Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2018; 53(09): 605-617
DOI: 10.1055/s-0043-121683
Topthema
CME-Fortbildung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Placeboeffekte bei chronischen Schmerzen: Forschungsstand und klinische Anwendung

Placebo Responses in Chronic Pain: State of Research and Clinical Implications
Maike Müller
,
Anne-Kathrin Bräscher
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Publication History

Publication Date:
03 September 2018 (online)

Zusammenfassung

Spielte der Placeboeffekt ehemals vorwiegend eine (eher unliebsame) Rolle bei randomisierten kontrollierten Studien, so treten nun vermehrt die mit dem Placeboeffekt verbundenen Chancen in den Vordergrund. Dieser Beitrag bespricht bisherige Forschungserkenntnisse zum Placeboeffekt bei chronischen Schmerzen und zeigt, wie durch eine gezielte Beeinflussung des therapeutischen Kontexts die Wirksamkeit pharmakologisch aktiver Schmerzmedikamente gesteigert werden kann.

Abstract

Placebo hypoalgesia has been found to play an important role in every health care by modulating patientsʼ responses to pharmacologically active analgesic treatments. It may be seen as reflecting the capacity for endogenous pain modulation. Enhancing the efficacy of analgesic treatments by boosting endogenous pain modulation might be particularly relevant for chronic pain patients. Research into placebo hypoalgesic responses to chronic pain is sparse, however. In healthy subjects, placebo hypoalgesia is induced by expectations of pain relief through verbal information and learning experiences. Here we review the existing evidence on placebo hypoalgesia to chronic pain. To our knowledge, placebo hypoalgesia to chronic pain has been investigated experimentally in chronic back and chronic musculoskeletal pain, neuropathic pain after thoracotomy, and episodic migraine. Results point towards a maintenance of placebo hypoalgesic responses in chronic pain populations, thus highlighting the potential benefit of boosting placebo hypoalgesic responses in the treatment of chronic pain. Strategies on boosting placebo hypoalgesic responses in every day healthcare are presented.

Kernaussagen +
  • Unter Placebohypoalgesie versteht man eine endogene Schmerzmodulation nach Einnahme eines wirkstofffreien Medikaments oder nach einem Scheineingriff. Die Placebohypoalgesie kann aber auch die Wirkung aktiver analgetischer Medikamente steigern.

  • Die Placebohypoalgesie ist ein biopsychosoziales Phänomen. Sie wird durch psychosoziale Faktoren beeinflusst und geht einher mit Veränderungen auf neurobiologischer Ebene.

  • Der Placebohypoalgesie liegt zumeist eine positive Behandlungserwartung zugrunde. Diese kann u. a. durch Informationsvermittlung und Lernerfahrungen vermittelt werden.

  • Obwohl Studien zur Placebohypoalgesie bei Menschen mit chronischen Schmerzen noch rar sind, scheinen auch Patienten mit chronischen Schmerzen Placebohypoalgesie und somit die Fähigkeit zur endogenen Schmerzmodulation zu zeigen.

  • Im klinischen Alltag sollte Placebohypoalgesie gezielt gefördert werden, um somit die Wirksamkeit pharmakologisch aktiver Interventionen bei chronischem Schmerz zu steigern.

  • Hierbei gilt es, sowohl die gegebenen verbalen Informationen zu einer Intervention als auch stattfindende Lernerfahrungen für den Patienten möglichst positiv zu gestalten, um eine positive Behandlungserwartung zu fördern.

  • Eine weitere Möglichkeit zur Förderung von Placebohypoalgesie betrifft die gezielt positive Gestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung.