B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2018; 34(02): 100-103
DOI: 10.1055/s-0043-124747
Neues aus der dvs
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23. Sportwissenschaftlicher Hochschultag der dvs in München

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Publication Date:
15 May 2018 (online)

„Innovation & Technologie im Sport“ – unter diesem Motto stand der 23. Sportwissenschaftliche Hochschultag der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs), den die Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität München vom 13. bis 15. September 2017 ausgerichtet hat. Rund 600 Teilnehmer/innen nahmen an dem vielseitigen Programm, bestehend aus 7 Hauptvorträgen, 315 Vorträgen in 51 Arbeitskreisen, 67 Posterpräsentationen sowie 6 Vorträgen aus dem Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses, teil.

Die Vortragsreihe begann am Mittwoch direkt im Anschluss an die Eröffnungsfeier mit der Keynote von Professor Sigmund Loland, in welchem er „(…) die verschiedenen Arten der Technologie im Sport und ihre Funktion in dieser Rolle zu kategorisieren“ versuchte. Außerdem gab Herr Loland in seinem Hauptvortrag einen Überblick über die Stellung von Technologie im Sport und der ethischen Dilemmata, die daraus entstehen können. „Ohne Technologie kein Sport“ – Innovationen verbessern dabei das Leistungsniveau. Aber: Wann entsprechen Technologien der Fairness? Professor Loland schlägt eine Abgrenzung nach der Art der Technologie vor, jedoch sei es schwer, eine exakte Grenze zu ziehen. „Am Ende des Tages geht es darum zu entscheiden, ob Innovationen ethisch vertretbar sind oder nicht.“ Wichtig für Verbände sei daher auch, „eine Idee zu haben, was ihren Sport im Kern ausmacht und welche Herausforderung ihm zugrunde liegt.“

Nach ersten Arbeitskreisen referierte Professor Klaus Hurrelmann im Rahmen der 2. Keynote-Session über die wachsende Bedeutung von Gesundheit innerhalb der Generationen der 15- bis 30-Jährigen (Generation Y) sowie der 0- bis 15-Jährigen (Generation Z). Dabei griff Herr Hurrelmann unter anderem auf seine zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsarbeiten über die Jugendgenerationen der letzten Jahre zurück: „Jugendliche sind Seismographen für Trends. An ihnen lässt sich ablesen, wie die Gesellschaft ist und sich entwickelt“, so Professor Hurrelmann. Speziell für die Sportwissenschaft entwickelte Herr Hurrelmann 5 Empfehlungen, um künftige Herausforderungen zu meistern. „Wir haben in der Gesundheitswissenschaft gesehen, dass die 3 Bereiche Ernährung, Bewegung und Entspannung eine Trias bilden, die zusammen betrachtet werden muss“, so Hurrelmann. Eine Schlüsselrolle komme dabei der Bewegung zu, über die auch die beiden anderen Aspekte modelliert werden sollten. Doch „dürfen die 3 Begriffe nicht isoliert betrachtet und analysiert werden.“ Der erste Kongresstag endete mit dem Hauptvortrag „Didaktik und Inklusion: Standpunkte, Kontroversen, Perspektiven“ von Professorin Heike Tiemann. „Seit 2009, seitdem die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland gilt, wird das Thema Inklusion nicht nur in Schulen, sondern ebenso in Hochschulen zunehmend diskutiert. In den vergangenen 8 Jahren haben sich aber eine Reihe von gegensätzlichen Positionen herauskristallisiert: vor allem, wenn es um das Handlungsfeld Schule geht.“ Diese thematische Ambivalenz griff Frau Tiemann in ihrem Vortrag auf und diskutierte Perspektiven aus nationalen und internationalen Zusammenhängen. „Für den Sportunterricht eröffnen sich durch die Inklusion große Chancen. Zugleich ist es eine echte Herausforderung, allen Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht zu werden.“

