Fluorchinolone werden in zunehmendem Maße zur Therapie bakterieller Infektionen der
Atemwege eingesetzt. Der Grund für diese Tendenz liegt in der Entwicklung neuer Chinolone,
die eine gute bis sehr gute Aktivität gegen Pneumokokken und andere häufige Erreger
von Atemwegsinfektionen aufweisen. Dadurch unterscheiden sie sich von den seit langem
bekannten Chinolonen wie Ofloxacin und Ciprofloxacin, deren Stärke vor allem im gramnegativen
Bereich des bakteriellen Spektrums liegt.
Einteilung der PEG
Einteilung der PEG
Angesichts der aktuellen Ausweitung dieser Arzneimittelgruppe wurde von einer Expertengruppe
der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie eine Einteilung der Fluorchinolone
in vier Gruppen vorgeschlagen (Tab. [1]). Derartige Einteilungen können nicht allen Unterschieden zwischen den verschiedenen
Wirkstoffen gerecht werden, aber sie stellen eine sinnvolle Maßnahme dar, um den praktischen
Umgang mit den Medikamenten zu verbessern. Sie erlauben darüber hinaus, weitere Chinolone
in eine dieser Gruppen aufzunehmen. Dies scheint angesichts der zahlreichen Chinolone
„ante portas” von besonderer Notwendigkeit [[1]].
Die Fluorchinolone der Gruppen III und IV weisen minimale Hemmkonzentrationen (MHK)
gegenüber Pneumokokken auf, die zwischen 0,125 und 1,0 mg/l liegen. In umfangreichen
Studien konnte die Wirksamkeit der Präparate bei Indikationen wie „ambulant erworbene
Pneumonie” oder „akute bakterielle Exazerbation einer chronischen Bronchitis” nachgewiesen
werden. Einige pharmakologische Aspekte dieser neuen Arzneimittel sollen in dieser
Übersicht diskutiert werden. Zum Vergleich wird Ciprofloxacin (Gruppe II) herangezogen,
das sich bei Infektionen durch vermutete oder nachgewiesene grammnegative Bakterien
(einschließlich Pseudomonas aeruginosa) seit Jahren bewährt hat. Nach wie vor ist
Ciprofloxacin das Fluorchinolon mit der höchsten In-vitro-Aktivität gegenüber P. aeruginosa.
Die erste Substanz aus der Gruppe III war Sparfloxacin, dessen therapeutische Verwendbarkeit
jedoch eingeschränkt ist, da dieses Chinolon über ein vergleichsweise hohes phototoxisches
Potential verfügt und eine QT-Verlängerung verursachen kann. Obwohl die klinischen
Untersuchungen zeigten, daß es sich um vermeidbare bzw. sehr seltene Risiken handelt,
ist die Substanz nur zur Behandlung von Infektionen durch penicillinresistente Pneumokokken
zugelassen. Aus dieser Gruppe stehen heute auch Grepafloxacin und Levofloxacin zur
Verfügung. Ofloxacin ist ein Racemat aus einer R- und einer S-Komponente, wobei nur
die S-Form, Levofloxacin, eine relevante antibakterielle Aktivität aufweist. Durch
Entfernung der „unwirksamen Hälfte” wurde die Aktivität verdoppelt, wobei die Aktivität
des Levofloxacin gegen Pneumokokken nun als ausreichend bei der Therapie der Atemwegsinfektionen
angesehen wird. Levofloxacin hat damit praktisch Ofloxacin ersetzt.
Aufgrund seltener hepatischer Unverträglichkeitsreaktionen wurde das erste Fluorchinolon
der Gruppe IV (Trovafloxacin) im Juni 1999 in Europa vom Markt genommen (siehe unten).
Zwei wesentliche Vorteile dieser Substanz bestanden darin, daß sie auch gegen anaerobe
Erreger ausreichend wirksam war und daß sie in Form des Alatrofloxacins auch zur parenteralen
Therapie zur Verfügung stand. Mit der Einführung des Moxifloxacins steht ab Herbst
1999 eine Alternative aus dieser Gruppe zur oralen Therapie zur Verfügung. Moxifloxacin
weist ein sehr ähnliches antibakterielles Spektrum wie Trovafloxacin auf (hohe Aktivität
gegen Pneumokokken, atypische Erreger, Anaerobier etc.) und ist darüber hinaus zur
Zeit auch eines der wirksamsten Chinolone gegen Mycobacterium tuberculosis. Leider
wird es zunächst nicht in Form einer parenteralen Zubereitung zur Verfügung stehen.
In nächster Zukunft werden weitere Substanzen wie Gatifloxacin, Gemifloxacin, Clinafloxacin
oder Sitafloxacin auf den Markt kommen. Von einem pharmazeutisch-chemischen Standpunkt
aus stellen sie alle nur geringfügige Variationen des seit etwa 20 Jahren bekannten
Fluorchinolon-Grundgerüstes dar. Interessanterweise sind heute jedoch auch Chinolone
in der Entwicklung, deren Moleküle an Stellen modifiziert wurden, die bisher als essentiell
notwendig für eine hohe antibakterielle Aktivität angesehen wurden: T-3811 (= BMS
284756) ist zum Beispiel ein Chinolon mit hoher antibakterieller Aktivität, doch weist
es nicht das sonst typische Fluoratom am Grundgerüst in Position 6 auf [[2]]. Soweit es sich übersehen läßt, besitzen alle Chinolone, die derzeit in der klinischen
Entwicklung sind, eine hohe Aktivität gegen Pneumokokken und verfügen damit über die
Voraussetzung für eine Anwendung bei Infektionen der Atemwege.
Tab. 1Einteilung der Fluorchinolone in vier Gruppen (mod. nach Naber und Adam, 1998) (alle
Fluorchinolone stehen zur oralen Therapie zur Verfügung; der Zusatz i. v. bedeutet,
daß das betreffende Fluorchinolon zusätzlich auch zur intravenösen Gabe angeboten wird; Handelsnamen in eckigen Klammern).
