Aktuelle Dermatologie 2018; 44(07): 316-324
DOI: 10.1055/s-0044-100276
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Retrospektive monozentrische 8-Jahres-Analyse von Nagelbiopsien zur Korrelation klinischer und histologischer Daten[*]

Retrospective 8-Years-Analysis of Nail Biopsies for Clinico-Pathologic Correlation
A. Schirra
1   Universitätskliniken des Saarlandes, Klinik für Dermatologie, Homburg/Saarland, Germany
,
S. Wagenpfeil
2   Universitätskliniken des Saarlandes, Institut für medizinische Biometrie, Epidemiologie und medizinische Informatik, Homburg/Saarland, Germany
,
T. Vogt
1   Universitätskliniken des Saarlandes, Klinik für Dermatologie, Homburg/Saarland, Germany
,
C. S. L. Müller
1   Universitätskliniken des Saarlandes, Klinik für Dermatologie, Homburg/Saarland, Germany
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Cornelia S. L. Müller
Klinik für Dermatologie, Universitätskliniken des Saarlandes, Kirrberger Straße 1
66421 Homburg/Saar

Publication History

Publication Date:
26 April 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund Die Diagnostik von Nagelerkrankungen ist herausfordernd. Kenntnisse der Nagelanatomie sowie der operativen Techniken sind erforderlich. Es existieren kaum Daten zur klinisch-pathologischen Korrelation von Nagelerkrankungen.

Fragestellung Beschreibung der Patientenpopulation, welche sich über einen Zeitraum von Januar 2006 bis März 2014 aufgrund einer Nagelerkrankung einem diagnostischen operativen Nageleingriff unterziehen musste. Korrelation mit klinischen sowie epidemiologischen Daten und Vergleich der klinischen Verdachtsdiagnose mit der histologischen Diagnose.

Methode und Ergebnisse In dieser retrospektiven Untersuchung wurden 639 Fälle von Nagelproben analysiert. Unter den 639 ausgewerteten Fällen waren 299 Frauen (46,8 %) und 340 Männer (53,2 %). Die meisten Nagelerkrankungen traten in den Frühlings- und Sommermonaten auf. Klinisch wurden vor der Biopsie in der Mehrzahl Nagelinfektionen, maligne Tumore und entzündliche Dermatosen vermutet.

Diskussion Bei jedem 2. Fall stimmt die klinische mit der histologischen Diagnose nicht überein. Hier spielen die große klinischen Variabilität an Diagnosen bei recht eingeschränktem Spektrum an Symptomen, Zurückhaltung bzw. fehlende Routine bei diagnostischen dermatochirurgischen Eingriffen am Nagelorgan mit eventueller Angst vor postoperativen Komplikationen sowie uneinheitlicher histologischer Prozessierung der Gewebe eine Rolle. Daher ist sowohl eine Standardisierung der histologischen Diagnostik notwendig als auch eine kontinuierliche Verbesserung der klinischen und dermatochirurgischen Ausbildung mit konsekutiver Verbesserung der Behandlungsqualität von Patienten mit Nagelerkrankungen.


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Abstract

Background Diagnostic of nail diseases is still challenging for clinicians as well as dermatopathologists. Anatomic skills and knowledge of surgical techniques are mandatory. To date, only little data exist concerning clinicopathologic correlation of nail diseases. Aim of this study was to describe population of patients that were diagnostically and/or therapeutically biopsied on the nail region. Correlation of clinical and epidemiological data and comparison of clinical diagnosis prior to biopsy with histologic diagnoses were performed.

Methods This is a monocentric retrospective study including 639 cases of nail biopsies obtained between January 2006 and March 2014. Population consisted of 299 female (46,8 %) and 340 male patients (53,2 %). Major part of nail diseases occurred within spring and summer. Clinically nail infections, malignant tumors of the nail unit and inflammatory diseases of the nails were the most commonly seen diseases.

Discussion For every second case clinical diagnosis did not match to final histologic diagnosis. Causative is high clinical variability of features compared to a limited spectrum of specific symptoms. Additionally, missing experience and routine with dermatosurgical aspects of the nail unit and fear of associated post-surgical complications may play a role. Thus, standardization of histologic procedure and diagnostic as well as continuous improvement in clinical and dermatosurgical education is mandatory to enhance treatment of patients with diseases of the nail unit.


