tk 2018; 14(01): 22-24
DOI: 10.1055/s-0044-101962
Praxismanagement
Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Ich habe im Internet gelesen …“

Was tun, wenn die externen „Experten“ mal wieder nerven?
Antje Blättner
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Antje Blättner
Tierärztin & Kommunikationstrainerin

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Publication Date:
26 February 2018 (online)

 

Das Praxisteam ist heute nur eine von vielen Informationsquellen für den Kunden, denn zahllose Internetseiten, Chats und Foren laden ein, mehr oder weniger gute und kostenlose „Expertentipps“ zu lesen. Wir zeigen, wie das Praxisteam professionell mit dieser kniffligen Situation umgeht und dem Kunden zeigt, dass es die Nummer eins in Sachen Tiergesundheit ist.


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(© adobe.stock.com – kerkezz)

In Zeiten von Highspeed-Internet und ständiger Präsenz von Smartphones ist es völlig normal, mal eben schnell etwas zu „googeln“, wenn Fragen auftauchen. Ein Griff, ein paar Klicks und schon gibt es jede Menge Infos frei Haus. Verführerisch, doch leider ist nicht alles richtig, was im Netz geliefert wird und als Laie ist es oft schwer, zu erkennen, welche Daten tauglich sind und welche „Fake News“. Doch was passiert, wenn unsere Tierhalter mit einer Netz-basierten Diagnose zu uns kommen? Was für den Kunden ein völlig normales Procedere ist, kann beim Praxisteam zum Konflikt führen. Und dann stehen wir manchmal dumm da, weil wir zum Thema Konfliktlösung und konstruktiver Kommunikation in unserer Ausbildung nicht viel gelernt haben.

Konflikte und Verhalten

Wenn wir über einen Konflikt sprechen, muss zunächst einmal geklärt werden, dass es grundsätzlich mehrere Konfliktarten gibt, die allesamt Einfluss auf unser Verhalten haben:

  • Intrapersonelle Konflikte: Konflikte, die in der eigenen Person begründet sind. Das können z. B. fällige Entscheidungen sein, die Menschen mit sich herumtragen oder Erkrankungen, mit denen jemand belastet ist.

  • Konflikte zwischen Gruppen: Konflikte, die z. B. zwischen politischen Gruppierungen entstehen. Im tierärztlichen Umfeld gibt es diese Konfliktform häufiger in Kliniken, z. B. zwischen dem Rezeptionsteam „vorne“ und dem Stationsteam „hinten“.

  • Interpersonelle Konflikte: Konflikte, die zwischen 2 Personen entstehen, weil die Chemie nicht stimmt oder verschiedene Meinungen aufeinanderprallen. Im tierärztlichen Umfeld kann ein interpersoneller Konflikt zwischen Kunde und TFA, aber auch zwischen 2 beliebigen Teammitgliedern entstehen.

Kommt jetzt ein Kunde mit einer „Internet-Diagnose“ in die Praxis, dann kann ein interpersoneller Konflikt entstehen, weil das Team sich als Spezialist in Sachen Tiergesundheit versteht und der Kunde das (scheinbar) hinterfragt. Doch das, was der Kunde macht, ist völlig normales Verhalten. Stellen Sie sich vor, Sie haben auf Facebook etwas Neues und Interessantes entdeckt und wollen das Ihrer besten Freundin erzählen. Doch die Freundin reagiert bereits beim Erwähnen von Facebook mit einer gerunzelten Stirn, hochgezogenen Augenbrauen und wendet sich ab. Und das, obwohl Sie noch kein Wort über die gefundene Neuigkeit erzählt haben. Wie wirkt das auf Sie? Erkennen Sie Parallelen zur Reaktion des Praxisteams, wenn der Kunde „Internet“ sagt? Dann ist es kein Wunder, dass die Beratung unter diesen Vorzeichen eher frostig verläuft und kein wirklich guter Austausch zwischen Kunde und Praxisteam zustande kommt.

Körpersprache

Ob jemand eher dominant oder eher zurückhaltend ist, lässt sich häufig mit ein wenig Übung an der Körpersprache erkennen, und es lohnt sich, die Basics dazu zu lernen. Erkennt man die Anzeichen für bestimmte Charaktere, ist es einfacher, mit ihnen umzugehen und sie positiv zu stimmen bzw. Konflikte zu vermeiden oder nicht auch noch Öl ins Feuer zu gießen! Körpersprache ist natürlich weit komplexer, als es sich in einer Tabelle darstellen lässt, aber ein paar pragmatische Dos und Donʼts können im Praxisalltag schon enorm weiterhelfen ([Tab. 1]).

