Z Gastroenterol 2017; 55(12): 1344-1498
DOI: 10.1055/s-0043-121106
Leitlinie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

S3-Leitlinie – Kolorektales Karzinom

Langversion 2.0 – November 2017–AWMF-Registernummer: 021/007OL
Wolff Schmiegel
1   Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus, Medizinische Universitätsklinik und Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Gastroenterologie und Hepatologie, Bochum
,
Barbara Buchberger
2   Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen
,
Markus Follmann
3   Office des Leitlinienprogramms Onkologie, Berlin
,
Ullrich Graeven
4   Kliniken Maria Hilf GmbH, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Mönchengladbach
,
Volker Heinemann
5   Klinikum Großhadern, III. Medizinische Klinik Hämatologie und Onkologie, München
,
Thomas Langer
3   Office des Leitlinienprogramms Onkologie, Berlin
,
Monika Nothacker
6   AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., Berlin
,
Rainer Porschen
7   Klinikum Bremen-Ost, Klinik für Innere Medizin, Bremen
,
Claus Rödel
8   Universitätsklinikum Johann Wolfgang Goethe Universität, Klinik für Strahlentherapie und Onkologie, Frankfurt
,
Thomas Rösch
9   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für interdisziplinäre Endoskopie, Hamburg
,
Wolfgang Schmitt
10   Klinikum Neuperlach, Klinik für Gastroenterologie, München
,
Simone Wesselmann
11   Deutsche Krebsgesellschaft, Berlin
,
Christian Pox***
12   St. Joseph-Stift Bremen, Medizinische Klinik, Bremen
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. W. Schmiegel
Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus
In der Schornau 23–25
44892 Bochum

Publication History

Publication Date:
06 December 2017 (online)

 

1. Informationen zu dieser Leitlinie

1.1. Herausgeber

Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und Deutschen Krebshilfe


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1.2. Federführende Fachgesellschaft

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)


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1.3. Finanzierung der Leitlinie

Diese Leitlinie wurde von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Onkologischen Leitlinienprogramms gefördert.


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1.4. Kontakt

Leitlinienprogramm Onkologie Office
c/o Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
Kuno-Fischer-Str. 8
14 057 Berlin
leitlinienprogramm@krebsgesellschaft.de
www.leitlinienprogramm-onkologie.de


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1.5. Zitierweise

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Langversion 2.0, 2017, AWMF-Registrierungsnummer: 021/007OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/ [Stand: TT.MM.JJJJ]


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1.6. Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zurzeit der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollen bitte im allgemeinen Interesse der OL-Redaktion mitgeteilt werden.

Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In dieser Leitlinie sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Bestimmung des Urhebergesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Leitlinienprogramms Onkologie (OL) unzulässig und strafbar. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des OL reproduziert werden. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Nutzung und Verwertung in elektronischen Systemen, Intranets und dem Internet.


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1.7. Ziele des Leitlinienprogramms Onkologie

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V., die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem Leitlinienprogramm Onkologie (OL) das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung und Fortschreibung und den Einsatz wissenschaftlich begründeter und praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen. Die Basis dieses Programms beruht auf den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen der Fachgesellschaften und der DKG, dem Konsens der medizinischen Fachexperten, Anwender und Patienten sowie auf dem Regelwerk für die Leitlinienerstellung der AWMF und der fachlichen Unterstützung und Finanzierung durch die Deutsche Krebshilfe. Um den aktuellen Stand des medizinischen Wissens abzubilden und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen, müssen Leitlinien regelmäßig überprüft und fortgeschrieben werden. Die Anwendung des AWMF-Regelwerks soll hierbei Grundlage zur Entwicklung qualitativ hochwertiger onkologischer Leitlinien sein. Da Leitlinien ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements in der Onkologie darstellen, sollten sie gezielt und nachhaltig in den Versorgungsalltag eingebracht werden. So sind aktive Implementierungsmaßnahmen und auch Evaluationsprogramme ein wichtiger Bestandteil der Förderung des Leitlinienprogramms Onkologie. Ziel des Programms ist es, in Deutschland professionelle und mittelfristig finanziell gesicherte Voraussetzungen für die Entwicklung und Bereitstellung hochwertiger Leitlinien zu schaffen. Denn diese hochwertigen Leitlinien dienen nicht nur dem strukturierten Wissenstransfer, sondern können auch in der Gestaltung der Strukturen des Gesundheitssystems ihren Platz finden. Zu erwähnen sind hier evidenzbasierte Leitlinien als Grundlage zum Erstellen und Aktualisieren von Disease-Management-Programmen oder die Verwendung von aus Leitlinien extrahierten Qualitätsindikatoren im Rahmen der Zertifizierung von Organtumorzentren.


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1.8. Verfügbare Dokumente zur Leitlinie und Implementierung

Bei diesem Dokument handelt es sich um die Langversion der S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, welche über die folgenden Seiten zugänglich ist:

Darüber hinaus wird die Langversion dieser Leitlinie in der Zeitschrift für Gastroenterologie veröffentlicht werden.

Neben der Langversion gibt es folgende ergänzende Dokumente zu dieser Leitlinie:

  • Kurzversion

  • drei Laienversionen (Patientenleitlinien) zu den Themen Früherkennung, frühes Stadium und fortgeschrittenes Stadium (werden derzeit aktualisiert)

  • Leitlinienreport

  • englische Version (wird derzeit aktualisiert)

  • separate Evidenzberichte bzw. Publikationen (Vorsorge, Früherkennung, präoperative Diagnostik, Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung und in der palliativen Situation: Analyse, Einsatz von Angiogenesehemmern und anti-EGFR-Antikörpern bei Patienten mit metastasiertem KRK)

Alle diese Dokumente werden ebenfalls auf den oben genannten Homepages abrufbar sein.


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1.9. Zusammensetzung der Leitliniengruppe

1.9.1. Koordination und Redaktion

Prof. Dr. Wolff Schmiegel (Bochum) und PD Dr. Christian Pox (Bremen)

Leitliniensekretariat: Jutta Thurn (Bochum)


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1.9.2. Beteiligte Fachgesellschaften und Autoren

In [Tab. 1] sind die an der Ersterstellung und Aktualisierung beteiligten Fachgesellschaften und anderen Organisationen sowie die jeweils benannten Fachexperten/Fachexpertinnen aufgelistet. In [Tab. 2] sind die Mitglieder der jeweiligen Arbeitsgruppen aufgelistet.

Tab. 1

Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen.

Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen

Mandatsträger/beteiligte Experten

Arbeitsgemeinschaft „Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin“ in der DKG (ASORS)

J. Körber*, R. Caspari (Vertr.)***, H. Link*

Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT)

H. Barlag***

Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie in der DKG (PSO)

P. Heußner

Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie in der DKG (AIO)

M. Geissler***, R.-D. Hofheinz***, S. Stintzing***, V. Heinemann***, D. Arnold***, S. Hegewisch-Becker***, C.-H. Köhne***

Arbeitsgemeinschaft Konferenz Onkologische Kranken- und Kinderkrankenpflege in der DKG (KOK)

M. Landenberger*

Arbeitsgemeinschaft Onkologische Pathologie in der DKG (AOP)

G. Baretton*

Arbeitsgemeinschaft Onkologische Pharmazie in der DKG (OPH)

M. Höckel***

Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Medizin in der Onkologie in der DKG (PRIO)

J. Hübner**

Arbeitsgemeinschaft Radiologische Onkologie in der DKG (ARO)

H. A. Wolff***

Arbeitsgemeinschaft Bildgebung und Radioonkologie in der DKG (ABO)

J. Menke***

Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng)

A. Theilmeier*, B. Bokemeyer**

Bundesverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO)

M. J. Eckart***

Bundesverband Deutscher Pathologen (BDP)

C. Wittekind**

Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Colo-Proktologie in der DGAV (CACP)

S. Post**

Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Minimal Invasive Chirurgie in der DGAV (CAMIC)

M. Walz**

Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Onkologie in der DGAV (CAO-V)

H.-R. Raab***, H. Lang*, J. Weitz**, M. Sailer**

Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Onkololgie in der DKG (CAO)

C. T. Germer***

Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)

A. Glitsch***, C. T. Germer***, W. Hohenberger**, M. Anthuber**, W. Bechstein**, K-W. Jauch**, K-H. Link**, H-R. Raab**

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

J.-F. Chenot***, G. Egidi (Vertr)***

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)

W. Hohenberger***, H.-R. Raab***

Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)

S. C. Bischoff**, J. Ockenga**,
W. Scheppach**

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO)

M. Geissler***, R.-D. Hofheinz***,
S. Stintzing***, V. Heinemann***,
D. Arnold***, S. Hegewisch-Becker***, C.-H. Köhne***,
M. Heike**, T. Höhler**

Deutsche Gesellschaft für Humangenetik (GfH)

N. Rahner**, J. Epplen**

Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)

T. Seufferlein***, J.F. Riemann**

Deutsche Gesellschaft für interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR)

P. L. Pereira***

Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL)

S. Holdenrieder***, M. Neumaier*** C. Wagener**

Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie (DGK)

W. Hohenberger***

Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN)

H. Amthauer***, K. Scheidhauer**, H. Ahmadzadehfar***

Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP)

A. Tannapfel*, A. Jung***, T. Kirchner*, P. Schirmacher***, G. Baretton*, C. Wittekind**

Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)

C. Rödel*, W. Budach***, H. Schmidberger***, R. Sauer**

Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)

J. Körber***

Deutsche Gesellschaft Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)

R. Kiesslich***, W. Schmitt***, F. Kolligs*, H. Neuhaus***, C. Pox*, T. Rösch***, J. Trojan***, R. Porschen*, G. Folprecht***, U. Graeven*, M. Ebert***, W. Schmiegel*, T. Seufferlein***, J.F. Riemann**, S. C. Bischoff**, J. Ockenga**, W. Scheppach**, A. Sieg**, K. Schulmann**, B. Bokemeyer**, U. Melle**, A. Reinacher-Schick**, A. Holstege**

Deutsche Morbus Crohn/Colitis Ulcerosa Vereinigung (DCCV)

C. Witte**

Deutsche Röntgengesellschaft (DRG)

A. Schreyer***, T. J. Vogl*, C. Stroszczynski (Vertr)***, H-J. Brambs**, P. L. Pereira**

Deutscher Hausärzteverband (HÄV)

P. Engeser**

Eingeladene Fachexperten (ohne Stimmrecht)

H.Brenner**, P. Lux**

Felix-Burda-Stiftung

C. Maar**

Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA)

S. Ludt**

Stiftung Lebensblicke

J.F. Riemann**

Vereinigung für Stomaträger und für Menschen mit Darmkrebs (Deutsche ILCO)

M. Hass*

Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung in der BRD (ZI)

L. Altenhofen**

Zeitraum der Beteiligung: * = 2011 – 2017 (Version 1 und 2); ** = 2011 – 2012 (Version 1); *** = 2013 – 2017 (Version 2).

Tab. 2

Mitglieder der Arbeitsgruppen.

Arbeitsgruppe

Mitglieder der Arbeitsgruppe (AG-Leiter fett markiert)

Kapitel 3: Prävention asymptomatische Bevölkerung

J.F. Riemann, S. C. Bischoff, F. Kolligs, J. Ockenga, W. Scheppach

Kapitel 4: Früherkennung/Vorsorge asymptomatische Bevölkerung

C. Pox, A. Sieg, L. Altenhofen, H-J. Brambs, H. Brenner, P. Engeser, A. Theilmeier

Kapitel 5: Risikogruppen

N. Rahner, K. Schulmann, G. Baretton, B. Bokemeyer, J. Epplen, U. Melle, R. Porschen, J. Weitz, C. Witte

Kapitel 6: Endoskopie: Durchführung und Polypenmanagement

T. Rösch, W. Schmitt, G. Baretton, A. Glitsch, R. Kiesslich, F. Kolligs, H. Neuhaus, C. Pox, A. Schreyer, A. Tannapfel, A. Theilmeier, J. Trojan

Kapitel 7: Präoperative Diagnostik und Chirurgie

W. Hohenberger, S. Post, M. Anthuber, W. Bechstein, U. Graeven, M. Hass, M. Heike, K-W. Jauch, T. Kirchner, H. Lang, K-H. Link, P. Pereira, H-R. Raab, A. Reinacher-Schick, C. Rödel, M. Sailer, R. Sauer, K. Scheidhauer, A. Tannapfel, T. Vogl, C. Wagener, M. Walz, C. Wittekind

Kapitel 8: Adjuvante und neoadjuvante Therapie

C. Rödel, R. Porschen, W. Budach, G. Folprecht, M. Geissler, R.-D. Hofheinz, W. Hohenberger, S. Holdenrieder, J. Körber, J. Menke, H.-R. Raab, H. Schmidberger, S. Stintzing

Kapitel 9: Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung und in der palliativen Situation

V. Heinemann, U. Graeven, H. Amthauer, D. Arnold, R. Caspari, J.-F. Chenot, M. Ebert, M. J. Eckart, G. Egidi, C. T. Germer, M. Hass, S. Hegewisch-Becker, M. Höckel, A. Jung, T. Kirchner, C.-H. Köhne, M. Landenberger, H. Lang, H. Link, M. Neumaier, P. L. Pereira, P. Schirmacher, W. Schmiegel, T. Seufferlein, C. Stroszczynski, T. J. Vogl, H. A. Wolff

Kapitel 10: Nachsorge

A. Holstege, P. Heußner, T. Höhler, J. Hübner, J. Körber, M. Landenberger, H. Link

Qualitätsindikatoren

S. Wesselmann, T. Langer, H. Ahmadzadehfar, D. Arnold, G. Baretton, H. Barlag, M. Ebert, M. Hass, V. Heinemann, W. Hohenberger, T. Kirchner, C.H. Köhne, F. Kolligs, M. Nothacker

Darüber hinaus wurde die Aktualisierung der Leitlinie 2017 in Zusammenarbeit mit der DGP (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin) vorgenommen.


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1.9.3. Patientenbeteiligung

Die Leitlinie wurde unter direkter Beteiligung von Patientenvertretern erstellt. Frau Maria Hass (Deutsche ILCO) sowie C. Witte (DCCV) waren an der Aktualisierung der Leitlinie beteiligt und nahmen mit eigenem Stimmrecht an den Konsensuskonferenzen teil.