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Einleitung

Erkrankungen des Nagelorgans sind neben Erkrankungen der Kopfhaut ein ästhetisch stark beeinträchtigendes Leiden. Gepflegte und auch manikürte Fingernägel sind bei Frauen wie auch bei Männern, ob in Dienstleistungsberufen tätig oder nicht, zwischenzeitlich nicht mehr wegzudenken. Normvarianten, Veränderungen und Nagelerkrankungen sind ein häufiges Problem, welche sowohl zu dermatologischen als auch hausärztlichen Konsultationen führen [1]. Daneben gibt es zahllose ältere und körperlich eingeschränkte Patienten, welche zur Pflege der Nägel auf die Hilfe Dritter angewiesen sind. Immer wieder kommt es vor, dass infektiöse Nagelerkrankungen auch nach Maniküre oder Pediküre im entsprechenden Salon oder durch professionelle medizinische Fußpflege erworben werden [2]. Die korrekte klinische Diagnostik von Nagelerkrankungen ist schwierig. Nagelerkrankungen besitzen im klinischen Alltag und in der medizinischen Ausbildung eine vergleichsweise geringe Wertigkeit, sodass viele Hausärzte aber auch Dermatologen entsprechende Erkrankungen nicht routiniert befunden und behandeln. Zudem ist die klinische Präsentation diverser Nagelerkrankungen hinsichtlich ihrer Ätiopathogenese leider recht monomorph: Hinter einem Symptom können sich diverse neoplastische, infektiöse oder auch inflammatorische Erkrankungen verbergen [3]. Zusätzlich bestehen oft mehr als eine Nagelerkrankung, welche sich durch ähnliche Symptome äußern können: Bspw. werden subunguale Hyperkeratosen sowohl bei der Viruswarze als auch beim Plattenepithelkarzinom beobachtet; beide Erkrankungen können jedoch auch gleichzeitig vorliegen. Subunguale Hämorrhagien treten posttraumatisch auf, werden jedoch auch beim subungualen malignen Melanom beobachtet [3]. Die histologische Diagnostik stellt daher für die meisten Nagelerkrankungen den Goldstandard dar und kann ätiologische, diagnostische und prognostische Informationen geben [4]. Jedoch wird die Biopsie aus Angst vor postoperativen Nageldystrophien und auch vor dem Hintergrund fehlender operativer Expertise spät oder oft auch gar nicht durchgeführt [3]. Auf der anderen Seite werden immer wieder uniform traumatisierende und übertherapierende Eingriffe (v. a. Nagelextraktionen und laterales Einschneiden der Nägel beim Unguis incarnatus) durchgeführt. Dies geschieht oft in Unkenntnis alternativer Therapieverfahren bzw. mangelnder operativer Routine [5]. Die klinisch-pathologische Korrelation ist daher bei Nagelerkrankungen besonders wichtig. Während vergleichsweise viele Publikationen zu spezifischen histopathologischen Befunden bei definierten Erkrankungen vorliegen (bspw. Nagelpsoriasis, Onychomykose, Neoplasien des Nagelapparates), existiert nur wenig Information zur Relevanz der Nagelbiopsie in der Dermatologie und gibt es gar keine Daten, die die klinisch-pathologische Korrelation und Übereinstimmung von klinischer und histologischer Diagnose [4] [6] [7] [8] thematisieren. Hauptziel der vorliegenden Studie war es zu ermitteln, in welchem Maße die klinischen Verdachtsdiagnosen mit den histologischen Befunden übereinstimmten und ob Faktoren wie Alter, Geschlecht und Lokalisation der Nagelerkrankung sowie saisonale Schwankungen die korrekte klinische Diagnose beeinflussten.


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Material und Methoden

Im Zeitraum zwischen Januar 2006 und März 2014 (99 Monate) wurden alle Fälle analysiert, bei denen aufgrund einer Nagelveränderung/-erkrankung eine klinische und histologische Untersuchung von Nagelmaterial durchgeführt wurde. Aus den ambulanten und stationären Behandlungsakten sowie ggf. Operationsberichten wurden folgende klinische Parameter erfasst: Alter bei Biopsie, Geschlecht, klinischer Befund, betroffene Lokalisation, infektiologische Diagnostik, Biopsietechnik und dermatopathologischer Befund. Patienten, welche mehrfach am Nagelapparat biopsiert wurden, sich in Datum der Biopsie, Art der Erkrankung und betroffenem Nagel unterschieden, wurden separat betrachtet und jeweils als eigener Fall bewertet. Daher wird im Folgenden nicht von „Patienten“, sondern von „Fällen“ gesprochen. Jeder Fall entspricht einer Biopsie. Patienten, welche einen histopathologischen Befund mitbrachten, der nicht an der Klinik für Dermatologie in Homburg erstellt worden war, bzw. welche eine Nachresektion eines bereits vordiagnostizierten Nagelbefundes erhielten, wurden aus der vorliegenden Studie ausgeschlossen. Weitere Parameter, welche erfasst wurden, umfassten: das Herkunftsland und Bundesland des Patienten sowie die Art der Behandlung (ambulant vs. teilstationär vs. stationär). Eine stationäre Aufnahme lag vor, wenn der Patient länger als 24 Stunden in der Klinik verblieb, eine teilstationäre bei einer Verweildauer von weniger als 24 Stunden. Das sog. „Nail clipping“ wurde in die Auswertung mit eingeschlossen. Hierbei handelt es sich sui generis nicht um eine Nagelbiopsie, vielmehr wird der distale freie Nagelplattenanteil gewonnen und einer histologischen Untersuchung zugeführt. Da diese Methode aber umfänglich Anwendung in der alltäglichen dermatologischen Routine findet, haben wir auch diese Probenart mit in die Analyse aufgenommen. Die histologische Befundung hat im überwiegenden Teil der Fälle durch die Seniorautorin (C. M.) stattgefunden, Präparate, die initial von anderen Dermatopathologen befundet wurden, wurden im Rahmen dieser Studie durch die Seniorautorin (C. M.) nachmikroskopiert. Nagelhistologische Referenzhistologien wurden im untersuchten Zeitraum nicht ersucht.

