Aktuelle Dermatologie 2018; 44(01/02): 49-52
DOI: 10.1055/s-0043-121206
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hautkrebsprävention und Sonnenschutzcreme: ein Update

Skin Cancer Prevention and Sunscreen: An Update
J. Lademann
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Department of Dermatology, Venerology and Allergology, Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
,
A. Patzelt
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Department of Dermatology, Venerology and Allergology, Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
,
L. Zastrow
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Department of Dermatology, Venerology and Allergology, Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
,
M. C. Meinke
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Department of Dermatology, Venerology and Allergology, Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
,
M. E. Darvin
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Department of Dermatology, Venerology and Allergology, Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
,
F. Knorr
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Department of Dermatology, Venerology and Allergology, Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dr.-Ing. Jürgen Lademann
Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1
10117 Berlin

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
09. Februar 2018 (online)

 

Zusammenfassung

In den letzten Jahren sind die Hautkrebsraten weltweit gestiegen. Die Anwendung von Sonnenschutzmitteln ist eine weit verbreitete Strategie in der Prävention gegen Hautkrebs, Sonnenbrand und Photoalterung. Es sollten kombinierte Breitbandfiltersysteme mit hoher Wirkung gegen UV-B- und UV-A-Strahlung eingesetzt werden. Weitere Studien sind notwendig, um die Entwicklung von Sonnenschutzmitteln gegen die ebenfalls schädlichen IRA-Strahlen voranzutreiben. Obwohl die regelmäßige Anwendung von Sonnenschutzmitteln ein wesentlicher Bestandteil in der Hautkrebsprävention ist, sollten insbesondere bei Kindern kombinierte Schutzmaßnahmen angewendet werden: Sonnenkarenz bei starker Sonneneinstrahlung, textiler Sonnenschutz, Aufenthalt im Schatten und die Anwendung von Sonnenschutzmitteln.


Abstract

Skin cancer rates have been increasing worldwide over the last years. The use of sunscreen is a widely implemented strategy in the prevention against skin cancer, sunburn and photoaging. Combined broadband filter systems with a high efficacy against UV-A and UV-B radiation should be used. Further studies are necessary to promote the development of sunscreens that protect against the likewise harmful IRA radiation. Even though the regular use of sunscreen is a key component in skin cancer prevention, combined protection measures particularly in children should include: avoiding high intensity sun, textile sun protection, staying in the shade and the use of sunscreens.


Einleitung

Die Tumore der Haut – das maligne Melanom der Haut („schwarzer Hautkrebs“) sowie die epithelialen Hautkrebsformen, wie das Plattenepithelkarzinom und das Basalzellkarzinom („weißer Hautkrebs“) – stehen mit mehr als 200 000 Neuerkrankungen pro Jahr an der Spitze der gemeldeten Krebserkrankungen in Deutschland [1]. Insbesondere das maligne Melanom hat in den letzten drei Jahrzehnten seine Häufigkeit etwa vervierfacht [2] [3]. In Europa beträgt die jährliche Neuerkrankungsrate für das Plattenepithelkarzinom rund 30 Fälle pro 100 000 Personen und für das Basalzellkarzinom ca. 50 – 130 Fälle pro 100 000 Personen [4]. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Schutz vor UV-Strahlung das Risiko für die Entstehung von Hautkrebs [5] [6], prämalignen aktinischen Keratosen [7] sowie für das Auftreten der Photoalterung [8] eindeutig verringert. Insbesondere die prämaligne aktinische Keratose, das Plattenepithelkarzinom und das Basalzellkarzinom treten vorwiegend an sonnenexponierten Körperarealen auf [9]. Die weiße Bevölkerung ist für die Hautkrebsentstehung besonders prädisponiert, während die afrikanischen und asiatischen Populationen unter Einfluss von Sonneneinstrahlung einen starken Pigmentschutz entwickeln, der akute Sonnenbrände und chronische Hautschäden verhindert [10]. Die steigenden Hautkrebsraten sind vor dem Hintergrund eines veränderten Freizeitverhaltens und dem Wunsch nach gebräunter Haut [11] sowie durch die verstärkte Sonneneinstrahlung aufgrund der über lange Zeit erfolgten, aktuell jedoch wieder rückläufigen Ozonabnahme zu sehen. Zusätzlich korreliert die steigende Lebenserwartung in den Industrieländern mit einer kumulativen UV-Belastung [7].


