Z Gastroenterol 2001; 39(1): 25-27
DOI: 10.1055/s-2001-10694
Leitlinien der DGVS
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Histopathologische Diagnostik

A. von Herbay
  • Heidelberg
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Konsens

Im Rahmen der Diagnostik bilden bioptisch-histologische Untersuchungen einen wichtigen Baustein. Um die Möglichkeiten der histopathologischen Differenzialdiagnostik effizient nutzen zu können, sind erforderlich:

Biopsieentnahmen in mindestens 5 verschiedenen Abschnitten des gesamten Kolons einschließlich des Rektums (= Stufenbiopsien) (B) Berücksichtigung von Informationen über die vorausgegangene Therapie (B) Berücksichtigung von Informationen über die Krankheitsdauer (C).

Erläuterungen

Die Diagnose einer Colitis ulcerosa orientiert sich am Phänotyp der Erkrankung. Zwar sind weder makroskopischer und mikroskopischer Einzelbefund ausreichend, um die Diagnose zu etablieren. Es ist jedoch möglich, anhand einer charakteristischen Konstellation von histopathologischen Befunden in Mukosabiopsien die Diagnose einer Colitis ulcerosa zuverlässig zu stellen. Bei Untersuchung nur von Einzelbiopsien (aus dem Rektum) kann die Diagnose mit einer Treffsicherheit von rund 70 % gestellt werden [1 9]. Eine deutlich höhere Aussagekraft wird erreicht, wenn Stufenbiopsien untersucht werden, weil diese neben den einschlägigen histologischen Befunden zusätzlich auch die Verteilung der Läsionen in die Bewertung einbeziehen lassen („kontinuierlich” vs. „diskontinuierlich”). So ist anhand von Stufenbiopsien die Diagnosestellung mit einer Spezifität und Sensitivität von 90 % möglich [10].

Als histopathologische Charakteristika sind für die bioptische Diagnostik hervorzuheben [10]:

Störung der Kryptenarchitektur Kryptenatrophie Plasmozytose im basalen Schleimhautstroma Paneth-Zell-Metaplasie jenseits der rechten Flexur Muzinverlust im Randbereich von Ulzerationen, Kontinuierliche und diffuse (= transmukosale) Infiltration der Mukosa durch Lymphozyten und Plasmazellen Kontinuierliche Verteilung der Kryptenatrophie oder Störung der Kryptenarchitektur Kontinuierliche Verteilung der Schleimreduktion (bei aktiver Kolitis).

Andere Einzelbefunde haben eine geringere differenzialdiagnostische Spezifität [10 12]. Informationen zur vorausgegangenen Therapie sind erforderlich, weil das morphologische Erscheinungsbild durch die Therapie stark beeinflusst werden kann. Dies ist bei der Bewertung histopathologischer Befunde zu berücksichtigen. Als mögliche Varianten des morphologischen Erscheinungsbildes sind hervorzuheben: Die kontinuierlich ausgedehnte Erkrankung kann gelegentlich eine diskontinuierliche Entzündungsaktivität aufweisen und dabei auch bestimmte Abschnitte aussparen (z. B. Rektum). Diese Variante kommt insbesondere als Folge von Lokaltherapien vor, aber auch bei Remission unter systemischer Therapie [15 18]. Abweichende Verteilungsmuster sind mitunter auch ohne vorausgegangegen Therapie bei Kindern zu beobachten [16].

Eine Pancolitis ulcerosa kann sich auch weiter retrograd in das anschließende Ileum ausdehnen (= retrograde Anschlussileitis; backwash ileitis) [19].

Eine Colitis ulcerosa kann sich vom Rektum aus weiter anterograd in die Mukosa des oberen Analkanals erstrecken [20]. Entsprechend kommen auch lokale entzündliche Komplikationen im Analbereich vor.

Eine Information zur Krankheitsdauer ist erforderlich, um histologische Fehlbewertungen zu vermeiden. Bei kurzer Erkrankungsdauer ist vor allem eine protrahiert abklingende infektiöse Kolitis abzugrenzen (3, 13, 14). Bei länger bestehender Erkrankung ist zu berücksichtigen, dass der morphologische Phänotyp einer CU nicht „statisch” bleibt, sondern „dynamisch” fortschreiten kann. Daher erfordert die Bewertung bioptisch-histologischer Befunde eine Zusammenschau auch mit der Anamnese.

