Einleitung
Die Tumore der Haut – das maligne Melanom der Haut („schwarzer Hautkrebs“) sowie die
epithelialen Hautkrebsformen, wie das Plattenepithelkarzinom und das Basalzellkarzinom
(„weißer Hautkrebs“) – stehen mit mehr als 200 000 Neuerkrankungen pro Jahr an der
Spitze der gemeldeten Krebserkrankungen in Deutschland [1]. Insbesondere das maligne Melanom hat in den letzten drei Jahrzehnten seine Häufigkeit
etwa vervierfacht [2]
[3]. In Europa beträgt die jährliche Neuerkrankungsrate für das Plattenepithelkarzinom
rund 30 Fälle pro 100 000 Personen und für das Basalzellkarzinom ca. 50 – 130 Fälle
pro 100 000 Personen [4]. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Schutz vor UV-Strahlung das Risiko für
die Entstehung von Hautkrebs [5]
[6], prämalignen aktinischen Keratosen [7] sowie für das Auftreten der Photoalterung [8] eindeutig verringert. Insbesondere die prämaligne aktinische Keratose, das Plattenepithelkarzinom
und das Basalzellkarzinom treten vorwiegend an sonnenexponierten Körperarealen auf
[9]. Die weiße Bevölkerung ist für die Hautkrebsentstehung besonders prädisponiert,
während die afrikanischen und asiatischen Populationen unter Einfluss von Sonneneinstrahlung
einen starken Pigmentschutz entwickeln, der akute Sonnenbrände und chronische Hautschäden
verhindert [10]. Die steigenden Hautkrebsraten sind vor dem Hintergrund eines veränderten Freizeitverhaltens
und dem Wunsch nach gebräunter Haut [11] sowie durch die verstärkte Sonneneinstrahlung aufgrund der über lange Zeit erfolgten,
aktuell jedoch wieder rückläufigen Ozonabnahme zu sehen. Zusätzlich korreliert die
steigende Lebenserwartung in den Industrieländern mit einer kumulativen UV-Belastung
[7].
Hautkrebsprävention und Sonnenschutzcreme
Die Anwendung von Sonnenschutzmitteln ist eine weit verbreitete und akzeptierte Strategie
der Primärprävention gegen Hautkrebs [12], Sonnenbrand und Photoalterung [13]. Um einen optimalen Lichtschutz durch Sonnenschutzmittel zu erreichen, müssen kombinierte
Breitbandfiltersysteme mit hoher Wirkung gegen UV-B- (280 – 315 nm) und UV-A-Strahlung
(315 – 400 nm) eingesetzt werden [14]. Neuere Untersuchungen in menschlichen Hautzellen, ex vivo Human- und Schweinehaut
und in vivo in der Maus und am Menschen, belegen, dass auch die IRA-Strahlung (780 – 1600 nm)
zur aktinischen Schädigung der Haut beiträgt [15]
[16]
[17].
IR-Strahlung erhöht die Temperatur der Haut, sodass sogenannte Hitzeschockradikale
in der Haut gebildet werden. Die unterschiedlichen Signalwege der IR-induzierten Radikale
und IR-induzierten Hitzeschockradikale agieren dabei unabhängig voneinander. Durch
die Erhöhung der Intensität der IR-Strahlung und/oder der Temperatur kommt es zu einer
deutlichen Erhöhung der Konzentration der freien Radikale insgesamt [18]. In einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie konnte die Wirksamkeit
eines mit Antioxidantien supplementierten Sonnenschutzmittels gegen kurzwellige IRA-induzierte
Hautschäden deutlich gezeigt werden [19]
[20]. Es sind jedoch weitere Studien notwendig, um das zukünftige Vorgehen bei der Entwicklung
von Sonnenschutzmitteln gegen IRA-Strahlen zu standardisieren. Auch im sichtbaren
Strahlungsbereich (400 – 780 nm) erfolgt die Erzeugung von freien Radikalen [21]
[22], sodass prinzipiell auch in diesem Wellenlängenbereich Schutzmaßnahmen geboten sind
[23]
[24].
