Das Ligamentum teres hepatis stellt den obliterierten Strang der ehemaligen Vena umbilicalis
vom Nabel bis zur Leberpforte dar. Es liegt unterhalb des Ligamentum falciforme hepatis,
welches als Bauchfellplatte die beiden Leberlappen teilt. Im Rahmen des Pfortaderhochdrucks
können Kollateralen im Ligamentum teres hepatis als Venae paraumbilicales Bedeutung
erlangen. Wir berichten über zwei Fälle, die zu Kollateralbildungen im Ligamentum
teres hepatis geführt haben, die ursächlich nicht durch einen Pfortaderhochdruck bedingt
waren, sondern im Rahmen eines Verschlusses aller Viszeralarterien bzw. eines Vena
cava superior Verschlusses auftraten.
Erste Fallbeschreibung
Eine 59jährige Patientin klagte über seit drei Monaten zunehmende, zunächst nur postprandial,
seit wenigen Wochen auch während der Mahlzeiten auftretende abdominelle Schmerzen.
Zusätzlich bestünden chronische Diarrhöen sowie ein deutlicher Gewichtsverlust. Die
Patientin gab an, bis zu ihrem 40. Lebensjahr stark geraucht zu haben, seitdem nur
gelegentlich zu rauchen. Seit längerer Zeit war eine periphere arterielle Verschlusskrankheit
im Stadium 2B mit einer Gehstrecke von unter hundert Metern bekannt.
Eine auswärtig durchgeführte arterielle Angiographie der Aorta abdominalis und der
Becken- sowie Beinarterien hatte einen Verschluss von Truncus coeliacus und Arteria
mesenterica superior ergeben. Eine im Anschluss angefertigte Computertomographie des
Abdomens wies einen Kontrastmittelfluss in Truncus coeliacus und Arteria mesenterica
superior nach, bei offensichtlich stammnahem Verschluss beider Gefäße. Im Ligamentum
teres hepatis sah man kontrastierte Gefäße, die bei fehlenden hepatischen Veränderungen
und fehlenden Zeichen einer portalen Hypertension nicht einer rekanalisierten Vena
umbilicalis entsprachen (Abb. [1]). Darüber hinaus war an der ventralen Thoraxwand rechts eine kräftige Arteria thoracica
interna nachweisbar.
In einer erneuten Aortenübersichtsangiographie bestätigte sich der Verschluss von
Truncus coeliacus und Arteria mesenterica superior. Zusätzlich bestand ein Verschluss
der Arteria mesenterica inferior. Die Kollateralversorgung des Truncus coeliacus ließ
sich über eine Aortenbogenangiographie nachweisen. Hier fand sich eine kräftige rechtsseitige
Arteria thoracica interna, die unterhalb des Zwerchfells in das Ligamentum teres hepatis
der Leber eintrat und über zahlreiche kleine Gefäße retrograd den Truncus coeliacus
füllte (Abb. [2]).
Die Kollateralversorgung des mesenterialen Stromgebietes erfolgte über die linke Arteria
iliaca interna, Arteria rectalis inferior, von dort über Anastomosen mit der Arteria
rectalis superior zur Arteria mesenterica inferior (Abb. [3]). Hierüber füllte sich die Arteria colica sinistra, über die Riolansche Anastomose
die Arteria colica media und somit das Arteria-mesenterica-superior-Stromgebiet. In
der Beckenetage fand sich eine Arteriosklerose aller Gefäße mit einer hochgradigen
Stenose der linken Arteria iliaca communis.
Zweite Fallbeschreibung
Bei einer 40-jährigen Patientin wurde im Rahmen der Tumornachsorge eines Oropharynxkarzinoms,
welches mittels Tumorexzision, Neckdissection und Radiatio behandelt wurde, ein erhöhter
CEA-Wert festgestellt. Die Überweisung zur Computertomographie von Thorax und Abdomen
erfolgte zum Ausschluss von Fernmetastasen. Es bestand eine mediastinale Raumforderung
in Höhe der Trachealbifurkation, welche zu einer partiellen Kompression der rechten
Pulmonalarterie und zu einem Verschluss der oberen Hohlvene führte. Die Kollateralzirkulation
erfolgte von der oberen Hohlvene über das Azygosvenensystem nach kaudal mit Anschluss
an das lumbale Venensystem und die untere Hohlvene. Erweiterte Venen fanden sich an
der Thorax- und Bauchwand, hier bestand ein kräftiger Kollateralkreislauf über die
Venae thoracicae internae, Venae epigastricae superiores und schließlich über die
Venae paraumbilicales zur Vena portae. Im Segment 4a der Leber resultierte ein kräftiger
Kontrastmitteleinstrom mit segmentalem Enhancement (Abb. [4]).
Diskussion
In beiden Fällen erwiesen sich Kollateralen im Ligamentum teres hepatis als wesentliche
Umgehungskreisläufe sowohl bei arterieller als auch venöser Verschlusskrankheit.
Die nach der Geburt zum Ligamentum teres hepatis obliterierte Vena umbilicalis kann
bei Pfortaderhochdruck als entlastende Kollaterale des Pfortadersystems rekanalisieren.
