Einführung
Einführung
Etwa 100 Mio. Röntgenuntersuchungen werden jährlich in der Bundesrepublik Deutschland
vorgenommen, mehr als jede 5. davon ist eine Röntgenaufnahme des Thorax. Jede Röntgenuntersuchung
muss einer Nutzen-/Risikoabschätzung unterzogen werden. Dabei ist bei Abschätzung
des Nutzens nicht nur die Treffsicherheit und Zuverlässigkeit von Röntgenuntersuchungen
zu berücksichtigen, sondern auch ihre Auswirkungen auf das ärztliche Handeln, also
auf den Grad der Sicherheit des ärztlichen Urteils, ihren Beitrag zur Gesamtdiagnose
und ihren Einfluss auf das weitere therapeutische Vorgehen. Es liegt auf der Hand,
dass die Indikationsstellung entscheidend für den Anteil der positiven Befunde ist:
Sind bei Anforderungen eines Röntgenbildes des Thorax Beschwerden und/oder pathologische
Befunde vorhanden, werden in 60 - 70 % pathologische Röntgenbefunde erhoben. Sind
die anamnestischen Hinweise vage oder die Befunde weniger eindeutig, sieht man nur
in 20 - 30 % ein positives Ergebnis [11]. Handelt es sich um eine reine Routineuntersuchung ohne aktuelle Krankheitszeichen,
so geht die Fallfindung auf 7 - 15 % zurück. Beim „Routinethorax”, etwa im Rahmen
der präoperativen Durchuntersuchung, liegt die Zahl der positiven Befunde bei 6 -
11 % [14]. Fragt man dann noch nach therapierelevanten pathologischen Röntgenbefunden, so
kommt man auf eine sehr niedrige Quote, die zwischen 0,2 und 0,3 % liegt [3].
Trotzdem rechtfertigt die statistische Betrachtung nach dem Nutzen eines Röntgenbildes
des Thorax nicht den generellen Verzicht auf eine Routine-Thoraxaufnahme und schon
gar nicht auf eine indizierte Untersuchung, da die Unterlassung einer Röntgenaufnahme
einen diagnostischen Informationsverzicht und eine Einschränkung der Therapieentscheidung
bedeutet mit dem Risiko des Verlustes von Lebensqualität und Lebenszeit für den Betroffenen.
Die Indikation zur Röntgen-Thoraxaufnahme muss vielmehr individuell unter Berücksichtigung
des Nutzens für den Patienten auf der einen und des möglichen Schadens durch schädigende
Strahlen auf der anderen Seite gestellt werden [16].
Bei der Einschätzung des Strahlenrisikos von Röntgenuntersuchungen im Speziellen und
von Strahlen im Allgemeinen erleben wir derzeit allerdings in der öffentlichen Meinung
ein wachsendes Misstrauen gegenüber wissenschaftlich fundierten Argumenten. Und dies,
obwohl der Nutzen des Röntgens ohne jeden Zweifel die Risiken bei Weitem überwiegt,
ja die moderne Medizin ohne Röntgenstrahlen undenkbar wäre. Dieses Misstrauen ist
eingebettet in einen breiten Strom der Skepsis gegenüber technisch-wissenschaftlichen
Fragen und markiert einen Wandel im teilweise unkritischen Fortschrittsglauben der
vergangenen Jahrzehnte. Im Extremfall äußert sich dieser Wandel in irrationaler Kritik
am Wissenschaftsfortschritt, insbesondere an ihren Konsequenzen und Langzeiteffekten.
In keinem Fall ist dies so evident wie in der Einstellung der Öffentlichkeit zu den
Strahlenfolgen. Selbstkritisch muss sich allerdings die wissenschaftliche Elite am
Ende fragen lassen, warum sie die anfangs unbegrenzten Erwartungen, wie sie etwa bei
der Entdeckung der Röntgenstrahlen oder der Atomenergie verbreitet wurden, nicht dämpfte.
Lange Zeit wurden Warnungen über Schäden durch Strahlungen missachtet oder bagatellisiert.
Selbst die große Marie Curie nannte Harrison Martland, einen jungen Arzt aus Chicago,
der eindringlich auf Strahlenschäden durch radioaktives Material hinwies, einen Scharlatan.
Martland hatte Kieferschäden bei Arbeiterinnen beobachtet, die Ziffernblätter von
Uhren mit einer Leuchtfarbe bemalten, die alphastrahlendes Radium enthielten. Dabei
spitzten die Arbeiterinnen den Pinsel mit den Lippen, um scharfkonturierte Zahlen
zu malen. Madame Curie warf dem jungen Kollegen vor, er wisse nicht, dass ionisierende
Strahlung Gesundheitsschäden nur nach langer und unverhältnismäßig hoher Exposition
hervorrufen könne.
Als die blinde Zuversicht in den Nutzen des Fortschrittes zu den Katastrophen von
Hiroshima und Tschernobyl führte, schlug die Stimmung in der Öffentlichkeit um und
jegliche Art von Strahlung wurde und wird verdammt und zum Symbol des Bösen schlechthin
erklärt. In exemplarischer Weise spiegelt die Geschichte der Strahlenforschung und
der technischen Anwendung in den vergangenen hundert Jahren Glanz und Elend, Nutzen
und Missbrauch wissenschaftlichen Strebens wider. All diesen kritischen öffentlichen
und veröffentlichten Meinungen zum Trotz müssen wir als wissenschaftlich orientierte
Mediziner nicht müde werden, nüchtern und mit kühlem Kopfe zu argumentieren, Verständnis
zu wecken und ehrliche Lösungen zu erreichen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen
und belegten Fakten beruhen. Dazu soll die vorliegende Expertise zum „Strahlenrisiko
bei Röntgenuntersuchungen des Thorax” einen kleinen Beitrag in einem umstrittenen
Segment leisten. Vorausgeschickt sei allerdings, dass „Risiko” unterschiedlich definiert
ist. Wenn man im täglichen Leben von Risiko spricht, ist damit stets eine nennenswerte
Gefährdung verbunden. Wenn man in der Wissenschaft von Risiko spricht, so bedeutet
dies die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes negatives Ereignis, zum Beispiel,
zu erkranken oder zu sterben, eintritt. Die Wissenschaftler sprechen auch dann noch
von Risiko, wenn die betreffende Wahrscheinlichkeit außerordentlich klein ist. Beispielsweise
ist das Risiko, innerhalb der nächsten Stunde vom Blitz erschlagen zu werden, etwa
1 : 10 Milliarden. Im Alltag wird ein solches Risiko keineswegs als reale Gefährdung
verstanden. Wenn im Folgenden von Risiko die Rede ist, bedeutet dies nicht automatisch
eine Gefahr.
Strahlenphysik
Strahlenphysik
Strahlung ist Energietransport. Zur ionisierenden Strahlung zählt man die elektromagnetische
Wellenstrahlung (Röntgen- und Gammastrahlung) sowie leichte (Elektron = β-strahlung)
und mittelschwere (Protonen, Neutronen und Alphateilchen) sowie schwere Teilchenstrahlung.
In der Röntgendiagnostik interessiert allein die Wellenstrahlung (Synonym: Photonen-
und Quantenstrahlung).
Ionisierende Strahlung
Ionisierende Strahlung
Der Energiebereich für die ionisierende Strahlung liegt im Bereich von keV und Mev.
Sie ist um ein Vielfaches größer als die Bindungsenergie der Elektronen in den äußeren
Atomhüllen, die für die chemische Bindung verantwortlich ist. Folglich können Elektronen
aus Atomen und Molekülen freigesetzt werden. Dieser Prozess der Ionisierung hat der
Strahlung ihren Namen gegeben. Beim Prozess der Ionisation können chemische Bindungen
aufgebrochen werden (Radiolyse). Durch diese kommt es zu dauerhaften Veränderungen
biologisch wichtiger Moleküle, Voraussetzung für die strahlenbiologischen Schäden.
Erzeugung und Eigenschaft von Röntgenstrahlen
Erzeugung und Eigenschaft von Röntgenstrahlen
Die aus der glühenden Kathode austretenden Elektronen werden durch die angelegte Hochspannung
in Richtung Anode beschleunigt. Bei der Abbremsung der Elektronen im Feld der Atomkerne
des Anodenmaterials entsteht die Röntgenbremsstrahlung. Diese setzt sich aus Photonen
(Quanten) mit einem kontinuierlichen Energiespektrum, das von 0 bis zu einer bestimmten
Grenzenergie reicht, zusammen. Diese Grenzenergie ist proportional zur angelegten
Hochspannung.
Neben der Abbremsung der Elektronen im Feld der Atomkerne des Anodenmaterials kommt
es bei der Ionisation auch zur Emission von Elektronen der Atomhülle. Hierbei wird
aus den innersten Schalen der Atomhülle (K- oder L-Schale des Anodenmaterials) ein
Elektron emittiert. Bei der „Wiederbesetzung” dieser Lücke durch ein Elektron aus
der äußeren Schale wird ein Röntgenquant mit einer für das Anodenmaterial charakteristischen
Energie abgestrahlt. Diese sog. charakteristische Strahlung spielt in der Röntgendiagnostik
- abgesehen von der Mammographie - keine Rolle (Kα bzw. Kβ in Abb. [1]).
Die „Ausbeute” an Röntgenstrahlung ist abhängig vom Röntgenstrom und der anliegenden
Spannung:
-
Wird der Röntgenstrom (bei konstanter Spannung) erhöht, steigt proportional die Zahl
der Röntgenquanten und damit die Dosis.
-
Wird die anliegende Hochspannung (bei konstantem Röhrenstrom) erhöht, nimmt die Energie
der Strahlung und überproportional die Ausbeute der Röntgenstrahlung zu (Abb. [1]).
Dieser Sachverhalt schlägt sich unmittelbar in den Belichtungstabellen nieder, die
bei manueller Einstellung der Aufnahmeparameter verwendet werden.
Auch bei Verwendung einer Organautomatik sind selbstverständlich derartige Belichtungstabellen
hinterlegt. Aus den Begleitunterlagen für jede Anlage müssen die der Organautomatik
zugrundegelegten Belichtungswerte dokumentiert sein.
Um Bewegungsunschärfen zu vermeiden - dies gilt vor allem bei Lungenaufnahmen -, muss
die notwendige Strahlung in hinreichend kurzer Zeit erzeugt werden (bei Lungenaufnahmen
ist dies typischerweise etwa 20 ms, bei Kindern < 5 ms).