Ethische Aspekte

Die Auswertung aller Daten erfolgte pseudoanonymisiert, durch Zuteilung einer Fallnummer zu den einzelnen Biopsien eines jeden Patienten. Es handelte sich um eine monozentrische, retrospektive, pseudoanonymisierte Datenanalyse. Eine Zustimmung der Ethik-Kommission zu diesem Forschungsvorhaben war daher nicht erforderlich. Die Richtlinien der Deklaration von Helsinki wurden eingehalten.


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Statistische Auswertung

Die Datenerfassung erfolgte mit Microsoft Excel® 2016. Die so erhobenen Daten wurden in das Statistikprogramm SPSS® 20.0 (SPSS Inc., Chicago, USA) transferiert und analysiert.


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Deskriptive Statistik

Die Prüfung auf Normalverteilung erfolgte mit dem Kolmogorov-Smirnov und dem Shapiro-Wilk-Test. Zur grafischen Darstellung quantitativer Variablen wurden Histogramme und Box-Plots erstellt. Für qualitative Variablen werden die absolute und relative Häufigkeit angegeben.


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Vergleichende Statistik

Zum Vergleich quantitativer Variablen zwischen den beiden Gruppen wurde der Mann-Whitney-U-Test angewendet.

Abhängigkeiten in Kontingenztafeln wurden mit dem Chiquadrat-Test bzw. dem Fisher-Exact-Test geprüft. Alle Tests wurden zweiseitig durchgeführt. Das Signifikanzniveau betrug 5 %.


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 639 Fälle im Rahmen dieser retrospektiven Studie eingeschlossen und analysiert. Bei allen eingeschlossenen Fällen handelt es sich um Patienten, bei welchen eine oder mehrere Nagelbiopsien stattgefunden haben. Die Ein- und Ausschlusskriterien dieser Studie sind in [Tab. 1] dargestellt.

Tab. 1

Ein- und Ausschlusskriterien der Studie.

Einschlusskriterien

Ausschlusskriterien

Nagelorganbiopsie zwischen Januar 2006 und März 2014 (alle anatomischen Bezirke des Nagelorgans wurden einbezogen)

Patienten, die Befunde aus auswärtigen Kliniken mitbrachten

fehlende klinische Daten

Unter den n = 639 untersuchten Fällen waren n = 299 (46,8 %) weibliche und n = 340 (53,2 %) männliche Personen. Der jüngste untersuchte Patient war 3 Monate, der älteste 86 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Probenentnahme betrug das Durchschnittsalter der Patienten 50,86 Jahre (Median = 53), wobei die Hälfte der Erkrankungen im Alter zwischen 39 und 66 auftraten ([Abb. 1]). Der Altersunterschied zwischen den beiden Geschlechtern war signifikant (p = 0,018). Frauen waren bei Diagnosestellung im Durchschnitt 3,42 Jahre jünger ([Abb. 2]). Bei n = 516 (80,8 %) erfolgte eine ambulante Biopsie am Nagelapparat, während n = 121 (18,9 %) stationär und n = 2 (0,3 %) teilstationär aufgenommen wurden. Betrachtete man das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Probenentnahme, zeigte sich, dass stationäre Patienten deutlich älter als Ambulante und Teilstationäre waren. Das mittlere Alter bei stationärer Aufnahme der Patienten betrug 58,45 Jahre, bei ambulanter Versorgung der Patienten 49,15 Jahre und bei der teilstationären 34 Jahre ([Abb. 3]). Die Mehrzahl der Nagelbiopsien wurde in den Frühlings- (März n = 71 Fälle [11,2 %], April n = 46 Fälle [7,3 %], Mai n = 56 Fälle [8,8 %]) und Sommermonaten (Juni n = 56 Fälle [8,8 %], Juli n = 69 Fälle [10,9 %], August n = 61 Fälle [9,6 %]) entnommen ([Abb. 4]). Diese saisonalen Unterschiede erwiesen sich als statistisch signifikant (p = 0,008). Die jahreszeitliche Verteilung der Nagelerkrankungshäufigkeit zeigte keine signifikanten Unterschiede (p = 0,231; exakter Fisher-Test) in Abhängigkeit vom Geschlecht. Während beide Geschlechter ein Erkrankungsmaximum im Sommer (Männer: n = 98 Fälle [15,3 %]; Frauen: n = 89 Fälle [13,9 %]) aufwiesen, wurden die wenigsten Erkrankungen bei Männern (n = 67 Fälle [10,4 %]) im Herbst beobachtet und bei den Frauen (n = 56 Fälle [8,7 %]) im Winter. Auch bei der Lokalisation: Hand, Fuß (p = 0,460; exakter Fisher-Test) und dem Alter (p = 0,983; Kruskal-Wallis-Test) konnten keine signifikanten Differenzen bez. des saisonalen Musters nachgewiesen werden. Hinsichtlich der operativen Methodik der Probengewinnung erwies sich das „Nail clipping“ mit n = 418 Fällen (65,%) als am häufigsten, gefolgt von der Stanzbiopsie mit n = 99 (15,%), der Nagelextraktion mit n = 65 (10,2 %), der modifizierten Emmert-Plastik mit n = 27 (4,2 %) und der Nagelorganexzision mit n = 20 Fällen (3,1 %). Am seltensten in nur n = 1 Fall (0,2 %) wurde die longitudinale laterale Biopsie durchgeführt ([Abb. 5]).