Heute sind viele Formen einer Kolitis mit definierter Ätiologie bekannt [21] [22]. Manche dieser Kolitiden (z. B. Diversionskolitis; medikamentös-induzierte Kolitis) haben morphologische Ähnlichkeit mit Colitis ulcerosa und können teilweise erst epikritisch abgegrenzt werden. In Anbetracht der heutigen Vielfalt von Kolitisformen sind die differenzialdiagnostischen Kriterien aus den 70er- und 80er-Jahren, welche sich noch an einem Dualismus von CU und Morbus Crohn orientierten (Mount-Sinai-Kriterien, 1972 [23] und St.-Marks-Kriterien, 1972 [24] [25]), konzeptionell überholt, auch wenn viele Einzelaspekte noch heute gültig sind. Die Johns-Hopkins-Kriterien [26] sind noch aktuell, entbehren jedoch bislang einer Evidenzbasis.

Konsens

Die histopathologische Diagnostik schließt mikroskopische Untersuchungen zum Nachweis bzw. Ausschluss von Epitheldysplasien mit ein. Die Befundung von Epitheldysplasien erfolgt gemäß den Kriterien der IBD Dysplasia Study Group. Die Diagnose einer Epitheldysplasie ist durch eine Referenzbegutachtung zu bestätigen (C).

Erläuterung

Epitheldysplasien sind neoplastische Schleimhautläsionen [27] [28]. Definitionsgemäß sind sie von reaktiven Epithelatypien abzugrenzen. Theoretisch entsprechen Epitheldysplasien einer Vorläuferläsion von Karzinomen [27] [28]. In der Praxis werden sie allerdings meistens als Mitläufer oder Ausläufer eines bereits manifesten Karzinoms diagnostiziert. Für die Abschätzung des individuellen Karzinomsrisikos ist ferner auch der makroskopische Befund von Bedeutung (flache vs. erhabene Dysplasie) [27].

CU-assoziierte Epitheldysplasien kommen grundsätzlich in allen Abschnitten des Kolons und Rektums vor, einschließlich der analen Transitionalzone, sowie ferner auch im terminalen Ileum. Oftmals sind sie multifokal präsent, dabei können sie kontinuierlich oder diskontinuierlich verteilt sein. Es gibt kein konstantes oder präferenzielles Verteilungsmuster [29]. Für eine Ausschlussdiagnostik von Dysplasien sind daher Stufenbiopsien aus allen Abschnitten des Kolons erforderlich. Die Kriterien der IBD Dysplasia Study Group haben sind als gut praktikabel erwiesen [27]. Die praktische Bedeutung einer zweistufigen Graduierung von Dysplasien (low-grade vs. high-grade), wie sie gemäß der Klassifikation der IBD Dysplasia Study Group vorgesehen ist, erscheint inzwischen jedoch zweifelhaft [27 30].

Da heute auch niedriggradige Dysplasien operative Konsequenzen haben, besteht Konsensus, dass die histopathologische Diagnose einer Epitheldysplasie bei Colitis ulcerosa durch eine Zweitbegutachtung bei einem einschlägig erfahrenen Referenzpathologen abgesichert werden soll [27].