Der 2. Kongresstag begann mit thematisch sehr ausdifferenzierten Arbeitskreisen sowie den beiden Keynote-Vorträgen von Professor Gordon Cheng und Professorin Gabriel Wulf. Dabei zeigte Professor Gordon Cheng in seinem Hauptvortrag aktuelle technologische Möglichkeiten und Perspektiven zu „Sensorimotor interactions in humans and in robots“ auf. „Das Studium des Menschen und das Studium von Robotern hat viele Gemeinsamkeiten. So liefern zum Beispiel Methoden aus der Robotik bessere Modelle für die menschliche Bewegungskontrolle.“ Es ist vorstellbar, „dass wir Roboter in Zukunft auch dafür einsetzen können, das Equipment von Sportlern zu testen, um es so kontinuierlich zu verbessern. Mithilfe künftiger Entwicklungen werden wir in der Lage sein, bleibende Lösungen für Patienten anzubieten.“ Direkt im Anschluss thematisierte Professorin Gabriele Wulf in einer weiteren Keynote „[…] Faktoren, die das Lernen von Bewegungsfähigkeiten beeinflussen. Insbesondere geht es hier um Bedingungen, die das Erlernen von sportmotorischen Fertigkeiten begünstigen. Wir haben in diesem Bereich in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse gewonnen. Beispielsweise wird die Rolle des Selbstvertrauens für Leistung und Lernen oft unterschätzt. Ebenso wird das Autonomie-Bedürfnis der Lernenden nicht immer berücksichtigt. Hier lässt sich in der Praxis noch viel verbessern.“

Nach einer thematisch sehr anregenden und in der Form attraktiven Postersession folgte der Keynote-Vortrag von Professor Mark Tremblay. Er sprach über kindliches Bewegungsverhalten, den Einfluss von Technologien in diesem Kontext und über Herausforderungen, die man sich hierbei stellen muss, „(…) vor allem vor dem Hintergrund, dass Kinder sich zunehmend weniger bewegen.“ Körperliche Aktivität ist die Grundlage für eine gesunde Wachstumsentwicklung. Bleibt sie aus, sehen wir uns zahlreichen schwerwiegenden psychosozialen und pathophysiologischen Krankheiten gegenüber.“ Man müsse „sichergehen, dass die Konsequenzen der Benutzung von elektronischen Geräten, wie z. B. der Nintendo Wii, im Vergleich mit den herkömmlichen Arten des Lebens und Sporttreibens positiv oder zumindest neutral sind. Sollten sie die Bewegungshäufigkeit und Entwicklung von Fähigkeiten verbessern – prima. Das Problem ist: Wir achten gar nicht auf diese Konsequenzen, sondern sind einfach begeistert von moderner Technologie und ihren Möglichkeiten.“ Abgerundet wurde dieser 2. Kongresstag durch das Conference Dinner in der Allianz Arena, bei dem auch die ausgelobten wissenschaftlichen Preise verliehen wurden.

Im letzten Keynote-Vortrag dieses 23. Sportwissenschaftlichen Hochschultags sprach am Freitagmorgen Professor Claude Bouchard über die kardiorespiratorische Fitness (CRF) und ihre zugrundeliegende Biologie. „Die CRF hat einen enormen Einfluss auf unseren Körper und ist der einzige Faktor, durch den sich Langlebigkeit prognostizieren lässt. Sie wird durch 2 Variablen bestimmt: durch das intrinsische Level, mit dem ein Mensch geboren wurde, also die Genetik, und durch den körperlich aktiven Lebensstil.“ Menschen mit einer geringen CRF haben ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten. Studien zufolge leben Menschen mit einer höheren Fitness 5 bis 10 Jahre länger. Das Thema zieht also auch soziale und wirtschaftliche Folgen nach sich.

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Abb. 1 Podiumsdiskussion „(K)ein Vorteil durch Prothese?!“ V.l.n.r.: Prof. Michael McNamee, Markus Rehm, Moderatorin Silke Beickert, Prof. Wolfgang Potthast, Friedhelm Julius Beucher. © RED an Verlag: Bildrechte: Astrid Eckert/Technische Universität München

Die Podiumsdiskussion „(K)ein Vorteil durch Prothese?!“ mit Paralympics-Sieger Markus Rehm, dem Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbands Friedhelm Julius Beucher, dem Biomechanik-Professor Wolfgang Potthast von der Deutschen Sporthochschule Köln und dem Ethik-Professor Michael McNamee von der Swansea University, rundete am Freitag das wissenschaftliche Programm mit zahlreichen Einsichten in diesen kontroversen Themenkomplex ab. Dabei wurde deutlich, dass die technologischen Entwicklungen den gesellschaftlichen Sport – insbesondere den olympischen und paralympischen – in den kommenden Jahren noch vor zahlreiche neue Herausforderungen stellen werden. Im Rahmen der Abschlussveranstaltung übergab schließlich Professor Ansgar Schwirtz den Staffelstab an Professor Sebastian Braun von der Humboldt Universität Berlin, wo der 24. Sportwissenschaftliche Hochschultag 2019 stattfinden wird.

Verfasser

Johannes Hanke und Filip Mess filip.mess@tum.de


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