Gespräch zwischen Arzt und Patient. Ein integratives Modell für ein vernachlässigtes Problem.  Ethik in der Medizin. 1998;  10 74-90
  • 6 Dillman D A. Mail and Telephone Surveys. The Total Design Method. New York; 1978
  • 7 Aulbert E, Zech D. Lehrbuch der Palliativmedizin. Stuttgart; Schattauer 1997
  • 8 Beauchamp T, Perlin S. Ethical issues in death and dying. Englewood Cliffs, NJ; Prentice-Hall 1978
  • 9 Wittkowski J. Psychologie des Todes. Darmstadt; Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1990
  • 10 Strauss A L, Corbin J. Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim; Psychologie Verlags Union 1996
  • 11 Wünsch A. Medizinethische und psychologische Probleme bei der Betreuung Sterbender. Eine Problemanalyse bei Ärzten im klinischen und niedergelassenen Bereich zu medizinethischen und psychologischen Fragen der professionellen Sterbebegleitung. Freiburg; Unveröffentlichte Diplom-Arbeit, Albert-Ludwig-Universität Freiburg 1999
  • 12 Strittmatter R, Bengel J. Angehörige krebskranker Menschen - Belastungen und Möglichkeiten psychosozialer Unterstützung.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1998;  42 71-81

Dipl.-Psych. Alexander Wünsch

Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin

Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Elsässerstraße 2m, Haus 1A
79110 Freiburg

eMail: Wuensch@sfa.ukl.uni-freiburg.de

Dorothee Lange,Ärztin 

Medizinische Klinik und Poliklinik III

Universitätsklinikum München-Großhadern
Ludwig-Maximilians-Universität

Marchioninistraße 15
81377 München

eMail: Dorothee.Lange@med3.med.uni-muenchen.de