Absorptionsprozesse und Kontraste
Absorptionsprozesse und Kontraste
Der „Arbeitsbereich” der Röntgendiagnostik liegt (von der Mammographie einmal abgesehen)
bei Spannungen zwischen 45 und 150 kV. In der mehr als 100-jährigen Geschichte der
Röntgendiagnostik haben sich Erfahrungen für die optimale Spannung in Abhängigkeit
von der Fragestellung herausgebildet. Diese finden zum Beispiel ihren Niederschlag
in den vorgeschlagenen Aufnahme- und Durchleuchtungsspannungen der Leitlinien der
Bundesärztekammer [2]. Die Leitlinien empfehlen z. B. für die Aufnahme der Hand eine Spannung zwischen
45 und 55 kV, für Ellbogen 50 - 60 kV, Schulter 60 - 75 kV und für den Thorax 125
kV (110 - 150 kV).
Für das Verständnis, warum die Röntgendiagnostik nur in diesem Spannungsbereich arbeiten
kann und warum für verschiedene Aufnahmen unterschiedliche Aufnahmespannungen erforderlich
sind, muss kurz auf die verschiedenen Absorptionsprozesse für die Röntgenstrahlung
eingegangen werden.
Im Bereich der Röntgendiagnostik sind zwei Absorptionsprozesse von Bedeutung, und
zwar der Fotoeffekt und der Comptoneffekt (Abb. [2]).
Beim Fotoeffekt wird die Energie des Quants auf ein Elektron übertragen. Dieses Elektron
überträgt seine Energie in Form von sekundären Ionisationen entlang einer sehr kurzen
Wegstrecke (maximal 1/10 Millimeter). Bei diesem Prozess wird das Röntgenquant vollständig
absorbiert und seine Energie in unmittelbarer Nähe des Absorptionsortes durch Ionisationen
„verbraucht”.
Beim Comptoneffekt wird Energie des primären Röntgenquants nur zum Teil auf ein Rückstoßelektron
übertragen. Das restliche Röntgenquant „fliegt” mit geänderter Richtung und reduzierter
Energie weiter. Dies bedeutet eine Streustrahlung, die stets eine geringere Energie
als die Primärstrahlung besitzt und zu einer Verschlechterung des Kontrastes führt
(siehe später).
Die Wahrscheinlichkeit für beide Effekte hängt in unterschiedlicher Weise von der
Energie der Röntgenstrahlung ab (Abb. [2]).
Der Fotoeffekt dominiert bei kleinen Energien und nimmt mit zunehmender Spannung an
Bedeutung ab. Der Comptoneffekt zeigt dagegen nur geringe Abhängigkeit von der Energie
der Röntgenstrahlung.
Entscheidend aber ist die Abhängigkeit der Absorptionsprozesse von der Zusammensetzung
der Gewebe.
-
Der Absorptions-Koeffizient für den Fotoeffekt ist in erster Näherung proportional
der Dichte (ρ) und zur 3. Potenz (!) der Ordnungszahl (Z3) und Wellenlänge.
-
Der Absorptions-Koeffizient für die Comptonstreuung ist in erster Näherung proportional
der Dichte (ρ). Bei zunehmender Röhrenspannung und damit zunehmender Wahrscheinlichkeit
für das Auftreten des Comptoneffekts nimmt die Absorption der Röntgenstrahlung daher
ab.
Diese Abhängigkeiten haben unmittelbare Auswirkung auf die Belichtungstabellen (Organautomatik).
-
ρ und Z unterscheiden sich zwischen Weichteil und Knochen deutlich. Wegen der größeren
Z-Abhängigkeit des Fotoeffektes kommt es deswegen zu erheblichen Kontrastunterschieden
im niederenergetischen Bereich (geringe Röhrenspannung).
-
Bei kleinen Röhrenspannungen ist jedoch die Absorptionswahrscheinlichkeit insgesamt
so hoch, dass bei dickeren Objekten (Schulter versus Finger) keine ausreichende Intensität
ohne unverantwortlich hohe Dosisbelastung des Patienten an der Austrittsseite für
die Schwärzung des Films zur Verfügung steht. Die Auswahl der Spannung ist also ein
Kompromiss zwischen Strahlenbelastung und Kontrast.
Die Untersuchung der Lunge stellt einen Sonderfall dar. Hier ist der große Kontrast
zwischen Weichteil und Knochen unerwünscht, da Gefäße hinter den Rippen bis in die
Peripherie erkannt werden sollen und ein Einblick in das Mediastinum und in den Retrokardialraum
erwünscht ist. Durch sukzessive Erhöhung der Erzeugungsspannung nimmt der Fotoeffekt
ab und der Comptoneffekt zu. Damit verringert sich die Abhängigkeit von Z, die Rippen
werden transparenter. Eine Thoraxaufnahme mit 70 kV zeigt immer „zu viel” Skelett,
aber „zu wenig” Lunge. Hier sind Spannungen zwischen 110 und 150 kV (Leitlinie!) notwendig.
Dosisbegriffe
Dosisbegriffe
Bereits kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen wurde in Anlehnung an die Pharmakologie
der Begriff Dosis eingeführt. Aus noch zu erläuternden Gründen sind verschiedene Dosisbegriffe
(Energiedosis, Äquivalentdosis, effektive Dosis) notwendig.
Energiedosis
Energiedosis
Beim Röntgen wird der überwiegende Anteil der Röntgenstrahlung im Körper absorbiert;
nur wenige Prozent der Primärstrahlung durchdringen den Körper und werden für die
Bilderzeugung verwendet. Entscheidend für die biologischen Strahlenschäden ist die
absorbierte Strahlung, die transmittierte Strahlung verursacht keine Effekte im Körper.
Energiedosis bezeichnet diejenige Energie, die von der Strahlung pro Masse (eines
jeden Volumenelementes) des Körpers abgegeben wurde. Die Einheit der Energie ist das
Joule, die Einheit der Masse das Kilogramm; damit hat die Energiedosis die Einheit
Joule pro Kilogramm. Nach dem neuen internationalen System (SI), welches seit 1986
verbindlich ist, wird für den praktischen Gebrauch die spezielle Einheit Gray (Gy)
benutzt (benannt nach einem englischen Strahlenphysiker und Biologen):1 J kg-1 = 1 Gy.Beziehungen zu alten Einheiten siehe Tab. [1].
Die Energiedosis ist unmittelbar nur schwer zu messen (direkte Methode: Kalorimetrie),
indirekte Methoden gehen von der Ionisationsdosimetrie aus.
Tab. 1Größen und Einheiten im Strahlenschutz
| Größe |
gesetzliche Einheit (SI-Einheit) |
alte Einheit |
Umrechnung alt/neu |
| Energiedosis (D) |
GrayEinheitenzeichen: Gy1 Gy = 1 J/kg |
RadEinheitenzeichen: rd |
1 rd = 10-2 Gy |
| Äquivalentdosis (H) |
SievertEinheitenzeichen: Sv |
RemEinheitenzeichen: rem |
1 rem = 10-2 Sv |
| Effektive Dosis (E) |
SievertEinheitenzeichen: Sv |
- |
- |
Äquivalentdosis
Äquivalentdosis
Unterschiedliche Strahlenarten können bei gleicher Energiedosis sowohl qualitativ
als auch quantitativ höchst unterschiedliche biologische Effekte hervorrufen. Dies
hängt im Wesentlichen von der unterschiedlichen Ionisationsdichte ab, d. h. der Anzahl
der pro Wegstrecke im Gewebe erzeugten Ionisationen. Beispielsweise ist es für die
Reaktion eines Gewebes durchaus von Bedeutung, ob wenige Zellen häufig oder viele
Zellen weniger häufig „getroffen” werden.
Die Relative Biologische Wirksamkeit (RBW) kann direkt im Experiment gemessen werden.
Die RBW ist definiert als das Verhältnis der Energiedosis einer Referenzstrahlung
(meistens 200 kV Röntgenstrahlen) zur Energiedosis einer zu vergleichenden Strahlenart
(z. B. Teilchenstrahlung), die jeweils den gleichen biologischen Effekt hervorruft.
Die RBW hängt von der getesteten Reaktion, der Strahlendosis und vielen anderen Faktoren
ab.
Die Äquivalentdosis (H) ist definiert als das Produkt aus Strahlungs-Wichtungsfaktor
wR (R = Radiation) und Energiedosis (D), also H = wR × D.Dieser Wichtungsfaktor wR gibt an, um welchen Faktor eine Vergleichsstrahlung für den Menschen aufgrund ihrer
höheren Ionisationsdichte biologisch wirksamer (gefährlicher) ist als Röntgen- oder
Gammastrahlung. Die Strahlungs-Wichtungsfaktoren werden von internationalen Gremien
festgelegt, wobei alle am Menschen gemessenen RBW-Werte berücksichtigt werden.
Da der Wichtungsfaktor dimensionslos ist, hat die Äquivalentdosis dieselbe Einheit
wie die Energiedosis, also das Joule pro Kilogramm. Als spezielle Einheit ist seit
1986 das Sievert (Sv) verbindlich geworden. Das Sievert hat die alte Einheit das Rem
abgelöst: Umrechnungen siehe Tab. [1].
Röntgen- und Gammastrahlen haben definitionsgemäß einen Wichtungsfaktor von 1. Somit
entspricht in diesem Fall eine Energiedosis von 1 Gy stets einer Äquivalentdosis von
1 Sv. Für Neutronen einer Energie von 1 MeV beträgt der Wichtungsfaktor z. B. 10;
somit entspricht eine Energiedosis von 1 Gy dieser Neutronen einer Äquivalentdosis
von 10 Sv. Für Alphateilchen und schwere Ionen wurde ein Wichtungsfaktor von 20 festgesetzt;
dies ist der höchste Wert, der verwendet wird.
Die Äquivalentdosis wurde eingeführt, um die Strahlenschutzgesetzgebung einigermaßen
handlich zu machen. Während die International Commission on Radiological Protection
(ICRP) den Strahlenwichtungsfaktor wR verwendet, wird in der deutschen Strahlenschutzgesetzgebung Q eingeführt, wobei die
Qualitätsfaktoren ebenfalls zwischen 1 und 20 variieren (s. Anlage 7 zur Strahlenschutzverordnung).
Effektive Dosis
Effektive Dosis
Die effektive Dosis wurde eingeführt, um Teilkörper- mit Ganzkörperexposition oder
Bestrahlung unterschiedlicher Organe hinsichtlich ihres Risikos einer malignen Entartung
miteinander vergleichen zu können. Die Langzeitrisiken nach Strahlenexposition betreffen
in erster Linie die Induktion von Tumoren und Leukämie, wobei unterschiedliche Organe
in unterschiedlichem Ausmaß zum Risiko beitragen. Eine weitere Art der Schädigung
betrifft die Induktion von genetischen Veränderungen nach Strahlenexposition der Keimdrüsen.