Gruppe I: Fluorchinolone, die fast nur bei Harnwegsinfektionen angewandt werden (Pefloxacin
ist in Deutschland nur zur Einmaltherapie von Harnwegsinfektionen zugelassen): Norfloxacin
[Barazan®], Pefloxacin [Peflazin®] |
Gruppe II: Fluorchinolone zur Anwendung bei zahlreichen Indikationen, Schwerpunkt
im gramnegativen Bereich des Spektrums (antibakterielle Aktivität nimmt in der genannten
Reihenfolge ab, Fleroxacin und Enoxacin weisen eine vergleichsweise ungünstige Nutzen-Risiko-Relation
auf): Ciprofloxacin (i. v.) [Ciprobay®], Ofloxacin (i. v.) [Tarivid®], Fleroxacin
(i. v.) Quinodis®], Enoxacin [Enoxor®] |
Gruppe III: Fluorchinolone mit verbesserter Aktivität gegen grampositive und „atypische”
Erreger (Sparfloxacin ist nur für die Behandlung von Infektionen durch penicillinresistente
Pneumokokken zugelassen): Sparfloxacin [Zagam®], Grepafloxacin [Vaxar®], Levofloxacin
(i. v.) [Tavanic®]* |
Gruppe IV: wie Gruppe III, jedoch mit besserer Aktivität gegenüber anaeroben Bakterien:
Moxifloxacin [Avalox®] |
[* Anmerkung: Levofloxacin, das als linksdrehendes Enantiomer des Racemates Ofloxacin
die antibakteriell wirksame Hälfte von Ofloxacin ausmacht, verfügt über das gleiche
antibakterielle Spektrum wie Ofloxacin und besitzt auch die gleichen pharmakokinetischen
Eigenschaften wie Ofloxacin. Levofloxacin könnte aus systematischen Gründen auch der
Gruppe II zugerechnet werden. Da Levofloxacin gegenüber Ofloxacin aber über eine doppelt
so hohe antibakterielle Aktivität in vitro verfügt und auch in höherer Dosierung zum
klinischen Einsatz kommen kann, kann Levofloxacin neben den Indikationen des Ofloxacins
auch bei Pneumokokken-verursachten Infektionen angewandt werden. Aus diesem Grund
wurde Levofloxacin der Gruppe III zugeordnet.] |
Pharmakodynamische Aspekte
Pharmakodynamische Aspekte
In der Tab. [2] wurden einige MHK-Werte zusammengestellt. Diese minimalen Hemmkonzentrationen gestatten
eine erste Orientierung über die antibakterielle Aktivität der Chinolone. Eine direkte
Übertragung solcher in vitro-Daten auf die Verhältnisse in vivo ist nicht möglich.
Es ist vor allem zu bedenken, daß erhebliche regionale Unterschiede bestehen können.
Darüber hinaus ist von Bedeutung, daß diese Daten nicht aus direkt-vergleichenden
Studien stammen und daß sie die Wirkung der Substanzen bei konstanter Konzentration
in einem artifiziellen Milieu wiedergeben. Eine bessere Näherung an die Verhältnisse
im lebenden Organismus kann durch die Untersuchung der Pharmakodynamik in speziellen
In-vitro-Systemen, im Tiermodell oder auch in klinischen Untersuchungen erfolgen.
Nach neueren Vorstellungen zur Pharmakodynamik der Fluorchinolone ist es als günstig
anzusehen, wenn die Spitzenkonzentrationen bzw. die AUCs der Wirkstoffe im Plasma
und im Gewebe möglichst deutlich oberhalb der MHK-Werte liegen. Hinweise auf derartige
Zusammenhänge stammen zum Beispiel aus In-vitro-Studien, in denen der Plasmakonzentrationsverlauf
der Chinolone simuliert wurde. In vitro wurde z. B. der Einfluß der zeitlich variablen
Konzentrationen von Moxifloxacin auf verschiedene Pneumokokken-Stämme untersucht,
deren minimale Hemmkonzentrationen zwischen 0,008 (sensibel) und 3,6 (resistent) mg/l
variierten. Nur bei den empfindlichen Stämmen wurde eine deutliche Reduktion der Pneumokokken
erreicht, das Ausmaß des Effektes war vor allem von dem Quotienten aus der AUC („Fläche
unter der Kurve”) und der MHK abhängig [[3]].
Auch tierexperimentell konnte gezeigt werden, daß die einmal tägliche Gabe einer bestimmten
Dosis (80 mg/kg), die zu einem Quotienten von > 10 bis 20 führte, mit besseren Therapieergebnissen
assoziiert war, als wenn die gleiche Dosis fraktioniert verabreicht wurde (4 × täglich
20 mg/kg). Diese Ergebnisse wurden mit einem Modell zur Pseudomonas-Sepsis erzielt,
in dem die Wirksamkeit von Lomefloxacin (in Deutschland nicht im Handel) untersucht
wurde. Die klinische Anwendung einzelner, sehr hoher Dosen wird durch die möglichen
toxischen Wirkungen der Chinolone jedoch erheblich eingeschränkt [[4]].
Klinische Untersuchungen mit Ciprofloxacin bei Intensivpatienten mit nosokomialer
Pneumonie haben gezeigt, daß die AUC (Fläche unter der Konzentrationszeit-Kurve) bzw.
ein Quotient (AUIC) aus AUC-Wert und minimaler Hemmkonzentration (MHK oder MIC) gut
mit der therapeutischen Effizienz der Chinolone korreliert. Bei einem AUIC-Wert von
> 125 konnten die Autoren einen klinischen Erfolg bei etwa 80 % der Patienten verzeichnen,
bei einem AUIC-Wert von < 125 lag die Erfolgsrate nach klinischen und mikrobiologischen
Kriterien bei etwa 40 bzw. 25 % [[5], [6], [7]].