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Abb. 1 Darstellung der Altersverteilung des untersuchten Patientenkollektivs.
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Abb. 2 Geschlechterverteilung des untersuchten Patientenkollektivs.
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Abb. 3 Durchschnittsalter der Patienten bezogen auf die Art der Versorgung im Krankenhaus.
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Abb. 4 Saisonale Abhängigkeit der Diagnostik von Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv.
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Abb. 5 Methodik des operativen Eingriffs bzw. der Gewinnung von Gewebeproben.

Die klinischerseits geäußerte(n) Verdachtsdiagnose(n) konnten entweder durch die Gewebeprobe dermatopathologisch bestätigt oder durch eine abweichende Diagnose widerlegt werden. In [Tab. 2] sind die Häufigkeiten der klinischen Verdachtsdiagnosen und der histologisch diagnostizierten Nagelerkrankungen sowie ihre Abhängigkeiten von Alter, Geschlecht und Lokalisation aufgeführt. In 4,4 % der Fälle konnte am Gewebe keine pathologische Veränderung nachgewiesen werden, wobei klinisch jedoch von einer Nagelerkrankung ausgegangen wurde.

Tab. 2

Übersicht über die Verteilung der häufigsten histologischen Diagnosen in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter, Lokalisation sowie deren Übereinstimmung mit der klinischen Verdachtsdiagnose (Abkürzungen: m = männlich, w = weiblich).

Histologische Diagnose

Häufigkeit

Geschlecht

Alter (Jahre)

Lokalisation

Übereinstimmung

Onychodystrophie

317 (39,1 %)

w: 156 (49,2 %)

m: 161 (50,8 %)

p = 0,235

< 30: 58 (18,3 %)

30 – 60: 162 (51,1 %)

> 60: 97 (30,6 %)

p = 0,235

H: 77 (26,6 %)

F: 212 (73,4 %)

p = 0,363

Ja: 27 (84,4 %)

Nein: 5 (15,6 %)

p < 0,001[*]

mykotische Infektionen

179 (22,3 %)

w: 64 (35,8 %)

m: 115 (56,1 %)

p < 0,001[*]

< 30: 16 (8,9 %)

30 – 60: 91 (50,8 %)

> 60: 72 (40,2 %)

p < 0,001[*]

H: 31 (18,9 %)

F: 133 (81,1 %)

p = 0,001[*]

Ja: 200 (42,3 %)

Nein: 273 (57,7 %)

P = 0,02[*]

bakterielle Infektionen

107 (13,3 %)

w: 47 (43,9 %)

m: 60 (56,1 %)

p = 0,526

< 30: 19 (17,8 %)

30 – 60: 69 (64,5 %) > 60: 19 (17,8 %)

p < 0,001[*]

H: 29 (31,2 %)

F: 64 (68,8 %)

p = 0,531

Ja: 8 (66,7 %)

Nein: 4 (33,3 %)

p = 0,153

Hämatom

50 (6,2 %)

w: 29 (58 %)

m: 21 (42 %)

p = 0,105

< 30: 5 (10 %)

30 – 60:25 (50 %)

> 60: 20 (40 %)

p = 0,304

H: 11 (22 %)

F: 39 (78 %)

p = 0,329

Ja: 17 (68 %)

Nein: 8 (32 %)

p = 0,023[*]

Unguis incarnatus

24 (3,0 %)

w: 7 (29,2 %)

m: 17 (70,8 %)

p = 0,095

< 30: 16 (66,7 %)

30 – 60: 6 (25 %)

> 60: 2 (8,3 %)

p < 0,001[*]

H: 0 (0 %)

F: 24 (100 %)

p < 0,001[*]

Ja: 24 (96 %)

Nein: 1 (4 %)

p < 0,001[*]

Psoriasis vulgaris

15 (1,9 %)

w: 5 (33,3 %)

m: 10 (66,7 %)

p = 0,433

< 30: 6 (40 %)

30 – 60: 5 (33,3 %)

> 60: 4 (26,7 %)

p = 0,087

H: 7 (50 %)

F: 7 (50 %)

p = 0,078

Ja: 16 (42,1 %)

Nein: 22 (57,9 %)

p = 0,738

malignes Melanom

13 (1,6 %)

w: 6 (46,2 %)

m: 7 (53,8 %)

p = 1,000

< 30: 1 (60,2 %)

30 – 60: 4 (30,8 %)

> 60: 8 (61,5 %)

p = 0,125

H: 8 (61,5 %)

F: 5 (38,5 %)

p = 0,012[*]

Ja: 27 (37,5 %)

Nein: 45 (62,5 %)

p = 0,168

virale Infektionen

8 (1,0 %)

w: 2 (25 %)

m: 6 (75 %)

p = 0,294

< 30: 2 (25 %)

30 – 60: 2 (25 %)

> 60: 4 (50 %)

p = 0,283

H: 3 (37,5 %)

F: 5 (62,5 %)

p = 0,694

Ja: 4 (40 %)

Nein: 6 (60 %)

p = 1,000

Nävus

8 (1,0 %)

w: 7 (87,5 %)

m: 1 (12,5 %)

p = 0,029[*]

< 30: 5 (62,5 %)

30 – 60: 0 (0 %)

> 60: 3 (37,5 %)

p = 0,001[*]

H: 7 (87,5 %)

F: 1 (12,5 %)

p = 0,001[*]

Ja: 5 (25 %)