Um diese unterschiedlichen Beiträge zu berücksichtigen, hat die ICRP [4] Gewebe-Wichtungsfaktoren wT (T = Tissue) eingeführt. Dabei wurde die Summe der wT-Faktoren auf 1 normiert. Für die Strahlenexposition der Keimdrüsen gilt wT = 0,2, d. h. der Beitrag strahleninduzierter Mutationen zum gesamten Schädigungspotenzial
wird mit 20 % angesetzt, die übrigen 80 % betreffen die strahleninduzierten Krebserkrankungen.
Die effektive Dosis E ist definiert als die Summe der gewichteten Äquivalentdosen
in allen Geweben und Organen des Körpers:
Dabei ist HT die Organ-Äquivalentdosis in Gewebe oder Organ T und wT der Wichtungsfaktor für das Organ bzw. Gewebe T. Da die Wichtungsfaktoren dimensionslos
sind, hat die effektive Dosis dieselbe Einheit wie die Äquivalentdosis, nämlich das
Sievert (Sv). Die effektive Dosis wurde von der ICRP zunächst nur für Überlegungen
im Strahlenschutz eingeführt. Mittlerweile wird sie jedoch auch als Indikator, z.
B. für Vergleiche verschiedener radiologischer Methoden, angewandt.
Der Zusammenhang zwischen Energiedosis, Äquivalentdosis und effektiver Dosis ist in
Abb. [3] schematisch dargestellt. Damit soll veranschaulicht werden, wie die drei erläuterten
Dosisbegriffe zusammenhängen.
Weitere Dosisbegriffe
Weitere Dosisbegriffe
In der Röntgendiagnostik, der Strahlentherapie, der Nuklearmedizin und im Strahlenschutz
sind weitere Dosisbegriffe gebräuchlich, die sich jedoch meist selbst erklären (s.
Abb. [4]). Hierzu zählt z. B. die Einfalldosis (Abb. [4a]), die Oberflächendosis (Abb. [4b]), die Tiefendosis (Abb. [4c]), die Kollektivdosis, u. ä.
In der Röntgendiagnostik wird häufig die Einfall- oder Oberflächendosis (Oberflächendosis
= Einfalldosis × Rückstreufaktor) als Maß für die Exposition verwendet. Ohne zusätzliche
Information, wie z. B. über die Feldgröße, ist die Einfall- bzw. Oberflächendosis
wenig aussagekräftig, jedoch für einen Methodenvergleich bei gleicher Einstellung
ausreichend.
Verschiedene Verfahren zur Ermittlung der Organdosis und damit auch der effektiven
Dosis gehen von der Einfalldosis aus und erlauben (bei bekannter Feldgröße) deren
Beträge in guter Näherung abzuschätzen (Tab. [2]).
Eine besondere Bedeutung hat das Dosisflächenprodukt. Das Dosisflächenprodukt ist
keine Dosis, sondern das Produkt aus Dosis und Querschnittsfläche des Röntgenstrahlenbündels.
Bei der Änderung des Messortes ändert sich die Fläche proportional und die Dosis umgekehrt
proportional zum Quadrat der Entfernung zur Röntgenquelle, so dass dieses Produkt
bei vorgegebenen Bedingungen konstant bleibt.
Da beim Dosisflächenprodukt die Fläche berücksichtigt wird, ist diese Größe der absorbierten
Energie und damit dem biologischen Effekt proportional. Die Einheit für das Dosisflächenprodukt
ist im Allgemeinen: mGy × cm2.
Tab. 2Oberflächendosis, Organdosis und effektive Dosis bei Thoraxuntersuchungen
|
Thorax pa |
Thorax lateral |
Thorax-CT |
Thorax-Low-Dose-CT |
| Oberflächen (Haut)-Dosis (mGy) |
0,4 |
0,8 |
22 |
5 |
| mittlere Organdosis (mGy) |
0,2 |
0,2 |
18 |
4 |
| effektive Dosis (mSv) |
0,1 |
0,1 |
9 |
2 |
Röntgentechniken und Strahlenexposition
Röntgentechniken und Strahlenexposition
Röntgenverfahren
Die Basisuntersuchungen in der Röntgendiagnostik ist die Röntgen-Thorax-Übersicht
in zwei Ebenen. Die Auswahl der übrigen Verfahren erfolgt nach Indikation und Plausibilität.
Um die Indikation abgewogen stellen zu können, muss der Arzt mit den verschiedenen
Röntgentechniken vertraut sein, insbesondere der qualitätsorientierten Ausführung
und des spezifischen Strahlenrisikos.
Projektionsradiographie
Projektionsradiographie
Thoraxaufnahme in 2 Ebenen
Die Basisaufnahme ist die Darstellung in 2 Ebenen in Hartstrahltechnik mit einem speziellen
Lungenfilm entsprechend den Qualitätsrichtlinien. Erst danach kommen weitere bildgebende
Verfahren zum Einsatz. Herkömmlicherweise wird die 2. Ebene streng seitlich in dextro-sinistrem
Strahlengang angefertigt.
Schrägaufnahme in Hartstrahltechnik (RAO/LAO 35 - 45°)
Diese ergeben ergänzende Hinweise zum Lungenparenchym, zur Pleura und zum Mediastinum.
Planare und oblique konventionelle Tomographie
Der Einsatz ist zur Abklärung von Fremdkörpern, Schwielen, Einschmelzungen, Distorsion
des Bronchialbaumes und bei Verdacht auf Rundherdatelektasen nach wie vor berechtigt,
zumal die Technik kostengünstig ist.
Durchleuchtung/Zielaufnahme
Die Indikation ist nur noch selten gegeben. Zur Beurteilung der Zwerchfellbeweglichkeit
ist sie nach wie vor unerlässlich.
Digitale Aufnahmetechniken
Digitale Aufnahmetechniken
Zunehmend werden bei radiologischen Untersuchungsverfahren die Bilddaten in digitaler
Form aufgenommen, verarbeitet und gespeichert. Mehrheitlich wird derzeit der Befund
noch auf einer „hardcopy” dokumentiert, deren Basis das herkömmliche Filmmaterial
ist. Bei der Herstellung von Hardcopies auf Laserfilm muss die größtmögliche Abbildung,
wenn möglich eine 1 : 1-(full-size)Darstellung, erreicht werden. Eine Abbildung, die
weniger als 75 % der Originalgröße entspricht, ist mit einem Informationsverlust verbunden,
insbesondere für kleine unregelmäßige Schatten und damit nicht akzeptabel.
Wird eine voll digitalisierte Technik einschließlich digitaler Speicherung eingesetzt
und eine Bildschirmbefundung gewählt, sollte als Mindestanforderung ein 2-K-System
(Matrix 2000 × 2000 Pixel) benutzt werden.
-
Digitale Bildverstärker-(BV-)Radiographie: In der Thoraxdiagnostik hat sich die Bildverstärkerradiographie
nicht durchgesetzt. Die erforderliche räumliche Auflösung benötigt eine hohe Matrix
von > 1024 × 1024 Bildpunkten und einen großen BV-Durchmesser von > 40 cm. Dies ließ
sich nicht realisieren, so dass diese Methode derzeit nicht weiter empfohlen wird.
-
Digitale Lumineszenzradiographie (Speicherleuchtstoff-System) (DLR): Phosphor-Speicherfolien
werden anstelle der herkömmlichen Film-Folien-Kombinationen belichtet. Dadurch werden
Elektronen in der Folie durch die Röntgenstrahlung entsprechend der einfallenden Intensität
auf ein höheres Energieniveau angehoben. Die Information wird in speziellen Lese-Lasern
und Auswerteeinheiten gemessen, in digitaler Form aufbereitet und entweder digital
gespeichert oder als „hardcopy” ausgedruckt.
-
Digitale Selenradiographie (Selentrommelsystem): Bei der Selenradiographie wird eine
dünne Selenschicht als Detektor auf eine rotierende Trommel aufgetragen. Durch die
Röntgenstrahlung wird die elektrische Leitfähigkeit des Selens verändert, es entsteht
ein latentes Bild in Form eines Ladungsmusters, das elektrisch abgetastet und digital
ausgewertet wird.
-
Digitale Bildplatte: Anstelle eines Kassettenhalters für Film-Folien-Systeme oder
Speicherfolien sind diese Systeme mit großflächigen Festkörperdetektoren ausgestattet.
Diese Flachdetektoren bestehen aus einer Halbleiterschicht aus amorphem Silizium (a-Si),
die auf einem Glasträger aufgedampft ist. Zugeordnet ist eine Matrix aus Fotodioden,
mit denen das Ladungsrelief des Detektors, das von den einfallenden Röntgenstrahlen
verändert wurde, pixelweise ausgelesen und dokumentiert wird.
Computertomographie (CT)
Computertomographie (CT)
-
Hochauflösende Computertomographie (High-Resolution-Computertomographie HRCT): Die
Computertomographie, vor allem in hochauflösender Technik (HRCT), ermöglicht eine
frühe und exaktere Erfassung pathologischer Veränderungen am Parenchym und an der
Pleura. Zunehmend setzt sich eine Kombination von Spiraltechnik mit zusätzlichen hochauflösenden
Schichten durch.
-
Spiral-Computertomographie: Gegenüber der herkömmlichen CT, bei der die Schnitte einzeln
angefertigt werden, rotiert das Röhren-Detektorsystem ständig während eines gleichförmigen
Tischvorschubs. Der wesentliche Teil einer Spiral-CT liegt in seinem Geschwindigkeitszuwachs:
Eine moderne Spiral-CT mit Subsekundentechnik (0,5 s/Rotation) und Mehrschicht-Detektorensystem
(multi slice) bedeutet eine Aufnahmezeitreduktion um mindestens den Faktor 8. Dadurch
gelingt eine lückenlose Erfassung des Organes praktisch in Atemstillstand. Die Gefahr,
dass durch eine unterschiedliche Atemlage verdächtige Strukturen nicht erfasst werden,
wird somit vermieden. Außerdem erlaubt die kontinuierliche Datenerfassung eine mehrdimensionale
Rekonstruktion des Organs. Ein weiterer Vorteil besteht in der funktionellen, kontrastmittelunterstützten
Darstellung von Gefäßprozessen, insbesondere der Lungenembolie.
-
Niedrig-Dosis-Computertomographie (Low-Dose-CT): Die technische Weiterentwicklung
ermöglicht es heute, bei ausreichendem Signal-Rausch-Verhältnis Bilder in diagnostischer
Qualität mit einer reduzierten Strahlendosis zu erstellen, die bis auf 20 - 25 % der
ursprünglich angewandten Dosis verringert werden kann.Neue aktuelle Techniken der
Dosissteuerung werden zu einer weiteren Dosisreduktion führen. Dabei wird die Dosis
ständig dem jeweils durchstrahlten Volumen angepasst, d. h. bei jeder Röhrenumdrehung
wird die Dosis für den sagittalen oder den frontalen Strahlengang dem geringeren oder
größeren Organdurchmesser adaptiert.