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1.9.4. Methodische Begleitung

durch das Leitlinienprogramm Onkologie

  • Prof. Dr. Ina Kopp (AWMF), Marburg (2011/2012)

  • Dr. Monika Nothacker, MPH (AWMF), Berlin (2013 – 2017)

  • Dr. Markus Follmann, MPH MSc (DKG), Berlin (2011 – 2017)

  • Dipl.-Soz.Wiss. Thomas Langer (DKG), Berlin (2013 – 2017)

Durch externe Auftragnehmer:

  • Dr. Barbara Buchberger (Literaturrecherche und Qualitätsbewertung)

  • Dr. med. Simone Wesselmann, MBA (Aktualisierung der Qualitätsindikatoren)


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1.10. Verwendete Abkürzungen

Abkürzung

Erläuterung

AFAP

Attenuierte FAP

ADR

Adenomdetektionsrate

AHB

Anschlussheilbehandlung

ASS

Acetylsalicylsäure

AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

BMI

Body-Mass-Index

BSC

Best supportive Care

CEA

Karzinoembryonales Antigen

CT

Computer-Tomografie

CTC

CT-Kolonografie

CU

Colitis Ulcerosa

DGE

Deutsche Gesellschaft für Ernährung

EMR

Endoskopische Mukosaresektion

ESD

Endoskopische Submukosadissektion

FAP

Familiäre Adenomatöse Polyposis

FICE

Fujinon Intelligent Colour Enhancement

FOBT

Fäkaler Okkulter Bluttest

FS

Folinsäure

HNPCC

Hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis

IEN

Intraepitheliale Neoplasie

iFOBT/FIT

Immunologischer FOBT

IHC

Immunhistochemische Untersuchung

KRK

Kolorektales Karzinom

LITT

Laserinduzierte interstitielle Thermotherapie

LL

Leitlinie

MAP

MUTYH-assoziierte Polyposis

MMR

Mismatch-repair Gen

MSA

Mikrosatellitenanalyse

MSCT

Mehrzeilen-CT

MSI

Mikrosatelliteninstabilität

MSI-H

Mikrosatelliteninstabilität hoch (high)

MSI-L

Mikrosatelliteninstabilität gering (low)

MSS

Mikrosatellitenstabilität

NBI

Narrow Band Imaging

ÖGD

Ösophagogastroduodenoskopie

OL

Leitstelle Onkologie der DKG

OR

Odds Ratio

ORR

Overall response rate

PCI

Peritoneal cancer index

PET

Positron Emission Tomography

PJS

Peutz-Jeghers-Syndrom

PSC

Primär sklerosierende Cholangitis

RCT

Randomisierte kontrollierte Studie

RFA

Radiofrequenzablation

RR

Relatives Risiko

RT

Radiotherapie

SIRT

Selective Internal Radiation Therapy

SR

Systematische Übersichtsarbeit

SSA

Sessiles serratiertes Adenom

TME

Totale Mesorektumexzision

TSA

Traditionelles serratiertes Adenom

WHO

Weltgesundheitsorganisation


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2. Einführung

2.1 Geltungsbereich und Zweck

2.1.1. Zielsetzung und Fragestellung

Das Kolorektale Karzinom (KRK) ist mit etwa 64 000 Neuerkrankungen und ca. 26 000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland einer der häufigsten malignen Tumoren. 1999 wurde erstmalig von der DGVS in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft eine S3-Leitlinie für das KRK veröffentlicht, die flächendeckend eine standardisiert hochwertige Patientenversorgung auf dem Boden evidenzbasierter Medizin erreichen sollte. Inzwischen ist auch eine europäische Leitlinie zum Kolorektalen Karzinom veröffentlicht worden. Die Leitlinienkommission sah die Notwendigkeit einer Spezifizierung aufgrund der ungleichen Gesundheitssysteme und Versorgungsstandards in den europäischen Ländern. Diese hier vorliegende deutsche Leitlinie deckt gegenüber der europäischen Leitlinie weitere Teilbereiche ab und ist bestrebt, alle auf Deutschland bezogenen Fragestellungen zu berücksichtigen.

Die Leitlinie ist in acht Themenkomplexe (TK) gegliedert:

  • TK I: Prävention asymptomatische Bevölkerung (siehe Kapitel 3)

  • TK II: Früherkennung/Vorsorge asymptomatische Bevölkerung (siehe Kapitel 4)

  • TK III: Risikogruppen (siehe Kapitel 5)

  • TK IV: Endoskopie: Durchführung und Polypenmanagement (siehe Kapitel 6)

  • TK V: Präoperative Diagnostik und Chirurgie (siehe Kapitel 7)

  • TK VI: Adjuvante und neoadjuvante Therapie (siehe Kapitel 8)

  • TK VII: Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung und in der palliativen Situation (siehe Kapitel 9)

  • TK VIII: Nachsorge (siehe Kapitel 10)

Um die Empfehlungen auf dem neuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse zu halten, wird die Leitlinie seitdem in enger Zusammenarbeit mit der AWMF regelmäßig aktualisiert (2004 komplett, 2008 die Themenkomplexe IV, VI und VII und 2011/2012 die Themenkomplexe I, II, III, V und VIII sowie einzelne Abschnitte aus IV, VI und VII). Die aktuelle Überarbeitung betrifft die Themenkomplexe IV, VI und VII.

Im Aktualisierungsprozess 2017 legte die Leitliniengruppe fest, dass u. a. zu folgenden Fragen Stellung genommen werden sollte:

  • Wann sollte nach Abtragung von sessilen serratierten Adenomen eine Kontrollkoloskopie erfolgen?

  • Wann sollte nach Abtragung von 1 oder 2 Adenomen < 1 cm ohne höhergradige intraepitheliale Neoplasie eine Kontrollkoloskopie erfolgen?

  • Bis zu welchem zeitlichen Abstand nach einer Operation eines Kolonkarzinoms sollte eine adjuvante Chemotherapie begonnen werden?

  • Welcher Patient mit einem Rektumkarzinom sollte neoadjuvant behandelt werden?

  • Besteht eine Indikation für eine adjuvante Chemotherapie nach neoadjuvanter Therapie des Rektumkarzinoms?

  • Wie ist der Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie nach R0-Resektion von Lebermetastasen?

  • Wie ist der Nutzen einer Kombinationstherapie mit einem EGFR-Antikörper bzw. mit einem VEGF-pathway-Inhibitor in der Firstline-Therapie?

Entsprechend dieser Fragestellungen wurden alle Empfehlungen auf Aktualität überprüft und gegebenenfalls nach Literaturrecherchen überarbeitet.


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2.1.2. Adressaten

Diese Leitlinie richtet sich vorrangig an Ärztinnen und Ärzte, die in der Prävention und Behandlung des KRK im ambulanten und stationären Sektor tätig sind.

Darüber hinaus soll sie Kooperationspartner der Ärzteschaft (Fachbereiche im Gesundheitswesen), Berufsverbänden, Patienten- und Selbsthilfeorganisationen, Qualitätssicherungseinrichtungen und -projekte auf Bundes- und Länderebene (z. B. KoQK, ADT, IQWiG, GEKID, IQTIG), gesundheitspolitische Einrichtungen und Entscheidungsträger auf Bundes- und Länderebene, Zertifizierungseinrichtungen (z. B. OnkoZert), Kostenträger, sowie die (Fach-) Öffentlichkeit zur Information über gute medizinische Vorgehensweise dienen.


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2.1.3. Gültigkeitsdauer und Aktualität

Die S3-Leitlinie ist bis zur nächsten Aktualisierung gültig. Die Gültigkeitsdauer der Leitlinie wird auf 5 Jahre geschätzt. Vorgesehen sind regelmäßige Aktualisierungen der gesamten Leitlinie, bei dringendem Änderungsbedarf können einzelne Empfehlungen/Themen überarbeitet werden.

In den Empfehlungskästen ist jeweils das Datum der letzten Überarbeitung (2008, 2013 oder 2017) aufgeführt.

Kommentare und Hinweise für den Aktualisierungsprozess sind ausdrücklich erwünscht und können an das Leitliniensekretariat adressiert werden:

Leitlinienkoordination: PD Dr. Christian P. Pox
Leitliniensekretariat
Medizinische Klinik der Ruhr-Universität Bochum
Knappschaftskrankenhaus
In der Schornau 23 – 25
44 892 Bochum
meduni-kkh@rub.de


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2.2. Grundlagen der Methodik

Das methodische Vorgehen richtete sich nach dem AWMF-Regelwerk (http://www.awmf-leitlinien.de) und ist im Leitlinienreport zu dieser Leitlinie dargelegt.

2.2.1. Schema der Evidenzgraduierung nach Oxford

Zur Klassifikation des Verzerrungsrisikos der identifizierten Studien wurde in dieser Leitlinie das in [Tab. 3] aufgeführte System des Oxford Centre for Evidence-based Medicine in der Version von 2009 (verfügbar unter www.cebm.net) verwendet. Dieses System sieht die Klassifikation der Studien für verschiedene klinische Fragestellungen (Nutzen von Therapie, prognostische Aussagekraft, diagnostische Wertigkeit) vor.

Tab. 3

Schema der Evidenzgraduierung nach Oxford (Version 2009).

Level

Therapy /Prevention, Aetiology/Harm

Prognosis

Diagnosis

Differential diagnosis/symptom prevalence study

Economic and decision analyses

1a

SR (with homogeneity) of RCTs

SR (with homogeneity) inception cohort studies; CDR validated in different populations

SR (with homogeneity) of Level 1 diagnostic studies; CDR with 1b studies from different clinical centers

SR (with homogeneity) of prospective cohort studies

SR (with homogeneity) of Level 1economic studies

1b

Individual RCT (with narrow Confidence Interval)

Individual inception cohort study with > 80 % follow-up; CDR validated in a single population

Validating cohort study with good reference standards; or CDR tested within one clinical centre

Prospective cohort study with good follow-up

Analysis based on clinically sensible costs or alternatives; systematic review(s) of the evidence; and including multi-way sensitivity analyses

1c

All or none§

All or none case-series

Absolute SpPins and SnNouts” “

All or none case-series

Absolute better-value or worse-value analyses ” ” ” “

2a

SR (with homogeneity) of cohort studies

SR (with homogeneity) of either retrospective cohort studies or untreated control groups in RCTs

SR (with homogeneity) of Level > 2 diagnostic studies

SR (with homogeneity) of Level 2b and better studies

SR (with homogeneity) of Level > 2 economic studies

2b

Individual cohort study (including low quality RCT; e. g., < 80 % follow-up)

Retrospective cohort study or follow-up of untreated control patients in an RCT; Derivation of CDR or validated on split-sample only

Exploratory cohort study with good reference standards; CDR after derivation, or validated only on split-sample or databases

Retrospective cohort study, or poor follow-up

Analysis based on clinically sensible costs or alternatives; limited review(s) of the evidence, or single studies; and including multi-way sensitivity analyses

2c

“Outcomes” Research; Ecological studies

“Outcomes” Research

Ecological studies

Audit or outcomes research

3a

SR (with homogeneity) of case-control studies

SR (with homogeneity) of 3b and better studies

SR (with homogeneity) of 3b and better studies

SR (with homogeneity) of 3b and better studies

3b

Individual Case-Control Study

Non-consecutive study; or without consistently applied reference standards

Non-consecutive cohort study; or very limited population

Analysis based on limited alternatives or costs, poor quality estimates of data, but including sensitivity analyses incorporating clinically sensible variations

4

Case-series (and poor quality cohort and case-control studies)

Case-series (and poor quality prognostic cohort studies)

Case-control study, poor or non-independent reference standard

Case-series or superseded reference standards

Analysis with no sensitivity analysis

5

Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or “first principles”

Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or “first principles”

Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or “first principles”

Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or “first principles”

Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or “first principles”

* By homogeneity we mean a systematic review that is free of worrisome variations (heterogeneity) in the directions and degrees of results between individual studies. Not all systematic reviews with statistically significant heterogeneity need be worrisome, and not all worrisome heterogeneity need be statistically significant. As noted above, studies displaying worrisome heterogeneity should be tagged with a “-” at the end of their designated level; “ Clinical Decision Rule. (These are algorithms or scoring systems that lead to a prognostic estimation or a diagnostic category); “¡ See note above for advice on how to understand, rate and use trials or other studies with wide confidence intervals; § Met when all patients died before the Rx became available, but some now survive on it; or when some patients died before the Rx became available, but none now die on it; §§ By poor quality cohort study we mean one that failed to clearly define comparison groups and/or failed to measure exposures and outcomes in the same (preferably blinded), objective way in both exposed and non-exposed individuals and/or failed to identify or appropriately control known confounders and/or failed to carry out a sufficiently long and complete follow-up of patients. By poor quality case-control study we mean one that failed to clearly define comparison groups and/or failed to measure exposures and outcomes in the same (preferably blinded), objective way in both cases and controls and/or failed to identify or appropriately control known confounders; §§§ Split-sample validation is achieved by collecting all the information in a single tranche, then artificially dividing this into “derivation” and “validation” samples; ” “ An “Absolute SpPin” is a diagnostic finding whose Specificity is so high that a Positive result rules-in the diagnosis. An “Absolute SnNout” is a diagnostic finding whose Sensitivity is so high that a Negative result rules-out the diagnosis; “¡”¡ Good, better, bad and worse refer to the comparisons between treatments in terms of their clinical risks and benefits; ” ” “ Good reference standards are independent of the test, and applied blindly or objectively to applied to all patients. Poor reference standards are haphazardly applied, but still independent of the test. Use of a non-independent reference standard (where the ‘test’ is included in the ‘reference’, or where the ‘testing’ affects the ‘reference’) implies a level 4 study; ” ” ” “ Better-value treatments are clearly as good but cheaper, or better at the same or reduced cost. Worse-value treatments are as good and more expensive, or worse and the equally or more expensive; ** Validating studies test the quality of a specific diagnostic test, based on prior evidence. An exploratory study collects information and trawls the data (e. g. using a regression analysis) to find which factors are ‘significant’; *** By poor quality prognostic cohort study we mean one in which sampling was biased in favour of patients who already had the target outcome, or the measurement of outcomes was accomplished in < 80 % of study patients, or outcomes were determined in an unblinded, non-objective way, or there was no correction for confounding factors; **** Good follow-up in a differential diagnosis study is > 80 %, with adequate time for alternative diagnoses to emerge (for example 1 – 6 months acute, 1 – 5 years chronic.


#

2.2.2. Schema der Empfehlungsgraduierung

Die Methodik des Leitlinienprogramms Onkologie sieht – entsprechend dem AWMF-Regelwerk – eine Vergabe von Empfehlungsgraden durch die Leitlinienautoren im Rahmen eines formalen Konsensusverfahrens vor. Dementsprechend wurden moderierte, nominale Gruppenprozesse bzw. strukturierte Konsensuskonferenzen durchgeführt [1]. Im Rahmen dieser Prozesse wurden die Empfehlungen von den stimmberechtigten Mandatsträgern formal abgestimmt. Die Ergebnisse der jeweiligen Abstimmungen (Konsensstärke) sind entsprechend den Kategorien in [Tab. 5] den Empfehlungen zugeordnet.

Tab. 4

Schema der Empfehlungsgraduierung.

Empfehlungsgrad

Beschreibung

Ausdrucksweise

A

Starke Empfehlung

soll/soll nicht

B

Empfehlung

sollte/sollte nicht

0

Empfehlung offen

kann/kann verzichtet werden

Tab. 5

Klassifikation der Konsensusstärke.

Konsensusstärke

Prozentuale Übereinstimmung

Starker Konsens

Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer

Konsens

Zustimmung von > 75 – 95 % der Teilnehmer

Mehrheitliche Zustimmung

Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer

Kein Konsens

Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer

In der Leitlinie werden zu allen evidenzbasierten Statements (siehe Kapitel 2.2.3) und Empfehlungen das Evidenzlevel (siehe Kapitel 2.2.1) der zugrundeliegenden Studien sowie bei Empfehlungen zusätzlich die Stärke der Empfehlung (Empfehlungsgrad) ausgewiesen. Hinsichtlich der Stärke der Empfehlung werden in dieser Leitlinie drei Empfehlungsgrade unterschieden ([Tab. 4]), die sich auch in der Formulierung der Empfehlungen jeweils widerspiegeln.


#

2.2.3. Statements

Als Statements werden Darlegungen oder Erläuterungen von spezifischen Sachverhalten oder Fragestellungen ohne unmittelbare Handlungsaufforderung bezeichnet. Sie werden entsprechend der Vorgehensweise bei den Empfehlungen im Rahmen eines formalen Konsensusverfahrens verabschiedet und können entweder auf Studienergebnissen oder auf Expertenmeinungen beruhen.


#

2.2.4. Expertenkonsens

Als Expertenkonsens werden Empfehlungen bezeichnet, zu denen keine Recherche nach Literatur durchgeführt wurde. In der Regel adressieren diese Empfehlungen Vorgehensweisen der guten klinischen Praxis, zu denen keine wissenschaftlichen Studien notwendig sind bzw. erwartet werden können. Für die Graduierung des Expertenkonsenses wurden keine Symbole verwendet, die Stärke der Empfehlung ergibt sich aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in [Tab. 4].


#

2.2.5. Unabhängigkeit und Darlegung möglicher Interessenkonflikte

Die Erstellung und Aktualisierung der Leitlinie erfolgte in redaktioneller Unabhängigkeit von der finanzierenden Organisation, der Deutschen Krebshilfe. Für die ausschließlich ehrenamtliche Arbeit der Mandatsträger und Experten, ohne die die S3-Leitlinie nicht zu realisieren gewesen wäre, ist ihnen zu danken.

Alle Mitglieder der Leitliniengruppe legten eine schriftliche Erklärung zu eventuell bestehenden Interessenkonflikten ab. Die offengelegten Sachverhalte, die auf Interessenkonflikte hinweisen, können im Leitlinienreport zur Leitlinie eingesehen werden (http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/kolorektales-karzinom/).

Die Relevanz von Interessenkonflikten für die Leitlinie wurde bei mehreren Veranstaltungen (Kick-Off-Treffen und Konsensustreffen) und per E-Mail wiederholt diskutiert. Bei der Aktualisierung 2010 – 2013 (Version 1) erfolgte die Sichtung und Bewertung der offengelegten Sachverhalte durch die Koordinatoren. Für den Aktualisierungsprozess 2015 – 2017 (Version 2) sichtete Prof. Kolligs als Interessenkonfliktbeauftragter der Leitliniengruppe die offengelegten Sachverhalte.

Auf Vorschlag von Prof. Kolligs entschied die Leitliniengruppe, keine Einschränkungen bzgl. der Abstimmung oder Beratung bei einzelnen Personen vorzunehmen, da angesichts des methodischen Vorgehens und der multidisziplinären Zusammensetzung der Leitliniengruppe kein Risiko für eine unangemessene Verzerrung der Leitlinienempfehlungen (Interessenkonflikt) gesehen wurde.

Beim Aktualisierungsprozess 2010 – 2013 hatte sich Prof. Schmiegel aufgrund eines möglichen Interessenkonfliktes bei den Abstimmungen zum FOBT/iFOBT, zu genetischen Stuhltests und M2-PK enthalten.

Die Gefahr der Beeinflussung durch Interessenkonflikte wurde u. a. reduziert, indem für die Recherche, Auswahl und Bewertung der Literatur politisch besonders brisanter Themen externe Institute beauftragt worden sind. Die formale Konsensbildung und die interdisziplinäre Erstellung sind weitere Instrumente, die Einflussnahme der Industrie zu minimieren.


#
#

2.3. Redaktioneller Hinweis

Geschlechtsneutrale Formulierung

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen in diesem Dokument sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Partizipative Entscheidungsfindung

Alle Empfehlungen der Leitlinie sind als Empfehlungen zu verstehen, die im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient und ggf. der Angehörigen getroffen werden und umzusetzen sind.


#
#

3. Prävention asymptomatische Bevölkerung

3.1. Lebensgewohnheiten

3.1.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollten regelmäßig körperliche Aktivitäten durchgeführt werden.

Level of Evidence

2a

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche[1]: [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13]

Starker Konsens

3.2.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollte eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen angestrebt werden.

Level of Evidence

2a

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [2] [9] [14] [15] [16] [17] [18] [19]

Starker Konsens

3.3.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Die Bevölkerung soll zum Verzicht auf Tabakrauchen angehalten werden.

Level of Evidence

2a

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [2] [11] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26]

Starker Konsens

Hintergrund

Personen mit höherem körperlichen Aktivitätsgrad haben in Querschnittsuntersuchungen und prospektiven Kohortenstudien weniger Kolonpolypen (Adenome) und ein um bis zu 30 % geringeres Karzinomrisiko. Bereits 30 bis 60 Minuten tägliche moderate körperliche Aktivität gehen mit einem verringerten Karzinomrisiko einher [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13].

Es findet sich eine positive Assoziation zwischen dem Auftreten von Kolonpolypen (Adenomen) und kolorektalen Karzinomen und einem höheren BMI, als auch einer Zunahme des Bauchumfangs. Dieser Effekt ist ab einem BMI von > 25 kg/m2 nachweisbar, nimmt linear mit dem BMI zu und ist stärker bei Männern als bei Frauen ausgeprägt. Bei übergewichtigen Personen, insbesondere bei stammbetonter Adipositas war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht [19]. Es ist unklar, ob die Risikoerhöhung durch das Übergewicht, veränderte Hormonspiegel, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist [2] [9] [14] [15] [16] [17] [18] [19].

Rauchen ist mit einem zweifach erhöhten Risiko für Kolonadenome und erhöhtem Risiko für kolorektale Karzinome assoziiert [2] [11] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26].


#

3.2. Ernährungsempfehlungen

3.4.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2b

Eine spezifische Diätempfehlung zur Reduktion des KRK-Risikos kann derzeit nicht gegeben werden.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [27] [28] [29] [30] [31] [32] [33]

Konsens

3.5.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Es sollten die allgemeinen Ernährungsempfehlungen der DGE befolgt werden.

Konsens

Hintergrund

In einer ausführlichen Literaturübersicht aus dem Jahre 2010 wurde ein Zusammenhang zwischen einer „gesunden“ Ernährungsweise bzw. einer „ungesünderen“ Ernährungsweise und dem kolorektalen Karzinom als wahrscheinlich angesehen. Eine „gesunde“ Ernährungsweise wurde von den Autoren gekennzeichnet durch einen hohen Konsum von Obst und Gemüse sowie einer verminderten Aufnahme von rotem und verarbeitetem Fleisch, wohingegen eine „ungesündere“ Ernährungsweise durch eine hohe Aufnahme von rotem und verarbeitetem Fleisch, Kartoffeln und raffinierter Stärke charakterisiert wurde [27]. In Originalpublikationen der letzten Jahre wurde wiederholt eine Assoziation zwischen Ernährungsfaktoren und der Ausbildung eines KRK beobachtet, die mit einer Evidenzstärke zwischen 2b und 4 zu bewerten sind [28] [29] [30] [31]. Allerdings gibt es auch Studien, in denen keine Korrelation zwischen Ernährungsfaktoren und KRK beobachtet wurde [32] [33]. Dabei handelt es sich um Assoziationen, nicht um Interventionsstudien. Ob solche Zusammenhänge eine spezifische Diätempfehlung zur KRK-Prävention rechtfertigen, wurde bislang nicht untersucht. Deshalb kann derzeit trotz der skizzierten Zusammenhänge keine spezifische Diätempfehlung abgegeben werden. Es wird stattdessen empfohlen, dass zur Risikoreduktion eines Karzinoms die aktuellen Ernährungsempfehlungen der DGE berücksichtigt werden. Die Assoziationen zwischen der Aufnahme bestimmter Nahrungsstoffe und dem KRK-Risiko wird im Folgenden genauer dargestellt. In diesem Zusammenhang ist auch hervorzuheben, dass eine Ernährungsweise, die keine Gewichtszunahme bewirkt, anzuraten ist (siehe Kapitel 3.1).

3.6.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Zur Risikosenkung eines KRK sollte die Ballaststoffaufnahme möglichst 30 g pro Tag betragen.

Level of Evidence

2a

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [34] [35] [36] [37] [38]

Konsens

Hintergrund

Trotz kontroverser Datenlage ist die Evidenz ausreichend, um eine ballaststoffreiche Ernährung von 30 g/Tag zu empfehlen [34] [35] [36] [37] [38]. Eine aktuelle britische Studie, in der Daten von sieben Kohortenstudien zusammengefasst wurden, wies nach, dass eine inverse Korrelation zwischen Ballaststoffaufnahme und Karzinomrisiko besteht. Der Vergleich des täglichen Ballaststoffkonsums von 10 und 24 g zeigte in dieser Arbeit, dass ein höherer Konsum mit einem um 30 % reduzierten Kolonkarzinomrisiko assoziiert ist [34]. In einer anderen Studie, in der 13 prospektive Kohortenstudien zusammengefasst wurden, zeigten sich ähnliche Ergebnisse. Obwohl das pooling project of prospective studies of diet and cancer noch größere Spannbreiten zwischen der niedrigsten und höchsten Quintile der Ballaststoffaufnahme aufwies, wurde eine signifikante inverse Korrelation zwischen dem Ballaststoffkonsum und dem Krebsrisiko nach alterskorrigierter Analyse, jedoch nicht nach Adjustierung für weitere ernährungsbedingte Risikofaktoren, beobachtet [37]. Die nur eingeschränkt positiven Daten könnten darauf zurückzuführen sein, dass lediglich zu Studienbeginn eine Erfassung der Ballaststoffaufnahme erfolgte, die möglicherweise inkorrekt den langfristigen Konsum widerspiegelt. Trotz der eingeschränkten Ergebnisse sind die verbleibenden Aussagen sehr robust, weil sie auf großen Personenkollektiven basieren. Deshalb wurde der Empfehlungsgrad B festgelegt.

3.7.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Zur Reduktion des Risikos eines KRK sollte der Alkoholkonsum limitiert werden.

Level of Evidence

2a

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [39] [40] [41] [42]

Konsens

Hintergrund

Es besteht eine positive Korrelation zwischen einem hohen Alkoholkonsum und der Entstehung eines KRK [39] [40] [41] [42], insbesondere bei Menschen mit geringer Folsäure- und/oder Methioninaufnahme [40]. Abstinenzler und Personen mit einem geringen Alkoholkonsum weisen ein signifikant geringeres Karzinomrisiko auf [39] [40] [41] [42]. Eine Metaanalyse von 14 prospektiven Kohortenstudien zeigte, dass bereits eine Alkoholaufnahme von 100 g wöchentlich mit einem 15 %igen Anstieg sowohl des Kolon- als auch des Rektumkarzinom-Risikos assoziiert ist [42]. Das Risiko korreliert mit der Menge des aufgenommenen Alkohols und nicht mit der Art des alkoholischen Getränks [40].

3.8.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Rotes bzw. verarbeitetes Fleisch sollte nur in geringen Mengen (nicht täglich) konsumiert werden.

Level of Evidence

2a

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [38] [43] [44] [45] [46] [47]

Konsens

Hintergrund

Ein hoher Konsum von rotem Fleisch (Rind, Kalb, Schwein und Lamm) und verarbeitetem Fleisch ist mit einem erhöhten Risiko für ein KRK assoziiert [38] [43] [44] [45] [46] [47]. Zwischen dem Verzehr von Geflügel und/oder -produkten besteht keine positive Korrelation [46]. Die positive Assoziation wird am ehesten durch die Verarbeitung und die Zubereitungsart verursacht, wie Daten des Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian cancer trials zeigen. Die regelmäßige Aufnahme von insbesondere durchgegartem rotem Fleisch, Speck (Bacon) und Würstchen korrelierte mit einer signifikanten Erhöhung des Risikos zur Ausbildung eines KRK [47].

3.9.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2a

Zu erhöhtem Fischkonsum kann keine Empfehlung abgegeben werden.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [43] [45] [46] [48] [49] [50]

Konsens

Hintergrund

In einer Metaanalyse von Geelen und Kollegen, die 19 Kohortenstudien zusammenfasst, wurde der Einfluss des Fischverzehrs auf das KRK-Risiko untersucht. Der Vergleich des höchsten wöchentlichen Fischkonsums mit dem geringsten zeigte, dass ein höherer Konsum mit einem um 12 % reduzierten Krebsrisiko assoziiert ist. Die Korrelation war umso ausgeprägter, je höher die Differenz zwischen der größten und geringsten Fischaufnahme war [48]. Die Datenlage insgesamt ist allerdings widersprüchlich, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass in den verschiedenen Studien unterschiedlich hohe Fischverzehrsmengen miteinander verglichen wurden [43] [45] [46] [48] [49] [50] Trotz der Vermutung, dass vermehrter Fischkonsum das KRK-Risiko leicht senken kann, wird aufgrund der nicht eindeutigen Datenlage derzeit keine Empfehlung zum erhöhten Fischkonsum abgegeben.

