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DOI: 10.1055/s-0044-1788504
Wie erlebt ärztliches und pflegerisches Personal den freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken von palliativen Patient:innen auf der Palliativstation? – Eine Framework Analysis
Hintergrund Der freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken (FVET) ist eine Möglichkeit, das eigene Leben selbstbestimmt zu beenden. Die FVET-Begleitung kann für medizinisches Personal als belastend erlebt werden. In einer publizierten quantitativen Untersuchung [1] wurde gezeigt, dass diese Belastungen aus der beim FVET entstehenden physischen und psychischen Symptomlast der Patienten:innen resultieren. Mit einem qualitativen Ansatz sollen die Ursachen dieser wahrgenommenen Belastungen des medizinischen Personals genauer beleuchtet werden.
Methode Ziel ist, das Erleben von ärztlichem und pflegerischem Personal bei FVET-Begleitungen auf einer Palliativstation zu dokumentieren, um die Erkenntnisse der o.g. Erhebung [1] zu konkretisieren. Peer-spezifische Belastungsfaktoren sollen detektiert und zwischen den untersuchten Berufsgruppen verglichen werden. Dazu wurde ein halbstrukturierter Interviewleitfaden mit zwei thematischen Abschnitten entwickelt: 1. Erfahrungen in der FVET-Begleitung, 2. Persönlich-ethische Einstellungen. Nach Pilotierung des Leitfadens durch ein Probeinterview und beginnender Auswertung wurden je drei Interviews mit ärztlichem und pflegerischem Personal geführt. Diese wurden als Audiodateien aufgezeichnet und nach einfachen Regeln nach Dresing&Pehl [2] transkribiert. Die Auswertung erfolgte mittels Framework Analysis.
Ergebnisse Im bisherigen Auswertungsprozess konnten in den ärztlichen Interviews fünf Hauptkategorien – Autonomie der Patient:innen, Erleben der Begleitung, professionsbezogene Unterschiede, Belastungen, persönliche Haltungen – mit verschiedenen Subkategorien erschlossen werden. Ein Beispiel für eine Subkategorie von Belastungen ist die von den Teilnehmer:innen erlebte Symptomlast, physisch versursacht durch Mundtrockenheit sowie psychisch durch erlebtes Leiden im Sterbeprozess. Hauptkategorien beeinflussen sich gegenseitig: Der Ausdruck der Autonomie selbst sowie der erlebten Verpflichtung, diese zu wahren, beeinflusst das Erleben der Begleitung beim FVET aufseiten des Personals. Durch die bewusste Entscheidung fühlt sich die Begleitung beim FVET herausfordernder an.
Schlussfolgerung Die vorläufigen Ergebnisse geben Hinweise auf belastende Faktoren für ärztliches Personal in der FVET-Begleitung, welche sich aus der erlebten Symptomlast ergeben. Ein wichtiger Aspekt ist der konkrete Ausdruck der Autonomie der Patient:innen, der als besonders und prägend bzgl. der Begleitung dieser Patient:innen erlebt wird. Ähnliche Wahrnehmungen hinsichtlich des Autonomieausdrucks der Patient:innen und sich daraus ergebenden Herausforderungen in der Begleitung deuten sich in den pflegerischen Interviews an. Die Auswertung wird weitere, Peer-spezifische Faktoren des Erlebens erfassen und einen Vergleich zwischen den Professionen ermöglichen.
Publication History
Article published online:
26 August 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Batzler YN, Schallenburger M, Maletzki P, Tenge T, Schlieper D, Schwartz J, Neukirchen M.. Caring for patients during voluntarily stopping of eating and drinking (VSED): experiences of a palliative care team in Germany. BMC Palliat Care, 2023; 22 (01) 185 PMID: 37986161; PMCID: PMC10662259
- 2 Dresing, T., & Pehl, T. , (2013), Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse , (T. Dresing & T. Pehl Eds. 5 ed.). , Eigenverlag Marburg,