Nein: 15 (75 %)

p = 0,071

* signifikant


Betrachtet man ausschließlich die histologischen Diagnosen, so kommen folgende Häufigkeiten zustande: Mit 39,5 % wurden Onychodystrophien (n = 317) am häufigsten histologisch diagnostiziert, in 22,3 % Onychomykosen (n = 179). Maligne (n = 21; 2,5 %) und benigne (n = 21; 2,5 %) Tumore bildeten zusammen die dritthäufigste Nagelerkrankungsgruppe, und entzündliche Dermatosen (n = 29; 3,6 %) wurden am vierthäufigsten histologisch diagnostiziert. Die führende klinische Verdachtsdiagnose ist die Onychomykose (62 %). Insgesamt wurden Infektionen mit n = 495 Fällen (64,8 %) am häufigsten klinisch diagnostiziert, wohingegen bei den histologischen Diagnosen die Onychodystrophie die häufigste Diagnose ist (39,4 %), ohne dabei deren Ursache zu kennen oder zu nennen. Betrachtet man die Tumoren des Nagelorgans, so wurde in 10,6 % der Fälle klinisch der V. a. ein Malignom gestellt, hingegen nur bei 5,7 % der Fälle ein benigner Tumor vermutet. Nach histologischer Diagnostik treten maligne und benigne Tumoren gleich häufig auf (n = 21 Fälle [2,5 %]). Das Melanom wurde mit n = 72 Fällen (9,4 %) klinisch weitaus häufiger vermutet, als es tatsächlich histologisch in n = 13 Fällen (1,6 %) bestätigt werden konnte. Als Besonderheit unter den benignen Tumoren wurde der Glomustumor kein einziges Mal histologisch nachgewiesen, obwohl er klinisch mit n = 7 Fällen (0,9 %) die häufigste klinische Verdachtsdiagnose unter den benignen Tumoren war.

Das subunguale Hämatom wurde klinischerseits in 3,3 % der Fälle vermutet, konnte jedoch nach der Histologie in 6,2 % der Fälle diagnostiziert werden.

Die Nagelpsoriasis führte sowohl als klinische Verdachts- als auch als histologische Diagnose die Gruppe der entzündlichen Dermatosen an. Klinisch wurde sie in n = 38 Fällen (5,0 %) weit häufiger diagnostiziert als histologisch (1,9 %) ([Abb. 6]). Die klinischen Verdachtsdiagnosen Röhrennagel, Zangennagel, Onychogrypose, Fibrokeratom, Fibrom und subunugale Exostose stimmten in allen Fällen mit der histologischen Diagnose überein. Bei den Erkrankungen Onychodystrophie p ≦ 0,001*, Nagelwachstumsstörung (p < 0,001*), hier insbesondere dem Unguis incarnatus (p ≦ 0,001*) und Pigmentstörungen (p = 0,021*) und auch dem subungualen Hämatom (p = 0,023*), stimmen die klinischen Verdachtsdiagnosen signifikant häufiger mit den histologischen Diagnosen überein. Zusammenfassend stimmten in 54,1 % der Fälle die klinische Verdachtsdiagnose und die abschließende histologische Diagnose überein ([Abb. 7]). Zu den öfter klinisch fehlinterpretierten Nagelerkrankungen gehörten die entzündlichen Dermatosen wie auch die benignen und malignen Tumoren. Generell traten die meisten Nagelerkrankungen bevorzugt bei Männern auf. Hierzu gehörten die bakteriellen (56,1 %) und viralen (75 %) Infektionen, Nagelwachstumsstörungen (59,3 %) insbesondere der Unguis incarnatus (n = 17; 70,8 %), entzündliche Dermatosen (58,6 %) sowie Paronychie (85,7 %), subunguale Exostose (75 %) und maligne Tumore (61,9 %), hierbei speziell das Plattenepithelkarzinom (83,3 %). Bei männlichen Patienten zeigte sich eine signifikant häufigere Übereinstimmung von klinischer und histologischer Diagnose (52,1 % ♂ vs. 37,7 % ♀; p ≦ 0,001). Im Gesamtkollektiv traten Nagelerkrankungen gehäuft bei den 30- bis 60-Jährigen auf. Bei der Gegenüberstellung der einzelnen Erkrankungsgruppen stellten sich sowohl bei den Nagelinfektionen (p < 0,001*) als auch bei den Nagelwachstumsstörungen (p < 0,001*), den entzündlichen Dermatosen (p = 0,025*) und den benignen Tumoren (p = 0,003) signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen heraus. So traten Nagelinfektionen mit n = 162 Fällen (52,3 %) deutlich häufiger bei den 30- bis 60-Jährigen auf im Vergleich zu den unter 30-Jährigen mit n = 37 Fällen (32,8 %) oder zu den über 60-Jährigen mit n = 95 Fällen (44 %). In der Altersgruppe der unter 30-Jährigen fanden sich stattdessen vermehrt Nagelwachstumsstörungen im Vergleich zu den anderen Altersgruppen. Entzündliche Dermatosen wurden vergleichsweise oft bei den unter 30-Jährigen und den 30- bis 60-Jährigen diagnostiziert. Signifikante Altersunterschiede der Patienten bei der Diagnose zeigten sich zudem bei mykotischen (p < 0,001*) und bakteriellen (p = 0,001*) Infektionen, der Paronychie (p = 0,015*), dem Unguis incarnatus (p = 10–3*) und dem subungualen Nävus (p = 0,001*): Die Wahrscheinlichkeit an einer mykotischen oder bakteriellen Infektion zu erkranken, war am höchsten in der Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen; so fanden sich in dieser Altersgruppe n = 91 Fälle (29,4 %) mit mykotischen Infektionen und n = 69 Fälle (22,3 %) mit bakteriellen Infektionen. Demgegenüber wurde die Paronychie mit n = 4 Fällen (3,5 %), der Unguis incarnatus mit n = 16 Fällen (14,2 %) und der Nävus mit n = 5 Fällen (4,4 %) v. a. bei den unter 30-Jährigen beobachtet. Bei den über 60-Jährigen fanden sich verglichen mit den übrigen Altersgruppen häufiger maligne Tumore. Die Anzahl maligner Tumore nahm mit steigendem Alter stetig zu. So fand sich bspw. bei den malignen Tumoren das maligne Melanom am häufigsten mit n = 8 Fällen (3,7 %) in der Altersgruppe der über 60-Jährigen, und der Morbus Bowen wurde sogar ausschließlich bei den über 60-Jährigen mit n = 2 Fällen (0,9 %) beobachtet. Am häufigsten mit n = 424 (66,4 %) fanden sich Nagelveränderungen im Bereich der Füße, nur n = 168 der betrachteten Fälle (26,3 %) wiesen Veränderungen an den Fingernägeln auf. Bei n = 47 (7,4 %) wurden keine Angaben zur Lokalisation Hand oder Fuß dokumentiert ([Abb. 8]). Bzgl. der Lateralität der Nagelerkrankungen konnte kein Unterschied festgestellt werden ( [Abb. 9]). Am häufigsten mit n = 313 Fällen (49 %) war der Daumen bzw. die Großzehe betroffen. Die restlichen Finger bzw. Zehen wiesen in etwa die gleiche Häufigkeit auf ([Abb. 10]). Die Verteilung der Biopsien hinsichtlich der einzelnen Finger und Zehen zeigt [Abb. 11]. Weder das Geschlecht noch das Alter der Patienten hatte einen Einfluss auf die Lokalisation (Befall von Finger- und/oder Fußnägeln) der Nagelerkrankung. Jedoch treten die einzelnen Erkrankungen bezogen auf die Lokalisation Hand versus Fuß unterschiedlich häufig auf.