3.10.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Ein Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Kaffee/Tee und der Reduktion des Risikos für ein KRK ist nicht belegt, deshalb gibt es keine Empfehlung zu Kaffee- oder Teekonsum.

Starker Konsens

Hintergrund

Zu diesem Thema liegen drei Metaanalysen vor, die keine Korrelation zwischen dem Konsum von Kaffee und/oder Tee und dem KRK-Risiko beobachtet haben [51] [52] [53].

3.11.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Trotz der nicht eindeutigen Datenlage zur Prävention des KRK sollten Obst und Gemüse vermehrt konsumiert werden (5 Portionen am Tag).

Konsens

Hintergrund

In einer Fallkontrollstudie und einer Kohortenstudie wurde eine inverse Korrelation zwischen einem vermehrten Obst- und Gemüsekonsum und einer Reduzierung des KRK-Risikos beobachtet [54] [55]. Allerdings wurde in einer Metaanalyse gezeigt, dass ein erhöhter Obst- und Gemüseverzehr lediglich mit einem um 6 – 9 % reduzierten Kolonkarzinomrisiko assoziiert ist. Eine stärkere inverse Korrelation wurde beim distalen Kolonkarzinom beobachtet [56]. Unklar ist jedoch, welche Bestandteile (Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe) diesen protektiven Effekt haben. Trotz nicht eindeutiger Datenlage hinsichtlich Reduktion des KRK-Risikos wird eine Förderung des Obst- und Gemüsekonsums als wünschenswert angesehen, da ein regelmäßiger Obst- und Gemüseverzehr wahrscheinlich das allgemeine Krankheitsrisiko senkt.

3.12.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Nahrungszubereitung oder Nahrungsfettkomponenten und KRK-Risiko.

Konsens

Hintergrund

Es wurde wiederholt diskutiert, ob die Nahrungszubereitung bzw. der durch Nahrungszubereitungsmethoden möglicherweise erhöhte Anteil an potenziell schädlichen Fettsäuren, wie z. B. Transfettsäuren, das KRK-Risiko erhöhen kann. Die Literaturdaten dazu sind spärlich und uneinheitlich, sodass angenommen werden muss, dass es keinen klaren Zusammenhang gibt. Dies wurde in einer neueren prospektiven, populationsbasierten Kohortenstudie in den USA untersucht. In dieser Studie an über 35 000 Frauen konnte bestätigt werden, dass Transfettsäuren das KRK-Risiko nicht erhöhen [57].

Darüber hinaus gibt es keine spezifischen Empfehlungen zum Fettkonsum hinsichtlich Reduktion des KRK-Risikos. Zu dieser Thematik liegen mehrere Studien vor, die keinen Zusammenhang zwischen dem Fettkonsum und der Ausbildung eines KRK gefunden haben. Ein Effekt von Kofaktoren, wie z. B. Zufuhr von rotem Fleisch oder Zubereitungsart, kann nicht hinreichend abgetrennt werden [31] [32] [38] [48] [58] [59] [60].

3.13.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2b

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Acrylamid und KRK-Risiko.

De Novo: [61] [62] [63] [64]

Starker Konsens

Hintergrund

In einer in Schweden durchgeführten prospektiven, populationsbasierten Kohortenstudie an mehr als 45 000 Männern konnte mittels Food Frequency Questionnaire (FFQ) gezeigt werden, dass es keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in der Nahrung und KRK-Risiko gibt [61]. Diese Studie bestätigt frühere Untersuchungen, nach denen bei Männern wie Frauen kein Zusammenhang zwischen Acrylamid und KRK-Entstehung besteht [62] [63] [64].


#

3.3. Mikronährstoffe

3.14.

Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Es gibt derzeit keine gesicherten Daten zur wirksamen Prävention des kolorektalen Karzinoms durch Mikronährstoffe. Die Einnahme von Supplementen dieser Substanzen im Rahmen der Primärprävention des kolorektalen Karzinoms sollte daher nicht erfolgen.

Level of Evidence

Diese Empfehlung gilt für...

Evidenzgrundlage 

2b

…Vitamine…

De Novo: [65]

3b

… inklusive β-Carotin

De Novo: [65]

3b

… Vitamin A

De Novo: [65]

4

... Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E

De Novo: [65] [66] [67]

1a

... und Folsäure

De Novo: [68] [69] [70] [71] [72]

1b

Weiterhin gelten diese Empfehlungen für Kalzium

Aktualisierungsrecherche: [66] [67] [73] [74] [75]

2b

... Magnesium

De Novo: [76]

2b

... und Selen.

De Novo: [77] [78]

Jeweils starker Konsens

Hintergrund

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Supplemente von Mikronährstoffen, teilweise in pharmakologischer, d. h. durch Aufnahme entsprechender Lebensmittel (Obst, Gemüse, Milchprodukte), oftmals nicht erreichbarer Dosierung.

Für Kalzium konnte ein moderater, klinisch nicht relevanter Hemmeffekt auf die Rekurrenz von Kolonadenomen nachgewiesen werden [73] [74] [75]. Hingegen ist die Datenlage für eine risikosenkende Wirkung von Kalzium oder Vitamin D, allein oder in Kombination, hinsichtlich des KRK selbst nicht überzeugend [66] [67].

Es gibt keine Evidenz für die Annahme, dass Beta-Carotin, Vitamin A oder Vitamin E das Risiko des kolorektalen Karzinoms vermindern könnten. Im Gegenteil konnte in einer Metaanalyse [65] gezeigt werden, dass die Supplementierung der vorgenannten Vitamine, allein oder in Kombination gegeben, mit einer erhöhten generellen Mortalität assoziiert ist.

Es ist nicht eindeutig belegt, dass die Einnahme von hohen Dosen an Vitamin C das Risiko für das KRK vermindert.

Ein das KRK-Risiko senkender Effekt von Folsäure konnte bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden [68]. Studien zur Rekurrenz von Kolonadenomen führten zu divergenten Ergebnissen [69] [70] [71] [72].

Eine Interventionsstudie mit einem Selen-Supplement und dem Hauptzielkriterium „KRK-Inzidenz“ wurde bislang nicht durchgeführt. Die Korrelation niedriger Selen-Konzentrationen im Serum mit einem erhöhten Adenomrisiko ist nicht ausreichend, um eine Empfehlung zur Selensupplementierung auszusprechen [77] [78].


#

3.4. Medikamente

3.15.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

COX-2-Hemmer sollen in der asymptomatischen Bevölkerung nicht zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms eingenommen werden.

Level of Evidence

3b

De Novo: [79] [80] [81] [82]

Konsens

3.16.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Statine sollten nicht zur Primärprophylaxe des KRK eingesetzt werden.

Level of Evidence

2b

De Novo: [83]

Starker Konsens

3.17.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Acetylsalicylsäure soll nicht zur Primärprävention des kolorektalen Karzinoms in der asymptomatischen Bevölkerung eingenommen werden.

Level of Evidence

2a

Leitlinienadaptation: [84] [85] [86] [87]

Konsens

3.18.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Eine Hormontherapie[2] zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms bei Frauen soll nicht gegeben werden.

Level of Evidence

1a

Leitlinienadaptation: [88] [89]

Starker Konsens

Hintergrund

Für die Einnahme von Cyclooxygenase-2 (COX-2)-Inhibitoren zur Primärprävention des kolorektalen Karzinoms liegt eine positive Fall-Kontroll-Studie, aber keine randomisierte Studie vor [79]. Drei randomisierte Studien zur Sekundärprävention mit Celecoxib bzw. Rofecoxib nach Polypektomie zeigen übereinstimmend, dass COX-2-Inhibitoren das Rezidivrisiko eines kolorektalen Adenoms signifikant senken [80] [81] [82]. In allen drei Studien zeigte sich jedoch eine deutlich erhöhte kardiovaskuläre Morbidität.

Eine aktuelle Metaanalyse von Fallkontroll-, Kohorten- und randomisierten Studien belegt einen statistisch signifikanten, aber nur geringen Effekt von Statinen in der Primärprävention des kolorektalen Karzinoms [83]. In einer Phase-III-Studie zur Sekundärprävention von Kolonadenomen senkte Ursodesoxycholsäure signifikant nur das Risiko für Adenome mit hochgradigen Dysplasien, aber nicht für Adenome insgesamt [90]. Prospektive Studien zur Primärprävention von Adenomen mittels Ursodesoxycholsäure liegen nicht vor.

Eine Metaanalyse von 2 großen randomisierten Studien mit zusammen über 7500 Teilnehmern zeigt, dass die Einnahme von 300 mg oder mehr Acetylsalicylsäure pro Tag für 5 Jahre mit einer Latenz von 10 und mehr Jahren das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, senkt [85]. Eine andere Metaanalyse, die insgesamt 8 randomisierte Studien mit zusammen 25 570 Teilnehmern analysiert hat, weist nach, dass die tägliche Einnahme von mindestens 75 mg ASS mit einer Latenz von 10 Jahren die Mortalität am kolorektalen Karzinom senkt [86]. Für die Einnahme nicht-steroidaler Antirheumatika (NSAR) wird in Kohorten- und Fallkontrollstudien eine Erniedrigung der Inzidenz des kolorektalen Karzinoms beschrieben. Diese Befunde wurden allerdings noch nicht durch randomisierte Studien bestätigt [85]. Aufgrund der gehäuften Inzidenz von gastrointestinalen Blutungen unter ASS [87] und der fehlenden Bewertung der Nutzen-/Risikorelation folgt die Leitliniengruppe der Leitlinie der U.S. Preventive Services Task Force zum Einsatz von ASS oder NSAR zur Primärprävention des kolorektalen Karzinoms aus dem Jahr 2007, die empfiehlt, ASS und NSAR nicht zur Primärprävention des kolorektalen Karzinoms einzusetzen [84].

Eine Hormontherapie kann das kolorektale Karzinomrisiko reduzieren [89]. Aufgrund der erhöhten Inzidenz von unerwünschten Wirkungen, insbesondere venöser Thromboembolien, kann die Hormontherapie bei postmenopausalen Frauen aber nicht zur Primärprävention des kolorektalen Karzinoms empfohlen werden. Hier folgt die Leitliniengruppe der Leitlinie der U.S. Preventive Services Task Force zum Einsatz von Hormontherapie bei postmenopausalen Frauen [88] und der Leitlinie Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe [91].


#
#

4. Vorsorge/Früherkennung asymptomatische Bevölkerung

Asymptomatische Bevölkerung – Definition:

Personen, die keiner Risikogruppe für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms angehören.

4.1. Vorsorge-/Früherkennungs-Alter

4.1.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Mit der Darmkrebs-Vorsorge/-Früherkennung für die asymptomatische Bevölkerung sollte ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Eine obere Altersbegrenzung für die Darmkrebs-Vorsorge/-Früherkennung kann bei steigender Lebenserwartung nicht gegeben werden. Hier ist eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen angezeigt.

Starker Konsens

Hintergrund

Die KRK-Inzidenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren deutlich an [92] [93]. In einer prospektiven Koloskopiestudie zeigte sich eine deutlich niedrigere Nachweisrate fortgeschrittener Adenome bei 40- bis 49-Jährigen (3,5 %) [94]. Von großer Bedeutung ist die Identifikation von Personen mit erhöhtem KRK-Risiko, für die gesonderte Empfehlungen gelten (siehe Kapitel 5).

Zur Altersbegrenzung der Darmkrebsvorsorge existieren keine prospektiven Studien. In den FOBT-Studien wurden nur Personen bis 75 Jahren eingeschlossen. Die US Preventive Task Force rät von einer Vorsorge/Früherkennung von Personen über 85 Jahren ab und hält fest, dass eine Vorsorge/Früherkennung bei Personen zwischen 76 und 85 Jahren generell nicht durchgeführt werden sollte, in individuellen Fällen jedoch überlegt werden könnte [95]. Die Inzidenz fortgeschrittener Neoplasien nimmt mit dem Alter zu [96]. Endoskopische Untersuchungen scheinen auch bei älteren Patienten sicher durchführbar zu sein [97], jedoch nahm in einer Kohortenstudie die Komplikationsrate mit dem Alter zu [98]. In einer Studie war die relative 5-Jahres-Überlebensrate nach kurativer Operation eines kolorektalen Karzinoms für Patienten über 74 Jahre vergleichbar mit der von Patienten zwischen 50 und 74 Jahren [99]. Die Sinnhaftigkeit der Durchführung einer KRK-Früherkennung/-vorsorge sollte daher individuell in Abhängigkeit des „biologischen Alters“ und unter Berücksichtigung vorhandener Begleiterkrankungen überprüft werden. Zum Nutzen-/Risikoverhältnis der Darmkrebs-Vorsorge/-Früherkennung in verschiedenen Altersgruppen existiert keine ausreichende Datenlage.


#

4.2. Untersuchungsverfahren für die Darmkrebsfrüherkennung/-vorsorge

Bei den zur Verfügung stehenden Verfahren muss zwischen solchen, die vorwiegend Karzinome nachweisen (FOBT, genetische Stuhltests, M2-PK) und solchen, die zusätzlich in der Lage sind, Adenome nachzuweisen (Koloskopie, Sigmoidoskopie, CT-Kolonografie, Kapselendoskopie) unterschieden werden. Folgende Verfahren werden besprochen:

  • Koloskopie

  • Sigmoidoskopie

  • FOBT

  • Genetische und andere Stuhltests

  • CT-Kolonografie

  • Kapselendoskopie

4.2.1. Endoskopische Verfahren

Von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler Neoplasien besitzt die Koloskopie die höchste Sensitivität und Spezifität (Goldstandard). Endoskopische Maßnahmen sind als einzige diagnostisch und therapeutisch und haben den Vorteil, dass durch sie auch nichtblutende Karzinome und Adenome mit hoher Sensitivität nachgewiesen werden können. Durch die Abtragung von Adenomen kann zudem die Entstehung von Karzinomen effektiv verhindert (Unterbrechung der Adenom-Karzinomsequenz) [100] [101] und wie kürzlich gezeigt wurde, auch die KRK-bedingte Mortalität gesenkt werden [102].

In einzelnen randomisierten Studien konnte zudem gezeigt werden, dass trotz geringerer Teilnahmerate im Vergleich zum FOBT durch sowohl Sigmoidoskopie [103] als auch Koloskopie [104] in einer intention-to-screen-Analyse mehr fortgeschrittene Neoplasien detektiert werden, was vor allem durch die deutlich höhere Sensitivität für fortgeschrittene Adenome bedingt war.

