Hamostaseologie 2025; 45(04): 282
DOI: 10.1055/s-0045-1811543
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Sulodexid: Neue Hoffnung bei retinalen Gefäßerkrankungen

Böhm EW, Buonfiglio F, Korb CA. et al.
Potential of Sulodexide in The Treatment of Diabetic Retinopathy and Retinal Vein Occlusion.
Thromb Haemost 2025; 125: 291–307. 10.1055/s-0044-1791232 PubMed: 39293483
 

    Retinale Gefäßerkrankungen, wie die retinale Venenverschlusskrankheit (RVO) und die diabetische Retinopathie, können zu erheblichen Sehstörungen bis hin zum Verlust der Sehfunktion und Erblindung führen. Eine neue vielversprechende Behandlungsoption könnte das Glykosaminoglykan Sulodexid sein, das oral eingenommen werden kann.


    Die retinale Venenverschlusskrankheit und die diabetische Retinopathie weisen mehrere gemeinsame pathophysiologische Mechanismen auf. Es kommt bei beiden Erkrankungen zu einer mikrovaskulären Schädigung der Netzhaut mit Kapillarleckage, Ischämie und Freisetzung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors VEGF. Hierdurch wird die Neoangiogenese gefördert. Die gemeinsame Endstrecke ist das Makulaödem. Therapiestandard ist bisher die intravitreale Injektion von Anti-VEGF-Wirkstoffen. Diese Behandlung wird allerdings von vielen Patient:innen als belastend empfunden und adressiert auch nicht die der vermehrten VEGF-Freisetzung zugrunde liegende Pathophysiologie. Der Wirkstoff Sulodexid schützt das Gefäßendothel und weist auch antithrombotische Eigenschaften auf. Die aktuelle Übersichtsarbeit zielt darauf ab, das Wirkprinzip von Sulodexid, die pharmakologischen Eigenschaften sowie mögliche klinische Anwendungsbereiche bei retinalen Vasopathien darzustellen.

    Ergebnisse

    Sulodexid ist ein Glykosaminoglykan, das aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen wird. Es setzt sich zu 80% aus Heparansulfat und zu 20% aus Dermatansulfat zusammen und hat Heparin-ähnliche Eigenschaften. Allerdings weist es im Gegensatz zu Heparinen eine orale Bioverfügbarkeit von 40% auf. Die maximale Serumkonzentration wird nach 4 Stunden erreicht. Die Substanz durchläuft eine hepatische Metabolisierung und wird primär renal eliminiert. Sulodexid wirkt über verschiedene Mechanismen auf das Gerinnungssystem ein, es hat antithrombotische, antikoagulatorische und auch fibrinolytische Eigenschaften. Außerdem schützt der Wirkstoff die Glykokalix des Gefäßendothels, was wiederum die Zellen vor inflammatorischen Einflüssen abschirmt sowie Lipidablagerungen und die Bildung von Plaques eindämmt. Darüber hinaus vermittelt Sulodexid antiinflammatorische und antioxidative Prozesse, reguliert den Gefäßtonus und wirkt sich günstig auf den Fettstoffwechsel aus.

    Sulodexid reichert sich bevorzugt im Gefäßendothel an und wirkt dort lokal. Marker der systemischen Gerinnung, wie INR und aPTT werden hingegen kaum beeinflusst, was auch das geringe Blutungsrisiko unter einer Behandlung mit dem Wirkstoff erklärt. Einsatzgebiete umfassen bisher die Prophylaxe von Thromboserezidiven, die Behandlung eines postthrombotischen Syndroms sowie einer chronischen venösen Insuffizienz. Im Rahmen von Diabetes-mellitus-Erkrankungen konnten für Sulodexid eine Verbesserung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sowie renoprotektive Effekte nachgewiesen werden.

    Sowohl bei der retinalen Verschlusskrankheit als auch bei der diabetischen Retinopathie wurden im Tierversuch positive Effekte unter einer Gabe von Sulodexid beobachtet. So kam es zu einer Verbesserung der Endothelfunktion, zu einer Verringerung des oxidativen Stresses sowie zu einer Reduktion des VEGF-Spiegels und anderer proangiogener Faktoren. In klinischen Studien zeichneten sich eine Zunahme der Glykokalix, eine Verringerung der Gefäßpermeabilität sowie eine verbesserte Ödemkontrolle ab. Allerdings wurden bisher nur kleinere bis mittelgroße Patientenkohorten untersucht und es ist noch unklar, welche Dosierung von Sulodexid den besten Nutzen aufweist.

    FAZIT

    Die orale Einnahme von Sulodexid ist ein vielversprechender innovativer Therapieansatz bei retinalen Gefäßerkrankungen. Die Substanz weist eine Vielzahl an günstigen lokalen Wirkmechanismen auf und ist trotz gerinnungshemmender Eigenschaften nicht mit einem relevant erhöhten Hämorrhagierisiko assoziiert. Es sollten größere klinische Studien auf den Weg gebracht werden, so die Autor:innen.

    Dr. Katharina Franke, Darmstadt




    Publication History

    Article published online:
    14 August 2025

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