Spezialverfahren
Spezialverfahren
Linearbildverstärker
Das herkömmliche Schirmbildverfahren bedarf einer relativ hohen Strahlendosis, so
dass andere Möglichkeiten gesucht werden. Der Linearbildverstärker arbeitet mit einer
normalen Röntgenröhre, der Röntgenstrahl wird fokusnah auf einen schmalen Spalt von
2,4 × 40 cm eines linearen Bildverstärkers eingeblendet. Der Thoraxbereich wird in
0,8 s abgetastet. Über ein optisches System werden die Spaltbilder zu einem 10 × 10
cm-Bild zusammengesetzt. Die Dosis liegt auch wegen der starken Einblendung, die eine
Streustrahlung verhindert und ein Raster erübrigt, gegenüber den Schirmbildaufnahmen
um einen Faktor 50 niedriger.
Amber-Verfahren
Das Amberverfahren bedient sich ebenfalls der Schlitztechnik, jedoch mit erheblich
höherem apparativen Aufwand. Die Dokumentation muss aus technischen Gründen auf Film
erfolgen. Durch Dosisanpassung bei stark absorbierenden Strukturen (z. B. Mediastinum)
kommt es insgesamt doch zu einem größeren Dosisbedarf und auch zu hohen Anschaffungskosten,
so dass sich diese Methode trotz hervorragender Abbildungseigenschaften nicht durchgesetzt
hat.
Qualitätsrichtlinien
Qualitätsrichtlinien
Die Thoraxaufnahme ist nach wie vor ein unerlässliches Instrument bei der Diagnosestellung
pulmonaler Erkrankungen. Die ubiquitäre Verfügbarkeit, die niedrige Strahlenbelastung
und das günstige Kosten-Nutzen-Verhältnis sprechen auch in absehbarer Zukunft für
diese Methode [19].
Die Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik
definieren die Anforderungen an die Aufnahmetechnik analoger und digitaler Thoraxdarstellungen
und an die Bildqualität [2]
[13].
Aufnahmetechnische Leitlinien
Thorax p. a.:
Aufnahmetechnik:
-
Aufnahmeart; Rasterwandgerät
-
Aufnahmespannung: 125 kV (110 - 150)
-
Brennfleckwert: < 1,3
-
Film-Fokus-Abstand: 180 cm (150 - 200)
-
Belichtungsautomatik: seitliche Messkammer
-
Expositionszeit: < 20 ms
-
Streustrahlenraster: 2 = 12 (8)
-
Film-Folien-System: Empfindlichkeitsklasse 400 (200)
Thorax seitlich:
Aufnahmetechnik:
-
Aufnahmeart: Rasterwandgerät
-
Aufnahmespannung: 125 kV (110 - 150)
-
Brennfleckwert < 1,3
-
Film-Fokus-Abstand: 180 cm (150 - 200)
-
Belichtungsautomatik: mittleres Messfeld
-
Expositionszeit: < 40 ms
-
Streustrahlenraster: 2 = 12 (8)
-
Film-Folien-System: Empfindlichkeitsklasse 400 (200)
Bildtechnische Leitlinien
Thorax p. a.:
Bildmerkmale:
-
symmetrische Darstellung des Thorax in Inspiration
-
Abbildung der Gefäße bis zur Lungenperipherie
-
Darstellung der kostopleuralen Grenze von der Lungenspitze bis zum Zwerchfellrippenwinkel
-
visuell scharfe Abbildung von Gefäßen, Hilus, Herzrand und Zwerchfell
-
Einsicht in retrokardiale, paravertebrale Lunge und Mediastinum
-
Darstellung wichtiger Bilddetails:- rundlich: 0,7 - 1,0 mm- streifig: 0,3 mm breit-
scharfe Abgrenzung kritischer Strukturen:- kleine rundliche Details in Lungenkern
und -peripherie- Gefäßstruktur und lineare Elemente in der Lungenperipherie - ergänzend
vorgeschlagen:
-
Darstellung der 6. Vorderrippe oder 10. Hinterrippe bei tiefer Inspiration
-
Processus spinosus des 3. BWK muss zwischen beide Sternoklavikulargelenke zentriert
sein
-
Darstellung vom 7. HWK bis zum Zwerchfellrippenwinkel
-
Darstellung der retrokardial gelegenen Gefäße
Thorax seitlich:
Bildmerkmale
-
exakte Einstellung mit erhobenen Armen
-
Sternum „tangential” und abstandsunabhängige Deckung der dorsalen Rippen beider Seiten
-
visuell scharfe Darstellung der großen Lungengefäße und des hinteren Herzrandes
-
Darstellung des Zwerchfelles und der Zwerchfellrippenwinkel
-
Darstellung wichtiger Bilddetails:- rundlich: 0,7 - 1,0 mm- streifig: 0,3 mm breit
-
scharfe Abgrenzung kritischer Strukturen:- kleine rundliche Details in Lungenkernen
und -peripherie- Gefäßstruktur und lineare Elemente in der Lungenperipherie - Ergänzend
vorgeschlagen:
-
Darstellung des 10. Wirbelkörpers bei tiefer Inspiration
-
Darstellung vom 7. HWK bis zum hinteren Zwerchfellrippenwinkel
-
Darstellung der durch das Herz überlagerten Gefäße
Strahlenexposition
Strahlenexposition
Bei jedem Einsatz ionisierender Strahlung müssen der Nutzen und das Risiko gegeneinander
abgewogen werden. Für die Bundesrepublik ist in der derzeit gültigen Röntgenverordnung
(RöV) die Forderung aufgestellt, durch Optimierung der röntgenologischen Techniken
mit möglichst geringer Strahlenexposition ein diagnostisch optimales Ergebnis zu erzielen.
Die tatsächliche Strahlenexposition des Patienten muss aus den Aufzeichnungen nach
§28 der RöV zu ermitteln sein. Der Einsatz neuer Film-Folien-Kombinationen mit Seltenen-Erden-Folien
und verbesserter Empfindlichkeit (Wechsel von Empfindlichkeitsklasse 200 auf 400 entspricht
der Reduktion des definierten Dosisbedarfs von 5 am 2,5 μGy) hat zu einer deutlichen
Reduktion der Strahlenexposition bei Thoraxaufnahmen geführt. Die digitale Radiographie
wird entsprechend der Empfindlichkeitsklasse 400 durchgeführt, zusätzlich wird aber
eine Dosiseinsparung durch den größeren Objektumfang und die Möglichkeit der computerisierten
Nachbearbeitung erreicht. Damit entfallen Zusatzaufnahmen z. B. für das Mediastinum,
die Zahl der Wiederholungsaufnahmen geht gegen Null [1]
[18].
Gegensätzlich zu dieser Entwicklung hat der zunehmende Einsatz der Computertomographie
zunächst zu einer vermehrten Strahlenbelastung geführt. Durch Anwendung von differenzierten
Untersuchungsverfahren, jeweils an den Einzelfall angepasst, kann jedoch auch hier
eine Dosisreduktion errreicht werden; eine weitere Verminderung ist durch die technische
Entwicklung und die Gestaltung der Untersuchungsabläufe zu erwarten (Tab. [2], [3]).
Tab. 3Relative Strahlenexposition bei verschiedenen Aufnahmetechniken
| Linearbildverstärker |
1 |
| Großbildverstärker |
2 |
| Speicherleuchtstoff- oder Selentrommelsystem |
6 |
| herkömmlicher Lungenarbeitsplatz |
10 |
| Schirmbildgerät (Gd-Schirm) |
30 |
| Schirmbildgerät (alt) |
50 |
Tab. 4Relative Strahlenexposition in Abhängigkeit von den Aufnahmeparametern (herkömmlicher
Lungenarbeitsplatz)
| Standardbedingungen (nach Leitlinien der BÄK): 125 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung,
Raster 12/40,Film-Folien-Klasse 400 (ca. 2 mAs) |
1 |
| 125 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung, Raster 12/40,Film-Folien-Klasse 200 (ca. 4 mAs) |
2 |
| 125 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung, Raster 8/40,Film-Folien-Klasse 400 (ca. 2,5 mAs) |
1,25 |
| 80 kV, 2,5 mm Al Gesamtfilterung, Raster 12/40,Film-Folien-Klasse 200 (ca. 20 mAs) |
10 |
Strahlenbiologie und Strahlenrisiko
Strahlenbiologie und Strahlenrisiko
Strahlenbiologische Grundlagen
Strahlenbiologische Grundlagen
Strahlenschäden
Ausgangspunkt aller biologischen Strahlenschäden sind Strukturveränderungen der im
Zellkern enthaltenen Desoxyribonukleinsäure (DNS). Besonders häufig treten Einzelstrangbrüche sowie abgespaltene oder modifizierte
DNS-Basen auf, während Doppelstrangbrüche sowie lokale Häufungen mehrerer Schäden
zwar seltener vorkommen, jedoch biologisch besonders relevant sind. Der überwiegende
Anteil (ca. 99,9 %) der Schäden kann durch zelleigene Enzyme repariert werden. Diejenigen
Schäden, die nicht oder falsch repariert werden, können zweierlei Folgen für die Zelle
haben:
Zum einen kann die betroffene Zelle ihre Fähigkeit zur Zellteilung verlieren, so dass
sie anschließend zugrunde geht. Der Zelltod ist mit Abstand der häufigste Effekt.
Zum anderen kann es aber auch vorkommen, dass eine Zelle trotz Veränderung ihrer Erbinformation
sich weiter teilt und damit die veränderten Eigenschaften auf ihre Nachkommen übertragen
kann. Man spricht dann von einer Transformation oder Mutation der betreffenden Zelle.
Diese beiden Typen von Zellreaktionen ziehen für den Menschen völlig unterschiedliche
Arten von Strahlenrisiken nach sich.
Strahlenpathologie und Strahlensyndrom
Strahlenpathologie und Strahlensyndrom
Die Zellabtötung führt zu den sog. deterministischen Strahlenschäden (Tab. [5]). Hierzu gehören die akuten Schäden, wie das Erythem und die akute Strahlenkrankheit,
die nichtkanzerösen Spätschäden, wie fibrotische Gewebeveränderungen, Trübung der
Augenlinse und vorübergehende oder dauernde Sterilität sowie die teratogenen Schäden
nach Bestrahlung in utero. Bei der Bewertung der deterministischen Schäden ist zu
berücksichtigen, dass das Absterben von Zellen ein natürlicher Prozess in dem vom
Organismus regulierten Fließgleichgewicht von Zellerneuerung und Zelltod ist, der
in praktisch allen Geweben stattfindet. Eine strahleninduzierte Erhöhung der Zell-Sterberate
führt daher nur dann zu einem Schaden in dem bestrahlten Gewebe, wenn die Anzahl der
durch Strahlung abgetöteten Zellen relativ groß ist, d. h. wenn eine Schwellendosis
überschritten wird. Oberhalb dieser Schwellendosis nimmt die Schwere des Strahlenschadens
mit steigender Dosis zu. Die Dauer bis zum Auftreten der Symptome wird in erster Linie
durch die Zellumsatzrate im betroffenen Gewebe bestimmt. Während bei Ganzkörperbestrahlung
der Untergang der Knochenmarksstammzellen nach zwei bis drei Wochen im peripheren
Blut deutliche Auswirkungen zeigt, führt bei höherer Strahlendosis der Ausfall der
Stammzellen in den Krypten des Dünndarms bereits innerhalb von zehn Tagen zum Verlust
des Epithels.