Literatur

  • 1 Cook M G, Dixon M F. An analysis of the reliability of detection and diagnostic value of various pathological features in Crohn’s disease and ulcerative colitis.  Gut. 1973;  14 255-262 (III)
  • 2 Frei J V, Morson B C. Medical audit of rectal biopsy diagnosis of inflammatory bowel disease.  J Clin Pathol. 1982;  35 341-344 (II)
  • 3 Surawicz C M, Belic L. Rectal biopsy helps to distinguish acute self-limited colitis from idiopathic inflammatory bowel disease.  Gastroenterology. 1984;  85 104-113 (III b)
  • 4 Allison M C, Hamilton-Dutoit S J, Dhillon A P. et al . The value of rectal biopsy in distinguishing self-limited colitis from early inflammatory bowel disease.  Q J Med. 1987;  65 985-995 (III)
  • 5 Jenkins D, Goodall A S, Drew K. et al . What is colitis? Statistical approach to distinguishing clinically important inflammatory change in rectal biopsy specimens.  J Clin Pathol. 1988;  47 48-52 (III)
  • 6 Seldenrijk C A, Morson B C, Meuwissen S GM. et al . Histopathological evaluation of colonic mucosal biopsy specimens in chronic inflammatory bowel disease: Diagnostic implications.  Gut. 1991;  32 1514-1520 (II b)
  • 7 Lessels A M, Swanson J Beck, Burnett R A. et al . Observer variability in the histopathological reporting of abnormal rectal biopsy specimens.  J Clin Pathol. 1994;  47 48-52 (III)
  • 8 Theodossi A, Spiegelhalter D J, Jass J. et al . Observer variation and discriminatory value of biopsy features in inflammatory bowel disease.  Gut. 1994;  35 961-968 (III)
  • 9 Jenkins D, Balsitis M, Gallivan S. et al . Guidelines for the initial biopsy diagnosis of suspected idiopathic chronic inflammatory bowel disease. The British Society of Gastroenterology Initiative.  J Clin Pathol. 1997;  50 93-105 (II b)
  • 10 Tanaka M, Riddell R H, Saito H. et al . Morphological criteria applicable to biopsy specimen for effective distinction of inflammatory bowel disease from other forms of colitis and of Crohn’s disease from ulcerative colitis.  Scand J Gastroenterol. 1999;  34 55-67 (II b)
  • 11 Seldenrijk C A, Morson B C, Meuwissen S GM. et al . Histopathological evaluation of colonic mucosal biopsy specimens in chronic inflammatory bowel disease: Diagnostic implications.  Gut. 1991;  32 1514-1520 (II b)
  • 12 Jenkins D, Balsitis M, Gallivan S. et al . Guidelines for the inital biopsy diagnosis of suspected idiopathic chronic inflammatory bowel disease. The British Society of Gastroenterology initiative.  J Clin Pathol. 1997;  50 93-105 (II b)
  • 13 Nostrant T T, Kumar N B, Appelmann H D. Histopathology differentiates acute self-limited colitis from ulcerative colitis.  Gastroenterology. 1987;  92 318-328 (III)
  • 14 Schumacher G, Kollberg B, Sandstedt B. A prospective study of first attacks of inflammatory bowel disease and infectious colitis. Histologic course during the 1st year after presentation.  Scand J Gastroenterol. 1994;  29 318-332 (III)
  • 15 Odze R, Antonioli D, Peppercorn M. et al . 1993. Effect of topical 5-aminosalicylate (5-ASA).  Am J Surg Pathol. 1993;  17 869-875 (II b)
  • 16 Markowitz J,  Kahn, Grancher K. et al . Atypical rectosigmoid histology in children with newly diagnosed ulcerative colitis.  Am J Gastroenterol. 1993;  88 2034-2037 (II b)
  • 17 Levine T S, Tzardi M, Mitchell S. et al . Diagnostic difficulty arising from rectal biopsy recovery in ulcerative colitis.  J Clin Pathol. 1996;  49 319-323 (II b)
  • 18 von Herbay A. Pathologie der idiopathischen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Adler G Springer Morbus Crohn-Colitis ulcerosa Berlin-Heidelberg; 1996 IV: 163-186
  • 19 von Herbay A, Heuschen U, Herfarth Ch. Backwash ileitis and primary sclerosing cholangitis in ulcerative colitis.  Path Res Pract. 1996;  192 376 (III)
  • 20 Ambroze W L, Pemberton J H, Dozios R R. et al . The histological pattern and pathological involvement of the anal transition zone in patients with ulcerative colitis.  Gastroenterology. 1993;  104 514-518 (III)
  • 21 von Herbay A. Histopathologische Diagnostik chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen. Historischer Rückblick und aktuelle Übersicht.  Pathologe. 1999;  20 276-287 (IV)
  • 22 Borchard F. Differentialdiagnose der Kolitiden.  Verh Dtsch Ges Pathol. 1999;  83 110-121 (IV)
  • 23 Korelitz B I, Presentz D H, Alpert L I. et al . Recurrent regional ileitis after ileostomy and colectomy for granulomatous colitis.  N Engl J Med. 1972;  287 110-115 (IV)
  • 24 Morson B C, Dawson I MP. Inflammatory disorders. Morson BC, Dawson IMP Gastrointestinal pathology Oxford, Blackwell 1972 IV: 448-492
  • 25 Price A B, Morson B C. Inflammatory bowel disease. The surgical pathology of Crohn’s disease and ulcerative colitis.  Hum Pathol. 1975;  6 7-29 (IV)
  • 26 Hamilton S H. Diagnosis and comparison of ulcerative colitis and Crohn’s disease involving the colon. Norris HT Pathology of colon, small intestine, and anus New York, Edinburgh, London, Melbourne, Tokyo, Churchill Livingstone; 1991 IV: 1-22
  • 27 Riddell R H, Goldman H, Ransohoff D F. et al . Dysplasia in inflammatory bowel disease: Standardized classification with provisional clinical applications.  Hum Pathol. 1983;  14 931-968 (IV)
  • 28 Jass J R, Sobin L H. WHO .Histological typing of intestinal tumours. Springer Berlin, Heidelberg; 1989 IV
  • 29 von Herbay A, Herfarth C, Otto H F. Cancer and dysplasia in ulcerative colitis: A histologic study in 301 surgical specimen.  Z Gastroenterol. 1994;  32 383-388 (III)
  • 30 Bernstein C N, Shanahan F, Weinstein W M. Are we telling patients the truth about surveillance colonoscopy in ulcerative colitis?.  Lancet. 1994;  343 71-74 (III)
    >