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DOI: 10.1055/s-2001-11935
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Ärztliche Sterbebegleitung und passive Sterbehilfe
Eine empirische Studie zu ethischen, medizinischen und psychologischen ProblemenPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Zusammenfassung
Hintergrund: Ärzte müssen bei der Betreuung sterbender Patienten abwägen, welche medizinischen Interventionen möglich und sinnvoll sind. Sie befinden sich in einem Spannungsfeld von medizinethischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und psychologischen Problemstellungen, die es zu beachten gilt. Die bisherige Forschung zur Sterbebegleitung zeichnet sich vor allem durch Erfahrungsberichte, Kasuistiken und theoretische Beiträge aus. Empirische Arbeiten liegen im deutschsprachigen Raum kaum vor. Methodik: Ein Fragebogen mit 30 Items wurde entwickelt und an niedergelassene und Krankenhausärzte verschiedener Fachdisziplinen, Positionen und Berufserfahrung verschickt. Dabei wurde der Fragebogen an die gesamte Ärzteschaft in Süd-Württemberg verschickt sowie selektiv an onkologisch geschulte Ärzte aus einem Adressenverteiler im Raum Göttingen. In dieser Publikation beziehen wir uns auf die Stichprobe aus Süd-Württemberg. 468 Fragebogen wurden statistisch ausgewertet. Ergebnisse: Neben Fragen der Therapiebegrenzung wird von Ärzten der Umgang mit den Angehörigen sterbender Patienten als größte Schwierigkeit genannt, unabhängig vom Tätigkeitsbereich. Die Mehrzahl der Ärzte fühlt sich bei der ärztlichen Sterbebegleitung unsicher. Mit zunehmender Berufserfahrung nehmen die wahrgenommenen Schwierigkeiten ab. Schlussfolgerung: In Fragen der Therapiebegrenzung trifft der Arzt auf ein Handlungsfeld, in dem neben medizinischem Wissen kommunikative und psychosoziale Fähigkeiten gefordert sind sowie die Kompetenz, mit ethischen Konflikten umzugehen. Dies stellt vor allem Anforderungen an junge Ärzte und deren Ausbildung.
Care for the Dying - An Empirical Study of Ethical, Medical and Psychological Problems
Background: In terminal care physicians are faced with the problem to decide which life sus-taining therapy is possible but still meaningful. There, physicians are faced with ethical, judical, social and psychological problems. So far, studies in this area have been restricted mostly to reports about personal experiences, case studies and theoret-ical considerations. There is a lack of empirical data in German-speaking literature. Methods: A questionnaire with 30 items was developed and sent to hospital physicians and physicians in private practice of all kinds of disciplines, various positions and different experience. A complete enquiry of physicians took place in South-Wuerttemberg and a selective enquiry of oncologically trained physicians from the region around Goettingen, Germany. In this paper we refer to the sample of South-Wuerttemberg. 468 received questionnaires were statistically analys-ed. Results: Disregarding their clinical field, a large majority of physicians reported problems concerning withdrawal of treatment and the care for the relatives of the dying. Most of the physicians felt unsecure in these tasks. With increasing professional experience the problems decrease. Conclusions: In terminal care physicians need not only medical, communicative and social skills, but also competence to deal with ethical conflicts. As a result suggestions for specific training in ethical and psychosocial competence will be made, particularly for young and unexperienced physicians.
Schlüsselwörter
Medizinische Ethik - Palliativmedizin - Thanatopsychologie - ärztliche Sterbebegleitung - passive Sterbehilfe - Therapiebegrenzung
Key words
Medical ethics - Palliative care - Death psychology - Aid in dying - Limitation of therapy
Literatur
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Dipl.-Psych. Alexander Wünsch
Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin
Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Elsässerstraße 2m, Haus 1A
79110 Freiburg
eMail: Wuensch@sfa.ukl.uni-freiburg.de
Dorothee Lange,Ärztin
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Universitätsklinikum München-Großhadern
Ludwig-Maximilians-Universität
Marchioninistraße 15
81377 München
eMail: Dorothee.Lange@med3.med.uni-muenchen.de