Tab. 5Einteilung der Strahlenschäden: Bei Bestrahlung höherer Organismen sind deterministische
und stochastische (d. h. zufallsmäßige) Schäden zu unterscheiden, die auf unterschiedlichen
Ursachen beruhen [8]
| Schadenstyp |
Ursache |
|
deterministische Strahlenschäden:
|
|
| Frühschäden (z. B. Erythem, akute Strahlenkrankheit) |
|
| nichtkanzeröse Spätschäden (z. B. fibrotische Gewebsveränderungen, Trübung der Augenlinse,
Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit, etc.) |
Zellabtötung |
| teratogene Effekte (Bestrahlung in utero) |
|
|
stochastische Strahlenschäden:
|
|
| Krebserkrankungen (Transformation)Erbschäden (Mutation) |
Zellveränderung |
Strahlenrisiken
Strahlenrisiken
Entscheidend für die Gesundheitsgefährdung im Bereich niedriger Strahlendosen und
somit auch für die Abschätzung der Risiken der Röntgendiagnostik sind die sog. stochastischen
Strahlenschäden. Sie beruhen auf der Transformation und Mutation der betroffenen Zellen
und führen zu neoplastischen Veränderungen und zu Erbkrankheiten. Bei diesen Schäden
ist nicht die Schwere des Schadens von der Dosis abhängig, sondern die Eintrittswahrscheinlichkeit
des Schadens nimmt mit der Dosis zu. Mit anderen Worten: Eine Erhöhung der Dosis führt
nicht zu dramatischeren Mutationen oder bösartigen Tumoren, sondern diese Veränderungen
treten mit größerer Häufigkeit auf. Man nimmt an, dass die Zunahme proportional zur
Dosis und ohne Schwellenwert erfolgt. Vieles spricht für diese Annahme, streng bewiesen
ist sie allerdings nicht; doch stellt sie die Grundphilosophie des gesamten Strahlenschutzes
dar.
Ein ganz wichtiger Befund ist nun, dass durch Bestrahlung keine DNS-Veränderungen
hervorgerufen werden, die nicht auch spontan auftreten. Deshalb ist es bei einer Einzelperson
nicht möglich, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer vorausgegangenen Strahlenexposition
und einer klinisch manifesten Krebserkrankung streng nachzuweisen, weil ein durch
Strahlung verursachtes Karzinom klinisch nicht von demjenigen zu unterscheiden ist,
das durch andere natürliche oder zivilisatorische Einflüsse hervorgerufen wurde.
Deshalb kann eine qualifizierte Aussage über das Strahlenkrebsrisiko immer nur für
ein großes Kollektiv bestrahlter Personen getroffen werden, und zwar nur dann, wenn
durch den alleinigen Einfluss der Bestrahlung in dieser Gruppe eine statistisch signifikante
Erhöhung gegenüber der spontanen Krebsrate auftritt. Unsere Kenntnisse über das Strahlenkrebsrisiko
beim Menschen stammen aus langjährigen Beobachtungen großer Patientengruppen nach
medizinischer Strahlenanwendung und insbesondere der Überlebenden der Atombombenexplosionen
von Hiroshima und Nagasaki.
Quantifizierung des Krebsrisikos
Quantifizierung des Krebsrisikos
Bei allen bisher durchgeführten Studien sind die Zahlenwerte erst für Strahlendosen
oberhalb von 200 mSv statistisch vom Nullwert verschieden. Hierin liegt die zentrale
Problematik des Strahlenschutzes im Bereich kleiner Strahlendosen. Die meisten röntgendiagnostischen
Maßnahmen sind mit einer Dosis von einigen wenigen Milli-Sievert verbunden. Deren
Risiko kann nur aufgrund der Annahme berechnet werden, dass die Dosis-Wirkungs-Kurve
linear bis zum Nullpunkt weitergeht und dass kein Schwellenwert existiert.
Auf der Basis aller vorliegenden Daten hat die Internationale Strahlenschutzkommission
(ICRP = International Commission on Radiological Protection) eine Abschätzung des
Strahlenkrebsrisikos vorgenommen. Die Resultate sind in Tab. [6] zusammengestellt. Danach beträgt das individuelle Lebenszeit-Krebsmortalitätsrisiko
durch ionisierende Strahlen 5 % pro Sievert. Dies bedeutet Folgendes: Werden 100
Personen am ganzen Körper mit einer Dosis von 1 Sv bestrahlt, werden im Verlauf ihres
Lebens 5 davon am strahleninduzierten Krebs sterben. Ein Sievert ist allerdings eine
äußerst hohe Strahlendosis, bei einer Ganzkörperdosis von 3 bis 4 Sv ist mit einer
50 %igen Sterblichkeit (Mortalität) zu rechnen. Im Mittel vergehen mehr als 40 Jahre,
bis eine durch Strahlenexposition verursachte Krebserkrankung eintritt [8]. Das Leukämierisiko (nach Bestrahlung des roten Knochenmarks) beträgt 0,5 % Sv-1, also ein Zehntel des gesamten Krebsrisikos. Strahleninduzierte Leukämien treten
im Durchschnitt nach 15 Jahren auf; 30 Jahre nach einer Strahlenexposition ist nicht
mehr mit dem Auftreten von strahleninduzierten Leukämien zu rechnen. Aus Tab. [6] wird deutlich, dass die verschiedenen Organe höchst unterschiedliche Risikokoeffizienten
aufweisen.
Mit den in Tab. [6] aufgeführten Risikokoeffizienten können Strahlenrisiken direkt berechnet werden,
indem man die Strahlendosis für ein bestimmtes Organ mit dem Risikokoeffizienten für
dieses Organ multipliziert. Ehe wir dieses im Einzelnen tun können, müssen wir als
nächstes den Dosisbedarf verschiedener Thoraxuntersuchungen näher anschauen.
Tab. 7Mittlere Organdosen pro Thoraxaufnahme bzw. CT-Untersuchung (mGy). Nach Mini [9]
|
Art der Untersuchung |
| Organe |
Lunge p. a. |
Lunge lateral |
CT-Thorax |
| Haut-Oberfläche |
0,42 |
0,84 |
22,1 |
| rotes Knochenmark |
0,05 |
0,07 |
4,7 |
| Testes |
< 0,01 |
< 0,01 |
0,03 |
| Ovarien |
< 0,01 |
< 0,01 |
0,17 |
| Uterus |
< 0,01 |
< 0,01 |
0,16 |
| Blase |
< 0,01 |
< 0,01 |
0,16 |
| Dickdarm |
0,03 |
0,03 |
4,2 |
| Dünndarm |
0,01 |
0,01 |
1,5 |
| Nieren |
0,07 |
0,05 |
6,8 |
| Leber |
0,14 |
0,27 |
13,2 |
| Milz |
0,17 |
0,03 |
13,7 |
| Pankreas |
0,11 |
0,11 |
10,5 |
| Magen |
0,14 |
0,08 |
12,2 |
| Lunge |
0,17 |
0,20 |
17,6 |
| Brust |
0,04 |
0,07 |
20,3 |
| Speiseröhre |
0,11 |
0,16 |
13,8 |
| Schilddrüse |
0,04 |
0,12 |
5,6 |
| Speicheldrüse |
0,01 |
0,01 |
1,2 |
| Nasennebenhöhlen |
< 0,01 |
< 0,01 |
0,43 |
| Augenlinsen |
< 0,01 |
< 0,01 |
0,37 |
| Gehirn |
< 0,01 |
< 0,01 |
0,37 |
| effektive Dosis [mSv] |
0,09 |
0,09 |
9,3 |
Strahlenexposition bei Röntgenuntersuchungen des Thorax
Strahlenexposition bei Röntgenuntersuchungen des Thorax
Tab. [7] zeigt die Verteilung der Strahlenexposition über die verschiedenen Organe des Körpers
des Patienten für die gängigsten Untersuchungen. Eine Basisuntersuchung besteht im
Allgemeinen aus zwei Übersichtsaufnahmen des Thorax in zwei Ebenen, und zwar einmal
p. a. (posterior-anterior, von hinten nach vorn), einmal lateral (seitlich). Bei der
p. a.-Aufnahme beträgt die Strahlendosis der Lunge 0,17 mGy. Andere Organe, die vollständig
oder zum größten Teil im Bestrahlungsfeld liegen, wie Milz, Magen, Leber, Pankreas
und Speiseröhre, erhalten ähnliche Strahlendosen. Die Brust liegt zwar ebenfalls im
Direktstrahl, erhält aber nur 0,04 mGy. Dies hängt damit zusammen, dass die Strahlung
beim Durchgang durch den Oberkörper etwa um einen Faktor 25 (bei 125 KV) geschwächt
wird. Die p. a.-Aufnahme ist somit nicht nur von der Qualität der Röntgenbilder, sondern
auch aus Strahlenschutzüberlegungen vorzuziehen, auch bei Bettaufnahmen. Im a. p.-Strahlengang
wäre die Dosis der Brust fast um einen Faktor von 25 höher, nämlich ähnlich der Dosis
der Hautoberfläche. Organe, die deutlich außerhalb des Direktstrahls liegen und somit
nur von Streustrahlung getroffen werden, wie die im Unterbauch oder im Kopf, erhalten
Strahlendosen, die bei einigen wenigen Prozent der Lungendosis liegen.
Bei einer Computertomographie (CT) des Thorax ist die Strahlenexposition etwa um einen
Faktor von 100 höher als bei einer konventionellen Röntgenaufnahme. Natürlich hängen
diese Werte in starkem Maße von den Betriebsdaten der Röntgenröhre, insbesondere dem
mAs-Produkt und der Anzahl der untersuchten Schichten ab [15]. Aber generell kann man sagen, dass die Strahlendosis einer Schicht (Scan) etwa
der einer konventionellen Röntgenaufnahme entspricht (Abb. [5]).
Überhaupt sind die in Tab. [7] zusammengestellten Dosisangaben lediglich als orientierende Durchschnittswerte anzusehen.
