Zusammenfassung
Theoretischer Hintergrund Die voraussichtlich 2018 erscheinende elfte Version des ICD führt nach der online einsehbaren Betaversion zu veränderten Kriterien hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Solche Veränderungen wirken sich voraussichtlich auf bisher bekannte Merkmale der PTBS aus, darunter auch die Prävalenzrate. Die vorliegende Studie überprüfte die Häufigkeit der ICD-11 PTBS bei inhaftierten Männern, wozu bislang kein Wissen vorliegt. Dabei handelt es sich um eine Hochrisikogruppe für Traumafolgestörungen, denn gegenüber der Allgemeinbevölkerung sind diese besonders häufig von traumatischen Ereignissen betroffen.
Methode Bei n = 49 in der Schweiz inhaftierten Männern erfolgte querschnittlich und anhand von standardisierten Selbstbeurteilungsverfahren (ACE, Cidi-Liste, IES-R) die Erfassung von traumatischen Ereignissen und möglicher Traumafolgesymptomatik. Auf Basis der diagnostischen Heuristik von Hyland et al. (2017), anhand welcher die ICD-11 PTBS mittels der IES-R eingeschätzt wird, erfolgte die Berechnung der Häufigkeit eben dieser.
Ergebnisse Insgesamt waren 88 % der untersuchten inhaftierten Männer in der Kindheit und/oder über die Lebensspanne traumatisiert worden. 78 % berichteten mindestens ein Ereignis auf der ACE, durchschnittlich 1.5, 25 % schilderten vier oder mehr Ereignisse. Mit 51 % wurde emotionaler Missbrauch am häufigsten berichtet. Weiter gaben 71 % mindestens ein Ereignis auf der Cidi-Liste an, durchschnittlich 1.8, am häufigsten mit 45 % ernsthafte körperliche Bedrohung. Die Analyse zur ICD-11 PTBS wurde nach Ausschluss derjenigen ohne traumatischem Ereignis und derjenigen, die das IES-R nicht ausgefüllt hatten, mit n = 34 Inhaftierten durchgeführt und die PTBS wurde bei 26.5 % eingeschätzt.
Schlussfolgerung Die Studie zeigt, dass inhaftierte Männer wahrscheinlich auch nach dem neuen ICD eine Hochrisikogruppe für die Entwicklung einer PTBS sind. In Anbetracht der ausgeprägten Häufigkeit an traumatischen Ereignissen und den zahlreichen damit einhergehenden negativen Konsequenzen sowohl für die psychische als auch für die körperliche Gesundheit sind spezifische psychotherapeutische Programme und ein Trauma informierter Strafvollzug notwendig.
Abstract
Theoretical background The eleventh version of the ICD, expected to be published in 2018, leads to changed criteria for post-traumatic stress disorder (PTSD) according to the online beta version. Such changes are likely to affect previously known features of PTSD, including the prevalence rate. Little is known about the prevalence of ICD-11 PTSD in imprisoned men. The present study examined this issue in this high-risk group for trauma disorders, as male prisoners are known to be more often affected by traumatic events compared to the general population.
Method In n = 49 men imprisoned in Switzerland, cross-sectional and standardized self-assessment procedures (ACE, Cidi list, IES-R) were used to record traumatic events and possible trauma symptoms. The frequency of ICD-11 PTSD was calculated using the diagnostic heuristic of Hyland et al. (2017), on the basis of which ICD-11 PTSD is estimated by means of the IES-R.
Results Overall, 88 % of the detained men examined had been traumatized during childhood and / or life span; 78 % reported at least one event on the ACE, on average 1.5, with 25 % reporting four or more events. Emotional abuse was reported most frequently (51 %). Furthermore, 71 % reported at least one event on the Cidi list, on average 1.8, with 45 % reporting serious physical threat. The analysis of ICD-11 PTSD was carried out with n = 34 inmates after exclusion of those without a traumatic event and those who did not complete the IES-R, and ICD-11 PTSD was estimated at 26.5 %.
Conclusion The study shows that imprisoned men are likely to be a high risk group for the development of PTSD even according to the new ICD. Considering the high prevalence of traumatic events and the numerous negative consequences for mental as well as physical health, specific psychotherapeutic programs and a trauma-informed imprisonment are necessary.
Schlüsselwörter
ICD-11 PTBS - Inhaftierte Männer - Traumatische Ereignisse - Strafvollzug
Key words
ICD-11 PTSD - Male prisoners - Traumatic Events - Penitentiary