PSYCH up2date 2018; 12(02): 123-136
DOI: 10.1055/s-0043-121603
Essstörungen, somatische Belastungsstörungen, Schlafstörungen und sexuelle Funktionsstörungen

Evidenzbasierte Therapie somatoformer Störungen

Miriam Depping
,
Bernd Löwe
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Patienten, die unter anhaltenden Symptomen leiden, für die keine körperliche Ursache gefunden werden kann, sind in ihrer Lebensführung eingeschränkt. Die körperlichen Symptome lassen Behandler und Betroffene häufig lange an einem rein somatischen Störungsverständnis festhalten. Durch ein gestuftes Versorgungsangebot und die Erarbeitung eines biopsychosozialen Störungsmodells kann diesen Patienten geholfen werden.

Kernaussagen
  • Charakteristisch für somatoforme Störungen sind eine wiederholte Darbietung körperlicher Beschwerden und die Forderung nach ärztlicher Behandlung.

  • In den nationalen Leitlinien werden klare Empfehlungen für die Behandlung formuliert, die sich auf die Grundhaltung, Kommunikation und Behandlungsphasen beziehen.

  • Die Therapie sollte sich an der Erkrankungsschwere orientieren. Der Primärbehandler sollte bei neu aufgetretenen Beschwerden Diagnostik und weiteren Handlungsbedarf abwägen und ggf. weitere Fachexpertise, z. B. durch Psychotherapeuten, hinzuziehen.

  • Für Behandler aller Berufsgruppen und in allen Behandlungssettings gilt es zunächst eine tragfähige, bewältigungsorientierte Zusammenarbeit mit dem Patienten zu fördern und realistische Behandlungsziele zu formulieren.

  • Aufgrund des somatischen Beschwerdebildes haben viele Betroffene ein einseitig somatisches Störungsmodell.

  • Es gilt daher für alle Behandler und Berufsgruppen in verschiedenen Behandlungssettings, die Entwicklung eines komplexeren biopsychosozialen Störungsmodells zu fördern.

  • Bereits im Erstkontakt kann die Übernahme einer „Sowohl-als-auch-Haltung“ durch Primärversorger einem einseitigen Störungsmodell entgegenwirken und einen guten Spontanverlauf begünstigen.

  • Psychoedukation kann zudem eingesetzt werden, um über Wechselwirkungen zwischen körperlichen und psychischen Prozessen zu informieren. Diese kann in verschiedenen Versorgungssettings oder im Rahmen von Selbsthilfemaßnahmen eingesetzt werden.

  • Im weiteren Behandlungsverlauf kann die Erweiterung des Störungsmodells auch Gegenstand psychotherapeutischer Interventionen werden und z. B. mittels Symptomprovokationsübungen bearbeitet werden.

  • Psychotherapeutische Interventionen setzen häufig an aufrechterhaltenden Bedingungen an, wie zum Beispiel ein unrealistischer Krankheitsbegriff oder Schonungsverhalten.

  • Die beste Evidenzlage für die Behandlung somatoformer Störungen liegt bisher für kognitive Verhaltenstherapie vor.

  • Verbesserungen der Therapie und eine Vernetzung zwischen allen Behandlern sind notwendig.



Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. März 2018 (online)

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