Tab. 2Antibakterielle Aktivität der Fluorchinolone*
Erreger |
Ciprofloxacin |
Sparfloxacin |
Levofloxacin |
Grepafloxacin |
Moxifloxacin |
|
(Gr. II) |
(Gr. III) |
(Gr. III) |
(Gr. III) |
(Gr. IV) |
1. Grampositive Kokken |
|
|
|
|
|
Staphylococcus aureus (Meth-sens) |
++ |
++ |
++ |
+++ |
+++ |
Streptococcus pyogenes (Gruppe A) |
+ |
++ |
+ |
++ |
++ |
Streptococcus pneumoniae |
+ |
++ |
+ |
++ |
+++ |
2. Gramnegative Bakterien |
|
|
|
|
|
Escherichia coli |
+++ |
+++ |
+++ |
+++ |
+++ |
Klebsiella pneumoniae |
+++ |
++ |
+++ |
+++ |
+++ |
Pseudomonas aeruginosa |
++ |
+ |
+ |
0 |
0 |
Haemophilus influenzae |
+++ |
+++ |
+++ |
+++ |
+++ |
Legionella spp. |
+++ |
+++ |
+++ |
+++ |
+++ |
3. Anaerobier |
|
|
|
|
|
Peptostreptococcus |
0 |
+ |
+ |
+ |
++ |
Bacteroides fragilis |
0 |
+ |
0 |
0 |
++ |
4. Andere Erreger |
|
|
|
|
|
Mycobacterium tuberculosis |
+ |
++ |
++ |
+ |
++ |
Mycoplasma pneumoniae |
++ |
ND |
ND |
++ |
+++ |
Chlamydia pneumoniae |
+ |
ND |
++ |
++ |
++ |
+++ = sehr gute Aktivität (MHK90-Werte: < 0,12 bis 0,12 mg/l)* ++ = gute Aktivität (MHK90-Werte: 0,25 bis 0,50 mg/l)* + = mittlere Aktivität (MHK90-Werte: 1,0 bis 2,0 mg/l)* 0 = keine Aktivität (MHK90-Werte: > 2,0 mg/l)* ND = keine ausreichenden Daten *MHK90 = Konzentration, bei der mindestens 90 % der untersuchten Stämme einer Spezies im
Wachstum gehemmt werden. Die minimalen Hemmkonzentrationen erlauben nur eine erste,
grobe Orientierung über die Aktivität der Substanzen. Aufgrund verschiedener Dosierungen
und des pharmakokinetischen Verhaltens bestehen während der Therapie zum Teil erhebliche
Unterschiede bei den Konzentrationen der einzelnen Chinolone am Ort der Infektion
(siehe Text). Es bestehen zum Teil erhebliche regionale Unterschiede bei den minimalen
Hemmkonzentrationen sowie Veränderungen im Laufe der Zeit (abnehmende Empfindlichkeit!).
Die Daten wurden aus diversen Publikationen zusammengestellt, da es keine Veröffentlichung
gibt, in der die Aktivität aller hier aufgeführten Chinolone im direkten Vergleich
beschrieben würde. |
Pharmakokinetik
Pharmakokinetik
In Tab. [3] werden die pharmakokinetischen Eigenschaften einiger Fluorchinolone zusammengefaßt
dargestellt. Sie werden nach oraler Gabe gut resorbiert; ihre Proteinbindung ist gering
(ca. 10 bis 50 %). Charakteristisch für die gesamte Arzneimittelgruppe ist das hohe
Verteilungsvolumen. Die errechneten Verteilungsvolumina liegen für alle Fluorchinolone
bei etwa 2 l/kg Körpergewicht; für Grepafloxacin wurden sogar Werte von etwa 5 l/kg
errechnet. Damit unterscheiden sie sich deutlich zum Beispiel von den β-Laktam-Antibiotika
und den Aminoglykosiden (Verteilungsvolumina meist im Bereich von etwa 0,2 l/kg).
Das hohe Verteilungsvolumen der Fluorchinolone deutet auf die gute Gewebegängigkeit
und die intrazelluläre Anreicherung dieser Wirkstoffe hin. Dies hat vor allem Bedeutung
bei der Behandlung von Infektionen durch intrazellulär gelagerte Erreger (Legionellen,
Chlamydien, Mykoplasmen).
Wenn die Konzentrationen im „Lungengewebe” bestimmt werden, ist es heute als Standard
anzusehen, daß die Konzentrationen differenziert in den Alveolarmakrophagen und in
dem epithelialen Flüssigkeitsfilm untersucht werden. Während die Konzentrationen von
Ciprofloxacin in diesen Kompartimenten relativ gering sind, wurden mit Sparfloxacin,
Grepafloxacin, Levofloxacin und Moxifloxacin deutlich höhere Konzentrationen gemessen.
Im direkten Vergleich wurde zum Beispiel für Sparfloxacin eine deutlich höhere Anreicherung
in den Alveolarmakrophagen als für Ciprofloxacin festgestellt [[8]]. Einen Überblick über die maximalen Konzentrationen verschiedener Chinolone im
Plasma und in den Lungenkompartimenten Schleimhaut, epithelialer Flüssigkeitsfilm
und Alveolarmakrophagen gibt Tab. [4] [[9]].
Hinsichtlich der Elimination und des Metabolismus bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede
bei den einzelnen Chinolonen. Ciprofloxacin wird zu etwa 15 - 20 % metabolisiert;
die Ausscheidung in unveränderter Form erfolgt renal, biliär und zu etwa 15 % auch
transintestinal. Ofloxacin oder Levofloxacin werden dagegen kaum metabolisiert und
zu etwa 90 % unverändert renal eliminiert. Bei Nierenfunktionseinschränkung ist eine
sorgfältige Dosisanpassung dieser Chinolone geboten, da die Eliminationshalbwertzeit
sich von etwa 4 - 5 h bei normaler Nierenfunktion bis auf ca. 30 h verlängern kann
[[10], [11], [12]].
Sparfloxacin wird mit einer terminalen Halbwertzeit von etwa 18 Stunden eliminiert
(als Glucuronid). Bei Niereninsuffizienz kann dieser Metabolit kumulieren. Der überwiegende
Teil einer Dosis wird unverändert mit den Fäces eliminiert [[13]]. Auch Grepafloxacin wird in der Leber metabolisiert, zu etwa einem Drittel unverändert
mit den Fäces ausgeschieden und nur etwa 10 % erscheinen unverändert im Urin. Eine
Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz ist nicht erforderlich. Im Gegensatz zu den
anderen Fluorchinolonen der Gruppen III/IV wird Grepafloxacin auch über hepatische
Monooxygenasen (CYP1A2) abgebaut, woraus sich Interaktionen mit anderen Arzneimitteln
ergeben können, wie weiter unten diskutiert wird [[14], [15]].