Sie wurden durch umfangreiche Erhebungen in 500 Arztpraxen der Schweiz bzw. durch
langjährige Messungen im Krankenhaus ermittelt. Feldstudien haben gezeigt, dass in
verschiedenen Kliniken der Dosisbedarf für ein und dieselbe Untersuchung um das 10-
bis 20fache unterschiedlich sein kann.
Bei jeder einzelnen Untersuchung sollte der Aspekt möglicher Dosiseinsparungen beachtet
werden. Das Ziel ist, die diagnostisch wichtige Information mit einer vertretbar niedrigen
Strahlendosis darzustellen (ALARA-Prinzip: As low as reasonably achievable). Zu diesem
Zweck hat die Bundesärztekammer Leitlinien zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik
herausgegeben [2]. Diese enthalten Empfehlungen für die Aufnahmetechnik und die physikalischen und
technischen Parameter des Bilderzeugungssystems, mit denen eine Dosisverminderung
ohne Einschränkung der diagnostisch notwendigen Informationen zu erreichen ist. In
Verbindung mit einer kritischen Indikation und einer fachkundigen Beurteilung bilden
die Prinzipien der Leitlinien einen wesentlichen Bestandteil der Qualitätssicherung
und des Strahlenschutzes.
Berechnung der Strahlenrisiken einzelner radiologischer Untersuchungsverfahren
Berechnung der Strahlenrisiken einzelner radiologischer Untersuchungsverfahren
Um das mit einer bestimmten Untersuchung verbundene Krebsrisiko abzuschätzen, gibt
es zwei Vorgehensweisen. Falls man die Krebshäufigkeit für ein bestimmtes Organ ermitteln
will, ist die betreffende Organdosis aus Tab. [7] mit dem zugehörigen Risikokoeffizienten aus Tab. [6] zu multiplizieren. Als Beispiel betrachten wir das Risiko für strahleninduzierten
Lungenkrebs bei einer p. a.-Thoraxaufnahme. Die Lungendosis beträgt 0,17 mGy; dies
entspricht 0,17 mSv (da bei Röntgenstrahlen 1 mGy = 1 mSv ist) oder 0,17 · 10-3 Sv. Der Risikokoeffizient (für einen Patienten im mittleren Lebensalter) beträgt
0,85 % Sv-1. Das Produkt (0,17 × 10-3 Sv × 0,85 % Sv-1) ergibt ein Mortalitätsrisiko durch Lungenkrebs von 0,00015 % oder 1,5 × 10-6 oder 1 : 700 000.
Der zweite Fall, der in der Praxis häufiger vorkommt, ist der, dass man das gesamte
Krebsrisiko ermitteln will. Wie Tab. [7] deutlich macht, sind bei einer Thoraxaufnahme nicht nur die Lunge, sondern eine
Reihe weiterer Organe der Strahlung ausgesetzt. Somit ist für jedes strahlenexponierte
Organ das Krebsrisiko zu berechnen, welches aus der jeweiligen Strahlendosis und dem
betreffenden Risikokoeffizienten resultiert.
Diese Berechnung wird für eine Basisuntersuchung (2 Aufnahmen) in exemplarischer Weise
in Tab. [8] vorgeführt. Die zweite Spalte der Tabelle zeigt die Strahlendosis für 2 Aufnahmen,
was nichts anderes ist als die Summe der beiden mittleren Kolonnen von Tab. [7]. Die Dosis ist hier in 10-3 Sv (= mSv) angegeben. In Spalte 3 sind die Risikokoeffizienten aus Tab. [6] für das jeweilige Organ aufgeführt. Für diejenigen Organe, für die kein separater
Risikokoeffizient existiert, wurde der Risikokoeffizient für „übrige Organe” von 0,5
% Sv-1 gleichmäßig auf diejenigen 5 Organe aufgeteilt, die die jeweils höchsten Strahlendosen
erhalten haben. In der letzten Spalte von Tab. [8] steht schließlich das Risiko für die einzelnen Organe. Es wird, wie oben bereits
vorgerechnet, durch Multiplikation der in den beiden mittleren Kolonnen stehenden
Zahlenwerte erhalten. Das Risiko ist hier in Tausendstel Prozent (10-3 %) angegeben, da bei der Multiplikation und von 10-3 Sv mit % Sv-1 letztlich 10-3 % übrig bleibt. Die letzte Spalte zeigt, dass bei einer Thoraxuntersuchung das höchste
Risiko die Entstehung von Lungenkrebs betrifft, während das Risiko für Magenkrebs
etwa die Hälfte und das für Speiseröhrenkrebs etwa ein Viertel des Risikos für Lungenkrebs
beträgt. Das gesamte Krebsrisiko einer Thoraxuntersuchung ergibt sich durch Aufsummieren
der Risikowerte der letzten Spalte von Tab. [8]: Es beträgt 0,89 × 10-3 %.
Fazit: Von einer Million Menschen, die die konventionelle Thorax-Doppelaufnahme erhielten,
sterben - nach diesem Modell - 9 Personen an einer der oben angeführten Krebsarten.
Die Risikoberechnung nach Tab. [8] ist zwar nicht schwierig, aber doch so umständlich, dass man diese Vorgehensweise
niemandem so recht zumuten mag. Deshalb gehen wir noch einmal zurück in die Tab. [7] und betrachten die letzte Zeile. Dort steht „Effektive Dosis”, dieser Begriff wurde
bereits erklärt. Vereinfacht kann man sagen: Die effektive Dosis bezeichnet diejenige
Strahlendosis, die bei homogener Ganzkörperbestrahlung des Patienten dasselbe Risiko
bedingt wie die höchst ungleichmäßig verteilte reale Strahlenexposition. Eine Aufnahme
der Lunge führt somit zu demselben Risiko wie eine Ganzkörperbestrahlung mit 0,09
mGy (oder mSv).
Mit der effektiven Dosis lässt sich das gesamte Strahlenkrebsrisiko leicht berechnen
(Tab. [5], S. 64). Die effektive Dosis für 2 Aufnahmen beträgt 0,18 mSv. Dieser Wert (der
ja einer Ganzkörperdosis entspricht) ist mit dem Risikokoeffizienten für das gesamte
Krebsrisiko von 5 % Sv-1 (Tab. [8], letzte Zeile) zu multiplizieren. Das Resultat ist 0,90 · 10-3 %; es stimmt vorzüglich mit dem Resultat der detaillierten Berechnung von Tab. [8] überein.
Tab. 6Zusätzliches Lebenszeitkrebsrisiko (Mortalität) durch ionisierende Strahlen bei Ganzkörperexposition
mit niedriger Einzeldosis (nach ICRP [4])
| Gewebe |
Risiko-Koeffizient (% Sv-1) |
| rotes Knochenmark |
0,5 |
| Lunge |
0,85 |
| Dickdarm |
0,85 |
| Magen |
0,7 *) |
| Brust |
0,6 *) |
| Ösophagus |
0,3 |
| Blase |
0,3 |
| Leber |
0,15 |
| Ovar |
0,1 |
| Schilddrüse |
0,08 |
| Knochenoberfläche |
0,05 |
| Haut |
0,02 |
| Restkörper |
0,5 |
| insgesamt |
5,0 % Sv-1
|
| *) Originalwerte nach ICRP: Magen 1,1 % Sv-1, Brust 0,2 % Sv-1; modifiziert nach Jung 1991 [6]
|
Tab. 8Berechnung des gesamten Krebsrisikos für eine Basisuntersuchung des Thorax (2 Aufnahmen)
| Organe |
Strahlendosis |
Risiko-Koeffizient |
Risiko |
|
[10-3 Sv] |
[% Sv-1] |
[10-3 %] |
| Haut-Oberfläche |
1,26 |
0,02 |
0,025 |
| rotes Knochenmark |
0,12 |
0,5 |
0,060 |
| Testes |
<0,01 |
- |
- |
| Ovarien |
<0,01 |
0,1 |
0,001 |
| Uterus |
<0,01 |
- |
- |
| Blase |
<0,01 |
0,3 |
0,003 |
| Dickdarm |
0,06 |
0,85 |
0,051 |
| Dünndarm |
0,02 |
0,1 * |
0,002 |
| Nieren |
0,12 |
0,1 * |
0,012 |
| Leber |
0,41 |
0,15 |
0,062 |
| Milz |
0,20 |
0,1 * |
0,020 |
| Pankreas |
0,22 |
0,1 * |
0,022 |
| Magen |
0,22 |
0,7 |
0,154 |
| Lunge |
0,37 |
0,85 |
0,315 |
| Brust |
0,11 |
0,6 |
0,066 |
| Speiseröhre |
0,27 |
0,3 |
0,081 |
| Schilddrüse |
0,16 |
0,08 |
0,013 |
| Speicheldrüse |
0,02 |
0,1 * |
0,002 |
| Nasennebenhöhlen |
<0,01 |
- |
- |
| Augenlinsen |
<0,01 |
- |
- |
| Gehirn |
<0,01 |
- |
- |
|
|
Summe |
0,89 |
| effektive Dosis |
0,18 |
5,0 |
0,90 |
| * Übrige Organe: Risiko-Koeffizient 0,5 % Sv-1, aufgeteilt auf die 5 Organe mit der höchsten Dosis |
Altersabhängigkeit des Strahlenkrebsrisikos
Altersabhängigkeit des Strahlenkrebsrisikos
Die in Tab. [6] und [8] aufgeführten Risikokoeffizienten sind Mittelwerte, die beide Geschlechter und alle
Altersgruppen umfassen. Um das individuelle Strahlenkrebsrisiko eines exponierten
Patienten zu ermitteln, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass das Strahlenrisiko
vom Lebensalter bei Strahlenexposition abhängt. Die Altersabhängigkeit für alle strahleninduzierten
Krebserkrankungen wurde von der ICRP angegeben. Danach ist in der ersten Lebensdekade
das Risiko mehr als doppelt so hoch wie der Mittelwert. Mit zunehmendem Alter bei
Strahlenexposition verringert sich das Risiko. Zwischen 30 und 40 Jahren ist das Risiko
etwa zwei Drittel des Mittelwertes; es verringert sich kontinuierlich mit zunehmendem
Lebensalter und ist oberhalb von 80 Jahren praktisch zu vernachlässigen.
Wenn wir lediglich Strahlenexpositionen des Thoraxbereiches betrachten, ist die Altersabhängigkeit
nach ICRP ungeeignet, da das Risiko für die Induktion von Lungenkrebs - im Gegensatz
zu allen anderen Tumoren - zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr um ein Vielfaches höher
ist als in früheren oder späteren Lebensdekaden. Da es keine diesbezüglichen veröffentlichten
Werte gibt, wurde aus den von dem amerikanischen National Research Council (NRC) [10] mitgeteilten Altersabhängigkeiten des Strahlenrisikos alters- und geschlechtsspezifische
Korrekturfaktoren abgeschätzt (Tab. [9]). Für den Mann zeigen diese Faktoren über die ersten 6 Lebensdekaden nur eine geringe
Variation, da die Zunahme der Risiken für den Atemtrakt und die Abnahme der Risiken
für den Verdauungstrakt sich weitgehend kompensieren. Erst im hohen Lebensalter ist
eine deutliche Reduktion festzustellen. Die Korrekturfaktoren für Frauen sind deutlich
höher als die der Männer, da einerseits zusätzlich das Risiko für Brustkrebs zu berücksichtigen
ist, andererseits das Strahlenrisiko für Tumoren des Verdauungstraktes deutlich höher
liegt als das der Männer.
Tab. 9Alters- und geschlechtsspezifische Korrekturfaktoren für die effektive Dosis für Risikoberechnungen
bei Lungenuntersuchungen (abgeschätzt nach Angaben von NRC [10])
| Altersgruppe |
Wichtungsfaktoren für die effektive Dosis |
| Alter (Jahre) |
Frauen |
Männer |
| 0 - 9 |
1,47 |
0,72 |
| 10 - 19 |
2,15 |
0,87 |
| 20 - 29 |
1,70 |
1,16 |
| 30 - 39 |
1,04 |
0,93 |
| 40 - 49 |
1,21 |
1,32 |
| 50 - 59 |
1,13 |
1,45 |
| 60 - 69 |
0,72 |
1,01 |
| 70 - 79 |
0,31 |
0,33 |
| > 80 |
0,06 |
0,06 |
Patientenspezifische Risiken
Patientenspezifische Risiken
Damit haben wir alle Zahlen zusammen, um für eine Patientin oder einen Patienten das
individuelle Risiko einer Röntgenuntersuchung der Lunge (2 Aufnahmen) zu berechnen.
Als erstes Beispiel betrachten wir einen 65-jährigen Mann. Die effektive Dosis beträgt
0,18 mSv (Tab. [8]). Der Korrekturfaktor beläuft sich auf 1,01 (Tab. [9]); bei Anwendung der effektiven Dosis ist jeweils der Koeffizient für das gesamte
Krebsrisiko, also 5 % Sv-1, heranzuziehen. Diese drei Werte miteinander multipliziert ergeben 0,9 × 10-3 % oder (aufgerundet) 0,001 % oder 10-5 oder 1 : 100 000.
Als zweites Beispiel betrachten wir den ungünstigsten Fall, und zwar die Untersuchung
eines 15-jährigen Mädchens. Hier beläuft sich der Korrekturfaktor auf 2,15 (Tab. [9]). Die Rechnung ist dieselbe: 0,18 × 10-3 Sv × 2,15 × 5 % Sv-1 = 0,002 % oder 2 × 10-5 oder 1 : 50 000.
Somit können wir zusammenfassend feststellen: Das Krebsrisiko durch eine konventionelle
Basisuntersuchung der Lunge (2 Aufnahmen) beläuft sich für eine Patientin oder einen
Patienten im mittleren Lebensalter auf etwa 1 : 100 000. Bei Mädchen und jungen Frauen
kann dieses Risiko auf das Doppelte ansteigen, während bei älteren Patienten das Strahlenrisiko
deutlich niedriger liegt.
Veranschaulichung des Strahlenrisikos
Veranschaulichung des Strahlenrisikos
Es ist ziemlich einfach, das Risiko auszurechnen. Es ist allerdings äußerst schwierig,
dieses Risiko einem Patienten anschaulich zu vermitteln, so dass dieser die Information
nicht nur verstandesgemäß erfasst, sondern auch emotional akzeptiert. Die Relation
1 : 100 000 besagt, dass durch 100 000 Basisuntersuchungen der Lunge eine fatal verlaufende
Krebserkrankung induziert wird. Bei gleicher Strahlenexposition sind zwar alle 100
000 Patienten a priori dem gleichen Risiko ausgesetzt. Doch wird eine einzige Person
im Verlauf von mehreren Jahrzehnten von dem Schaden betroffen, während sich bei allen
übrigen überhaupt kein Schaden manifestiert. Welcher der strahlenexponierten Patienten
betroffen sein wird, ist nicht anzugeben. Deshalb werden diese Strahlenschäden als
stochastische (d. h. zufallsmäßig verteilte) Schäden bezeichnet.
Vergleich mit dem allgemeinen Krebsrisiko
Vergleich mit dem allgemeinen Krebsrisiko
Krebs ist eine ausgesprochene Krankheit des Alters. Durch die zunehmende Lebenserwartung
nimmt der Anteil derjenigen, die an einer Krebskrankheit sterben, trotz der Erfolge
der Medizin kontinuierlich zu. Heute stirbt jeder Vierte an einer Krebserkrankung.
Dies bedeutet ein Risiko von 25 %. Durch eine Röntgenuntersuchung der Lunge erhöht
sich somit das Risiko des exponierten Patienten, im Verlauf des Lebens an Krebs zu
sterben, rechnerisch von 25 % auf 25,001 %. Dies ist wirklich eine minimale Zunahme
des Risikos, insbesondere wenn man bedenkt, dass es dem Einzelnen an die Hand gegeben
ist, durch eine entsprechende Lebensweise sein Krebsrisiko auf 20 % zu verringern
oder auf 30 % zu erhöhen.
Vergleich mit den Risiken des Straßenverkehrs
Vergleich mit den Risiken des Straßenverkehrs
Eine weitere Möglichkeit, die Größe eines Strahlenrisikos zu veranschaulichen, besteht
in dem Vergleich mit den Risiken des Straßenverkehrs [7]. Dies ist ein Risiko, mit dem wir täglich leben oder leben müssen und das jedermann
einigermaßen zu überschauen glaubt. Im Jahre 1998 starben in Deutschland 7772 Personen
bei Verkehrsunfällen. Dies entspricht einem Todesrisiko von 9,5 × 10-5 % oder 1 : 10 500. Das Risiko einer Lungenuntersuchung von 10-5 entspricht demnach 10 % des jährlichen Straßenverkehrsrisikos. Wenn man weiter berücksichtigt,
dass durch einen Verkehrsunfall im Durchschnitt 40 Lebensjahre verloren gehen, durch
Strahlenkrebs etwa 13 Jahre, dann verringert sich dieser Wert (10 × 13/40) auf 3,3
%. Eine Röntgenaufnahme der Lunge wäre demnach mit einem vergleichbaren Risiko verbunden
wie die Teilnahme am Straßenverkehr an 12 Tagen (0,033 × 365). Vielleicht ist dies
ein Weg, um das mit einer radiologischen Untersuchung verbundene Risiko etwas anschaulicher
zu machen. Die Chancen für den Einzelnen sind sehr hoch, während der nächsten 12 Tage
keinen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden: Und trotzdem sterben in diesem Zeitraum
etwa 250 Menschen auf unseren Straßen. Damit sind wir bei dem Problem, dass verschwindend
kleine Individualrisiken sich bei 82 Millionen Personen zu erschreckenden Gesamtzahlen
summieren. Hieraus ist folgender Schluss zu ziehen: Das individuelle Strahlenrisiko
des exponierten Patienten ist verschwindend gering. Trotzdem ist an jede Untersuchung,
die mit einer Strahlenexposition verbunden ist, die Forderung nach einer strengen
Indikationsstellung zu stellen. Dies dient dem Zweck, das Gesamtrisiko in unserer
Bevölkerung zu reduzieren.
Risiken der Computertomographie
Risiken der Computertomographie
Bei einem CT der Lunge ist die effektive Dosis etwa 50-mal höher als die von zwei
Röntgenaufnahmen (vgl. Abb. [5]) und in gleicher Weise erhöht sich das Strahlenrisiko. Bei Patienten im mittleren
Lebensalter beträgt dieses 1 : 2000 und bei einem weiblichen Teenager etwa 1 : 1000.
Selbst bei der Niedrig-Dosis-CT in Spiraltechnik liegt das Risiko im Bereich von 1
: 5000 bis 1 : 10 000. Diese relativ hohen Strahlenrisiken erfordern eine äußerst
strenge Indikationsstellung zur Thorax-CT. Der Arzt muss sich im Klaren darüber sein,
welche diagnostische Fragestellung präzise beantwortet werden soll, und muss sich
außerdem fragen, welchen Nutzen der strahlenexponierte Patient aus der Untersuchung
zieht. Hierbei ist auch das Risiko des Patienten durch die Erkrankung in die Überlegung
mit einzubeziehen in dem Sinne, dass bei einem hohen Risiko durch die Erkrankung Untersuchungsverfahren,
die mit einem höheren Risiko behaftet sind, leichter zu rechtfertigen sind. Bei einem
Vergleich mehrerer internationaler Studien zu diesem Thema kommt man zu dem Ergebnis,
dass das Risiko des Patienten durch die Erkrankung selbst wesentlich, je nach Erkrankung
bis zu 1000-mal höher ist als das Strahlenrisiko durch die CT-Untersuchung.
Genetische Strahlenschäden
Genetische Strahlenschäden
Die genetischen Wirkungen einer Bestrahlung bestehen in der Erzeugung von Mutationen
in den Keimzellen, die zu vererbbaren Strahlenschäden führen. Das genetische Strahlenrisiko
des Menschen kann nur aufgrund von Tierversuchen indirekt erschlossen werden. Auf
der Basis aller zugänglichen Informationen hat die ICRP die Wahrscheinlichkeit für
das Auftreten schwerer genetischer Schäden mit 1 % Sv-1 abgeschätzt [4]. Das Risiko für die erste und zweite Generation beträgt jeweils 0,15 % Sv-1, das für alle weiteren zukünftigen Generationen zusammengenommen 0,7 % Sv-1. Bei konventionellen Röntgenuntersuchungen der Lunge liegt die Strahlendosis der
Testes und der Ovarien unter 0,01 mGy (vgl. Tab. [7]). Dies ist weniger als 1 % der jährlichen natürlichen Strahlenexposition und somit
nicht als risikorelevant einzustufen. Beim Thorax-CT beläuft sich die Dosis der Testes
auf 0,03 mSv und die der Ovarien auf 0,17 mSv. Obwohl die Mutationsfrequenz bei Frauen
wahrscheinlich niedriger liegt als die der Männer, sollen diese Dosiswerte direkt
zur Risikoberechnung herangezogen werden. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Thorax-CT
ein Kind mit einem strahleninduzierten genetischen Defekt zu bekommen, beträgt somit
nach Strahlenexposition eines Mannes 0,03 × 10-3 Sv × 0,15 % Sv-1 = 4,5 × 10-6 %, das für eine strahlenexponierte Frau 0,17 × 10-3 Sv × 0,15 % Sv-1 = 2,6 × 10-5 %. Im Vergleich zur spontanen Missbildungsrate von etwa 2 % ist der Beitrag einer
solchen Strahlenexposition von absolut untergeordneter Bedeutung.
