Psychotraumatologie 2000; 50(1): 1
DOI: 10.1055/s-2000-8052
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

Gottfried Fischer
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Prof. Dr. Gottfried Fischer

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

 
Table of Contents

    Liebe Userinnen und User, liebe Interessentinnen und Interessenten

    Es ist soweit!

    Die erste Ausgabe von PSYCHOTRAUMATOLOGIE ist am Netz!

    So ungewohnt für manche noch das Medium sein mag, so deutlich sind seine Vorteile. Die Redaktion kann flexibel arbeiten. Wir können rasch publizieren.

    Sie können, wenn Sie möchten, sich an unserem Diskussionsforum beteiligen und Ihre Meinung oder Erfahrungen mitteilen. Auch Sie sind flexibler als mit einem Printmedium. Was Ihnen wichtig ist, können Sie kopieren und abspeichern. Wenn Sie im Zug oder Auto fahren, tragen Sie keine Gewichte mit, und sind doch umfassend informiert.

    Sie werden Verständnis haben, daß sich alles noch ein wenig einspielen muß. Aber bald wird vieles schon Routine sein.

    Wenn Sie einen Beitrag schreiben wollen: Die Vorlage zur Manuskriptgestaltung können Sie in Kürze bei den Richtlinien aufrufen. Wir freuen uns auf einen spannenden Austausch von Wissen, Kenntnissen und Erfahrungen und eine anregende Diskussion.

    Was wir uns in dieser Zeitschrift erarbeiten, bleibt keine graue Theorie. Der Praxisbezug der Psychotraumatologie ist unmittelbar gegeben. Wir haben hier die Möglichkeit, ihn wissenschaftlich zu fundieren und anzuleiten. Dazu dürfen die Kriterien von Wissenschaft jedoch nicht zu eng gefaßt sein, beispielsweise eingeschränkt auf experimentelle Arbeiten. So wichtig und erwünscht sie in dieser Zeitschrift sind, die Nähe zur klinischen Praxis, ihre ökologische Validität, ist meist nicht ihre stärkste Seite.

    In dieser ersten Ausgabe von PSYCHOTRAUMATOLOGIE finden Sie den Beitrag „Empfehlungen für den Aufbau wissenschaftlicher Arbeiten nach der Logik unterschiedlicher Forschungsstrategien”, der in unserer nächsten Ausgabe fortgesetzt wird. Welches Ziel wollen wir mit einem wissenschaftlichen Beitrag erreichen? Wollen wir zum Beispiel eine theoretische Annahme beweisen, die wir bereits gebildet haben? Oder wollen wir mögliche Zusammenhänge herausfinden, die wir noch gar nicht kennen? Im ersteren Fall folgt unser Ansatz einer Prüfmethodik, im zweiten einer Suchmethodik, wie im täglichen Leben auch. Beide „Forschungsstrategien” unterscheiden sich in ihrer Logik ganz erheblich.

    Lassen Sie sich nicht abschrecken, wenn Sie mit der einen oder anderen Methode noch nicht vertraut sind. Sie finden zahlreiche Anregungen, um sich einzuarbeiten, wenn Sie in unserer Rubrik „Originalia” publizieren wollen. Quantitative und Qualitative Methoden werden dringend benötigt, um die Psychotraumatologie einerseits systematisch zu betreiben andererseits praxisnah zu betreiben.

    Und dann gleich eine bittere Pille für viele, die - oft mit großem, persönlichem Einsatz - Unfall- und Katastropenopfern helfen: „Debriefing - werden die Opfer geschädigt?” Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Sicher ist, daß wir in der Soforthilfe für Trauma-Betroffene noch einiges herauszufinden und zu lernen haben.

    Der Titel eines weiteren Beitrags „¿Psychisches Trauma¿ - ein unmögliches Konzept” läßt auch keine wesentliche Verbesserung unserer Lage als Interessenten der Psychotraumatologie erwarten. Es scheint, daß nicht nur klinisch und empirisch, sondern auch konzeptuell und bei der Theoriebildung noch einige Probleme zu knacken sind.

    Wie weit das gehen kann, zeigt der folgende Überblick „Psycho-biologische Grundlagen von Traumanachwirkungen”. Hier betreten wir ein sehr komplexes Gebiet, Psychobiologie und Neurowissenschaft, das für die Psychotraumatologie allerdings von großer und zunehmender Bedeutung ist. Erst langsam beginnen wir, psychotraumatologische Aspekte vieler Krankheiten zu verstehen, die bislang, zumindest teilweise, noch rätselhaft sind. Von psychiatrischen Krankheiten, wie Epilepsie oder Depression, von Suchterkrankungen, neuromuskulären Verspannungen bis hin zu spastischen Kontraktionen und wechselnden Schmerzzuständen oder von Wunden, die nicht heilen, obwohl sie gut versorgt werden und niemand sie erneut beschädigt. Wir betreten das Labyrinth von Rätseln unseres Körpers in seiner Wechselwirkung und Einheit mit unserem Erleben und Verhalten. Hier stellen sich faszinierende Forschungsfragen. Werden sie geklärt, so können wir immer besser helfen und vorbeugen.

    Nach diesen wissenschaftlichen Strapazen hätten eigentlich auch wir eine Hilfe bei der „Bewältigung unseres Alltags” verdient. Stattdessen wird berichtet von der „Psychologischen Soforthilfe nach Banküberfällen”. So wichtig dieses Thema zweifellos ist, wir werden in Zukunft immer wieder Beiträge bringen, die den Helfern helfen können, mit ihrem Helfertrauma fertig zu weden und „burn out” zu vermeiden. Das betrifft zahlreiche Berufsgruppen, die mit Traumaopfern zu tun haben, wie Rettungssanitäter, Ärzte und Pflegepersonal in der Intensivmedizin, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und -pädagogen, Psychologen und Notfallseelsorger, Katastrophenhelfer, Polizisten und Feuerbekämpfer oder Soldaten.

    Einige Tips und Anregungen finden Sie vielleicht schon in unserer Rubrik „frequently asked questions”, häufige Fragen. Die jetzigen Fragen und Antworten sind aus dem Selbsthilfebuch „Neue Wege nach dem Trauma - Information und Hilfen für Betroffene”, die wir mit freundlicher Genehmigung des Vesalius-Verlag, Konstanz hier abdrucken dürfen und mit denen wir die Rubrik eröffnen. Schreiben Sie uns, ob Ihre Fragen darunter sind und ob Sie mit den Antworten einverstanden sind. Wenn nicht, stellen Sie uns Ihre eigenen Fragen und geben Sie uns Ihre Antworten. Wir werden nicht alle aufnehmen und beantworten können, werden unserer Fragenkatalog und die Antworten aber fortlaufend ergänzen.

    Und nun viele Anregungen, neue Erkenntnisse und Ideen und Freude darüber beim Lesen!

    Prof. Dr. Gottfried Fischer

    Prof. Dr. Gottfried Fischer