4.2.1.1. Koloskopie

4.2.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Die komplette qualitätsgesicherte Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden von Karzinomen und Adenomen und sollte daher als Standardverfahren für die KRK-Vorsorge/-Früherkennung eingesetzt werden. Bei unauffälligem Befund sollte die Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zur Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinie[3] verwiesen, die digitale rektale Untersuchung ist hierbei obligat. Bei Personen, die an der Koloskopie-Vorsorge/-Früherkennung entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-Vorsorge/Früherkennungsverfahren.

Level of Evidence

3b

De Novo: [98] [105] [106] [107] [108] [109] [110] [111] [112] [113] [114] [115] [116] [117] [118] [119] [120]

Starker Konsens

Hintergrund

Für den Einsatz der Koloskopie in der Früherkennung bzw. Vorsorge kolorektaler Karzinome existieren anders als für den FOBT und die Sigmoidoskopie keine Ergebnisse aus randomisierten Studien. Derartige Studien sind in Europa und den USA begonnen worden, Ergebnisse werden jedoch erst in frühestens 15 Jahren vorliegen. Dennoch wird der Einsatz der Koloskopie durch indirekte Evidenz unterstützt. In der externen Literatursuche wurde eine Arbeit aus Deutschland identifiziert, in der Patienten mit kolorektalen Karzinomen, die im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie entdeckt worden waren, eine bessere Prognose aufwiesen als Karzinompatienten, die aufgrund von Beschwerden koloskopiert worden waren [105]. In einer weiteren Arbeit aus den USA wies eine Kohorte von 715 Personen nach Vorsorgekoloskopie eine signifikante Senkung von KRK-bedingter Mortalität und Inzidenz im Vergleich zu einem Vergleichskollektiv auf [106].

In großen Kohorten u. a. aus Deutschland konnte gezeigt werden, dass durch die Koloskopie eine hohe Anzahl an Karzinomen im frühen Stadium sowie Adenomen im gesamten Dickdarm entdeckt werden kann [98]. In Deutschland befinden sich etwa 1/3 der im Rahmen der Vorsorgekoloskopie detektierten Karzinome proximal des Colon descendens [98]. In anderen Studien wiesen 46 bis 52 % der Patienten mit proximalen Neoplasien keine zusätzlichen distalen Adenome auf [107] [108]. Bei diesen Patienten wäre eine Diagnose der Neoplasien mittels Sigmoidoskopie unmöglich.

Die Ergebnisse der Fall-Kontrollstudien sowie der randomisierten UK-Studie zur Sigmoidoskopie, die jeweils eine Senkung der Karzinominzidenz und -mortalität zeigen konnten, sollten auf die Koloskopie übertragbar sein [109] [110] [111] [112], wobei der Effekt im proximalen Kolon geringer zu sein scheint als im distalen Kolon [113] [114] [115]. Auch der protektive Effekt der FOBT-Studien beruht letztendlich auf der Abklärung positiver Tests mittels Koloskopie.

Die Komplikationsrate der Untersuchung in Deutschland war in einer Studie auf freiwilliger Basis sehr gering [116]. Diese Ergebnisse konnten kürzlich bestätigt werden [98]. Es ist jedoch von einer Untererfassung der Komplikationen auszugehen, da Spätkomplikationen nur inkomplett erfasst werden. Tandemuntersuchungen haben gezeigt, dass größere Adenome nur selten (0 – 6 %) übersehen werden [117].

Es wird davon ausgegangen, dass eine unauffällige Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte. So fanden sich 5,5 Jahre nach einer unauffälligen Koloskopie keine Karzinome und weniger als 1 % fortgeschrittene Neoplasien [118]. Fall-Kontrollstudien legen nahe, dass das Risiko auch noch mehr als zehn Jahre nach einer unauffälligen Koloskopie sehr niedrig ist [113] [119].

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Koloskopie mit höchstmöglicher Qualität durchgeführt wird. Für die Durchführung der Koloskopie existieren in Deutschland klare Richtlinien [121].


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4.2.1.2. Sigmoidoskopie

4.3.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Eine qualitätsgesicherte Sigmoidoskopie sollte Personen, die die Koloskopie als Vorsorge-/Früherkennungsmaßnahme ablehnen, angeboten werden.

Level of Evidence

2b

De Novo: [122]

Starker Konsens

4.4.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Zur möglichen Detektion proximaler Karzinome sollte zusätzlich zur Sigmoidoskopie eine jährliche FOBT-Durchführung erfolgen.

Level of Evidence

3b

De Novo: [109] [112] [123] [124] [125] [126] [127] [128] [129] [130]

Starker Konsens

Hintergrund

Die Effektivität der Sigmoidoskopie als Früherkennungs-/Vorsorge-Methode für das KRK ist gesichert. In einer randomisierten Studie aus England wurde im Vergleich zu keinem Screening durch eine einmalige Sigmoidoskopie nach einer Nachbeobachtungszeit von 11,2 Jahren eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität um 43 % und eine Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome um 33 %, die distaler Karzinome um 50 % beobachtet [122].

Es ist jedoch zu bedenken, dass im Rahmen einer Sigmoidoskopie nicht alle Darmabschnitte eingesehen werden können. Entsprechend wurde in der Sigmoidoskopiestudie die Inzidenz proximaler Karzinome nicht beeinflusst. Hier ist die Koloskopie der Sigmoidoskopie überlegen.

Der protektive Effekt einer Sigmoidoskopie für distale Neoplasien scheint 6 bis 10 Jahre [112] [123], in einer Studie sogar 16 Jahre anzuhalten [124]. In einer Untersuchung an 9417 Personen, die 3 Jahre nach unauffälliger Sigmoidoskopie einer erneuten Sigmoidoskopie unterzogen wurden, fanden sich jedoch bei 0,8 % der Patienten im distalen Kolon ein fortgeschrittenes Adenom oder Karzinom [125]. In einer weiteren Studie mit 2146 Teilnehmern mit unauffälliger Sigmoidoskopie wurde ein Kontrollintervall von 3 und 5 Jahren verglichen [126]. Die Rate an fortgeschrittenen Neoplasien unterschied sich nicht signifikant (0,9 % vs. 1,1 %). Entsprechend wird derzeit eine Wiederholung der Untersuchung bei unauffälligem Befund nach 5 Jahren empfohlen.

Da durch die Sigmoidoskopie isoliert proximal gelegene Tumoren nicht entdeckt werden können, ist weiterhin ein jährlicher FOBT sinnvoll. Dieser sollte vor einer Sigmoidoskopie durchgeführt werden, da bei positivem Test eine Koloskopie erforderlich ist und die Sigmoidoskopie entfallen kann. Der zusätzliche Nutzen der Kombination im Sinne einer Mortalitätssenkung ist jedoch nicht gesichert. Eine prospektive nicht-randomisierte Studie fand zwar eine niedrigere KRK-bedingte Mortalität für die Kombination, das Ergebnis verfehlte jedoch grenzwertig die Signifikanz und die Compliance war ausgesprochen niedrig [127]. In mehreren Studien war jedoch eine Kombination aus Sigmoidoskopie und einmaligem FOBT der alleinigen Sigmoidoskopie nicht signifikant überlegen [128] [129]. In der aktuellsten Studie aus Japan wurden durch die Kombination aus Sigmoidoskopie und FIT absolut 10 % mehr fortgeschrittene Neoplasien entdeckt [130].

Zu bedenken ist, dass die Sigmoidoskopie derzeit in Deutschland nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen enthalten ist und somit nicht abgerechnet werden kann. Ferner sind derzeit anders als für die Vorsorgekoloskopie keine qualitätssichernden Maßnahmen zur Durchführung der Sigmoidoskopie etabliert. In England war eine Voraussetzung bei den Untersuchern für die Teilnahme an der Sigmoidoskopiestudie eine Mindestzahl von 50 angeleiteten und 100 eigenständigen Sigmoidoskopien [109]. Jede Untersuchung wurde per Video dokumentiert und die erreichte Eindringtiefe, die Qualität der Darmvorbereitung und die Ergebnisse dokumentiert.


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4.2.1.3. Kapsel-Koloskopie

4.5.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Die Kapsel-Koloskopie sollte nicht für die Darmkrebs-Vorsorge/-Früherkennung in der asymptomatischen Bevölkerung eingesetzt werden.

Level of Evidence

4

De Novo: [131] [132] [133] [134] [135] [136] [137]

Starker Konsens

Hintergrund

Zur Kapsel-Koloskopie konnte in der Literatursuche keine Studie zum Einsatz in der Früherkennung kolorektaler Karzinome identifiziert werden. Es existiert eine Reihe von Fallserien zur Sensitivität und Spezifität kolorektaler Neoplasien mit der ersten Kapselgeneration [131] [132] [133] [134] [135]. Für die zweite Kapselgeneration (PCC2) mit verbesserten technischen Eigenschaften wurden Sensitivitäten für Polypen größer 6 mm von 84 – 89 % beschrieben [136] [137]. Es handelt sich jedoch um kleine Kohorten mit vorselektionierten Patienten, sodass derzeit der Einsatz in der Früherkennung kolorektaler Karzinome in der Allgemeinbevölkerung nicht empfohlen werden kann.


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4.2.2. Stuhltests[4]

4.2.2.1. Fäkaler okkulter Bluttest (FOBT)

4.6.

Konsensbasierte Empfehlung/Statement

2013

EK

Bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein FOBT jährlich durchgeführt werden.

Starker Konsens

4.7.

Evidenzbasiertes Statement

2008

Level of Evidence

1a

Ein positives Testergebnis macht die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarmes erforderlich.

Starker Konsens

4.8.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

1b

Der jährliche FOBT ist bezüglich einer Senkung der KRK-bedingten Mortalität der zweijährlichen Untersuchung überlegen.

De Novo: [138]

Starker Konsens

4.9.

Evidenzbasiertes Statement

2008

Level of Evidence

1a

Bei Personen, die an der Koloskopie-Vorsorge/-Früherkennung teilnehmen, erübrigt sich ein FOBT und auch andere Maßnahmen.

Starker Konsens

4.10.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

0

Immunologische FOBT (iFOBT) mit nachgewiesen hoher Spezifität > 90 % und Sensitivität können alternativ zum Guaiak-Test eingesetzt werden.

Level of Evidence

3a

De Novo: [103] [139] [140] [141] [142] [143] [144] [145] [146] [147] [148]

Starker Konsens

Hintergrund

Grundlage für die Stuhltestung auf okkultes Blut ist die Tatsache, dass kolorektale Karzinome häufiger bluten als die normale Darmmukosa. Herkömmliche FOBT verwenden mit Guaiakharz imprägniertes Filterpapier, das sich in Anwesenheit von im Stuhl enthaltenem Hämoglobin nach Zugabe von Wasserstoffperoxid blau färbt. In Deutschland stehen aktuell drei Guaiaktests zur Verfügung: Hämoccult®, HemoCare® und HemoFEC®. Der sensitivste gFOBT, der Hämoccult Sensa® ist in Deutschland nicht verfügbar. Da viele Karzinome intermittierend bluten [149], führt die wiederholte Testung zu einer zuverlässigeren Erkennung von KRK [150] [151]. Das in den Studien eingesetzte Verfahren beinhaltet, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder aufzutragen und auf okkultes Blut zu testen [152].

Zur Effektivität des FOBT als Früherkennungsmethode für kolorektale Karzinome liegen die Ergebnisse von 4 großen randomisierten Studien vor [138] [153] [154]. In der aktuellsten Metaanalyse dieser Studien konnte eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität um 25 % für diejenigen gezeigt werden, die sich mindestens einmal einem FOBT unterzogen hatten (relatives Risiko 0,75, 95 % CI 0,66 – 0,84) [155]. In drei der vier Studien wurde der gFOBT alle zwei Jahre durchgeführt. In einer Studie mit ein- und zweijährlicher Testung war die jährliche der zweijährlichen Testung in Bezug auf die Reduktion der Mortalität überlegen [138].

Sensitivität und Spezifität des Tests hängen entscheidend von der Art der Testdurchführung und der Patienteninstruktion ab. Eine Rehydrierung der Testbriefchen vor Entwicklung steigert die Sensitivität des Screenings, verringert jedoch die Spezifität deutlich (in einer Studie von 97,6 auf 90,2 %, in einer weiteren von 97 auf 85,4 % [138] [156]) und wird daher nicht empfohlen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf Ernährung und interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven Testergebnisse und somit auch die Zahl der erforderlichen Koloskopien reduzieren kann [157] [158] [159]. Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten über Faktoren, die das Testergebnis beeinflussen könnten, aufzuklären. Der Einfluss von Pflanzenperoxidasen kann alternativ durch eine Testentwicklung 3 Tage nach Durchführung vermieden werden [160]. Die Notwendigkeit einer Ernährungsempfehlung für den Hämoccult® wird allerdings durch eine Metaanalyse in Frage gestellt [161].

Bereits bei positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut von einem der Testfelder ist keine Kontrolle, sondern eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarmes nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich. Leider wurden selbst unter Studienbedingungen teilweise unter 90 % aller Personen mit einem positivem FOBT koloskopiert [162], in einer Studie sogar nur 64 % [163].

Der Effekt des FOBT beruht auf einer Diagnose kolorektaler Karzinome in einem früheren prognosegünstigeren Stadium. Vorteile des FOBT sind die leichte Durchführbarkeit sowie die geringen Kosten. Nachteilig ist eine mäßige Sensitivität für Karzinome und eine geringe Sensitivität für Adenome. In einer randomisierten Studie konnte zwar eine Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome gezeigt werden, es muss jedoch bedacht werden, dass im Rahmen dieser Studie über 30 % der Teilnehmer koloskopiert wurden [164].

Immunologische Tests weisen spezifisch menschliches Hämoglobin nach. Insofern ist während der Testdurchführung keine Änderung der Ernährung erforderlich. Auch besteht anders als bei den gFOBT bei einigen der Tests die Möglichkeit einer automatisierten Auswertung und Änderung des Hämoglobingrenzwerts, bei dem ein Test als positiv bewertet wird. Die Tests werden entweder als immunologische FOBT (iFOBT) oder als fäkale immonochemische Tests (FIT) bezeichnet und stellen derzeit in Deutschland keine Kassenleistung dar. Es existieren keine Studien wie für den gFOBT, die eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität zum Endpunkt hätten. Jedoch gibt es eine Reihe randomisierter Studien, in denen einzelne iFOBT direkt mit gewissen gFOBT verglichen werden. In der im Rahmen der Literatursuche identifizierten Metaanalyse dieser Studien waren einzelne iFOBT (OC-Sensor®) dem Hämoccult®-Test in der Detektionsrate fortgeschrittener Neoplasien signifikant überlegen mit einer pooled odds ratio (OR) von 2,12 (95 % CI 1,66 – 2,71) [139]. In zwei Studien, in denen der gFOBT HemoFEC® bzw. Hämoccult Sensa® mit einem iFOBT (Inform® bzw. FlexSure®) verglichen wurde, fand sich hingegen kein signifikanter Unterschied [139]. Insbesondere in den beiden größten randomisierten Studien aus den Niederlanden [103] [140] fand sich jedoch ein signifikanter Unterschied, der für eine Überlegenheit des eingesetzten iFOBT (OC-Sensor) gegenüber dem Hämoccult® Test spricht.

Die Sensitivität und Spezifität von in Deutschland verfügbaren iFOBT variiert deutlich, so dass der generelle Einsatz aller iFOBT nicht empfohlen werden kann [141]. Es erscheint vielmehr erforderlich, dass für jeden iFOBT, der für die Krebsfrüherkennung eingesetzt werden soll, individuell eine ausreichend hohe Sensitivität und vor allem Spezifität nachgewiesen wird. Für die Spezifität in Bezug auf das Vorhandensein neoplastischer Veränderungen wird allgemein die untere akzeptable Grenze bei 90 % angesehen. Die Ergebnisse von Screening-Studien legen nahe, dass, bei entsprechender Einstellung des Grenzwerts, mit den iFOBTs eine dem gFOBT vergleichbar hohe Spezifität von > 90 % bei zugleich sehr viel höherer Sensitivität erreicht werden kann [142] [148]. Diskutiert wird derzeit noch der optimale Hämoglobin-Gehalt, bei dem ein iFOBT als positiv bewertet werden sollte. In den beiden niederländischen Arbeiten betrug der Grenzwert 100 ng/ml. In den eingeschlossenen Studien wurde jeweils eine Stuhlprobe mittels des iFOBT untersucht. Es gibt Daten, die zeigen, dass die Testung von mehreren Stuhlproben die Sensitivität erhöht [144] [145] [146]. Eine Untersuchung aus den Niederlanden konnte jedoch zeigen, dass durch eine Absenkung des Grenzwerts ein ähnlicher Effekt erzielt werden kann [147].

Insgesamt zeigt die Datenlage, dass die iFOBT, für die eine entsprechende Datengrundlage vorhanden ist, einen sinnvollen Ersatz für den gFOBT darstellen.


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4.2.2.2. Genetische Stuhltests

4.11.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Stuhluntersuchungen auf DNA-Veränderungen sollten nicht für die Darmkrebs-Vorsorge/-Früherkennung in der asymptomatischen Bevölkerung eingesetzt werden.

Level of Evidence

3b

De Novo: [165] [166] [167] [168] [169] [170]

Starker Konsens

Hintergrund

Die Entstehung kolorektaler Karzinome über die Zwischenstufe der Adenome geht in vielen Fällen mit charakteristischen genetischen Veränderungen einher. Eine Isolierung und Untersuchung von DNA aus Kolonepithelzellen im Stuhl ist möglich [165] [166] [167] [168]. Dieses Testverfahren hat den Vorteil, dass theoretisch auch nicht blutende Läsionen entdeckt werden könnten. In einer Studie von Imperiale mit nahezu 5500 asymptomatischen Personen wurde eine Stuhlprobe von 2500 Teilnehmern auf insgesamt 23 genetische Veränderungen untersucht und mit dem gFOBT verglichen [169]. Die Sensitivität des genetischen Tests war höher als der des gFOBT, betrug aber lediglich 50 % für Karzinome und 15 % für fortgeschrittene Adenome bei Kosten von mehreren Hundert US-Dollar pro Test und aufwändiger Testdurchführung. In der Literatursuche wurde lediglich eine weitere Studie identifziert [170]. In dieser prospektiven Studie wurden bei 3764 asymptomatischen Personen zwischen 50 und 80 Jahren ein gFOBT sowie eine Koloskopie durchgeführt. Von 2497 dieser Teilnehmer wurde eine Stuhlprobe mit einem DNA-Panel I mit denselben Markern wie in der Studie von Imperiale und von 217 mit einem DNA-Panel II mit nur noch 3 Mutationen inklusive Methylierungsmarker Vimentin untersucht. Die Sensitivität für relevante Neoplasien betrug 20 % für DNA-Panel I und 40 % für DNA-Panel II. Die Sensitivität für den Hämoccult®-Test betrug 11 %, für den Hämoccult-Sensa® 21 %. Die Spezifität für das DNA-Panel II konnte nicht ermittelt werden. Insgesamt war Panel I dem einen gFOBT (Hämoccult®) überlegen und dem anderen gFOBT (HämoccultSensa®) gleichwertig. Panel II schien beiden gFOBT überlegen, wurde jedoch nur bei einem kleinen Teil der Teilnehmer untersucht.

Zusammenfassend sind die Daten bzw. Ergebnisse unter Berücksichtigung des Aufwands und der Kosten für einzelne Tests nicht ausreichend, sodass der Einsatz aktuell nicht erfolgen sollte.


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4.2.2.3. M2-PK

4.12.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Der M2-PK Stuhltest sollte nicht für die Darmkrebs-Vorsorge/-Früherkennung in der asymptomatischen Bevölkerung eingesetzt werden.

Level of Evidence

4

De Novo: [171] [172]

Starker Konsens

Hintergrund

Die Mehrzahl der Studien erfolgte an vorselektierten Patientenkollektiven und erlaubt somit keine Aussage zur Wertigkeit des Tests für die Vorsorge/Früherkennung in der asymptomatischen Bevölkerung. In der extern durchgeführten Literatursuche wurden zwei Studien [171] [172] zur Untersuchung einer Vorsorge-/Früherkennungspopulation identifiziert. In einer Studie wurde der M2-PK-Test mit der Koloskopie bei 1082 asymptomatischen Personen verglichen. Die Sensitivität für fortgeschrittene Adenome betrug 21,7 % bei einer Spezifität von 82 %. In einer weiteren Studie mit 1079 Teilnehmern wurde der M2-PK-Test mit verschiedenen FOBT verglichen. Die Sensitivität für fortgeschrittene Neoplasien betrug 27,3 % (im Vergleich zu 7,3 – 20,0 % für die FOBT) bei einer Spezifität von 86,2 % (FOBT 92,9 – 94,0 %). Der positive prädiktive Wert für fortgeschrittene Neoplasien betrug 11,5 % und war niedriger als alle getesteten FOBT. Insgesamt ist die Datenlage nicht ausreichend, um den Test für die Vorsorge/ Früherkennung in der asymptomatischen Bevölkerung empfehlen zu können.


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4.2.3. Radiologische Verfahren

4.13.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Die CT-Kolonografie und die MR-Kolonografie sollten nicht für die Darmkrebs-Vorsorge/-Früherkennung in der asymptomatischen Bevölkerung eingesetzt werden.

Bei inkompletter Koloskopie (z. B. Adhäsionen) und fortbestehendem Wunsch des Patienten auf komplette Kolonbeurteilung sollte eine CT- oder MR-Kolonografie erfolgen.

Level of Evidence

3b

De Novo:[173] [174] [175]

Starker Konsens

Hintergrund

Für den Einsatz der MR-Kolonografie existieren nur einzelne kleine Studien, sodass die Datenlage nicht ausreicht, um einen Einsatz für die Vorsorge/Früherkennung zu befürworten. Für die CT-Kolonografie (CTC) ist die Datenlage umfangreicher. In den beiden in der Literatursuche identifizierten aktuellsten Metaanalysen für den Vergleich der CTC und der Koloskopie als Vorsorge-Früherkennungsmaßnahme in der asymptomatischen Bevölkerung zeigte sich eine hohe Sensitivität von 100 % für die Detektion von Karzinomen und von 87,9 % für die Detektion von Adenomen ≥ 10 mm. Die Sensitivität für kleinere Adenome war geringer [173] [174]. Weiterhin fällt zwischen den verschiedenen Studien eine nicht unerhebliche Heterogenität auf. Es bleibt unklar, ob die Ergebnisse der Studien, die an erfahrenen Zentren durchgeführt wurden, auf die klinische Praxis übertragbar sind. Weiterhin ist die Bedeutung extrakolonischer Befunde unklar. Die Untersuchung geht mit einer Strahlenexposition einher, sodass sich der Einsatz bei vorhandenen Alternativmethoden in Deutschland als Früherkennungs-/Vorsorgemethode aufgrund der Strahlenschutzverordnung verbietet (StrlSchV § 80). Das genaue Neoplasierisiko durch eine CTC unter Verwendung neuerer Geräte mit verringerter Strahlendosis ist unklar. Unklar ist weiterhin, ab welcher Polypengröße eine Koloskopie durchgeführt werden sollte und in welchem Intervall Patienten mit unauffälliger CTC oder kleineren Polypen kontrolliert werden sollten [175].

Patienten, bei denen eine Koloskopie aus technischen Gründen nur inkomplett durchgeführt werden konnte, sollte eine Wiederholung der Koloskopie z. B. unter stationären Bedingungen oder die CTC als Alternative zur Beurteilung des restlichen Kolons angeboten werden (siehe Kapitel 6.1.)


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4.3. Kosteneffektivität

4.14.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Sowohl FOBT als auch Sigmoidoskopie, Koloskopie und die Kombination aus Sigmoidoskopie und FOBT gelten als kosteneffektiv (im Vergleich zu Vorsorge-/ Früherkennungsverfahren anderer Zielkrankheiten).

Konsens

Hintergrund

Prospektive Studien zur Kosteneffektiviät der verschiedenen KRK-Vorsorgeverfahren existieren nicht. Mathematische Modellrechnungen legen nahe, dass Koloskopie, Sigmoidoskopie und FOBT kosteneffektiv sind [140] [176] [177] [178] [179] [180] [181] [182] [183] [184] [185] [186].


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4.4. Empfehlungen anderer eingeschlossener Leitlinien

Anhand der DELBI-Kriterien wurden 2 Leitlinien zur KRK-Vorsorge/Früherkennung eingeschlossen. Zum einen die Empfehlungen der US Preventive Task Force aus dem Jahr 2008 [95] und zum anderen die Asian Pacific consensus recommendations aus dem Jahr 2007 [187]. Von der US-Preventive Task Force werden die folgenden Methoden empfohlen: ein sensitiver FOBT (aufgeführt Hämoccult sensa® und IFOBT/FIT) jährlich, eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre zusammen mit einem FOBT alle 3 Jahre oder eine Koloskopie alle 10 Jahre. Der Einsatz der CT-Kolonografie und genetischer Stuhltests wird nicht empfohlen, die Kapselendoskopie und der M2-PK-Test werden nicht aufgeführt. Zu erwähnen ist, dass der Hämoccult sensa® in Deutschland nicht verfügbar ist.

In der Asian-Pacific-Leitlinie werden der FOBT (gFOBT und iFOBT) alle 1 – 2 Jahre, die Sigmoidoskopie alle 5 Jahre und die Koloskopie alle 10 Jahre empfohlen. Die CT-Kolonografie wird nicht empfohlen, genetische Stuhltests, Kapselendoskopie und M2-PK-Test sind nicht aufgeführt.


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5. Risikogruppen

Personen, die aufgrund einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu einer von drei definierten Risikogruppen:

  • Personen mit einem familiär gesteigerten Risiko für ein kolorektales Karzinom, dessen genetische Grundlagen z. Zt. noch nicht umfassend bekannt sind

  • nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres kolorektales Karzinom

  • Risikopersonen auf dem Boden einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung

5.1. Sporadisches kolorektales Karzinom

5.1.1. Risikogruppen

5.1.1.1. Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom

5.1.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2a

Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem kolorektalen Karzinom haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [188] [189] [190] [191] [192] [193] [194] [195] [196] [197] [198] [199] [200] [201] [202]

Konsens

5.2.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2b

Verwandte zweiten Grades haben ein gering erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [188] [189] [192] [193] [203] [204]

Konsens

Hintergrund

Etwa 20 – 30 % der KRK-Fälle treten „familiär gehäuft“ auf, d. h. es kann ein gehäuftes Vorkommen der Krebserkrankung innerhalb einer Familie beobachtet werden, ohne dass jedoch konkrete genetische Ursachen identifiziert werden können. In diesem Fall wird der Begriff „Familiäres kolorektales Karzinom“ verwendet [188]. Für Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) eines Patienten mit einem KRK ist das mittlere Risiko 2- bis 3-fach erhöht. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn bei dem Indexpatienten das KRK vor dem 60. Lebensjahr aufgetreten ist und/oder mehr als ein Verwandter ersten Grades von einem KRK betroffen ist [189] [190] [191] [192] [193] [194] [195] [196] [197] [198] [199] [200] [201]. In dieser Gruppe befinden sich allerdings auch bislang unentdeckte hereditäre KRK (z. B. HNPCC; s. u.). Das Risiko ist für das Kolon- im Vergleich zum Rektumkarzinom höher (relatives Risiko 2,4 vs. 1,9). Für erstgradig Verwandte von betroffenen Patienten kann das KRK-Risiko weiter aufgeteilt werden. So ist das Risiko für die Geschwister etwa 2,5-fach höher als für die Kinder. Ist der Indexpatient nach dem 60. Lebensjahr erkrankt, ist das KRK-Risiko für die erstgradig Verwandten nur noch gering erhöht [190] [202].

Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Geschwister der Eltern, Enkel) von Patienten mit kolorektalen Karzinomen haben ein leicht erhöhtes Karzinomrisiko (RR 1,5); dieses ist aber derzeit nur unzureichend untersucht und bisher nicht in der Praxis verifiziert [189] [192] [193] [203] [204]. Für Verwandte dritten Grades von Patienten mit KRK ist kein erhöhtes Karzinomrisiko anzunehmen.