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Abb. 6 Vergleich von klinischer Verdachtsdiagnose und histologischer Diagnose bezogen auf die häufigsten Erkrankungsgruppen im untersuchten Patientenkollektiv.
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Abb. 7 Darstellung der Übereinstimmung von klinischer Verdachtsdiagnose und histologischer Diagnose.
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Abb. 8 Darstellung der Verteilung der Nagelerkrankungen zwischen Händen und Füßen.
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Abb. 9 Lateralität der Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv.
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Abb. 10 Darstellung der Häufigkeiten von Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv bezogen auf die einzelnen Finger beider Hände.
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Abb. 11 Darstellung der Häufigkeiten von Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv bezogen auf die einzelnen Zehen beider Füße.

Nagelinfektionen (p = 0,028*), speziell Onychomykosen (p = 0,001*) und Nagelwachstumsstörungen (p = 0,002*), insbesondere der Unguis incarnatus (p < 0,001*), treten signifikant häufiger an den Zehen- als an den Fingernägeln auf. Im Vergleich dazu wurden benigne Tumore (p = 0,005*), insbesondere der Nävus (p = 0,001*) als auch maligne Tumore (p = 0,001*), wie etwa das maligne Melanom (p = 0,012*), signifikant öfter an den Fingernägeln lokalisiert. Es lag trotzdem sowohl an den Händen als auch den Füßen in mehr als der Hälfte der Fälle keine Übereinstimmung zwischen klinischer Verdachts- und histologischer Diagnose (p = 0,175; exakter Fisher-Test) vor.


