Suchttherapie 2018; 19(03): 117
DOI: 10.1055/s-0044-101159
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Integration heißt Erneuerung – Beiträge zu Migration und Sucht

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Publication Date:
02 August 2018 (online)

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Dr. rer. nat. Dietmar Czycholl, Dipl. Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und langjähriger Leiter der Fachklinik Hohenrodt (Loßburg im Schwarzwald) für medizinische Rehabilitation Abhängigkeitskranker verfügt über mehr als 30 Jahre therapeutischer, praktischer und konzeptioneller Erfahrungen im Aufbau, in der praktischen Umsetzung und der Weiterentwicklung spezifischer Behandlungsangebote für abhängigkeitskranke Menschen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen.

In der Publikation „Integration heißt Erneuerung“ sind in 16 Beiträgen seine seit 1984 konkret erworbenen und in Fachpublikationen festgehaltenen umfangreichen Erfahrungen in der therapeutischen Arbeit mit suchtkranken Patienten mit eigenem Migrationshintergrund zusammengefasst. Die Beiträge zeichnen sich durchgängig durch eine differenzierte Herangehensweise an das Thema Migration und Suchttherapie, im engeren Sinne medizinische Rehabilitation Suchtkranker, Selbsthilfe und Herausforderung an professionell in der Suchthilfe Tätige aus.

Ausgehend von fundierter Kenntnis der großen Migrationswellen, die die BRD seit ihrer Gründung zu bewältigen hatte (Vertriebene nach dem 2. Weltkrieg, Gastarbeiter seit Beginn der 60er Jahre, zunehmende Aussiedlerzahlen Ende der 80er Jahre) und deren weiterer Veränderung seit der Wiedervereinigung Deutschlands (Jugoslawienkrieg, Syrienkrieg 2014) beschreibt und reflektiert er eigene konkrete Erfahrungen, insbesondere die konzeptionelle Entwicklung suchttherapeutischer Behandlungsangebote unter Einbeziehung muttersprachlicher Kommunikation und deren praktische Umsetzung. Dabei werden die über sprachliche Differenzen weit hinausreichenden therapeutischen Herausforderungen hinsichtlich der kulturellen Unterschiede an konkreten Beispielen erläutert (z. B. zwischen dem jugoslawisch geprägten und hiesigen Kulturraum) und mit den suchttherapeutischen und gesellschaftspolitischen Anforderungen der Bundesrepublik in Beziehung gesetzt. In einem der letzten Beiträge erläutert er differenziert die notwendigen Rahmenbedingungen und konkreten praktischen Schritte, um therapeutische Teams auf diese Herausforderung professionell vorzubereiten. Dabei reflektiert er die erforderlichen Arbeitsschritte zur interkulturellen Öffnung, erläutert Erfahrungen und Ergebnisse von Modellprojekten bezüglich spezifischer Zielgruppen wie jugendlichen Aussiedlern und auch hinsichtlich der Einbeziehung von Selbsthilfegruppen. Ein Interview in der „Suchttherapie“ zur Einschätzung der aktuellen Flüchtlingswelle und den damit verbundenen Herausforderungen für die Suchthilfe bildet den Abschluss.

Die flüssig geschriebenen Beiträge zeichnen sich aus durch fundierte Kenntnis suchttherapeutischer Konzeptionen und Praxis, konzeptioneller Entwicklung, praktischer Umsetzung und Leitung suchttherapeutischer Teams sowie der praktischen Arbeit mit abhängigkeitskranken Migranten in den letzten Jahrzehnten. Das Buch ist für alle, die sich konkret mit der praktischen Versorgung zugewanderter Migranten mit Suchtproblemen befassen, zu empfehlen sowohl hinsichtlich differenzierter Reflexion politischer und historischer Zusammenhänge als auch konkreter therapeutisch praktischer Erfahrungen und nützlicher Anregungen zur Weiterentwicklung der eigenen Arbeit.

T. Kuhlmann, Bergisch Gladbach