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5.1.1.2. Verwandte von Patienten mit kolorektalem Adenom

5.3.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2b

Verwandte ersten Grades von Patienten, bei denen ein kolorektales Adenom vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen wurde, haben ein erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [190] [193] [205] [206] [207] [208]

Konsens

Hintergrund

Das Risiko dieser Verwandten, ein KRK zu entwickeln, ist im Mittel etwa 2-fach gegenüber der Allgemeinbevölkerung gesteigert [190] [193] [205] [206] [207] [208]; es besteht ein 80 % höheres Risiko bei Eltern und Geschwistern von Adenom-Patienten im Vergleich mit deren Lebenspartnern [205]. Auch hier ist die Risikohöhe vom Alter des Indexpatienten abhängig: Ist dieser jünger als 60 Jahre, ist das mittlere Risiko nur leicht erhöht, ist er jünger als 50 Jahre, ist das Risiko ca. 4,4-fach erhöht [206]. Ist der Indexpatient älter als 60 Jahre, ist das kolorektale Karzinomrisiko nicht mehr statistisch signifikant erhöht.

Aufgrund der Datenlage gibt es keine Evidenz, dass Verwandte von Patienten, bei denen ein hyperplastischer Polyp nachgewiesen wurde, ein erhöhtes Risiko haben, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Eine Ausnahme ist das sehr seltene hyperplastische Polyposis-Syndrom.


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5.1.1.3. Patienten mit kolorektalen Adenomen

5.4.

Evidenzbasiertes Statement

2008

Level of Evidence

2b

Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom dar. Dies gilt insbesondere für:

  • multiple (≥ 3) Adenome

  • große (> 1 cm) Adenome

[100] [101] [209] [210]

Konsens

Hintergrund

Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Adenome im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um bis zu 90 % verminderten Risiko, ein metachrones KRK zu entwickeln [100] [101] [209] [210]. Dieses reflektiert den Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz. Kontrolluntersuchungen dienen insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron aufgetretener Adenome.

Adenome > 1 cm sind mit einem etwa 4-fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert [193] [210] [211] [212] [213] [214] [215] [216] [217]. Auch bei multiplen Adenomen ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (4- bis 6-fach) gesteigert [193] [210] [212] [213] [215] [216]. Hierbei dürfte das erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen: Beim koloskopischen Nachweis von ≥ 3 Polypen besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden [117] [218].

5.5.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Ein erhöhtes familiäres Darmkrebsrisiko wird durch die ärztliche Anamnese erfasst. Jedoch besteht keine verpflichtende Erfassung der Familienanamnese und ggf. deren Wiederholung im Intervall. Die Verwendung von standardisierten Fragebögen kann geeignet sein, die Erfassung von Personen mit erhöhtem Risiko zu verbessern.

Starker Konsens

Hintergrund

Die Risikofeststellung erfolgt in der Regel über das ärztliche Anamnesegespräch. Eine Möglichkeit zur Integration der Risikofeststellung in die medizinische Betreuung bestünde in der Verwendung eines standardisierten Fragebogens in der hausärztlichen Praxis im Alter von 35 Jahren im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt angebotenen Check-up-Untersuchung.

Durch eine Integration in die Praxis-Software als Memo kann diese Befragung nachgeholt werden, sofern der Patient zu dem o. g. Zeitpunkt nicht in der Praxis vorstellig wird. Ein entsprechendes Konzept wird gegenwärtig im Gemeinsamen Bundesausschuss geprüft.

Weitere sinnvolle Stellen sind gynäkologische Praxen, da hier regelmäßige Vorstellungen im Rahmen der gynäkologischen Krebsfrüherkennung empfohlen werden, sowie Vorstellungen in gastroenterologischen Praxen.

Darüber hinaus steht eine Reihe von Fragebögen, die teilweise im Internet frei zugänglich sind, zur Verfügung:

Von den genannten Fragebögen ist der vom „Netzwerk gegen Darmkrebs“ verwendete Fragebogen evaluiert worden [219]. Zu den anderen verwendeten Fragebögen liegen bisher keine Daten vor.


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5.1.2. Primärprävention

5.6.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

1b

Eine gesonderte Empfehlung zur Primärprävention (diätetische Maßnahmen, Chemoprävention) im Vergleich zur Normalbevölkerung kann aufgrund der widersprüchlichen Daten für die genannten Risikogruppen nicht gegeben werden.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [220] [221] [222] [223]

Starker Konsens

Hintergrund

Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen (siehe Kapitel 3) auch für die Angehörigen der Risikogruppen übernommen werden; für spezielle Maßnahmen fehlen gesicherte Daten [220] [221] [222] [223].


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5.1.3. Vorsorgeuntersuchungen

5.1.3.1. Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom

5.7.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom sollten in einem Lebensalter, das 10 Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten liegt, erstmals komplett koloskopiert werden, spätestens im Alter von 40 – 45 Jahren. Die Koloskopie sollte bei polypenfreiem Darm in der initialen Koloskopie mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden.

Starker Konsens

Hintergrund

Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei einem Manifestationsalter unter 50 Jahren beim Indexpatienten, erhöht [193] [195] [202] [204] [224] [225] [226] [227] [228] [229].

Die Empfehlung lehnt sich an die amerikanische Leitlinienempfehlung an [230]. Dort wird eine Empfehlung zur Koloskopie im Alter von 40 Jahren ausgesprochen, wenn ein erstgradig Verwandter vor dem 60. Lebensjahr an einem KRK erkrankt ist oder zwei oder mehr erstgradig Verwandte an einem KRK (unabhängig vom Erkrankungsalter) erkrankt sind.

Die Frage des maximalen Untersuchungsintervalls ist bisher nicht eindeutig geklärt; es gilt aber als wahrscheinlich, dass ein Intervall von 10 Jahren in der Regel ausreichen dürfte, dieses aber nicht überschritten werden sollte. In der amerikanischen Leitlinie wird ein 5-Jahres-Intervall empfohlen.

5.8.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Erstgradig Verwandte von Patienten aus Familien, die die Amsterdam-Kriterien erfüllen und gleichzeitig eine Mikrosatellitenstabilität (MSS) im Karzinom aufweisen, sollten engmaschiger überwacht werden:

Zeigen mindestens zwei unabhängige Karzinome aus der Familie eine MSS, sollte ab dem 25. Lebensjahr in Intervallen von 3 – 5 Jahren koloskopiert werden.

Ist nur ein Karzinom aus der Familie untersucht worden und weist eine MSS auf, sollten zusätzlich Früherkennungsuntersuchungen auf Endometriumkarzinom und Magenkarzinom ebenfalls in Intervallen von 3 – 5 Jahren durchgeführt werden.

Starker Konsens

5.9.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Bei erstgradig Verwandten von Patienten mit kolorektalem Karzinom aus Familien, in denen die Bethesda-Kriterien, nicht aber die Amsterdam-Kriterien erfüllt sind, sollte in kürzeren Intervallen koloskopiert werden:

Wenn kein Tumorgewebe zur Untersuchung auf HNPCC-typische Auffälligkeiten zur Verfügung steht, sollte das Intervall 3 Jahre nicht überschreiten.

Konsens

5.10.

Empfehlung

2013

EK

Wenn das Tumorgewebe eine Mikrosatellitenstabilität (MSS) oder eine niedriggradige Mikrosatelliteninstabilität (MSI-L) zeigt, sollte das Intervall 3 – 5 Jahre betragen.

Konsens

Hintergrund

Bei jungen Indexpatienten in der Verwandtschaft sollte die Diagnose eines HNPCC-Syndroms (siehe Abschnitt 5.2.1) in Erwägung gezogen werden und eine Mikrosatellitenanalyse und/oder immunhistochemische Untersuchung der Mismatch-Reparatur-Proteine durchgeführt werden. In der klinischen Praxis finden sich immer wieder Familien, in denen eine Häufung kolorektaler Karzinome vorliegt, jedoch ohne dass die klinischen Diagnosekriterien für HNPCC (Amsterdam-II-Kriterien) erfüllt sind. Sollte in diesen Familien kein Tumorgewebe mehr verfügbar sein oder dieses eine Mikrosatellitenstabilität (MSS) zeigen, kann das Vorliegen einer bislang unbekannten erblich bedingten gastrointestinalen Tumordisposition nicht sicher ausgeschlossen werden. Ein Untersuchungsintervall von höchstens 10 Jahren erscheint in dieser Konstellation nicht engmaschig genug, auch wenn diese Fragestellung bisher nicht eindeutig geklärt ist; ein Intervall von 3 bis 5 Jahren dürfte dem familiären Risiko angemessen sein.

Bei Patienten aus Familien, welche die Amsterdam-Kriterien erfüllen, eine Mikrosatelliteninstabilität aber ausgeschlossen werden konnte, wurde bisher analog zu den Familien mit nachgewiesener MSI eine jährliche Vorsorge empfohlen. Dies ist aufgrund der Datenlage nicht erforderlich. Intervalle von 3 bis 5 Jahren sind angemessen [231] [232]. Eine Überwachung hinsichtlich extrakolonischer Tumoren ist bei diesem Personenkreis außerhalb der allgemeinen Krebsfrüherkennungsmaßnahmen nicht erforderlich.


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5.1.3.2. Verwandte von Patienten mit kolorektalen Adenomen

5.11.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Verwandte ersten Grades von Indexpatienten, bei denen Adenome vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen wurden, sollten 10 Jahre vor dem Lebensalter zum Zeitpunkt des Nachweises des Adenoms koloskopiert werden. Die Koloskopie sollte bei polypenfreiem Darm in der initialen Koloskopie mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Bei Nachweis von Polypen gelten die Empfehlungen von Kapitel 6.5.

Starker Konsens

Hintergrund

Die Empfehlung basiert auf dem in Abschnitt 5.1.1 dargelegten erhöhten Risiko dieser Population [93] [195] [204] [206].


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5.2. Hereditäre kolorektale Karzinome

5.12.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Wenn Grund zu der Annahme besteht, dass bei einem Patienten eine erbliche Form des Darmkrebses vorliegt oder dass eine gesunde Person ein hohes Risiko für eine erbliche Form von Darmkrebs hat, sollte der Patient in einem interdisziplinären Zentrum mit ausgewiesener Expertise auf dem Gebiet des erblichen Darmkrebses vorgestellt werden.

Konsens

Hintergrund

Monogen erbliche kolorektale Karzinome sind selten (weniger als 5 % aller kolorektalen Karzinome). Die Diagnose hat erhebliche Konsequenzen für die Patienten und ihre Verwandten. Im Verdachtsfall sollte ein erfahrenes Zentrum für familiären Darmkrebs oder ein äquivalentes Angebot mit entsprechender Expertise kontaktiert werden. Eine molekulargenetische Diagnostik bei erkrankten Patienten dient der Diagnosesicherung und ermöglicht die prädiktive Testung von Familienangehörigen. Eine entsprechende Keimbahnmutationssuche soll nach den Richtlinien zur Diagnostik der genetischen Disposition für Krebserkrankungen der Bundesärztekammer und dem Gendiagnostikgesetz (GenDG) erfolgen [120]. Beispielhaft ist der Algorithmus für das HNPCC-/Lynch-Syndrom in [Abb. 1] dargestellt. Er gilt in analoger Weise für die anderen erblichen Syndrome mit erhöhtem Darmkrebsrisiko. Neben einem erhöhten Risiko für kolorektale Karzinome haben alle Patienten und Risikopersonen dieser Gruppe ein zusätzlich erhöhtes Risiko extrakolischer Neoplasien. Aufgrund des meist autosomal-dominanten Erbgangs haben erstgradig Verwandte von Betroffenen ein 50 %iges Risiko, diese genetische Disposition ebenfalls geerbt zu haben. Eine prädiktive genetische Testung bei diesen gesunden Risikopersonen muss dem GenDG entsprechend an eine genetische Beratung gebunden sein und kann in der Regel nur erfolgen, wenn eine zweifelsfrei pathogene Keimbahnmutation bei einem erkrankten Familienmitglied nachgewiesen wurde ([Abb. 1]) [120].

Zoom Image
Abb. 1 Algorithmus zum Ablauf der genetischen Diagnostik bei Patienten mit V. a. ein hereditäres Tumordispositions-Syndrom am Beispiel des HNPCC-/Lynch-Syndroms. Zum Nachweis der MSI bei V. a. HNPCC-/Lynch-Syndroms wird auf Abb. 2 verwiesen.
* Eine diagnostische Keimbahnuntersuchung erfordert gemäß GenDG eine Aufklärung und Dokumentation der Gesprächsinhalte durch den veranlassenden Arzt. Alternativ kann eine genetische Beratung erfolgen. Die Ergebnismitteilung muss gemäß GenDG im Rahmen einer genetischen Beratung erfolgen.
** Eine prädiktive genetische Keimbahndiagnostik bei asymptomatischen Individuen darf gemäß GenDG nur nach einer genetischen Beratung erfolgen. Die Ergebnismitteilung muß gemäß GenDG ebenfalls im Rahmen einer genetischen Beratung erfolgen.
# Bei hochgradigem V. a. HNPCC/Lynch-Syndrom (z. B. positive Amsterdam-Kriterien) und Nichtvorhandensein von Tumorgewebe kann auch direkt eine Mutationsanalyse erfolgen.
## Sofern eine Keimbahndiagnostik vom Patienten nicht gewünscht wird, ist unabhängig davon in jedem Fall die HNPCC-Vorsorge zu empfehlen.

5.13.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Bereits erkrankte Personen, Anlageträger und Risikopersonen für monogen erbliche Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für kolorektale Karzinome sollen auf Möglichkeit und Nutzen einer psychosozialen Beratung und Betreuung hingewiesen werden.

Starker Konsens

Hintergrund

Die Diagnose eines manifesten erblichen Tumorsyndroms, das Wissen um ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko oder der definitive Nachweis der Anlageträgerschaft können bei den Betroffenen und ihren Angehörigen mit einer Vielzahl psychosozialer Stressfaktoren einhergehen. Entsprechende Untersuchungen wurden insbesondere bei der FAP durchgeführt und schlossen neben Erwachsenen und Jugendlichen auch Kinder und deren Eltern ein [233] [234] [235]. Zu den relevanten Stressoren gehören eine veränderte Körperwahrnehmung, Ängste in Bezug auf chirurgische Eingriffe, Früherkennungsuntersuchungen und eine zukünftige Krebsentwicklung, befürchtete berufliche Einschränkungen, das Kommunizieren des Krankheitsbildes im sozialen Umfeld, Unsicherheit in Bezug auf reproduktive Entscheidungen sowie das Verarbeiten früh an Krebs verstorbener Familienangehöriger und damit zusammenhängender innerfamiliärer Konflikte.

