Aktuelle Kardiologie 2018; 7(02): 120-125
DOI: 10.1055/s-0044-102027
Übersichtsarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Arzt im Wirtschaftsstrafrecht: Welche Risiken bestehen, welche Präventionsinstrumente versprechen Erfolg?

Physicians and Commercial Criminal Law: What Are the Risks, Which Preventive Measures Are Likely to Be Successful?
Thorsten Ebermann
1   Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK e.V.)
,
Hendrik Schneider
2   Prof. Dr. Hendrik Schneider, Gutachten & Strafverteidigung
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Publication History

Publication Date:
03 May 2018 (online)

Zusammenfassung

Die Einführung der Straftatbestände zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) haben bei den Normadressaten auf allen Ebenen Verunsicherung herbeigeführt. Diese wird durch unsubstantiierte Anzeigen seitens der Kostenträger und/oder den Kassenärztlichen Vereinigungen sowie durch kontextlose und vorschnelle Auslegung der Rechtsmaterie (zuletzt seitens der Generalstaatsanwaltschaft Thüringen) teilweise künstlich aufrechterhalten. Dieser Beitrag macht nicht nur deutlich, welche (politische) Interessenslage bei den Kostenträgern und sonstigen Benefiziaren dieser unklaren Rechtlage besteht. Er zeigt darüber hinaus – unter Beachtung der eigentlich und ursprünglich gesetzgeberischen Motivationslage nebst Analyse der Tatbestandsmerkmale – anhand relevanter Fallgestaltungen auf, dass weiterhin eine Vielzahl an kooperativen Möglichkeiten zwischen Ärzten untereinander, Ärzten und Industrie sowie Ärzten und Krankenhäusern bestehen und unter welchen Voraussetzungen diese rechtlich möglich sind.

Abstract

The introduction of statutory offences to combat corruption in the healthcare system (Sections 299a, 299b StGB [German Criminal Code]) has led to much uncertainty among various addressees of the law. This uncertainty has even sometimes been artificially increased by unsubstantiated complaints filed by healthcare and insurance providers and/or Associations of SHI Physicians as well as by premature interpretations of the legal issues taken out of context (most recently by the Public Prosecutorʼs Office for the Federal State of Thüringen). This article explains the (political) interests of healthcare and insurance providers and other beneficiaries of this unclear legal situation. After outlining the actual, original motivations of the legislators and analysing the elements of the crime, the article shows – based on a number of relevant cases – that there are still numerous opportunities for cooperation, whether it be between physicians, physicians and industry, physicians and hospitals, and describes the circumstances under which such forms of cooperation are legally possible.

Was ist wichtig?
  • Auch nach Einführung der §§ 299a, 299b StGB können sich Ärzte zu Fortbildungsveranstaltungen von der Industrie in den berufsrechtlichen Grenzen des § 32 Abs. 2 MBO-Ä einladen lassen.

  • Der Abschluss von Berater- oder Dienstleistungsverträgen (Referententätigkeit, Advisory Board usw.) ist weiterhin möglich. Diese sollten jedoch nur dann abgeschlossen werden, wenn klar ist, zu welchen Fragen beraten wird und welches Erkenntnisinteresse für das Unternehmen an der Beratungsleistung besteht.

  • Bei der Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen und nichtinterventionellen Studien ist die Plausibilität der verfolgten wissenschaftlichen Fragestellung zu hinterfragen. Liegen bereits hinreichende belastbare empirische Befunde vor, besteht Gefahr, dass mit einer Studie lediglich Marketingziele verfolgt werden. Hierdurch steigt das strafrechtliche Risiko. Ist das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse demgegenüber plausibel, ist (lediglich) auf die Angemessenheit der Vergütung zu achten.

  • (Teilzeit-)Anstellungsverträge und Honorarkooperationsverträge zwischen einem niedergelassenen Vertragsarzt und einem Krankenhausträger sind auch nach Einführung der §§ 299a, 299b StGB weiterhin vom Gesetzgeber vorgesehen und daher grundsätzlich möglich. Um hierbei die strafrechtlichen Tatbestände nicht zu erfüllen, ist – neben einer Vielzahl an rechtlichen Vorgaben – insbesondere auf das Vorliegen eines manifesten Nutzens, auf eine angemessene Vergütung und darauf zu achten, dass keine Zuführung von Patienten erfolgt.