Hintergrund: Die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes empfiehlt, die Insulintherapie
initial mit intermediär oder langwirksamen Insulinen zur Nacht zu beginnen und bei
Bedarf schrittweise zu intensivieren. Das strukturiere Behandlungs- und Schulungsprogramm
(BSP) für bedarfsgerechte Insulintherapie (Deutscher Ärzteverlag, 2022) wurde entsprechend
an die aktuellen NVL-Empfehlungen angepasst.
Fragestellung: Wie beeinflusst die Teilnahme am BSP für bedarfsgerechte Insulintherapie die Parameter
HbA1c, Körpergewicht, Häufigkeit von Hypoglykämien, Insulintherapie-Formen sowie die
Anzahl stationärer Einweisungen aufgrund von Stoffwechselentgleisungen?
Methoden: 201 insulin-naive Personen mit Typ-2-Diabetes (67,6% männlich; Alter: 59,2±13,0
Jahre; Diabetesdauer: 7,5±7,8 Jahre; BMI: 31,0±7,1 kg/m2; Gewicht: 91,8±23,3 kg; HbA1c: 10,7±2,0%) wurden nach leitliniengerechter Anpassung
oraler Antidiabetika und GLP-1-Rezeptor-Agonisten (durchschnittlich 2,1±0,3 Substanzklassen
pro Person) im BSP für bedarfsgerechte Insulintherapie auf Intermediärinsulin zur
Nacht eingestellt. Die Startdosis wurde gewichtsadaptiert mit 0,11 Einheiten/kg Körpergewicht
festgelegt. Während des BSP führten die Teilnehmenden eine standardisierte, einwöchige
präprandiale Glukosekontrolle durch. Am Ende der Glukosekontrolle erhielten 14,9%
(n=30) aufgrund einer präprandialen Blutglukose von>200 mg/dl (Mittelwert der Messungen
vor Frühstück, Mittag- und Abendessen) zusätzlich supplementär Normalinsulin zu den
Hauptmahlzeiten (SIT). Das Programm wurde ambulant in einem sektorenübergreifenden
Diabetes-Zentrum durchgeführt.
Ergebnisse: Nach 7,8±3,4 Monaten wurden 93,0% (n=187) der Teilnehmenden nachuntersucht. Der
HbA1c-Wert sank von 10,6±2,0% auf 7,6±1,3% (p<0,001), das Körpergewicht von 92,5±23,5
kg auf 91,3±22,0 kg. Es traten keine moderaten oder schweren Hypoglykämien auf. Bei
der Nachuntersuchung erhielten 64,2% (n=120) weiterhin Intermediärinsulin zur Nacht,
16,0% (n=30) wurden mit SIT plus Intermediärinsulin zur Nacht behandelt, 1,1% (n=2)
waren auf eine konventionelle Insulintherapie umgestellt worden, und bei 18,7% (n=35)
war Insulin abgesetzt worden. Niemand wurde aufgrund einer Stoffwechselentgleisung
stationär eingewiesen. Je stärker die Gewichtsabnahme zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung,
desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass Insulin abgesetzt werden konnte (logistische
Regression, p=0,006).
Diskussion: Die vollständig ambulante Intervention des BSP für bedarfsgerechte Insulintherapie
verbesserte den Glukosestoffwechsel, ohne eine Gewichtszunahme oder Hypoglykämien
zu verursachen. Entsprechend den Empfehlungen der NVL wurde die Therapie bei allen
Teilnehmenden mit Intermediärinsulin zur Nacht eingeleitet. Nur bei 16% war aufgrund
präprandialer Hyperglykämie eine Intensivierung der Therapie erforderlich. Niemand
musste aufgrund einer Stoffwechselentgleisung stationär eingewiesen werden.