Die Kollateralisierung über die Venae paraumbilicales im Ligamentum teres hepatis
zu den Venae epigastricae superiores, den Venae thoracicae internae und somit über
die Vena brachiocephalica zur Vena cava superior sind bei Pfortaderhochdruck bekannt.
Die gleichzeitige Füllung der Bauchdeckenvenen führt zum typischen Bild des Caput
medusae. In dem von uns geschilderten Fall eines Verschlusses der Vena cava superior
kam es zur Ausbildung dieses Kollateralweges in umgekehrter Richtung. Die üblichen
venösen Kollateralen bei Verschluss der Vena cava superior verlaufen über die Venae
thoracicae internae, Venae epigastricae superiores zu den Venae epigastricae inferiores
und von dort über die Vena iliaca externa zur Vena cava inferior. Einen weiteren Kollateralweg
stellt das Azygosvenensystem dar, welches das Blut über die Vena azygos, hemiazygos
nach kaudal zu den Venae lumbales ascendentes und zum Plexus lumbalis ableitet.
Akute Verschlüsse des Truncus coeliacus sind selten. Die Anastomisierung zwischen
Truncus coeliacus und Arteria mesenterica superior bei chronischen Verschlüssen verläuft
üblicherweise über die Pankreasgefäße. Die Arteria pancreaticoduodenalis superior
aus dem Truncus coeliacus anastomosiert mit der Arteria pancreaticoduodenalis inferior
aus der Arteria mesenterica superior (Noah et al., Ann anat 1995; 177: 305 - 312).
Die Kollateralversorgung des Truncus coeliacus war bei unserer Patientin aus Ästen
der Arteria mammaria interna gewährleistet, die durch das Ligamentum teres hepatis
traten. Dieses ist insofern ungewöhnlich, da aufgrund embryologischer Überlegungen
eine arterielle Verbindung im Ligamentum teres hepatis zwischen coeliacalem Stromgebiet
und Arteria epigastrica inferior bzw. Arteria mammaria interna nicht zu erwarten ist.
Die Arteria mammaria interna entspringt aus der Arteria subclavia, ihr Endast, die
Arteria epigastrica superior, anastomosiert mit der Arteria epigastrica inferior,
die aus der Arteria iliaca externa entspringt. Diese Anastomose erlangt bei Verschlüssen
der Aorta Bedeutung. Anastomosen zur Leber oder dem Truncus coeliacus sind in der
Literatur nicht beschrieben. Der bei unserer Patientin anhand der Computertomographie
gewonnene Eindruck der Anastomosierung über die Arteria mammaria interna in das Ligamentum
falciforme hepatis konnte in der Aortenbogenangiographie bestätigt werden.
Der gleichzeitig bestehende Verschluss von Arteria mesenterica superior und inferior
offenbarte weitere seltene Kollateralen. Ein chronischer Verschluss der Arteria mesenterica
superior ist aufgrund der üblichen Kollateralisierung mit dem Truncus coeliacus und
der Arteria mesenterica inferior nur selten symptomatisch. Die zahlreichen anatomischen
Varianten und Kollateralbildungen sind gut untersucht und seit langem Gegenstand der
Literatur (Zwerina et al., Anatomischer Anzeiger 1966; 1 19(5): 427 - 435). Die Kollateralisierung
der Arteria mesenterica superior erfolgt in typischer Weise direkt über die Arteria
mesenterica inferior und die Riolansche Anastomose oder die Drummondsche Arterie zum
Arteria-mesenterica-superior-Stromgebiet (Rosenblum et al., Surgical Clinics of North
America, 77/2: 289 ff). Da im Fall unserer Patientin auch die Arteria mesenterica
inferior verschlossen war, wurde das mesenteriale Stromgebiet aus der Arteria iliaca
interna über Rektumanastomosen versorgt. Die Arteriae rectales stellen die Anastomose
zwischen Arteria iliaca interna und Arteria mesenterica inferior dar. Die unpaare
Arteria rectalis superior entspringt aus der Arteria mesenterica inferior, ihre zwei
Äste versorgen den oberen Teil der Rektummuskulatur sowie große Teile der Schleimhaut.
Die Arteriae rectales mediae und inferiores sind paarig angelegt und versorgen die
Muskulatur. Sie entspringen der Arteria iliaca interna bzw. der Arteria pudenda interna.
Der Blutstrom erfolgte bei unserem Patienten somit retrograd aus dem Arteria iliaca
interna Stromgebiet über die Arteriae rectales in die Arteria mesenterica inferior.
M. Bonacker, S. Kröger, G. Krupski, Hamburg
Abb. 1Kräftige Gefäßkonvolute im Ligamentum falciforme hepatis bei Verschluss von Truncus
coeliacus, Arteria mesenterica superior und inferior.
Abb. 2Ausgeprägte rechtsseitige Arteria thoracica interna, die unterhalb des Zwerchfells
in das Ligamentum falciforme der Leber eintritt und über zahlreiche kleine Gefäße
retrograd den Truncus coeliacus füllt (Vergl. Abb. [1]).
Abb. 3Kollateralversorgung des mesenterialen Stromgebietes über die linke Arteria iliaca
interna, Arteria rectalis inferior, von dort über Anastomosen mit der Arteria rectalis
superior zur Arteria mesenterica inferior.
Abb. 4Venae paraumbilicales im Ligamentum teres hepatis bei Verschluss der Vena cava superior.