Hautkrebsprävention und Sonnenschutzcreme

Die Anwendung von Sonnenschutzmitteln ist eine weit verbreitete und akzeptierte Strategie der Primärprävention gegen Hautkrebs [12], Sonnenbrand und Photoalterung [13]. Um einen optimalen Lichtschutz durch Sonnenschutzmittel zu erreichen, müssen kombinierte Breitbandfiltersysteme mit hoher Wirkung gegen UV-B- (280 – 315 nm) und UV-A-Strahlung (315 – 400 nm) eingesetzt werden [14]. Neuere Untersuchungen in menschlichen Hautzellen, ex vivo Human- und Schweinehaut und in vivo in der Maus und am Menschen, belegen, dass auch die IRA-Strahlung (780 – 1600 nm) zur aktinischen Schädigung der Haut beiträgt [15] [16] [17].

IR-Strahlung erhöht die Temperatur der Haut, sodass sogenannte Hitzeschockradikale in der Haut gebildet werden. Die unterschiedlichen Signalwege der IR-induzierten Radikale und IR-induzierten Hitzeschockradikale agieren dabei unabhängig voneinander. Durch die Erhöhung der Intensität der IR-Strahlung und/oder der Temperatur kommt es zu einer deutlichen Erhöhung der Konzentration der freien Radikale insgesamt [18]. In einer randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie konnte die Wirksamkeit eines mit Antioxidantien supplementierten Sonnenschutzmittels gegen kurzwellige IRA-induzierte Hautschäden deutlich gezeigt werden [19] [20]. Es sind jedoch weitere Studien notwendig, um das zukünftige Vorgehen bei der Entwicklung von Sonnenschutzmitteln gegen IRA-Strahlen zu standardisieren. Auch im sichtbaren Strahlungsbereich (400 – 780 nm) erfolgt die Erzeugung von freien Radikalen [21] [22], sodass prinzipiell auch in diesem Wellenlängenbereich Schutzmaßnahmen geboten sind [23] [24].

Eine Studienübersicht beim Menschen zur Reduktion von chronischen Lichtschäden, aktinischen Keratosen und epithelialen Tumoren durch Lichtschutzmittel wurde von Iannacone et al. [25] zusammengefasst. Die regelmäßige Applikation konnte bei den untersuchten Probanden die Inzidenz für die prämaligne aktinische Keratose [26] [27] [28] [29] und das Plattenepithelkarzinom, aber nicht die des Basalzellkarzinoms [30] merklich reduzieren. Vorhandene aktinische Keratosen konnten sogar zur Abheilung gebracht werden [31]. Bei 120 immunsupprimierten Organempfängern, die insgesamt ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Hautkrebs zu erkranken [32], führte die tägliche Anwendung eines liposomalen Sonnenschutzmittels mit Lichtschutzfaktor 50+ zu einer signifikant niedrigeren Neuerkrankungsrate für die aktinische Keratose. Es konnte sogar eine Rückbildung aktinischer Läsionen im Vergleich zur Kontrollgruppe, die Sonnenschutz nach eigener Einschätzung verwenden konnten, erreicht werden. Das ist medizinisch von großer Bedeutung, da die erfolgreiche Prävention und Behandlung der prämalignen aktinischen Keratose das Fortschreiten zum invasiven Plattenepithelkarzinom verhindern kann. Vergleichsweise kam es in der Sonnenschutzgruppe zu keinen Neuerkrankungen für das Plattenepithelkarzinom, während Patienten in der Kontrollgruppe 8 neue Plattenepithelkarzinome im Studienzeitraum entwickelten (p < 0,05). Von den 60 Patienten in der Sonnenschutzgruppe entwickelten 2 Patienten neue Basalzellkarzinome im Vergleich zu 9 Patienten in der Kontrollgruppe. Obwohl dem Sonnenschutzmittel im Hinblick auf das Basalzellkarzinom eine gewisse Schutzwirkung zugeschrieben werden kann, waren die Unterschiede zwischen den Gruppen statistisch nicht signifikant [31]. Die Ergebnisse der Studie von Ulrich et al. [31] unterstreichen frühere Ergebnisse von Thompson et al. [26], Naylor et al. [27], Green et al. [30] und Darlington et al. [28] zur Schutzwirkung von Lichtschutzmitteln bei immunkompetenten Probanden.