Resümee: Wenn es um die Abschätzung des gesamten Strahlenrisikos einer exponierten
Person geht, ist somit in erster Linie das Strahlenkrebsrisiko in Betracht zu ziehen.
Trotzdem ist weiterhin der Grundsatz zu beachten, dass alle unnötigen Strahlenexpositionen
der Keimdrüsen zu vermeiden sind, um das Risiko für Erbkrankheiten so gering wie möglich
zu halten.
Ausblick
Ausblick
Auch innerhalb der hochzivilisierten Länder mit guter ärztlicher Versorgung nimmt
Deutschland neben Japan eine Spitzenstellung in der Anzahl der Röntgenuntersuchungen
bzw. -aufnahmen pro Kopf der Bevölkerung ein. Generell gilt jedoch, dass die „Röntgenuntersuchungsdichte”
abhängig ist von der Arztdichte bzw. dem Bruttosozialprodukt. Dies lässt sich gut
an den Erhebungen der United Nations zeigen [17].
In Abb. [6] ist die Häufigkeit verschiedener Röntgenuntersuchungen miteinander verglichen. In
derselben Abbildung ist auch der Beitrag der Thoraxuntersuchungen zur Dosisexposition
der Gesamtbevölkerung dargestellt. Wie die Gegenüberstellung zeigt, ist es sicher
einfacher, eine Reduktion der Strahlenexposition der Bevölkerung zu erreichen, bei
den vergleichsweise seltenen, aber dosisintensiven Untersuchungen. Diesen Gedanken
verfolgt auch die neue Patientenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaften, die explizit
die Computertomographie und die interventionellen Untersuchungen aufführt und die
Mitgliedsstaaten auffordert, durch spezielle Schulungen die Exposition von Patient
und Personal zu minimieren [1].
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Generell kann man sagen, dass in den allermeisten Fällen der Nutzen der Röntgenuntersuchung
das Risiko bei weitem überwiegt. Die üblicherweise auftretenden Strahlenrisiken sind
verschwindend gering im Vergleich zu anderen Risiken des Lebens. Beispielsweise sind
mehr als zwei Drittel aller Krebserkrankungen auf Rauchen, Alkohol und ungesunde Ernährung
zurückzuführen. In der Landwirtschaft oder im Baugewerbe liegt das berufsbedingte
Mortalitätsrisiko bei etwa 1 : 1500 und damit im Bereich der Lebenszeitrisiken einer
Computertomographie des Thorax.
Kein Umweltrisiko ist so gut bekannt und erforscht wie das Strahlenrisiko, welches
relativ genau zu beziffern ist. Dies führt vielfach dazu, dass die Größe des Strahlenrisikos
überschätzt wird, und zwar sowohl in der Öffentlichkeit als auch von dem einzelnen
Patienten. Ein Risiko von exakt Null gibt es bei keiner menschlichen Tätigkeit. Insofern
wurden die Strahlenrisiken in diesem Beitrag nicht mit einem hypothetischen Null-Risiko
verglichen, sondern mit anderen Risiken, denen wir täglich ausgesetzt sind.
Anhang
Anhang
Strahlenschutz-Gesetzgebung
Strahlenschutz-Gesetzgebung
Die nationale Strahlenschutz-Gesetzgebung hat heute ihre Vorgaben in den Richtlinien
der Europäischen Union, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt
werden müssen. Die EU-Richtlinien wiederum beruhen meist auf den gewonnenen und publizierten
Kenntnissen der internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP). In der nationalen
Gesetzgebung sind von Bedeutung: das Atomgesetz und die hierzu erlassenen beiden Verordnungen,
nämlich die Strahlenschutz- und Röntgenverordnung. Beide werden durch zahlreiche Richtlinien
ergänzt, die praktisch Ausführungsbestimmungen und Hinweise für die Handhabung darstellen.
Neben diesem hierarchisch aufgebauten Schema existieren noch verschiedene Gremien,
die sich ebenfalls mit dem Strahlenschutz und der Strahlenexposition befassen, wie
die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ein Komitee der Vereinten Nationen „United
Nation Committee of the Effects of Atomic Radiation” (UNSCEAR).
Daneben sind noch zahlreiche Normen existent, die den Wissensstand in den einzelnen
Bereichen dokumentieren. Diese Normen sind zwar nicht verbindlich, erlangen doch gewissermaßen
Gesetzeskraft, wenn sie im Streitfall als Maßstab für gute und übliche Praxis genommen
werden.
Auflagen für den Anwender
Auflagen für den Anwender
Personelle Voraussetzungen
Nach bestehendem nationalen Recht (RöV §24, Abs. 3) darf die Indikation zu einer Röntgenuntersuchung
nur von einer Person gegeben werden, die zur Ausübung eines ärztlichen oder zahnärztlichen
Berufes berechtigt ist und über den Fachkundenachweis verfügt.
Die Fachkunde wird durch theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen erworben.
Beide sind miteinander verbunden. Für das theoretische Wissen werden von verschiedenen
Veranstaltern sog. Strahlenschutzkurse durchgeführt (Kurs, Ort und Veranstalter sind
im Allgemeinen bei den Landesärztekammern zu erfragen).
Die sog. Sachkunde (praktische Erfahrungen) wird unter fachspezifischer Anweisung,
d. h. unter Aufsicht eines Arztes, der auf dem betreffenden Gebiet oder Teilgebiet
die Fachkunde im Strahlenschutz besitzt, erworben. Im Falle der Röntgendiagnostik
des Thorax beträgt diese Zeit 12 Monate.
Auch für die Durchführung gelten Vorgaben nach §23 der RöV. Es dürfen nur
-
fachkundige Ärzte
-
Ärzte mit Kenntnissen im Strahlenschutz und unter ständiger Aufsicht und Verantwortung
eines fachkundigen Arztes
-
Medizinisch-technische Radiologieassistentinnen und -assistenten und
-
Hilfskräfte mit speziellen Kenntnissen unter Aufsicht eines fachkundigen Arztes
Röntgenstrahlen anwenden.
Organisatorische Voraussetzungen
Organisatorische Voraussetzungen
Dem Betreiber einer Röntgenanlage obliegen bestimmte Verpflichtungen, die er oder
der von ihm benannte Strahlenschutzbeauftragte zu beachten haben, bzw. deren Einhaltung
von ihnen zu kontrollieren sind.
Hierzu zählen unter anderem:
-
Abgrenzung des Kontrollbereiches (Röntgenraum)
-
Überwachung des im Kontrollbereich tätigen Personals (kein Zutritt für Schwangere,
Personendosiskontrolle)
-
Belehrung des Strahlenexponierten und des Röntgenstrahlen anwendenden Personals in
regelmäßigen Abständen (z. Z. 1/2-jährlich)
-
Durchführung der Konstanzprüfung (Qualitätskontrolle in regelmäßigen Abständen)
-
Durchführung von Abnahmeprüfungen nach wesentlichen Änderungen
-
Durchführung von Sachverständigenprüfungen in 5-jährigen Abständen und vor der ersten
Inbetriebnahme
-
Dokumentation über die durchgeführte Anwendung und Befragung der Patienten über existierende
Schwangerschaft und bereits durchgeführte Röntgenuntersuchungen, im vorliegenden Fall
im Bereich der Lunge
-
Organisation der Aufbewahrung der Röntgenaufnahmen und sonstigen Aufzeichnungen für
10 Jahre
-
Organisation der ärztlichen Überwachung bei Personen der Kategorie A
Apparative und räumliche Voraussetzungen
Apparative und räumliche Voraussetzungen
Neben den personellen Voraussetzungen müssen die apparativen und räumlichen Voraussetzungen
gegeben sein. Hierzu ist es notwendig, dass Röntgengerät und Röntgenraum von einem
Sachverständigen vor der ersten Inbetriebnahme geprüft und der Genehmigungsbehörde
spätestens 48 Stunden vor geplanter Inbetriebnahme aufgezeigt werden.
Die RöV in ihrer derzeitigen Fassung (Herbst 2000) nennt Körperdosen für beruflich
strahlenexponierte Personen, die nicht überschritten werden dürfen. Im Allgemeinen
wird zwischen Ganzkörper- und Teilkörperdosen unterschieden, ebenso zwischen Personen
der Kategorie A und B, wobei die Personen der Kategorie A mit einer höheren Dosis
exponiert werden dürfen als Personen der Kategorie B. Erstere unterliegen der ärztlichen
Überwachung. Mit Inkrafttreten der neuen RöV im Mai 2000 liegt dieser Wert bei 20
mSv pro Jahr. Alle diese Grenzwerte dürfen für die Lungendiagnostik von geringer Bedeutung
sein, da abgesehen von der Lungendurchleuchtung, Manipulationen in unmittelbarer Nähe
des Patienten nicht stattfinden und damit auch keine Exposition des untersuchenden
Arztes und evtl. Hilfskräfte auftritt.
Aufgaben und Pflichten von Strahlenschutzverantwortlichen und Strahlenschutzbeauftragten
sind in den Kurslehrbüchern zum Strahlenschutzkurs nach der RöV im Detail aufgeführt.
Abb. 1Röntgenspektrum der Photonenstromdichte (jE) für 10 kV Erzeugungsspannung; dargestellt ist der Einfluss der Filterung (nach ICRU)
[5].
Abb. 2Absorptionswahrscheinlichkeit für verschiedene Erzeugungsspannungen.
Abb. 3Zusammenhang zwischen Energiedosis, Äquivalentdosis und effektiver Dosis zur Bewertung
des Strahlenrisikos.
Abb. 4Veranschaulichung verschiedener Dosisbegriffe. a) Einfalldosis: Dosis am Ort des Strahlenentritts in den Patienten, jedoch ohne Patient,
d. H. ohne Berücksichtigung der Rückstreuung. b) Oberflächendosis: Dosis an der Oberfläche des Patienten; die Oberflächendosis berücksichtigt
die Rückstreuung aus dem Patienten. c) Organdosis: Mittlere Energiedeposition im Organ. Im skizzierten Beispiel ist also
im linken dargestellten Organ die Dosis etwa halb so groß wie im rechten (wenn die
Intensitätsabnahme mit der Tiefe vernachlässigt wird).
Abb. 5Vergleich der Strahlenexposition (Heff) verschiedener diagnostischer Verfahren mit der Schwankungsbreite der natürlichen
Umgebungsstrahlung (nach Reiners [12]).
Abb. 6Häufigkeit verschiedener Röntgenuntersuchungen, Beitrag zur Dosisexposition der Gesamtbevölkerung.
Abb. 7Vergleich der Strahlenexposition (Heff) verschiedener diagnostischer Verfahren mit der Schwankungsbreite der natürlichen
Umgebungsstrahlung (nach Schober u. Reiners).