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DOI: 10.1055/s-0043-1776570
Polydipsie und Polyurie in graviditate: Der gestationsinduzierte Diabetes insipidus als Differentialdiagnose – mögliche Diagnostik und Therapie anhand eines Fallbeispiels
Authors
Einleitung Die Abklärung des Polydipsie-Polyurie-Symptomkomplexes in der Schwangerschaft stellt eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Ein gestationsinduzierter Diabetes insipidus (DI), der in 1/30 000 Schwangerschaften auftritt, ist dabei eine wichtige, aber seltene Differentialdiagnose [1]. Der standardisierte Durstversuch oder die Copeptin basierte Diagnostik [3] können in der Schwangerschaft zu schweren Komplikationen führen und sind daher kontraindiziert [4]. Bleibt ein DI unbehandelt können Dehydrierung und Elektrolytentgleisungen mit schweren neurologischen und kardialen Folgen auftreten.
Methode Wir sahen eine 29-j. VI G/ II P der 35. SSW bei dichorialer/diamnialer Geminigravidität mit Polydipsie von bis zu 10l/Tag und Polyurie in unserer geburtshilflichen Klinik. Nebenbefundlich zeigte sich ein Harnstau III° rechts und I° links. Die laborchemische Basisdiagnostik zeigte eine erniedrigte Plasmaosmolalität, ein normwertiges Serum-Natrium sowie eine erniedrigte Urinosmolalität. Anhand der Befundkonstellation war keine klare Differenzierung zwischen Diabetes insipidus centralis, renalis oder primären Polydipsie-Polyurie-Syndrom möglich. Im weiteren Verlauf entwickelte die Patientin laborchemische Zeichen eines akuten Nierenversagens und beginnenden HELLP-Syndroms. Das betreuende interdisziplinäre Team (Geburtshilfe, Endokrinologie, Nephrologie, Neonatologie) entschloss sich aufgrund des fortgeschrittenen Gestationsalters gegen weiterführende Diagnostik, sondern für die Entbindung in der 34+6 SSW. Geboren wurden zwei gesunde Mädchen mit adäquater postnataler Adaptation passend zum Gestationsalter. Im postpartalen Verlauf normalisierten sich sämtliche Laborparameter, sowie Durstempfinden und Ausscheidung der Patientin rasch ohne weitere Interventionen.
Diskussion Anhand des Falles sollen mögliche Differentialdiagnosen der Polydipsie sowie die Limitationen des diagnostischen Vorgehens in der Schwangerschaft und Therapieoptionen erläutert werden. Gleichzeitig verdeutlicht das Fallbeispiel das Zusammenspiel mehrerer möglicher Faktoren in der Ätiologie des gestationsinduzierten DI (gesteigerte Plazentamasse und verminderte Leberfunktion im Rahmen eines HELLP-Syndroms mit resultierender erhöhter Vasopressinaseaktivität und frgl. Vorschädigung des Hypophysenhinterlappens aufgrund postpartaler Hämorrhagie in vorangehender Schwangerschaft) [2] [5] sowie das Risiko für weitere individuelle Komplikation anhand eines a.e. postrenalen Nierenversagens aufgrund des Aufeinandertreffens einer massiven Polyurie mit einem vorbestehenden Harnstau.
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Literatur
- 1 Ananthakrishnan, Best Pract Res Clin Endocrinol Metab, 2016
- 2 Chanson, Ann Endocrinol, 2016
- 3 Fenske N. Engl J Med 2018
- 4 Refardt, Minerva Endocrinol, 2018
- 5 Refardt, Swiss Med Wkly, 2020
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
15. November 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Ananthakrishnan, Best Pract Res Clin Endocrinol Metab, 2016
- 2 Chanson, Ann Endocrinol, 2016
- 3 Fenske N. Engl J Med 2018
- 4 Refardt, Minerva Endocrinol, 2018
- 5 Refardt, Swiss Med Wkly, 2020