Tab. 1 Körpersignale in konfliktträchtigen Situationen, Bedeutung und Verhalten.

Körpersignal & Bedeutung

Do

Do not

Hände in die Hüften stemmen = Durchsetzungswillen, Dominanz

Augenkontakt halten & Arme und Hände öffnen; nachdrücklich, aber nicht offensiv den eigenen Standpunkt erklären

Körpersprache spiegeln, d. h. ebenfalls dominant und herausfordernd auftreten

„zu nahe treten“ = durch körperliche Nähe den Dialogpartner einschüchtern

nur so viel zurückweichen, dass die Situation wieder angenehm ist; nachdrücklich, aber nicht offensiv den eigenen Standpunkt erklären

selbst noch näher rücken – das kann die Situation verschärfen

Dialogpartner verliert Augenkontakt = Interesse schwindet bzw. etwas stört die Aufmerksamkeit

kurz pausieren, bis die Aufmerksamkeit des Kunden wieder da ist; Führung übernehmen: „Welche Fragen haben Sie zum Thema …?“

lauter reden, eindrücklicher reden, alles noch einmal wiederholen

Dialogpartner wendet Körper ab, packt Sachen zusammen, macht sich „abreisefertig“ = Die Sitzung ist beendet

kurz pausieren, bis die Aufmerksamkeit des Kunden wieder das ist; Fragen: „Welche Fragen haben Sie zum Thema …?“

lauter reden, eindrücklicher reden, alles noch einmal wiederholen

Neben der Beobachtung der Körpersprache während des Dialogs und – ganz besonders – der Körperspracheänderungen im Gesprächsverlauf gilt immer und überall die Grundregel: wenn im Zweifel, dann stelle eine Frage! Plötzliche Änderungen der Körpersprache deuten immer darauf hin, dass im Kopf etwas passiert ist, erst danach reagiert der Körper. Das kann einen Zusammenhang mit dem Dialog haben, muss es aber nicht. Und der einfachste Weg, die Aufmerksamkeit des Dialogpartners zurückzugewinnen und herauszufinden, was den Kunden bewegt hat, ist eine Frage zu stellen. Und die einfachste aller Fragen, die fast immer passt, ist: „Welche Informationen kann ich Ihnen noch geben?“


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Konflikte haben Vorrang

Es gilt in der Kommunikation ein Gesetz, das besagt, dass Konflikte Vorrang haben. Damit ist gemeint, dass Konflikte zuerst geklärt werden müssen, bevor ein konstruktiver Dialog zustande kommen kann. Für unser Internetbeispiel bedeutet dies für das Praxisteam, sich damit auseinander zu setzen, wie die eigene Reaktion auf das Stichwort des Kunden „Ich habe da was im Netz gelesen …“ ist. Reagieren wir wirklich so entspannt, wie wir das von uns selbst glauben? Oder denken wir insgeheim etwa: „Oh nein, nicht schon wieder …!“ Gar nicht, oder doch vielleicht ein bisschen? Dann wird uns unsere Körpersprache verraten und der Kunde kann unsere Vorbehalte und eher negative Einstellung „lesen“. Dass er seinerseits darauf nun ebenfalls nicht mit überschwänglicher Freundlichkeit reagiert, ist klar. Und der Konflikt nimmt seinen Lauf.

Nur, wenn es dem Team gelingt, seine innere Haltung in puncto „Netzdiagnosen“ so zu beeinflussen, dass es z. B. denkt: „Das, was der Kunde gerade sagt, ist interessant. Ich konzentriere mich jetzt zunächst auf meinen Job und im Anschluss daran spreche ich vielleicht noch über Doc Google“, dann kommt beim Kunden als Körpersprache ein neutrales, freundliches und professionelles Interesse an. So gibt es – zumindest vorab – keinen Konflikt. Der Konflikt ist in diesem Fall also dadurch geklärt, dass ihm keine Chance gegeben wird.

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Abb. 1 Zutaten für den konfliktfreien Umgang mit Kunden mit einer Netzdiagnose.(© A. Blättner)
Zusatzinfo

Dialogstrategie für Kunden mit einer Internet-Diagnose

  • Einleitungsfrage: „Was führt Sie heute zu uns?“ Wenn der Kunde dann loslegt – Zuhören und Notizen machen. Wichtig dabei: Nicht unterbrechen, nicht bewerten, einfach zuhören und ggf. am Ende der Erzählung klärende Fragen stellen. So hat der Kunde das Gefühl, dass er ernst und wichtig genommen wird und das Team bekommt die Informationen, die es braucht, um eine oder mehrere Konsultationen einzurichten. Die Einleitungsfrage sollte unabhängig davon gestellt werden, was bereits im Terminkalender als Konsultationswunsch steht, denn so wird kontrolliert, ob das zusammenpasst, und es ergeben sich evtl. neue, wichtige Informationen.