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Diskussion

Ca. 10 % der dermatologischen Konsultationen entfallen auf Erkrankungen des Nagelorgans [9]. In der vorliegenden Arbeit wurde das bislang größte Kollektiv von Patienten mit Nagelerkrankungen retrospektiv untersucht und mit klinisch-pathologischen Daten korreliert. Wir konnten zeigen, dass die klinische Verdachtsdiagnose bei Nagelveränderungen in der Mehrheit der Fälle (54 %) nicht mit der histologischen Diagnose übereinstimmte. Insbesondere Nagelinfektionen wurden in der Mehrzahl der Fälle klinisch fehldiagnostiziert. Die höchste klinische Diagnosesicherheit fand sich bei den klinisch „einfachen“ Diagnosen Onychodystrophie, Nagelwachstumsstörung und bei Pigmentstörungen. Diagnostisch besonders treffsicher schienen die Untersucher bei männlichen Patienten mit Nagelerkrankungen zu sein. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Männer häufiger unter Nagelerkrankungen leiden, insbesondere unter der Onychomykose [10] [11] [12]. Verschiedene Ursachen für das Überwiegen des männlichen Geschlechts bei Nagelerkrankungen werden diskutiert: Zum einen treten bei Männern häufiger rezidivierende Traumata, häufig im Rahmen sportlicher Aktivitäten (bspw. Fußball) oder im Rahmen der beruflichen Tätigkeit (z. B. Kfz-Mechaniker) auf [13] [14]. Ein weiterer Grund könnte die mangelnde Aufmerksamkeit der Männer für ihre Nägel sein. Pflege und dadurch Aufmerksamkeit für Nägel ist bei Frauen deutlich ausgeprägter, somit fallen v. a. Nageldystrophien und Farbänderungen vielfach früher und dadurch häufiger auf [15]. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass in unserem Patientenkollektiv die Frauen im Schnitt 3,42 Jahre jünger waren als die Männer zum Zeitpunkt der Diagnostik ihrer Nagelerkrankung. Frauen scheinen nicht nur eine größere Aufmerksamkeit hinsichtlich Nagelveränderungen zu haben, sie konsultieren auch früher den Arzt. Generell treten Nagelerkrankungen in allen Altersgruppen auf, wenngleich sich die Hälfte aller Erkrankten in unserem Kollektiv zum Zeitpunkt der Diagnostik zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr befand. Während die Diagnose einer Onychodystrophie sowie mykotischer und bakterieller Nagelinfektionen in der vorliegenden Studie mehrheitlich zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr gestellt wurde, haben wir Melanome und Viruswarzen vermehrt bei Patienten älter als 60 Jahre beobachtet. Subunguale Nävi, Nagelpsoriasis und Unguis incarnatus traten gehäuft bei den unter 30-Jährigen auf. Die Häufigkeit der Nagelmykosen mit einer Abnahme bei Patienten älter als 60 Jahre widerspiegelt nicht die Inzidenz der generellen Bevölkerung. Für die Onychomykose wurde in der sog. „Foot-Check-Studie“ eine bevölkerungsbezogene Inzidenz von 12,4 % angegeben, wobei die Häufigkeit mit steigendem Alter zunimmt [10]. Dies mag daran liegen, dass wir nur Patienten untersucht haben, die eine Nagelbiopsie erhalten haben. Insbesondere bei der Onychomykose werden jedoch primär Nagelspäne von der Nagelplatte für kulturelle Untersuchungen entnommen und nicht in allen Fällen eine Nagelhistologie. Daher mögen die Onychomykosen in dieser Studie unterrepräsentiert sein. Generell treten im Alter vermehrt Zirkulationsstörungen auf, welche mit einer senilen Arteriosklerose zusammenhängen. Die Nagelplatte ist in hohem Maße einer lebenslangen chronischen UV-Exposition ausgesetzt. Traumata, Infektionen und dermatologische und v. a. endokrinologische Systemerkrankungen führen ebenso zu Nagelveränderungen mit steigender Inzidenz im höheren Alter [9] [16]. Es besteht eine saisonale Abhängigkeit in der Diagnostik von Nagelerkrankungen: Besonders in den Frühlings- und Sommermonaten werden vermehrt Erkrankungen an den Finger- und Fußnägeln diagnostiziert bei Patienten zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr. Dies spiegelt sich auch in einer Publikation wider, welche die Abfrage von Suchmaschinen in Abhängigkeit von der Jahreszeit untersuchte. Hier konnte für Pilzinfektionen der Finger- und Fußnägel sowie auch der Tinea pedis ein Abfragemaximum in der Jahresmitte gezeigt werden [17]. Die höhere Prävalenz in den Sommermonaten ist eigentlich widersinnig, da Onychomykosen zum einen sehr langwierig verlaufen und die Wärme, Feuchtigkeit in geschlossenem Schuhwerk in den Wintermonaten eher ein Risikofaktor für mykotische Erkrankungen der Füße darstellen sollte. Hier scheint die Wahrnehmung von Nagelveränderungen eine größere Rolle zu spielen: Es scheint so zu sein, dass offenes Schuhwerk, barfuß laufen und leichte Kleidung in den warmen Monaten eher die Aufmerksamkeit auf Fuß- und Fingernägel richtet. Der ästhetische Aspekt scheint hier führend zu sein.

Hinsichtlich der Biopsie-/OP-Techniken wurde hier mehrheitlich das sog.„Nail clipping“ durchgeführt. Hierbei wird ausschließlich die Nagelplatte erfasst. An klinischer Fragestellung kann hier jedoch lediglich eine Onychomykose bzw. Nagelpsoriasis diagnostiziert werden [18]. Wiederum handelt es sich um die einfachste Möglichkeit der Gewinnung einer Histologie und diese kann an medizinisches Hilfspersonal delegiert werden. Die eingeschränkte Wertigkeit in der Diagnostik anderer Erkrankungen des Nagelorgans muss dem klinisch tätigen Arzt bewusst sein, um Fehldiagnosen bzw. eine Verzögerung der Diagnosestellung durch wiederholte Biopsien zu vermeiden. Ebenso muss bewusst sein, dass Nagelpsoriasis und eine Onychomykose synchron vorliegen können und die Befunde der Nagelpsoriasis rein an der Nagelplatte diffizil sein können [8]. Hingegen ist der Stellenwert der Nagelplattenbiopsie bei der Diagnose einer Onychomykose als additives Instrument, v. a. bei negativer Kultur, als hoch einzuordnen [7].

