Einleitung Die Abklärung des Polydipsie-Polyurie-Symptomkomplexes in der Schwangerschaft stellt
eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Ein gestationsinduzierter
Diabetes insipidus (DI), der in 1/30 000 Schwangerschaften auftritt, ist dabei eine
wichtige, aber seltene Differentialdiagnose [1]. Der standardisierte Durstversuch oder die Copeptin basierte Diagnostik [3] können in der Schwangerschaft zu schweren Komplikationen führen und sind daher kontraindiziert
[4]. Bleibt ein DI unbehandelt können Dehydrierung und Elektrolytentgleisungen mit schweren
neurologischen und kardialen Folgen auftreten.
Methode Wir sahen eine 29-j. VI G/ II P der 35. SSW bei dichorialer/diamnialer Geminigravidität
mit Polydipsie von bis zu 10l/Tag und Polyurie in unserer geburtshilflichen Klinik.
Nebenbefundlich zeigte sich ein Harnstau III° rechts und I° links. Die laborchemische
Basisdiagnostik zeigte eine erniedrigte Plasmaosmolalität, ein normwertiges Serum-Natrium
sowie eine erniedrigte Urinosmolalität. Anhand der Befundkonstellation war keine klare
Differenzierung zwischen Diabetes insipidus centralis, renalis oder primären Polydipsie-Polyurie-Syndrom
möglich. Im weiteren Verlauf entwickelte die Patientin laborchemische Zeichen eines
akuten Nierenversagens und beginnenden HELLP-Syndroms. Das betreuende interdisziplinäre
Team (Geburtshilfe, Endokrinologie, Nephrologie, Neonatologie) entschloss sich aufgrund
des fortgeschrittenen Gestationsalters gegen weiterführende Diagnostik, sondern für
die Entbindung in der 34+6 SSW. Geboren wurden zwei gesunde Mädchen mit adäquater
postnataler Adaptation passend zum Gestationsalter. Im postpartalen Verlauf normalisierten
sich sämtliche Laborparameter, sowie Durstempfinden und Ausscheidung der Patientin
rasch ohne weitere Interventionen.
Diskussion Anhand des Falles sollen mögliche Differentialdiagnosen der Polydipsie sowie die
Limitationen des diagnostischen Vorgehens in der Schwangerschaft und Therapieoptionen
erläutert werden. Gleichzeitig verdeutlicht das Fallbeispiel das Zusammenspiel mehrerer
möglicher Faktoren in der Ätiologie des gestationsinduzierten DI (gesteigerte Plazentamasse
und verminderte Leberfunktion im Rahmen eines HELLP-Syndroms mit resultierender erhöhter
Vasopressinaseaktivität und frgl. Vorschädigung des Hypophysenhinterlappens aufgrund
postpartaler Hämorrhagie in vorangehender Schwangerschaft) [2]
[5] sowie das Risiko für weitere individuelle Komplikation anhand eines a.e. postrenalen
Nierenversagens aufgrund des Aufeinandertreffens einer massiven Polyurie mit einem
vorbestehenden Harnstau.