Pädiatrie up2date 2017; 12(04): 308-309
DOI: 10.1055/s-0043-122417
Studienreferate
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ADHS: Bessere Ergebnisse in Prüfungen unter Medikation?

Lu Y. et al.
Association between medication use and performance on higher education entrance tests in individuals with attention-deficit/hyperactivity disorder.

JAMA Psychiatry 2017;
74: 815-822
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Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


Publication History

Publication Date:
11 January 2018 (online)

 

    Jugendliche und Erwachsene mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit/ohne Hyperaktivität (ADHS) erlangen im Durchschnitt im Vergleich schlechtere Noten in der Schule oder in anderen Prüfungen und erreichen auch eine niedrigere Schulausbildung. Die Therapie des ADHS wirkt sich auf die typischen Symptome wie Konzentrationsschwäche und Hyperaktivität aus. Ob dies sich jedoch auch im akademischen Erfolg niederschlägt, ist offen.


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    Studien zur Frage, ob Wirkstoffe wie Methylphenidat, Amphetamin (oder Dextroamphetamin) und Atomoxetin sich positiv auf die Leistung in Schule oder Ausbildung auswirken, sind widersprüchlich. Um dieser Frage weiter nachzugehen, identifizierten die Autoren aus den Daten des schwedischen Nationalen Patientenregisters 61 640 Patienten mit ADHS, die zwischen 1976 und 1996 geboren worden waren. Die zwischen Anfang 2006 und Ende 2013 erhobenen Daten dieser Probanden werteten die Autoren aus: So erhielten sie Angaben zur Ausbildung der Eltern, zum IQ der Probanden sowie Anzahl und Ergebnis der Eingangstests für die Zulassung zum Studium und Daten zur Nutzung von Medikamenten gegen ADHS. Gemäß gebräuchlichen Definitionen galt als Phase einer Medikation ein Zeitraum, in dem für den Patienten 2-mal eine Arzneimittelabgabe innerhalb von weniger als 6 Monaten dokumentiert worden war. Die übrigen Zeiten zählten als Tage ohne Medikamenteneinnahme. Den Endpunkt dieser Studie stellte der Score im Schwedischen Scholastic Aptitude Test (SweSAT) dar, einer Prüfung, deren gutes Ergebnis die Voraussetzung für eine höhere akademische Ausbildung darstellt und die Personen auch mehrmals ablegen dürfen. Im Beobachtungszeitraum fand die Prüfung landesweit 16-mal statt.

    Während der Beobachtungsphase hatten 3718 aller ADHS-Patienten den SweSAT abgelegt und konnten mit 115 262 gematchten jungen Erwachsenen verglichen werden. Wer unter ADHS litt, legte den Test seltener und erst in einem höheren Alter ab; die Ergebnisse unterschieden sich aber insgesamt nicht zwischen den Gruppen. Allerdings schnitten die Patienten, die überhaupt Medikamente bekamen (etwa drei Viertel), im Mittel um mehr 10 Punkte besser ab als diejenigen, die gar kein Rezept erhalten hatten. In einem zweiten Schritt analysierten die Autoren die 930 jungen Erwachsenen mit ADHS, die den SweSAT mehrmals durchlaufen und in dieser Zeit nicht ständig ihre Medikamente eingenommen hatten. Sie waren durchschnittlich 22,2 Jahre alt, 493 waren Männer. So ließen sich die Testergebnisse jeweils eines Patienten mit versus ohne Medikation vergleichen: Hatten die Patienten die Tabletten eingenommen, fielen die Prüfungsergebnisse im Durchschnitt um 4,8 Punkte höher aus als in den anderen Zeiträumen (95%-KI 2,26 – 7,34; p < 0,001). Die Autoren hatten Alter und die zunehmende praktische Übung durch die Teilnahme an mehreren Tests berücksichtigt. Um die Ergebnisse weiter zu differenzieren, führten die Schweden Sensitivitätsanalysen durch: Beispielsweise veränderten sie den Zeitraum der dokumentierten Medikamentenabgabe bis zum Testdatum oder sie unterschieden zwischen Stimulanzien (Methylphenidat, Amphetamine) und Nichtstimulanzien. Begleitend bestehende diagnostizierte Lernschwierigkeiten berücksichtigten die Autoren ebenfalls. Auch in diesen zusätzlichen Analysen veränderten sich die grundsätzlichen Ergebnisse der Untersuchung nicht. Zudem war der Effekt der ADHS-Medikation spezifisch, denn in der Analyse einer entsprechenden Wirkung selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer auf Testergebnisse zeigte sich kein Einfluss.

    Fazit

    In den für die Zulassung zu höherer Bildung entscheidenden Prüfungen schnitten junge ADHS-Patienten unter Medikation besser ab als ohne. Möglicherweise können Methylphenidat und andere ADHS-Präparate also dazu beitragen, die bestehenden Unterschiede von Patienten im Vergleich zu anderen hinsichtlich Bildung zu verringern, schreiben die Autoren. Dieser mögliche Nutzen solle bei der Kosten-Nutzen-Abwägung der Verschreibung solcher Präparate im klinischen Alltag miteinbezogen werden.


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    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen