Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S16-S17
DOI: 10.1055/s-0045-1801921
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
01.04.2025
Infektionsmeldungen und genomische Surveillance
09:30 – 11:00

Diphtherie bei Asylsuchenden: Querschnittsuntersuchung zu Besiedlung und Infektion von Rachen und Wunden in Heidelberg, 2024

B Walter
1   Referat Gesundheitsschutz, Infektionsschutz und Epidemiologie, Landesgesundheitsamt, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
3   Postgraduiertenausbildung für Angewandte Epidemiologie (PAE), Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut (in Zusammenarbeit mit dem ECDC Fellowship Programme, Field Epidemiology path (EPIET), European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), Stockholm, Sweden)
,
K Lück
2   Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis, Referat Infektionsschutz, Sachgebiet Gesundheitsuntersuchung von Flüchtlingen
,
M Adam
1   Referat Gesundheitsschutz, Infektionsschutz und Epidemiologie, Landesgesundheitsamt, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
,
B Winter
2   Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis, Referat Infektionsschutz, Sachgebiet Gesundheitsuntersuchung von Flüchtlingen
,
N J Knab
2   Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis, Referat Infektionsschutz, Sachgebiet Gesundheitsuntersuchung von Flüchtlingen
,
A Kühn
2   Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis, Referat Infektionsschutz, Sachgebiet Gesundheitsuntersuchung von Flüchtlingen
,
A Welker
2   Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis, Referat Infektionsschutz, Sachgebiet Gesundheitsuntersuchung von Flüchtlingen
,
E Aichinger
1   Referat Gesundheitsschutz, Infektionsschutz und Epidemiologie, Landesgesundheitsamt, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
,
S Brockmann
1   Referat Gesundheitsschutz, Infektionsschutz und Epidemiologie, Landesgesundheitsamt, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
› Author Affiliations
 

Bei unzureichendem Impfschutz können Diphtherieinfektionen schwerwiegend bis tödlich verlaufen. In den Jahren 2022 und 2023 war unter Asylsuchenden, die in Deutschland ankamen, eine Häufung von Diphtheriefällen zu beobachten. Über die Hälfte der deutschlandweiten Diphtheriefälle (124 von 308) wurde in diesen beiden Jahren aus Baden-Württemberg gemeldet. Die meisten Fälle waren dabei von Hautdiphtherie betroffen und wurden überwiegend jeweils in der zweiten Jahreshälfte gemeldet. Die rechtzeitige Diagnose, Behandlung sowie umgehend eingeleitete Schutzmaßnahmen sind daher, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen, unerlässlich, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Ziel dieser Studie ist es unter Asylsuchenden, die zwischen August 2024 und Oktober 2024 in Heidelberg in Baden-Württemberg ankommen, den Anteil zu bestimmen, der mit toxigenen Corynebakterien in Wunde und/oder Rachen infiziert oder besiedelt ist, und damit mögliche Risikogruppen zu identifizieren. Da die überwiegende Zahl der Asylsuchenden bei Ankunft keine Impfdokumente mit sich führt, soll der Immunschutz gegenüber impfpräventablen Erkrankungen mit Hilfe von Serumproben bestimmt werden.

Im Rahmen der Gesundheitsuntersuchungen nach § 62 Asylgesetz werden seit dem 12. August 2024 zufällig ausgewählte Asylsuchende in Heidelberg für eine geschätzte Stichprobe von n = 1.057 rekrutiert. Nach Einwilligung wird ein Rachenabstrich genommen. Darüber hinaus werden die Extremitäten auf Wunden untersucht, die entsprechend abgestrichen werden. Einem Teil der Probanden wird zudem Blut abgenommen. Außerdem erfolgt die Erfassung von demographischen, klinischen sowie migrationsbezogenen Informationen. Die Rachenabstriche werden auf toxigene Corynebakterien untersucht. Wundabstriche werden darüber hinaus auf weitere Pathogene untersucht. Die quantitative Bestimmung von Antikörpern in den Serumproben soll mittels ELISA erfolgen. Die Studie wird in Kooperation zwischen dem Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg und dem Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis geplant und durchgeführt.

Mit Stichtag 17. September lagen Ergebnisse von 427 Probanden vor. Davon waren 74 % männlich und das Alter lag zwischen 15 und 60 Jahren (median = 28 Jahre). Die häufigsten Nationalitäten unter den Teilnehmern waren syrisch (n = 115), gefolgt von türkisch (n = 72) und afghanisch (n = 52). Es wurde keine Infektion oder Besiedlung mit toxigenen Corynebakterien nachgewiesen. Neun Probanden wiesen entzündete Wunden auf. In allen Fällen waren diese mit Staphylococcus aureus infiziert (Prävalenz: 2,11 %; 95% KI 0,97 – 3,97 %). In sieben Fällen war dieser Erreger Methicillin-resistent (MRSA) und in einem Fall außerdem Panton-Valentine Leukozidin (PVL) positiv. Die Antikörperquantifizierung der Serumproben steht zum Zeitpunkt der Abstracteinreichung noch aus.

Durch die in Kooperation zwischen Landesgesundheitsamt und Gesundheitsamt erfolgende Planung und Durchführung konnte die Expertise aus beiden Verwaltungsebenen in die Umsetzung der Querschnittsstudie einfließen. Im Unterschied zu den vergleichbaren Zeiträumen in den beiden Vorjahren wurde, konnte in der bis Mitte September rekrutierten Studienpopulation (427 von 1.058 Probanden) kein Diphtheriefall beobachtet werden. Der mehrfache Nachweis von Wundinfektionen mit MRSA macht allerdings deutlich, wie wichtig eine rechtzeitige medizinische Versorgungsmöglichkeit für Asylsuchende nach Ankunft in Deutschland ist. Bei der Behandlung und auch bei Aufnahmen in medizinisch-pflegerische Einrichtungen sollten dabei im Rahmen der Krankenhaushygiene sowie der Diagnostik und Therapie mögliche Antibiotikaresistenzen berücksichtigt werden.



Publication History

Article published online:
11 March 2025

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