Moxifloxacin wird mit einer Halbwertzeit von etwa 13 Stunden überwiegend hepatisch
eliminiert. Nur etwa 20 % werden unverändert im Urin nachgewiesen. Die Substanz wird
nicht über Monooxygenasen metabolisiert („Phase-I-Metabolismus”), sondern in Form
von zwei Phase-II-Metaboliten ausgeschieden (Fäces: 35 % als N-Sulfo-Metabolit; Urin:
14 % als Glucuronid). Da der Metabolismus der Substanz unabhängig von der Aktivität
hepatischer Monooxygenasen ist, sind entsprechende Interaktionen nicht zu erwarten
[[16], [17]].
Tab. 3Pharmakokinetik der neuen Fluorchinolone (Gruppe III und IV) im Vergleich zu Ciprofloxacin
(Gruppe II)
Fluorchinolon |
Dosis (mg) |
Cmax* (mg/l) |
t1/2** (h) |
Bioverfügbarkeit (%) |
AUC*** (mg/l × h) |
renale Ausscheidung (%)a
|
Ciprofloxacin |
500 |
2,5 |
3,2 |
70 |
9,9 |
29 |
Sparfloxacin |
400 |
4,6 |
17,6 |
> 60 |
32,0 |
35 |
Levofloxacin |
500 |
5,2 |
6,5 |
> 95 |
47,7 |
80 |
Grepafloxacin |
400 |
0,9 |
12 |
70 |
11,4 |
< 10 |
Moxifloxacin |
400 |
4,5 |
13 |
90 |
26,9 |
20 |
a = kumulativer prozentualer Anteil der Dosis im Urin nach 24 Stunden (Sparfloxacin
nach 52 Stunden). *Cmax = Spitzenkonzentration im Plasma; **t1/2 = Eliminationshalbwertzeit; ***AUC = Fläche unter der Kurve |
Tab. 4Konzentrationen von Fluorchinolonen in verschiedenen Kompartimenten der Lunge
Fluorchinolon |
Dosis |
Serum Cmax
|
Konzentrationen im Lungengewebe (mg/l) |
|
(mg) |
(mg/l) |
Mucosa |
ELF* |
Alveolar-Makrophagen |
Ciprofloxacin |
2501
|
1,1 |
1,8 |
2,0 |
14,8 |
Sparfloxacin |
400 |
0,5 |
1,3 |
5,6 |
9,6 |
Levofloxacin |
500 |
6,6 |
8,3 |
10,9 |
41,9 |
Grepafloxacin |
600 |
1,8 |
5,3 |
27,1 |
27,6 |
Moxifloxacin |
400 |
3,3 |
5,5 |
24,4 |
113,6 |
* ELF = epithelialer Flüssigkeitsfilm; 1 = 2mal täglich/ 4 Tage lang |
Therapeutische Bedeutung der Fluorchinolone bei Infektionen der Atemwege
Therapeutische Bedeutung der Fluorchinolone bei Infektionen der Atemwege
Alle neueren Chinolone der Gruppen III/IV waren in klinischen Studien bei Infektionen
der oberen und unteren Atemwege gut wirksam. Die meisten Untersuchungen wurden bei
Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie, mit akuter Exazerbation einer chronischen
Bronchitis oder mit einer Sinusitis durchgeführt. Es bestanden hinsichtlich der klinischen
Erfolgsraten keine statistisch signifikanten Unterschiede zu den jeweiligen Vergleichspräparaten
(z. B. Amoxicillin, Clarithromycin, Cephalosporinen etc.). Vorteile der neuen Therapeutika
können unter anderem darin gesehen werden, daß sie nur einmal am Tag gegeben werden
müssen, während die meisten β-Laktam- oder Makrolid-Antibiotika mehrmals täglich genommen
werden müssen.
Von Interesse sind vor allem auch die Ergebnisse von zwei neueren, umfangreichen Doppelblindstudien,
in denen die Wirksamkeit von Ciprofloxacin im Vergleich mit der von Clarithromycin
oder Cefuroximaxetil bei Patienten mit akuter Exazerbation einer chronischen Bronchitis
untersucht wurde. In beiden Studien ergab sich eine statistisch signifikant bessere
bakteriologische Eradikationsrate bei den Chinolon-behandelten Patienten als in der
Vergleichsgruppe. Bemerkenswert war auch der Befund, daß das infektionsfreie Intervall
bei den Ciprofloxacin-behandelten Patienten deutlich länger war als bei den Patienten,
die Clarithromycin erhalten hatten (142 Tage im Vergleich zu 51 Tagen). Dieser Unterschied
war jedoch nicht statistisch signifikant (p = 0,15). Weitere Studien, in denen der
klinisch bedeutsame Endpunkt „infektionsfreies Intervall” berücksichtigt wird, sollten
daher durchgeführt werden [[18], [19]].
Es stellt sich angesichts der aktuellen Entwicklungen jedoch grundsätzlich die Frage,
bei welchen Patienten mit Infektionen der Atemwege ein Fluorchinolon zur Anwendung
kommen soll oder ob die bisher üblichen Antiinfektiva weiter verwendet werden sollten.
Im Zusammenhang mit dieser Frage ist ein Blick auf die aktuelle Resistenzsituation
sinnvoll.
International gesehen ist die seit Jahren beobachtete kontinuierliche Zunahme der
Penicillin-Resistenz bei Pneumokokken ein wichtiges Problem. Da diese Stämme in der
Regel auch gegen alle anderen β-Laktam-Antibiotika und gegen Makrolide weniger empfindlich
sind, ergibt sich eine schwierige therapeutische Situation. In diesen Fällen müssen
die neuen, pneumokokkenwirksamen Chinolone als eine wesentliche Bereicherung unserer
therapeutischen Möglichkeiten angesehen werden. Erfreulicherweise ist die Lage derzeit
in Deutschland jedoch noch als relativ günstig anzusehen: Weniger als 5 % der Pneumokokken
wurden vor einigen Jahren als „resistent” eingestuft [[20]]; an dieser Lage hat sich seitdem nichts Wesentliches verändert.