Eine Studienübersicht beim Menschen zur Reduktion von chronischen Lichtschäden, aktinischen
Keratosen und epithelialen Tumoren durch Lichtschutzmittel wurde von Iannacone et
al. [25] zusammengefasst. Die regelmäßige Applikation konnte bei den untersuchten Probanden
die Inzidenz für die prämaligne aktinische Keratose [26]
[27]
[28]
[29] und das Plattenepithelkarzinom, aber nicht die des Basalzellkarzinoms [30] merklich reduzieren. Vorhandene aktinische Keratosen konnten sogar zur Abheilung
gebracht werden [31]. Bei 120 immunsupprimierten Organempfängern, die insgesamt ein deutlich erhöhtes
Risiko haben, an Hautkrebs zu erkranken [32], führte die tägliche Anwendung eines liposomalen Sonnenschutzmittels mit Lichtschutzfaktor
50+ zu einer signifikant niedrigeren Neuerkrankungsrate für die aktinische Keratose.
Es konnte sogar eine Rückbildung aktinischer Läsionen im Vergleich zur Kontrollgruppe,
die Sonnenschutz nach eigener Einschätzung verwenden konnten, erreicht werden. Das
ist medizinisch von großer Bedeutung, da die erfolgreiche Prävention und Behandlung
der prämalignen aktinischen Keratose das Fortschreiten zum invasiven Plattenepithelkarzinom
verhindern kann. Vergleichsweise kam es in der Sonnenschutzgruppe zu keinen Neuerkrankungen
für das Plattenepithelkarzinom, während Patienten in der Kontrollgruppe 8 neue Plattenepithelkarzinome
im Studienzeitraum entwickelten (p < 0,05). Von den 60 Patienten in der Sonnenschutzgruppe
entwickelten 2 Patienten neue Basalzellkarzinome im Vergleich zu 9 Patienten in der
Kontrollgruppe. Obwohl dem Sonnenschutzmittel im Hinblick auf das Basalzellkarzinom
eine gewisse Schutzwirkung zugeschrieben werden kann, waren die Unterschiede zwischen
den Gruppen statistisch nicht signifikant [31]. Die Ergebnisse der Studie von Ulrich et al. [31] unterstreichen frühere Ergebnisse von Thompson et al. [26], Naylor et al. [27], Green et al. [30] und Darlington et al. [28] zur Schutzwirkung von Lichtschutzmitteln bei immunkompetenten Probanden.
Das maligne Melanom ist für 90 % aller durch Hauttumore verursachte Sterbefälle verantwortlich
[3]. Der wichtigste Risikofaktor für die Melanomentwicklung ist das Vorkommen von melanozytären
Nävi [33]
[34], deren Auftreten mit vermehrten Sonnenbränden und Sonnenexposition in der Kindheit
in Zusammenhang gebracht werden [35]. Für das Risiko der Nävusentwicklung fand sich auch eine hereditäre Komponente [36]. Die präventive Wirkung von Sonnenschutzmitteln ist im Hinblick auf das Entstehen
des malignen Melanoms noch weitgehend ungeklärt und widersprüchlich. Nicht-randomisierte
Studien konnten die wesentlichen Einflussgrößen auf den Zusammenhang zwischen der
Anwendung von Sonnenschutzmitteln und der Entwicklung von schwarzem Hautkrebs nicht
unterscheiden, da gefährdete hellhäutige oder sonnenexponierte Personen in der Regel
vermehrt Sonnenschutzmittel einsetzen [37]. In einer Studie mit 1812 Kindergartenkindern wurde gezeigt, dass bereits moderate
Sonnenexposition ohne Sonnenbrand die Entwicklung melanozytärer Nävi induzierte. Weder
die Verwendung von Sonnenschutzmitteln noch die Häufigkeit und Ausdehnung ihrer Anwendung
noch die Höhe des Lichtschutzfaktors der Sonnenschutzmittel zeigte in diesem Zusammenhang
eine relevante Schutzwirkung. Bei Kindern, deren Haut in den Sommerurlauben durch
Kleidung bedeckt wurde, konnte hingegen eine signifikante protektive Wirkung durch
den textilen Sonnenschutz nachgewiesen werden. Je mehr Kleidungsstücke angezogen wurden,
desto weniger melanozytäre Nävi entwickelten sich [38]. Demgegenüber führte Gallagher et al. [39] eine randomisierte 3-jährige Studie durch, um festzustellen, ob der Einsatz von
einem Sonnenschutzmittel mit einem Lichtschutzfaktor von 30 die Ausbildung melanozytärer
Nävi bei 309 weißen Schulkindern in Vancouver, British Columbia, reduzieren konnte.
