Z Onkol 2000; 32(3): 72-77
DOI: 10.1055/s-2000-11212
Originalia

Karl F. Haug Verlag in MVH Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co. KG

Die Bedeutung von Ernährung und Körperpflege im Leben mit Brustkrebs

Elisabeth Gödde
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Ernährung und Körperpflege sind Selbstverständlichkeiten unseres Alltags. Neben Wetter, Sport und Familie bilden sie beliebte Themen sowohl in der persönlichen Unterhaltung als auch in Zeitschriften und Fernsehsendungen. Darüber hinaus beschäftigen sich ganze Produktionszweige mit den Ernährungs- und Hautproblemen der Industrienationen. Im Großen und Ganzen sind viele der Sorgen der Allgemeinbevölkerung um Ernährung und Hautpflege Banalitäten gegenüber den Problemen, die bei Krebserkrankungen auftreten können. Die akute Konfrontation mit der Diagnose „Brustkrebs”löst bei Betroffenen eine Fülle von Reaktionen aus. Hierzu gehört auch die Frage nach den Ursachen und damit für die Zukunft die Vermeidung von Risikofaktoren bzw. die Ausschöpfung von Schutzfaktoren.

Hinter dem Thema der Bedeutung von Ernährung und Körperpflege bei Brustkrebs steht das Ziel aller therapeutischen Handlungen, nämlich die normalen Bedingungen des Lebens zu erhalten oder wiederherzustellen (Virchow, 1855). Dabei sind wir uns heute bewusst, dass es sich hier nicht nur um physische, sondern auch um psychische Faktoren handelt.

Die notwendigen, das heißt die akute Not abwendenden Therapiemaßnahmen wie Chemotherapie und Bestrahlung können durch ihre zytotoxische Wirkung einen erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden haben. In der ersten Zeit der Behandlung, meist kurz nach Mitteilung der Diagnose, ist das Befinden auch durch den Blick in eine vermeintlich finstere Zukunft getrübt. Jetzt ist neben der Therapie die Sicherstellung einer adäquaten Ernährung, nämlich eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit, Energie und Nährstoffen durch verträgliche Speisen, notwendig.

Darüber hinaus hat die Patientin einen Informationsbedarf bezüglich ihrer individuellen Körperpflege. Hierzu gehören nicht nur Narbenpflege, Pflege der bestrahlten Haut, Umgang mit Haarausfall (und dies nicht nur auf dem Kopf!), Prophylaxe bzw. Behandlung eines Lymphödems, sondern auch die alltägliche Körperpflege. Die Frau, die weiß, was auf sie zukommen kann, hat mehr Möglichkeiten, Eigeninitiative zu entwickeln und sich von Familie und Freunden bei der Auswahl der für sie sinnvollen Heilhilfen unterstützen zu lassen.

Nach dem Abschluss der Behandlung beginnt für die Frau das „Leben mit dem Brustkrebs”. Brustkrebs ist heute die häufigste Krebserkrankung der Frau. In Deutschland gibt es jährlich 43000 Neuerkrankungen (Inzidenz ca. 70-100 : 100000), die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 73 Prozent (Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland, 1997). Zur Nachsorge gehören nicht nur die Suche nach einem möglichen Wiederaufflackern des Tumors (Metastasierung), sondern auch eine entsprechende Prophylaxe. In der „therapeutischen Lücke” zwischen Primärbehandlung und palliativer Therapie finden sich Hilfen zur Heilung bzw. zum Heil-Bleiben: die komplementären therapeutischen Maßnahmen (Übersicht bei Hager, 1996).

Gesund sein bzw. sich gesund fühlen heißt jetzt nicht mehr, nicht krank, wohlauf, stark und unverletzt zu sein, sondern bedeutet, zwar nicht frei von Problemen zu sein, aber fähig, mit ihnen umzugehen. Ernährung ist mehr als reine Nahrungsaufnahme: Essen hält Leib und Seele zusammen, gemeinsame Mahlzeiten mit Familie und Freunden haben auch eine soziale Funktion. Körperpflege kann bewusster Umgang mit sich selber werden und die Annahme der Verletzungen an Körper und Seele unterstützen.

Die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, ist für Frauen bis zum 80. Lebensjahr 1 : 10, sie nimmt im Laufe des Lebens zu ([Tab. 1], Dören, 1997). Zwei von drei Erkrankungen treten nach der Menopause auf, der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Eine ganze Reihe von Risikofaktoren wurden identifiziert: Ernährungsgewohnheiten und Adipositas, Lebensgewohnheiten wie mangelnde Bewegung oder Rauchen und Alkoholkonsum, hormonelle Situation (Menarchealter, Schwangerschaften, Stillzeiten, hormonelle Kontrazeptiva).

Tabelle 1: Die Häufigkeit von Brustkrebs in Abhängigkeit vom Alter der Frau (Dören, 1997) Alter (Jahre) Risiko 25 1 : 20000 30 1 : 2525 40 1 : 217 50 1 : 50 60 1 : 24 70 1 : 14 80 1 : 10

Begleiterkrankungen, die die Befindlichkeit und auch die Wahl von komplementären Behandlungen auf Dauer mit beeinflussen, sind Herz-Kreislauferkrankungen und Hypertonie, Diabetes und andere Stoffwechselstörungen. Außerdem müssen normale Alterungsprozesse sowie die Begleiterscheinungen der Menopause berücksichtigt werden.

Literatur

  • 1 . Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsbezogener Krebsregister. In Deutschland. Krebs in Deutschland. Häufigkeiten und Trends.  Bundesministerium für Gesundheit. 1997; 
  • 2 Biesalski,  H. K., Fürst P., Kasper H., Kluthe R., Pölert W., Puchstein C., Stähelin H. B.. Ernährungsmedizin. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1995
  • 3 Biesalski H. K.. Wissenschaftliche Ernährungsinformation für Ärzte: Ballaststoffe. Forum Ernährungsmedizin, Frankfurt/Main 1997
  • 4 Dören M.. Hormonsubstitution in Klimakterium und Postmenopause. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 1997
  • 5 Gödtel R.. Die Brust. Signal, Symbol, Organ. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1993
  • 6 Hager E. D.. Komplementäre Onkologie. Adjuvante, additive, supportive Therpiekonzepte für Klinik und Praxis.  Forum Medizin Verlagsgesellschaft, Stockdorf 1996
  • 7 Krämer K.. Antioxidantien in der Onkologie.  Dtsch. Ztschr. Onkol.. 1994;  26 76-83
  • 8 Krämer K., Look M. P., Chrissafidou A., Karsten S., Arends J.. Selen und Tumorerkrankungen.  Akt. Ernähr. Med.. 1996;  21 103-113
  • 9 Reich G.. Kann man mit Folsäuresubstitution Krebsprophylaxe betreiben?.  naturamed. 1994;  9 (Nr. 7)
  • 10 Schrauzer G. N.. Selen. Neue Entwicklungen aus Biologie, Biochemie und Medizin. Johann Ambrosius Barth Verlag, Heidelberg, Leipzig 1998
  • 11 Virchow R.. Ueber die Standpunkte in der wissenschaftlichen Medicin.  Virch. Arch. 8 1855;  3-39
  • 12 Watzl B., Leitzmann C.. Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1995

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Prof. Dr. med. Elisabeth Gödde





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