Das maligne Melanom ist für 90 % aller durch Hauttumore verursachte Sterbefälle verantwortlich [3]. Der wichtigste Risikofaktor für die Melanomentwicklung ist das Vorkommen von melanozytären Nävi [33] [34], deren Auftreten mit vermehrten Sonnenbränden und Sonnenexposition in der Kindheit in Zusammenhang gebracht werden [35]. Für das Risiko der Nävusentwicklung fand sich auch eine hereditäre Komponente [36]. Die präventive Wirkung von Sonnenschutzmitteln ist im Hinblick auf das Entstehen des malignen Melanoms noch weitgehend ungeklärt und widersprüchlich. Nicht-randomisierte Studien konnten die wesentlichen Einflussgrößen auf den Zusammenhang zwischen der Anwendung von Sonnenschutzmitteln und der Entwicklung von schwarzem Hautkrebs nicht unterscheiden, da gefährdete hellhäutige oder sonnenexponierte Personen in der Regel vermehrt Sonnenschutzmittel einsetzen [37]. In einer Studie mit 1812 Kindergartenkindern wurde gezeigt, dass bereits moderate Sonnenexposition ohne Sonnenbrand die Entwicklung melanozytärer Nävi induzierte. Weder die Verwendung von Sonnenschutzmitteln noch die Häufigkeit und Ausdehnung ihrer Anwendung noch die Höhe des Lichtschutzfaktors der Sonnenschutzmittel zeigte in diesem Zusammenhang eine relevante Schutzwirkung. Bei Kindern, deren Haut in den Sommerurlauben durch Kleidung bedeckt wurde, konnte hingegen eine signifikante protektive Wirkung durch den textilen Sonnenschutz nachgewiesen werden. Je mehr Kleidungsstücke angezogen wurden, desto weniger melanozytäre Nävi entwickelten sich [38]. Demgegenüber führte Gallagher et al. [39] eine randomisierte 3-jährige Studie durch, um festzustellen, ob der Einsatz von einem Sonnenschutzmittel mit einem Lichtschutzfaktor von 30 die Ausbildung melanozytärer Nävi bei 309 weißen Schulkindern in Vancouver, British Columbia, reduzieren konnte. Der Sonnenschutzgruppe wurden Sonnenschutzmittel zur Verfügung gestellt, und die Eltern wurden instruiert, die exponierte Haut ihrer Kinder einzucremen, wenn sie der Sonne mehr als 30 Minuten ausgesetzt sind. Die Kontrollgruppe erhielt kein Placebo und wurde im Hinblick auf Sonnenschutz nicht formell aufgeklärt. Kinder in der Sonnenschutzgruppe entwickelten weniger Nävi als Kinder in der Kontrollgruppe, wobei die Wirkung bei Kindern mit Sommersprossen am deutlichsten war. In der Sonnenschutzgruppe entwickelten die Kinder 30 bis 40 % weniger Nävi als die Kinder mit Sommersprossen in der Kontrollgruppe.

Viele Studien zur Anwendungsakzeptanz von Sonnenschutzmitteln zeigen bei den Verbrauchern eine niedrige Compliance [40] [41] [42]. Die Produkte werden häufig gar nicht oder nur in unzureichender Menge und nicht flächendeckend auftragen [43] [44] [45] [46]. Wird zu wenig Sonnenschutzmittel appliziert, sinkt die Schutzwirkung dramatisch [47]. Um einen optimalen Schutz zu gewährleisten, sollten Produkte etwa 30 Minuten vor UV-Exposition und in ausreichender Menge auf der gesamten exponierten Haut flächendeckend aufgetragen werden. Auch bei Sonnenschutzmitteln, die als wasserfest gekennzeichnet sind, ist eine wiederholte Applikation nach dem Baden erforderlich, da sich durch Wasserkontakt die Schutzwirkung vermindert [10]. Bauer et al. [48] konnten zeigen, dass bei Außenbeschäftigten neben dem Alter der Hauttyp, die Einstellung zu gebräunter Haut, die Unterweisungen durch den Arbeitgeber und die Teilnahme am Hautkrebsscreening einen signifikanten Einfluss auf das Sonnenschutzverhalten hat. In einer 4-wöchigen Studie zur Akzeptanz und Handhabbarkeit eines Sonnenschutzgels und einer Sonnenschutzmilch bei Außenarbeitern wurde die Milch wahrscheinlich aufgrund der besser eingeschätzten Applizierbarkeit und Verteilbarkeit des flüssigeren Produkts auf der sonnenexponierten Haut bevorzugt [46]. Ölige Produkte wurden besonders schlecht akzeptiert [45].


Schlussfolgerung

Obwohl die regelmäßige Anwendung von Sonnenschutzmitteln ein wesentlicher Bestandteil in der Hauttumorprävention ist, schützen nur kombinierte Maßnahmen, die schon in frühster Kindheit beginnen, langfristig gegen Hauttumore: Sonnenkarenz zur Zeit der stärksten Sonneneinstrahlung, textiler Sonnenschutz, Aufenthalt im Schatten und die Anwendung von Sonnenschutzmitteln [10] [25].



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Dr.-Ing. Jürgen Lademann
Center of Experimental and Applied Cutaneous Physiology (CCP)
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1
10117 Berlin