Der Sonnenschutzgruppe wurden Sonnenschutzmittel zur Verfügung gestellt, und die Eltern
wurden instruiert, die exponierte Haut ihrer Kinder einzucremen, wenn sie der Sonne
mehr als 30 Minuten ausgesetzt sind. Die Kontrollgruppe erhielt kein Placebo und wurde
im Hinblick auf Sonnenschutz nicht formell aufgeklärt. Kinder in der Sonnenschutzgruppe
entwickelten weniger Nävi als Kinder in der Kontrollgruppe, wobei die Wirkung bei
Kindern mit Sommersprossen am deutlichsten war. In der Sonnenschutzgruppe entwickelten
die Kinder 30 bis 40 % weniger Nävi als die Kinder mit Sommersprossen in der Kontrollgruppe.
Viele Studien zur Anwendungsakzeptanz von Sonnenschutzmitteln zeigen bei den Verbrauchern
eine niedrige Compliance [40]
[41]
[42]. Die Produkte werden häufig gar nicht oder nur in unzureichender Menge und nicht
flächendeckend auftragen [43]
[44]
[45]
[46]. Wird zu wenig Sonnenschutzmittel appliziert, sinkt die Schutzwirkung dramatisch
[47]. Um einen optimalen Schutz zu gewährleisten, sollten Produkte etwa 30 Minuten vor
UV-Exposition und in ausreichender Menge auf der gesamten exponierten Haut flächendeckend
aufgetragen werden. Auch bei Sonnenschutzmitteln, die als wasserfest gekennzeichnet
sind, ist eine wiederholte Applikation nach dem Baden erforderlich, da sich durch
Wasserkontakt die Schutzwirkung vermindert [10]. Bauer et al. [48] konnten zeigen, dass bei Außenbeschäftigten neben dem Alter der Hauttyp, die Einstellung
zu gebräunter Haut, die Unterweisungen durch den Arbeitgeber und die Teilnahme am
Hautkrebsscreening einen signifikanten Einfluss auf das Sonnenschutzverhalten hat.
In einer 4-wöchigen Studie zur Akzeptanz und Handhabbarkeit eines Sonnenschutzgels
und einer Sonnenschutzmilch bei Außenarbeitern wurde die Milch wahrscheinlich aufgrund
der besser eingeschätzten Applizierbarkeit und Verteilbarkeit des flüssigeren Produkts
auf der sonnenexponierten Haut bevorzugt [46]. Ölige Produkte wurden besonders schlecht akzeptiert [45].
Schlussfolgerung
Obwohl die regelmäßige Anwendung von Sonnenschutzmitteln ein wesentlicher Bestandteil
in der Hauttumorprävention ist, schützen nur kombinierte Maßnahmen, die schon in frühster
Kindheit beginnen, langfristig gegen Hauttumore: Sonnenkarenz zur Zeit der stärksten
Sonneneinstrahlung, textiler Sonnenschutz, Aufenthalt im Schatten und die Anwendung
von Sonnenschutzmitteln [10]
[25].