Klin Padiatr 2017; 229(06): 358
DOI: 10.1055/s-0043-121278
Nachruf
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Nachruf für Prof. Dr. Enno Kleihauer

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Publication Date:
13 November 2017 (online)

Mit Trauer und Respekt vor einer großen Persönlichkeit nimmt die GPOH Abschied von Prof. Dr. Enno Kleinhauer, dem ehemaligen Direktor der Kinderklinik in Ulm, der am 7.6.2017 in einem Alter von fast 90 Jahren in Weißenhorn bei Ulm starb.

Prof. Dr. Enno Kleihauer wurde am 6. Juli 1927 in Pewsum in Ostfriesland geboren. Nach dem Studium der Medizin in Freiburg mit Approbation und Promotion im Jahre 1956 erwarb er die Venia Legendi 1964 in Tübingen. Nach Zeiten als Postdoctoral Research Fellow am NIH und in Augusta, Georgia, USA von 1966–1967 leitete er von 1968–1969 die Hämatologie am Dr. von Hauner‘schen Kinderspital in München, bevor er 1969 Direktor der Universitäts-Kinderklinik in Ulm wurde.

Prof. Dr. Enno Kleihauer war begeisterter Kinderarzt und ein kreativer und überaus erfolgreicher Wissenschaftler. Berühmt wurde Enno Kleihauer im Jahr 1957 durch den Nachweis von fetalen Erythrozyten im mütterlichen Kreislauf durch saure Elution des adulten Hämoglobins aus adulten roten Blutzellen. Dieser Nachweis war konzeptionell wesentlich für die Entwicklung der Anti-D Prophylaxe Rh-negativer Mütter und stellt insofern eine noch heute zahllose Leben rettende Innovation dar. Aber auch darüber hinaus war Enno Kleihauer ein äußerst erfolgreicher Wissenschaftler. Er war an insgesamt 183 Originalpublikationen vor allem in der Pädiatrischen Hämatologie beteiligt. Die Höhepunkte waren Kernpublikationen in Nature und Science in den späten 50er und 60er Jahren, die ein weites medizinisches und naturwissenschaftliches Spektrum in der zu dieser Zeit hochinnovativen Hämoglobinforschung aufwiesen. Prof. Enno Kleihauers Bedeutung für die deutsche Wissenschaft wurde 1986 von der Leopoldina mit seiner Aufnahme als Mitglied gewürdigt.

Seine Schüler sind dankbar für seine Eigenschaften als visionärer Mentor. In einer Zeit als moderne experimentelle Forschung an deutschen Kinderkliniken meist noch ein „Kellerdasein“ fristete, schuf er Strukturen für eine professionalisierte klinisch orientierte Molekularbiologie, in der wegweisende Entwicklungen wie die im klinischen Kontext durchführbare Messung der Kinetik des Therapieansprechens der akuten lymphoblastischen Leukämie und der minimalen Resterkrankung gelangen. Ähnlich wie der „Kleihauertest“ für die Identifikation fetaler Erythrozyten im mütterlichen Blut ist die in Ulm an der Sektion für Pädiatrische Molekularbiologie der Kinderklinik entwickelte Messung der minimalen Resterkrankung bei der Leukämie heute der Goldstandard für die risikoadaptierte Stratifikation der Behandlung von Kindern mit ALL.

Von wegweisender Bedeutung war darüber hinaus seine Entscheidung, an der von ihm geführten Klinik die ersten allogenen Stammzelltransplantationen in Deutschland durchzuführen und einen Schwerpunkt für die Behandlung von Patienten mit angeborenen Immundefekten zu etablieren, für den die Klinik in Ulm noch heute bekannt und tonangebend ist.

Darüber hinaus war Prof. Enno Kleihauer ein begeisterter Lehrer, dessen facettenreiche Kollegs, wie er seine Vorlesungen nannte, stets live mit Patienten der Klinik illustriert und zahlreich besucht waren. Sein Elan und Talent für die Lehre zeigte sich sehr eindrucksvoll auch in einer Vielzahl von hervorragenden, von ihm als Monographie verfassten oder von ihm herausgegebenen Lehrbüchern.

Im persönlichen Kontakt zeichnete sich Prof. Enno Kleihauer durch Warmherzigkeit und Zuverlässigkeit aus, Eigenschaften die sowohl bei seinen Patienten als auch bei seinen Mitarbeitern ausgesprochen geschätzt waren. Nach seiner Emeritierung im Jahre 1996 konnte er in beeindruckender Weise von seinem Berufsleben loslassen und zog sich zu seiner Familie in Weißenhorn zurück.

Mit seinem Tode verliert die GPOH eine ihrer visionären Persönlichkeiten. Die GPOH verneigt sich vor einem wunderbaren Menschen und bedankt sich für den langjährigen Einsatz von Prof. Enno Kleihauer für die Pädiatrische Hämatologie und Onkologie in Deutschland.

Andreas Kulozik, Heidelberg