Mittelfristig wäre es wünschenswert, jene Patientengruppen zu definieren, bei denen
ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit resistenten Pneumokokken und/oder gramnegativen
Bakterien besteht [[21]]. Langfristig muß damit gerechnet werden, daß wahrscheinlich mit deutlich steigendem
Einsatz der Chinolone bei Infektionen durch grampositive Erreger die Resistenzen auch
gegen diese neuen Wirkstoffe zunehmen werden, so wie es in den vergangenen Jahren
bereits bei den gramnegativen zu beobachten war. In einer aktuellen Studie aus Kanada
wird bereits auf den allmählich steigenden Anteil von Pneumokokken mit reduzierter
Empfindlichkeit gegen Fluorchinolone hingewiesen [[22]].
Verträglichkeit und Toxikologie der neueren Fluorchinolone
Verträglichkeit und Toxikologie der neueren Fluorchinolone
Gastrointestinale Reaktionen
Im Rahmen der ambulanten oder stationären Therapie mit Chinolonen zählen Reaktionen
des Gastrointestinaltraktes zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen (z. B. Übelkeit,
Erbrechen, Diarrhö). Im allgemeinen bleibt es ungeklärt, inwieweit einige dieser Reaktionen
(Übelkeit, Erbrechen) auch als Folge der ZNS-Wirkungen angesehen werden können. Valide
Informationen über diesbezügliche Unterschiede zwischen einzelnen Chinolonen bzw.
zwischen Chinolonen und anderen Antiinfektiva lassen sich am besten aus vergleichenden
Doppelblindstudien ableiten [[23], [24]].
In zwei groß angelegten Doppelblindstudien zur Sicherheit und Verträglichkeit von
Grepafloxacin im Vergleich zu Amoxicillin [[25]] oder zu Ciprofloxacin [[26]] zeigte sich eine etwa gleich gute Verträglichkeit von Grepafloxacin in einer täglichen
Dosierung von 400 mg, jedoch bestanden signifikante Unterschiede hinsichtlich der
gastrointestinalen Verträglichkeit bei Gabe der höheren Dosis von 600 mg zwischen
Grepafloxacin und der Vergleichssubstanz. Im Vordergrund standen Symptome wie Übelkeit
und Erbrechen.
In ähnlich angelegten Doppelblind-Studien mit Levofloxacin, in denen Dosierungen von
250, 500 oder 1000 mg täglich angewandt wurden, zeigten sich keine eindeutigen Unterschiede
in der Verträglichkeit des Chinolons in Abhängigkeit von der Dosierung.
In der umfangreichen Studie bei Patienten mit akuter Exazerbation einer chronischen
Bronchitis (pro Gruppe wurden etwa 280 Patienten behandelt) war das Niveau der Häufigkeiten
von unerwünschten Wirkungen in den Gruppen kaum unterschiedlich (18 % und 20 %) [[27]].
Moxifloxacin erwies sich in einer täglichen Dosierung von 200 oder 400 mg bei Patienten
mit ambulant erworbener Pneumonie ähnlich gut verträglich wie Clarithromycin in einer
täglichen Dosis von zweimal 500 mg. Auch in dieser Studie waren gastrointestinale
Symptome am häufigsten. Diarrhöen traten in dieser umfangreichen Studie bei 3,6 %
(Clarithromycin) bzw. bei 5,7 % (200 mg Moxifloxacin) und bei 8,5 % (400 mg Moxifloxacin)
der Patienten auf [[28]].
Phototoxizität
Phototoxische Effekte wurden bereits vor Jahrzehnten mit dem Vorläufer der heutigen
Fluorchinolone, der Nalidixinsäure, beobachtet. Die Beziehungen zwischen der chemischen
Struktur der Chinolone und der Phototoxizität sind mittlerweile recht gut bekannt.
Derivate, die in Position 8 des Grundgerüstes halogeniert sind (Fluor oder Chlor),
weisen ein relativ hohes phototoxisches Potential auf. Zu dieser Gruppe von Chinolonen
gehören Lomefloxacin, Sparfloxacin, Fleroxacin und Clinafloxacin. Diese Substanzen
finden keine breite Anwendung. Obwohl bei den heute häufig benutzten Chinolonen nur
ein relativ geringes phototoxisches Potential besteht, sollten die Patienten sich
in jedem Fall während der Therapie nicht in besonderem Maße UV-Licht aussetzen (Sonnenbestrahlung,
Solarium etc.). Weitgehend photostabile Derivate sollten bevorzugt eingesetzt werden
[[29]].
ZNS-Wirkungen
Alle bekannten Chinolone besitzen ein neurotoxisches Potential. Der Mechanismus der
neurotoxischen Wirkungen ist jedoch nicht im Detail geklärt (Stahlmann und Lode, 1999).
Das Spektrum der ZNS-Störungen, die unter einer Chinolontherapie auftreten können,
reicht von leichten Reaktionen, wie Kopfschmerzen, Benommenheit („dizziness”), Müdigkeit
oder Schlaflosigkeit bis zu ernsten Zwischenfällen. Diese sind selten (< 0,5 %), jedoch
wurden nach allen bekannten Fluorchinolonen psychotische Reaktionen mit Halluzinationen
oder Depressionen sowie Krampfanfälle beschrieben [[30]].
Die ZNS-Wirkungen der Chinolone treten dosisabhängig auf. Eine ausgeprägte Schlaflosigkeit
wurde zum Beispiel im Rahmen einer Doppelblindstudie bei 8 % der Patienten beobachtet,
die mit 400 mg Fleroxacin behandelt wurden, jedoch bei 62 % der Patienten, die die
doppelte Dosis bekommen hatten. Aufgrund der erheblichen ZNS-Wirkungen kann Fleroxacin
in höheren Dosierungen nicht verwendet werden [[31]].
Während der Therapie mit Trovafloxacin, das seit Juni 1999 nicht mehr zur Therapie
zur Verfügung steht, traten Symptome wie Schwindel oder Benommenheit in einigen Studien
bei mehr als 10 % der Patienten auf. Interessanterweise waren diese Symptome bei Frauen
häufiger als bei Männern und wurden besonders bei Personen mit einem Lebensalter von
< 45 Jahren beobachtet [[32]]. Derartige Wirkungen sind bei der Gabe der anderen Chinolone der Gruppen III/IV
nur relativ selten beobachtet worden.
Seltene unerwünschte Wirkungen
Weitere Risiken aufgrund eines entsprechenden toxischen Potentials bestehen durch
die Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System bzw. die Ausscheidungsorgane Niere und
Leber.
Trovafloxacin wurde aufgrund von etwa 140 Fällen von schweren hepatischen Reaktionen
bis hin zum Leberversagen vom Markt genommen, die bei mehr als 2 Millionen Verordnungen
bekanntgeworden waren. Da in vielen dieser Fälle schwerwiegende Grunderkrankungen
vorlagen oder andere Medikamente gleichzeitig gegeben wurden, ist der ursächliche
Zusammenhang schwer zu beurteilen. Die Beurteilung wird weiter dadurch erschwert,
daß es offenbar zwei unterschiedliche Arten der hepatischen Reaktion gab: zum einen
eine Abhängigkeit von der Gesamtdosis mit einem Anstieg der Leberenzyme bei 20 - 30
% der Patienten nach einer längeren Behandlungsdauer (> 3 Wochen) und zum anderen
eine Überempfindlichkeitsreaktion, die mit eosinophilen Infiltraten im Bereich der
Gallengänge verbunden war [[33]].
Der Mechanismus der hepatotoxischen Wirkungen der Substanz ist nicht geklärt. Ein
Vergleich der jeweiligen tierexperimentellen Studien zeigt jedoch, daß offenbar auch
hinsichtlich der hepatotoxischen Wirkungen der Chinolone Unterschiede zwischen den
Substanzen bestehen. Beim Hund verursachte zum Beispiel Moxifloxacin nicht die histologischen Veränderungen, wie sie nach Trovafloxacin gesehen wurden (vakuoläre
Degeneration, Nekrosen, entzündliche Veränderungen), obwohl Moxifloxacin höher dosiert
wurde (90 mg/kg vs. 2 × täglich 25 mg/kg p. o.) und zu wesentlich höheren Plasmakonzentrationen
führte als Trovafloxacin (von Keutz, Bayer AG, persönliche Mitteilung).
Chinolone weisen ein kardiotoxisches Potential auf, das offenbar bei Sparfloxacin
und Grepafloxacin relativ ausgeprägt ist (Verlängerung der QT-Zeit), das aber im „Normalfall”
ohne klinische Bedeutung ist. Sie dürfen jedoch nicht bei Patienten angewandt werden,
bei denen ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen besteht (angeborene QT-Zeit-Verlängerung,
gleichzeitige Gabe von Antiarrhythmika, Elektrolytstörungen etc.). Vergleichende experimentelle
Studien mit verschiedenen Chinolonen liegen nicht vor.
Schließlich sind die Wirkungen der Chinolone auf Strukturen des Bindegewebes zu berücksichtigen:
Chinolone können bei allen bisher untersuchten Spezies während der postnatalen Entwicklung
zu Schäden des Gelenkknorpels oder der Epiphysenfuge führen. Die entsprechenden Befunde
beim Menschen sind widersprüchlich. Die überwiegend positiven Erfahrungen, die mit
Ciprofloxacin bei jugendlichen Mukoviszidose-Patienten gemacht wurden, sollten jedoch
keinesfalls als generell gültig für die gesamte Gruppe der Fluorchinolone angesehen
werden [[29], [34]].
Chinolone können außerdem zu Tendopathien (Tendinitis, Rupturen) führen, die sich
offenbar auch noch Wochen nach einer Chinolontherapie klinisch manifestieren können.
Fälle von Tendinitis und Rupturen der Achillessehne sind nach Behandlung mit den meisten
Chinolonen beschrieben worden. Insgesamt sind schon etwa 1000 Fälle dieser Art publiziert
worden. Hinsichtlich dieser unerwünschten Wirkung scheint bei der Behandlung mit Pefloxacin
ein relativ hohes Risiko zu bestehen. Genaue Daten hierzu liegen jedoch nicht vor;
gezielte klinische Studien sollten durchgeführt werden, um eine bessere Aussage zur
Häufigkeit dieser Effekte machen zu können und um zu klären, ob signifikante Unterschiede
zwischen den Chinolonen hinsichtlich solcher Risiken bestehen [[35], [36]].
Die Wirkungen der Chinolone auf Knorpel und Sehnen kommen offenbar durch die Anreicherung
der Chinolone in diesen Geweben und die Bildung von Chelatkomplexen mit di- und trivalenten
Kationen (z. B. Magnesium) zustande. Es bedarf der Klärung im Rahmen klinischer Untersuchungen,
ob Patienten mit Störungen des Elektrolythaushalts besonders empfindlich auf Chinolone
reagieren, und ob zum Beispiel bei Patienten mit einer Hypomagnesiämie Schäden der
Achillessehnen bevorzugt auftreten [[29], [37]].
Interaktionen zwischen Fluorchinolonen und anderen Arzneimitteln
Interaktionen zwischen Fluorchinolonen und anderen Arzneimitteln
Interaktionen zwischen Chinolonen und anderen Arzneimitteln können bei gleichzeitiger
Gabe auftreten (Tab. [5]). Diese Wechselwirkungen erreichen teilweise ein erhebliches Ausmaß und können klinisch
sehr relevant sein. Da sich die einzelnen Chinolone hinsichtlich ihres Interaktionspotentials
unterscheiden, stellt es ein mitentscheidendes Kriterium bei der Auswahl eines Chinolons
dar. Auf einige ausführliche Reviews zu diesem Thema sei an dieser Stelle hingewiesen
[[24], [38], [39], [40], [41]].
Beeinflussung der Resorption von Chinolonen durch mehrwertige Kationen
Höffken und Kollegen beschrieben als erste in einer kurzen Mitteilung die Wirkungen
des Antazidums MAALOX auf die Resorption eines Fluorchinolons nach oraler Gabe [[42]]. Die Bioverfügbarkeit von Ciprofloxacin war durch das magnesium- und aluminiumhaltige
Präparat drastisch beeinträchtigt, so daß mit einem Versagen der antibakteriellen
Therapie gerechnet werden muß, wenn beide Präparate gemeinsam gegeben werden. In der
Berliner Arbeitsgruppe wurde in weiteren umfangreichen pharmakokinetischen Studien
mit Ofloxacin, Ciprofloxacin, Fleroxacin und anderen Chinolonen der Einfluß von mineralischen
Antazida auf die Absorption der Chinolone systematisch untersucht [[43], [44]]. Entsprechende Ergebnisse wurden später auch mit allen anderen untersuchten Chinolonen
erzielt [[24]].
Auch der Kationengehalt anderer Arzneimittel kann die Resorption der Fluorchinolone
beeinträchtigen. Das antiretroviral wirksame Nukleosid-Analogon Didanosin ist nicht stabil im sauren Milieu des Magens. Den Tabletten werden daher Magnesium-Aluminium-Verbindungen,
die als Antazida wirken, zugemischt. Die gleichzeitige Einnahme von Didanosin-Kautabletten
und Ciprofloxacin führt zu einer deutlichen Reduktion der Bioverfügbarkeit um 98 %
[[45]].
Sucralfat enthält etwa 200 mg Aluminium pro Gramm Substanz und wird kaum resorbiert. Für Ciprofloxacin
wurde eine deutliche Reduzierung der Bioverfügbarkeit um fast 90 % durch Sucralfat
festgestellt. Die Einnahme des Magentherapeutikums in einer Dosis von 1 g erfolgte
4mal am Tag vor der pharmakokinetischen Untersuchung sowie am Tag der Untersuchung
zusammen mit 500 mg Ciprofloxacin [[46]]. Entsprechende Effekte können auch mit allen anderen Chinolonen auftreten.
Die folgende Reihenfolge wurde in Untersuchungen zu den physikalisch-chemischen Eigenschaften
der Chinolone für die Affinität zu verschiedenen di- und trivalenten Kationen aufgestellt:
Cu2 + > Fe2 + > Zn2 + > Mg2 + > Ca2 + sowie Fe3 + > Al3 + [[47]]. Demnach sind Interaktionen der Chinolone mit Kalzium möglich, sie sollten aber
weniger ausgeprägt sein als mit anderen Kationen. Dies konnte in entsprechenden Studien
bestätigt werden.
In einer aktuellen Untersuchung zum Einfluß der Gabe eines kalziumhaltigen Präparates
auf die Bioverfügbarkeit von Moxifloxacin wurde keine signifikante Interaktion gefunden. Im direkten Vergleich war die maximale Konzentration
im Plasma zwar geringfügig reduziert (2,3 anstatt 2,7 mg/l), wenn gleichzeitig Kalzium
gegeben wurde, bei den AUC-Werten - als Maß für die Bioverfügbarkeit des Chinolons
-ergab sich jedoch kein signifikanter Unterschied [[48]].
Neben kalziumhaltigen Arzneimitteln stellt vor allem die Ernährung - insbesondere
mit Molkereiprodukten - eine alltägliche Quelle von Kalziumionen dar. Die mögliche
Beeinflussung der Resorption durch Milch und Joghurt wurde in mehreren Studien an
gesunden Probanden untersucht. So reduzieren Milch und Joghurt zum Beispiel die Bioverfügbarkeit
von Ciprofloxacin um etwa ein Drittel [[49]], die Effekte waren bei anderen Chinolonen meist nicht so ausgeprägt und damit wohl
klinisch nicht relevant [[50]].
Sowohl Eisensulfat als auch Zink, zum Beispiel als Bestandteil eines Multivitaminsaftes,
können die Bioverfügbarkeit von Ciprofloxacin und anderen Chinolonen vermindern; der
Effekt des Eisens war mit einer Verringerung um etwa zwei Drittel relativ deutlich
ausgeprägt, während Zink unter den Bedingungen der Studie für eine Reduzierung um
24 % verantwortlich war [[51]].
Generell kann gesagt werden, daß bei gleichzeitiger Gabe von Chinolonen und mineralischen
Antazida, die Magnesium und Aluminium enthalten, immer eine deutliche Abnahme der
Bioverfügbarkeit erwartet werden kann. Diese Einbuße der Resorption wird im wesentlichen
nicht durch Veränderungen im pH-Wert des Magensaftes verursacht, sondern sie kommt wahrscheinlich
durch die Bildung von Chelatkomplexen und einer damit verbundenen Behinderung der
Absorption zustande. Die Reduktion der Bioverfügbarkeit ist stets so ausgeprägt, daß
mit einem Versagen der antibakteriellen Therapie gerechnet werden muß. Bedeutsam ist
in diesem Zusammenhang sicherlich die Tatsache, daß diese Antazida weit verbreitet
sind und überwiegend im Rahmen der Selbstmedikation angewandt werden.
Unter Studienbedingungen ist häufig gezeigt worden, daß bei zeitlich versetzter Gabe
des Chinolons und des kationenhaltigen Medikamentes (2 bis 4 Stunden) die Interaktion
deutlich reduziert wird bzw. nicht mehr nachweisbar ist [[52]]. Die entscheidende Frage ist jedoch, inwieweit diese Ergebnisse im Rahmen der ambulanten
Therapie umgesetzt werden können. Bei einer stationären Behandlung können solche Regeln
eher befolgt werden als außerhalb einer Klinik. Große Bedeutung kommt letztlich der
Information des Patienten über solche Interaktionen durch den verordnenden Arzt zu.
Da Chinolone wahrscheinlich über ein Magnesiumion an einen Komplex aus der bakteriellen
Gyrase und der DNA binden und dadurch die Vermehrung der Erreger hemmen, kann angenommen
werden, daß die Fähigkeit der Medikamente zur Chelatbildung mit Magnesium essentiell
für die antibakterielle Wirkung ist. Deshalb wird bei jedem antibakteriell wirksamen
Chinolon zumindest mit der Möglichkeit relevanter Interaktionen mit di- und trivalenten
Kationen zu rechnen sein [[53]].
Interaktionen mit Theophyllin und Coffein
Bei der Behandlung von COPD-Patienten mit einem Fluorchinolon sollte beachtet werden,
daß es zu einer Interaktion mit Theophyllin kommen kann. Als Ursache für diese Interaktion
ist die Hemmung von Cytochrom P 450-abhängigen Monooxygenasen erkannt worden (CYP
1A2). Das erste Fluorchinolon, das während der klinischen Erprobung entsprechend auffiel,
war Enoxacin [[54]]. Bei neun von 15 Patienten mit chronischer Bronchitis, die wegen einer akuten bakteriell
verursachten Exazerbation ihrer Erkrankung gleichzeitig mit Theophyllin und Enoxacin
behandelt wurden, mußte die Behandlung wegen erheblicher Unverträglichkeitsreaktionen
(Übelkeit!) abgebrochen werden [[55], [56]]. Grund war eine Erhöhung der Theophyllin-Plasmakonzentrationen, die auftrat, wenn
Theophyllin zusammen mit Enoxacin eingenommen wurde.
Diese bedeutsame Interaktion kann auch bei Gabe von Ciprofloxacin auftreten; besondere
Vorsicht ist bei der Behandlung mit höheren Dosierungen geboten [[24], [57]].
Von den neueren Fluorchinolonen ist diese Interaktion nur bei Grepafloxacin beobachtet
worden. Bei gesunden Probanden, die bestimmte Voraussetzungen erfüllten (ähnliches
Lebensalter, Körpergewicht, Nichtraucher etc.), war die Plasmakonzentration von Theophyllin
bei gleichzeitiger Gabe von Grepafloxacin (600 mg) etwa doppelt so hoch wie ohne das
Chinolon (8,3 vs. 15,1 mg/l). Drei von 12 Probanden brachen die Studie ab, weil die
erhöhten Theophyllin-Spiegel zu erheblichen unerwünschten Wirkungen führten (Übelkeit,
Erbrechen, Desorientiertheit, Anstieg der Herzfrequenz etc.). Wenn Patienten gleichzeitig
mit Theophyllin und Grepafloxacin behandelt werden sollen, muß die Theophyllindosis
halbiert werden - im Zweifelsfall sollte der Theophyllinspiegel bestimmt werden [[15]].
Auch Coffein ist ein Methylxanthin und sein Abbau wird ebenfalls durch einige Fluorchinolone
in analoger Weise beeinflußt wie der Theophyllin-Metabolismus [[58]]. So wurden zum Beispiel in einer Untersuchung Veränderungen der Coffein-Kinetik
bei gleichzeitiger Gabe von Coffein beobachtet: die Halbwertzeit wurde, nach dreitägiger
Ciprofloxacin-Behandlung von 5,2 auf 8,2 Stunden verlängert und die Clearance wurde
um etwa ein Drittel reduziert. Bei diesen Untersuchungen fiel außerdem ein Anstieg
der AUC des Ciprofloxacins bei gleichzeitiger Gabe mit Coffein auf [[59]].
Patienten, die mit Ciprofloxacin oder Grepafloxacin behandelt werden, sollten darauf
hingewiesen werden, daß ihre Coffeinelimination reduziert sein kann und daß sie daher
den Kaffee- oder Teegenuß während der antibakteriellen Chemotherapie mit Chinolonen
reduzieren sollten.
Interaktionen zwischen Fluorchinolonen und anderen Medikamenten
Die wichtigste Cytochrom P450-Form für den Arzneistoffmetabolismus ist CYP3A4, das
viele Arzneistoffe metabolisiert (Makrolid-Antibiotika, Nifedipin, Midazolam, Ciclosporin
und andere). Die Hemmung des Abbaus über CYP3A4 ist zum Beispiel für Ciclosporin als
Ursache zahlreicher Interaktionen identifiziert worden. Eine Interaktion zwischen
Fluorchinolonen, die die Form CYP1A2 inhibieren, und Ciclosporin, das von CYP3A4 metabolisiert
wird, liegt daher zunächst nicht nahe. Ähnliches gilt für andere Arzneimittel.
Angesichts der geringen therapeutischen Breite von Arzneimitteln wie Ciclosporin und
Warfarin sollte jedoch stets eine gewisse Wachsamkeit bei gleichzeitiger Gabe vorhanden
sein. In Einzelfällen sind durchaus Interaktionen zwischen einigen Chinolonen (z.
B. Ciprofloxacin) und Warfarin oder Ciclosporin beschrieben worden. Es muß bedacht
werden, daß die Expression der verschiedenen Cytochrome in der Leber einer erheblichen
individuellen Variabilität unterliegt und deren Aktivität durch andere Einflüsse verändert
sein kann (Rauchen). Studien an einer begrenzten Anzahl gesunder Probanden können
daher nicht mit absoluter Sicherheit ein entsprechendes Risiko in allen Fällen ausschließen.
Danksagung
Der Autor dankt Frau Barbara Steyn sehr herzlich für die Mithilfe bei der Erstellung
des Manuskriptes.
Tab. 5Arzneimittelwechselwirkungen zwischen Fluorchinolonen und anderen Arzneimitteln (Cipro
= Ciprofloxacin; Grepa = Grepafloxacin; Levo = Levofloxacin; Spar = Sparfloxacin;
Moxi = Moxifloxacin)
Fluorchinolon |
anderes Arzneimittel |
Wirkung |
Cipro |
Spar |
Levo |
Grepa |
Moxi |
|
|
1. Mehrwertige Metallkationen und metallhaltige Arzneimittel (Bildung von Chelatkomplexen) |
+ |
+ |
+ |
+ |
+ |
kationenhaltige Mittel: (Al+++, Ca++, Fe++, Mg++, Zn++ Antacida, Vitamine1, Molkereiprodukte) |
↓ Absorption des Chinolons |
+ |
+ |
+ |
+ |
+ |
Sucralfat |
↓ Absorption des Chinolons |
+ |
+ |
+ |
+ |
+ |
Didanosin |
↓ Absorption des Chinolons |
2. Methylxanthine (Hemmung hepatischer Monooxygenasen, CYP1A2) |
+ |
|
|
+ |
|
Theophyllin |
↑ des Theophyllinspiegels |
+ |
|
|
+ |
|
Coffein |
↑ des Coffeinspiegels |
1) Multivitaminpräparate enthalten oft Zusätze von Zink oder Eisen |