Die Stanzbiopsie im Bereich des Nagels eignet sich gut zur Diagnostik von Nagelbett und -matrixerkrankungen. Allerdings muss hier bei Größe und Form der Biopsie berücksichtig werden, dass es durch Schädigung des Matrixepithels zu dauerhaften Nagelwachstumsstörungen kommen kann [18]. Entgegen Haneke E., der in seiner Arbeit zur Nagelchirurgie 2013 die laterale longitudinale Biopsie favorisiert, da sie histologische Informationen zum gesamten Nagelorgan erlaubt [18], wurde diese Biopsietechnik in der vorliegenden Studie nur in einem Fall durchgeführt. Besonders zu diskutieren ist die Rate an Fällen (4,4 % in unserem Kollektiv), bei denen histologisch keine pathologische Veränderung nachgewiesen werden konnte. Hier wurde offensichtlich nicht repräsentativ biopsiert, voraussetzend, dass eine klinische Nagelauffälligkeit vorgelegen haben muss. Diese Diskrepanz liegt mit großer Wahrscheinlichkeit darin begründet, dass die falsche Biopsietechnik gewählt wurde und das pathologische Korrelat schlicht nicht erfasst wurde oder dass die histologische Aufarbeitung des Biopsats den pathologischen Prozess nicht darstellen konnte. Bspw. wurde in unserer Studie kein Glomustumor histologisch diagnostiziert, wenngleich die klinische Verdachtsdiagnose einige Male geäußert wurde. Denkbar wäre auch hier die falsche Biopsietechnik bzw. Biopsie/Operation an nicht repräsentativer Lokalisation. Die histopathologische Prozessierung von Nagelbiopsien erfordert Variationen verglichen mit der Prozessierung kutaner Proben [19]. Bspw. gibt es verschiedene Methoden der Einbettung (Paraffin, Gefrierschnitte, 2-Hydroxyethylmethacrylat „Plastic“). Des Weiteren existieren verschiedene Methoden, Nagelplattenmaterial zu erweichen (Kaliumhydroxid-Lösung, Kalilauge-Thioglycolat-Creme u. a.). Dies vereinfacht die weitere Prozessierung erheblich. Weitere Unterschiede bestehen in der Schnittdicke der Präparate, diese variierte in der Studie von Wlodek et al. von 4 – 9 µm [19].

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die klinische Verdachtsdiagnose und abschließende histologische Diagnose in jedem 2. Fall nicht übereinstimmt und die Diagnostik von Nagelerkrankungen weiterhin eine Herausforderung darstellt. Dies beruht insbesondere auf der großen klinischen Variabilität an Diagnosen bei recht eingeschränktem Spektrum an Symptomen, Zurückhaltung bzw. fehlender Routine bei diagnostischen dermatochirurgischen Eingriffen am Nagelorgan mit eventueller Angst vor postoperativen Komplikationen sowie uneinheitlicher histologischer Prozessierung der Gewebe. Trotz allem muss die Nagelhistologie weiterhin als der diagnostische Goldstandard angesehen werden. Daher ist sowohl eine Standardisierung der histologischen Diagnostik notwendig als auch eine kontinuierliche Verbesserung der klinischen und dermatochirurgischen Ausbildung mit konsekutiver Verbesserung der Behandlungsqualität von Patienten mit Nagelerkrankungen.


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Limitationen der Studie

Es handelt sich um eine rein retrospektive, monozentrische Erfassung der Charakteristika einer Patientenkohorte. Standardisierte klinische Untersuchungen oder Vorgaben zur histologischen Prozessierung waren nicht definiert. Aufgrund des monozentrischen, retrospektiven Designs spiegelt diese Untersuchung die innerklinische Erfahrung des behandelnden Zentrums wider.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Die Daten dieser Arbeit wurden im Rahmen der 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dermatochirurgie e. V., 20. – 22. Oktober 2017, im Dorint Kongresshotel in Mannheim als Poster präsentiert.


  • Literatur

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  • 19 Wlodek C, Lecerf P, Andre J. et al. An international survey about nail histology processing techniques. J Cutan Pathol 2017; 44: 749-756

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Cornelia S. L. Müller
Klinik für Dermatologie, Universitätskliniken des Saarlandes, Kirrberger Straße 1
66421 Homburg/Saar

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Abb. 1 Darstellung der Altersverteilung des untersuchten Patientenkollektivs.
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Abb. 2 Geschlechterverteilung des untersuchten Patientenkollektivs.
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Abb. 3 Durchschnittsalter der Patienten bezogen auf die Art der Versorgung im Krankenhaus.
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Abb. 4 Saisonale Abhängigkeit der Diagnostik von Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv.
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Abb. 5 Methodik des operativen Eingriffs bzw. der Gewinnung von Gewebeproben.
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Abb. 6 Vergleich von klinischer Verdachtsdiagnose und histologischer Diagnose bezogen auf die häufigsten Erkrankungsgruppen im untersuchten Patientenkollektiv.
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Abb. 7 Darstellung der Übereinstimmung von klinischer Verdachtsdiagnose und histologischer Diagnose.
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Abb. 8 Darstellung der Verteilung der Nagelerkrankungen zwischen Händen und Füßen.
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Abb. 9 Lateralität der Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv.
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Abb. 10 Darstellung der Häufigkeiten von Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv bezogen auf die einzelnen Finger beider Hände.
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Abb. 11 Darstellung der Häufigkeiten von Nagelerkrankungen im untersuchten Patientenkollektiv bezogen auf die einzelnen Zehen beider Füße.