  • Wenn der Kunde eine „Netzdiagnose“ mit „Ich habe da was gelesen zu … was halten Sie davon?“ aktiv zu Beginn des Gesprächs ins Spiel bringt, dann wird er sanft, aber deutlich darauf hingewiesen, dass es unser Job ist, zunächst das Tier gründlich zu untersuchen, und dann gemeinsam mit dem Kunden die Befunde und die Diagnosen zu besprechen. Dies kann man dann auch als Frage formulieren, die der Kunde nicht verneinen wird, denn schließlich ist er ja mit seinem Tier in der Praxis, weil er unseren Rat und unsere Leistungen wünscht: „Frau Netzforscher, ich schlage vor, bevor wir uns mit den Infos auf der Seite von ‚Laien schreiben was zusammen‘ beschäftigen, dass Frau Dr. Profi Ihren James gründlich untersucht und mit Ihnen die Befunde, Diagnostik und Therapie bespricht. Was sagen Sie dazu?“ Wenn Frau Netzforscher jetzt nein sagt, ist sie evtl. ein Infoshopper, der kostenlos Infos ohne Untersuchung und Behandlung sucht und es ist am Team zu entscheiden, ob das Kunden sind, die man kostenlos bedienen und damit behalten oder doch lieber abgeben möchte.

  • Wenn am Ende der Konsultation der Kunde immer noch eine Stellungnahme zu seinen Netzfunden wünscht, dann hilft ein Trick: ihn bitten, die Funde doch ausgedruckt zur Folgekonsultation mitzubringen. Ich habe es sehr, sehr selten erlebt, dass das passiert, aber wenn doch, ist es leichter sich mit gedruckten „Fakten“ auseinander zu setzen als mit dem, was der Kunde verstanden, interpretiert und mündlich wiedergegeben hat. Und die meisten Kunden haben nach einer guten Konsultation das Thema „Doc Google“ vergessen bzw. es ist unwichtig geworden, weil alle Fragen gut und zufriedenstellend beantwortet wurden.


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Strategie

Neutral betrachtet, ist es sogar ein Kompliment, dass der Kunde in die Praxis kommt, „seine“ Experten anspricht und um Meinung und Ergänzung bittet. Das ist immerhin wesentlich besser für die Kundenbindung, als wenn der Kunde gar nicht kommt und sich die von Doc Google „verordneten“ Medikamente besorgt, was heute auch keine große Hürde mehr darstellt. Solange der Kunde noch zu uns kommt und unsere Meinung einfordert, existiert noch eine Bindung, die genutzt werden kann und muss. Zusammen mit der richtigen Einstellung heißt es nun: Zügel in die Hand und mit der passenden Strategie die Führung vom Start weg übernehmen ([Abb. 1]).

Netz nutzen

Weil wir wissen, wie wichtig die Informationen aus dem Netz heute sind, und dass es völlig normal ist, mehrfach am Tag Suchmaschinen zu „beauftragen“, können wir uns das natürlich auch positiv zu Nutze machen, indem wir unsere Kunden mit guten Infos versorgen! Dazu bietet sich an, für die Kunden einen kleinen „Netzratgeber“ zu verfassen, in dem zunächst auf die eigene (attraktiv gestaltete!) Homepage mit Downloads zu vielen interessanten Themen verwiesen wird. Zusätzlich sollten für verschiedene Themenbereiche gute Webadressen aufgelistet werden, die vorab vom Team „geprüft“ wurden.


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Dialog stärken

Um dem Kunden ein gutes „Komplettpaket“ zu bieten während er in der Praxis ist, ist darauf zu achten, dass in seiner Beratung auch Broschüren, Zeichnungen und Materialien verwendet und für zuhause mitgegeben werden, die das Gesagte verankern und Kernaussagen in das Wohnzimmer des Kunden transportieren. Das fördert Kundenbindung, Wissenstransfer und hilft, die Bedeutung der Informationen aus der Praxis hoch zu stufen. Zudem ist ein gut versorgter Kunde weniger anfällig für „Doc Google“!


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Korrespondenzadresse

Antje Blättner
Tierärztin & Kommunikationstrainerin

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Abb. 1 Zutaten für den konfliktfreien Umgang mit Kunden mit einer Netzdiagnose.(© A. Blättner)