Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60(11): 559-563
DOI: 10.1055/s-2000-8065
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ein Prognosescore zur psychischen Verarbeitung der Tubenligatur

A Prognostic Score for Psychological Coping with Tubal LigationM. Langer1 , Doris Gruber2 , Inge Frech3
  • 1 Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie, Universitäts-Frauenklinik Wien
  • 2 Abteilung für Endokrinologie und Sterilitätsdiagnostik, Universitäts-Frauenklinik Wien
  • 3 Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie, Kaiser Franz Josef Spital, Wien
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Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung

Das Beratungsgespräch vor Tubenligatur (TL) stellt eine häufige Alltagssituation mit potenziell weitreichenden psychosozialen Folgen dar. Es wurde daher auf Basis der vorhandenen psychosomatischen Literatur und eigener Erfahrungen ein Prognosescore zur psychischen Verarbeitung der TL konstruiert. Er enthält 5 Dimensionen mit je 3 Ausprägungen: Biographie, Selbstwert, Reproduktion/Kontrazeption, Partnerschaft und Entscheidungsfindung.

Patientinnen und Methodik

Dieser Score wurde an 3 Patientinnengruppen getestet. Retrospektiv wurden Frauen mit IVF-Wunsch nach TL (n = 43), und Frauen, die mit der Entscheidung zur TL zufrieden waren (n = 56) befragt, sowie prospektiv die präoperative psychosoziale Situation von Frauen mit Wunsch nach TL (n = 58) evaluiert. In der prospektiven Gruppe wurde ein cut-off von ≤ 7 Punkten angenommen.

Ergebnisse

Die 3 Gruppen unterschieden sich signifikant in den Punktewerten zum Zeitpunkt der TL: 5,4 vs. 9,1 vs. 9,3 (p < 0,01). 41/43 Patientinnen der IVF-Gruppe erreichten eine Punktezahl von ≤ 7 gegenüber 2/56 in der TL-Gruppe. Der Score erzielt somit eine Spezifität von 96 % und eine Sensibilität von 95 %. 6 Patientinnen in der prospektiven Gruppe wurden bei Werten ≤ 7 nicht ligiert, in 2 besonders gelagerten Einzelfällen wurde trotz Werten ≤ 7 der Score nicht zur Entscheidung herangezogen.

Schlussfolgerung

Mit dem vorgestellten Prognosescore gelingt es mit einer befriedigenden Sensibilität und Spezifität, die psychische Verarbeitung bzw. das Bereuen einer TL vorherzusagen. Er ist im klinischen Alltag auch für nicht speziell psychotherapeutisch ausgebildete Kollegen anwendbar und sowohl als Gesprächsleitfaden als auch zur Dokumentation zu verwenden.

Summary

Objective

Counselling patients seeking tubal ligation has potentially far-reaching psychosocial sequelae. We designed a prognostic scoring system to assess psychologic coping with tubal ligation. The score comprises 5 dimensions (biography, self esteem, reproduction/contraception, partnership, decision process) with 3 categories each.

Methods

The score was tested in three groups of women: 43 women seeking in vitro fertilization after tubal ligation, 56 women satisfied after tubal ligation, and in 58 women seeking tubal ligation.

Results

The scores differed significantly among the groups (5.4 vs. 9.1 and 9.3, respectively; p < 0.01). 41 of the 43 patients seeking IVF scored ≤ 7, compared with 2 of the 56 after tubal ligation. Thus, the sensitivity and specificity of the scores is 96 % and 95 %, respectively. Six of eight patients seeking tubal ligation with a score ≤ 7 did not undergo the procedure.

Conclusion

The sensitivity and specificity of the scoring system for predicting psychologic coping with tubal ligation is satisfactory. It is easily applied in clinical practice by medical personnel without specific training.

Literatur

Univ.-Prof. Dr. Martin Langer

Universitäts-Frauenklinik Wien

Währinger Gürtel 18 - 20

1090 Wien

Österreich

Email: E-mail: martin.langer@akh-wien.ac.at