Die prädiktive Testung Minderjähriger geht zusätzlich mit spezifischen Herausforderungen wie fehlender eigener Entscheidungsfähigkeit und eingeschränktem Verständnis von Sinn und Konsequenzen der Testung einher. Ergänzend zur klinischen und humangenetischen Beratung kann die psychosoziale Beratung die Patienten und Risikopersonen im Prozess der Entscheidungsfindung für bzw. gegen eine prädiktive genetische Diagnostik unterstützen und für die Verarbeitung von Testergebnissen hilfreich sein.

5.2.1. Risikogruppen

5.2.1.1. HNPCC (hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis)/Lynch-Syndrom

5.14.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Personen aus Familien, die die Amsterdam-Kriterien erfüllen oder eines der Bethesda-Kriterien mit Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI) und deren Verwandte, die aufgrund des Erbgangs als Mutationsträger in Betracht kommen, sind Risikopersonen für HNPCC.

Starker Konsens

Hintergrund

Das HNPCC-Syndrom wird nach anamnestischen Kriterien definiert (Amsterdam-I- und -II-Kriterien, siehe Kapitel 12.2). Um weitere Risikopersonen zu identifizieren, werden auch die revidierten Bethesda-Kriterien herangezogen (Bethesda-Kriterien, siehe Kapitel 12.3). In der Literatur wird favorisiert, Anlageträger einer pathogenen Keimbahnmutation in einem der MMR-Gene als Personen mit Lynch-Syndrom zu bezeichnen. Demgegenüber konnte bei Patienten mit einem HNPCC keine pathogene Keimbahnmutation nachgewiesen werden. Zur Vereinfachung wird nachfolgend nur der Begriff HNPCC verwendet.

Mutationsträger haben ein sehr hohes Risiko, ein kolorektales Karzinom (50 – 70 %) oder ein Endometriumkarzinom (20 – 60 %) zu entwickeln. Dies gilt vermindert auch für weitere Neoplasien wie Ovarial-, Magen- und Dünndarmkarzinome sowie Urothelkarzinome des Nierenbeckens und Harnleiters.

5.15.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Die Feststellung, ob bei einem Patienten die Bethesda- oder Amsterdam-Kriterien für HNPCC erfüllt sind, soll anamnestisch durch die behandelnden Ärzte erfolgen.

Starker Konsens

Hintergrund

Im Gegensatz zur FAP ist HNPCC aufgrund eines fehlenden auffälligen Phänotyps klinisch nicht einfach zu identifizieren. Aus diesem Grunde wurden Kriterien definiert, die es sinnvoll erscheinen lassen, zunächst eine Untersuchung des Tumorgewebes und anschließend ggf. eine Mutationssuche durchzuführen. Die Verdachtsdiagnose HNPCC kann klinisch gestellt werden, wenn in der Familie des Patienten die sogenannten Amsterdam-I-Kriterien erfüllt sind [236]. Beim HNPCC treten neben KRK häufig auch Endometrium- und Urothelkarzinome, aber auch Dünndarmkarzinome auf. Die Amsterdam-II-Kriterien beziehen diese extrakolischen Manifestationen in die Diagnosestellung ein [179]. Diese Kriterien stellen unter klinischen Gesichtspunkten eine Operationalisierung dar. Da viele Familien heute klein sind, fehlen allerdings oft die Voraussetzungen, um die Kriterien überhaupt zu erfüllen. Daher kann eine unauffällige Familienanamnese – insbesondere in kleinen Familien – kein Argument gegen HNPCC sein. Die weniger spezifischen Bethesda-Kriterien begründen den Verdacht HNPCC auch in kleineren Familien und in Einzelfällen (Anlage 5.3) [237].

Das Risiko von HNPCC-Anlageträgern, mindestens ein HNPCC-assoziiertes Karzinom zu entwickeln, wird mit 80 – 90 % angegeben, wobei das KRK die mit Abstand häufigste Tumorentität darstellt. KRK treten im Rahmen eines HNPCC im Mittel im 44. Lebensjahr auf, vor dem 25. Lebensjahr sind kolorektale Karzinome bei HNPCC sehr selten. Das kumulative Lebenszeitrisiko eines HNPCC-Anlageträgers für ein KRK beträgt ca. 60 – 70 %, wobei das Risiko für Männer ca. 10 % höher ist als das für Frauen.

Das Endometriumkarzinom ist nach dem KRK der zweithäufigste Tumor bei HNPCC. Das Lebenszeitrisiko für weibliche Anlageträgerinnen, ein Endometriumkarzinom zu entwickeln, beträgt 40 – 60 % bei einem medianen Erkrankungsalter zwischen 46 und 48 Jahren. Karzinome des Ovars treten bei ungefähr 10 – 15 % aller Anlageträgerinnen auf. Magenkarzinome kommen bei 2 bis 13 % der HNPCC-Patienten vor und treten durchschnittlich im Alter von 51 – 56 Jahren auf. Erkrankungen vor dem 40. Lebensjahr sind selten. Vorwiegend handelt es sich dabei um Karzinome vom intestinalen Typ. Für Deutschland wurde ein kumulatives Lebenszeitrisiko von 6.8 % bis zum 70. Lebensjahr ermittelt [238].

Das kumulative Lebenszeitrisiko für Dünndarmkarzinome im Rahmen eines HNPCC beträgt 4 – 8 % [238] [239]. Bei 35 – 50 % der Fälle ist das HNPCC-assoziierte Dünndarmkarzinom im Duodenum lokalisiert [240]. Erkrankungen vor dem 30. Lebensjahr sind selten. Karzinome der oberen ableitenden Harnwege (Ureter/Nierenbecken) treten häufig als Zweit- oder Drittkarzinome auf. Das mittlere Erkrankungsalter für diese Tumoren wird mit 50 – 63 Jahren angegeben. Das Lebenszeitrisiko wird mit 1 – 12 % angegeben. In einigen Familien wurde eine Häufung von Urothelkarzinomen beobachtet. In einer aktuellen niederländischen Studie [241] wird ein relatives Risiko für Urothelkarzinome des gesamten Urogenitaltraktes (einschließlich der Blasenkarzinome) von 4.2 für männliche und von 2.2 für weibliche Träger(innen) einer pathogenen Keimbahnmutation in einem der MMR-Gene im Vergleich zur niederländischen Allgemeinbevölkerung angegeben. Bislang noch unveröffentlichte Ergebnisse des Deutschen HNPCC-Konsortiums bestätigen diese Angaben.

Das Lebenszeitrisiko für biliäre Tumoren ist bei HNPCC erhöht, aber doch insgesamt relativ niedrig. Pankreaskarzinome werden im Rahmen eines HNPCC selten, aber signifikant häufiger als in der Allgemeinbevölkerung beobachtet (Relatives Risiko 8,6; Lebenszeitrisiko 3,7 %) [242] [243].

Für Hirntumoren besteht bei HNPCC ein leicht erhöhtes Risiko; histologisch handelt es sich dabei überwiegend um Astrozytome und Glioblastome. Das mediane Erkrankungsalter wird mit 40 – 54 Jahren angegeben [244] [245] [246]. Beim Muir-Torre-Syndrom handelt es sich um eine seltene phänotypische Variante des HNPCC, bei der neben den bereits genannten HNPCC-Tumoren vor allem Talgdrüsenadenome oder -karzinome auftreten [247].

5.16.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Eine weiterführende (molekular-) pathologische Untersuchung hinsichtlich HNPCC soll bei mindestens einem erfüllten revidierten Bethesda-Kriterium durchgeführt werden. Hierfür kann entweder an dem Tumorgewebe primär eine qualitätsgesicherte Untersuchung der immunhistochemischen Expression der DNA-Mismatch-Reparatur-Proteine MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 oder eine Untersuchung auf Mikrosatelliten-Instabilität erfolgen. Um ein HNPCC sicher auszuschließen, soll bei unauffälliger immunhistochemischer Expression der DNA-Mismatch-Reparatur-Proteine zusätzlich eine Untersuchung auf Mikrosatellitenstabilität angeschlossen werden. Auf diese kann nur verzichtet werden, wenn immunhistochemisch ein Verlust eindeutig nachgewiesen wurde.

Starker Konsens

Hintergrund

Ein Algorithmus zur Testung auf einen Mismatch-Reparatur-Defekt im Tumorgewebe ist in [Abb. 2] dargestellt. Eine Mikrosatelliteninstabilität lässt sich bei etwa 80 % der Tumorgewebe von Patienten, die die Amsterdam-I/II-Kriterien erfüllen, nachweisen. Dieses Phänomen geht auf den zugrundeliegenden Defekt eines DNA-Reparaturenzyms zurück, durch den bei der Zellteilung entstehende Basenfehlpaarungen nicht mehr korrigiert werden können. Solche Fehlpaarungen treten besonders leicht an Stellen repetitiver kurzer DNA-Fragmente auf (sog. Mikrosatelliten). In Reparatur-defizienten HNPCC-Tumoren findet sich deshalb typischerweise an vielen Stellen des Genoms ein vom Wildtyp der normalen Zellen abweichendes Mikrosatellitenmuster, was zur Bezeichnung „Mikrosatelliteninstabilität“ geführt hat. Bei Patienten aus Familien, in denen die Amsterdam-Kriterien erfüllt sind und deren Tumorgewebe eine Mikrosatellitenstabilität (MSS) zeigt, sollte nach Möglichkeit ein unabhängiger zweiter Tumor aus der Familie untersucht werden.

Zoom Image
Abb. 2 Algorithmus zum Ablauf der molekularpathologischen Abklärung eines Mismatch-Reparaturdefektes bei klinischem V. a. HNPCC-/Lynch-Syndrom. Zur sich ggf. anschließenden genetischen Diagnostik wird auf Abb. 1 verwiesen. * in jeweils > 10 % der Tumorzellen nukleär positiv; ** in < 10 % der Tumorzellen nukleär positiv.

Bei Patienten, deren Familien die Bethesda-Kriterien erfüllen, ergibt sich bei etwa 30 % der Patienten eine Mikrosatelliteninstabilität und somit ein konkreter Hinweis auf HNPCC. Die klassischen Bethesda-Kriterien wurden 2004 revidiert (Anlage 5.3) [248]. Die Sensitivität der Mikrosatellitenanalyse in HNPCC-assoziierten Tumoren beträgt 79 – 93 %, die der immunhistochemischen Untersuchung (inkl. MSH6 und PMS2) liegt vergleichbar bei 94 % [249]. Die Immunhistochemie (IHC) ist im Vergleich zur Mikrosatellitenanalyse (MSA) kostengünstiger, schneller durchzuführen und liefert durch den Ausfall eines DNA-Reparaturproteins zusätzlich den Hinweis, in welchem der vier bekannten Mismatch-Reparatur (MMR) -Gene sich die krankheitsverursachende Keimbahnmutation befindet. Sofern die IHC ein eindeutiges Ergebnis ergibt, kann auf eine MSA verzichtet werden. Andernfalls sollte eine MSA angeschlossen werden.

5.17.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Bei Patienten mit hoch mikrosatelliteninstabilen Tumoren und einem Ausfall des MLH1-Proteins in der immunhistochemischen Untersuchung soll eine Analyse hinsichtlich einer somatischen BRAF-Mutation p.Val600Glu durchgeführt werden, um ein HNPCC auszuschließen.

Konsens

Hintergrund

Ungefähr 15 % der sporadischen KRK zeigen im Tumorgewebe HNPCC-typische Veränderungen im Sinne einer MSI-H und eines Ausfalls des MLH1-Proteins in der immunhistochemischen Untersuchung (IHC). Ursächlich hierfür ist in der Regel eine somatische Methylierung des MLH1-Promotors. Die Methylierung geht wiederum mit der somatischen Mutation p.Val600Glu im BRAF-Gen einher [250] [251] [252] [253]. Bei Tumoren mit MSI-H und einem Ausfall des MLH1-Proteins in der IHC sollte daher zusätzlich eine BRAF-Analyse angeschlossen werden. Durch diese Untersuchung ist es möglich HNPCC-assoziierte von sporadischen KRK zu unterscheiden, da HNPCC-assoziierte KRK keine BRAF-Mutation aufweisen. Für Verwandte ersten Grades eines Patienten mit einem sporadischen MSI-H KRK ist das Risiko, ein KRK zu entwickeln, leicht erhöht (standardisierte Inzidenz Ratio 1,60) [254]. Es sollten daher die Vorsorgeempfehlungen analog zu den Fällen mit positiver Familienanamnese durchgeführt werden. Möglicherweise ist für Patienten mit einem BRAF-positiven KRK das Risiko für andere Tumoren erhöht (Magen, Ovar) [254].


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5.2.1.2. Adenomatöse Polyposis-Syndrome

5.2.1.2.1. Patienten mit klassischer familiär adenomatöser Polyposis (FAP)

5.18.

Evidenzbasiertes Statement

2008

Level of Evidence

2a

Patienten mit unbehandelter FAP entwickeln nahezu ausnahmslos ein kolorektales Karzinom.

Quelle: [255]

Hintergrund

Eine klassische (typische) FAP ist durch das Vorhandensein von mehr als 100 kolorektalen Adenomen charakterisiert. Die Polypenbildung beginnt meist in der zweiten Lebensdekade. Aufgrund der Vielzahl der Adenome beträgt das Karzinomrisiko nahezu 100 %.

Die Mehrzahl der Patienten entwickelt darüber hinaus weitere extrakolische intestinale Manifestationen. Klinisch am bedeutsamsten sind Duodenal- bzw. Papillenadenome, die in etwa 75 % aller Patienten auftreten und als Präkanzerose anzusehen sind (siehe unten). Weitaus weniger häufig sind Magenadenome mit einer Inzidenz von < 10 % der Patienten mit FAP. Drüsenkörperzysten des Magens, die bei mindestens einem Drittel der FAP-Patienten auftreten, wird gegenwärtig keine potenzielle präneoplastische Potenz zugeschrieben.

Weitere extraintestinale Manifestationen sind abdominale und extraabdominale Desmoidtumoren, Schilddrüsenkarzinome, maligne ZNS-Tumoren (meist Medulloblastome), Hepatoblastome, sowie harmlose, jedoch oft diagnostisch wegweisende Osteome, Epidermoidzysten oder Pigmentanomalien der Retina [255].


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5.2.1.2.2. Patienten mit attenuierter familiärer adenomatöser Polyposis (AFAP)

5.19.

Konsensbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2a

Die attenuierte FAP (AFAP) ist von dem Krankheitsbild der typischen familiären adenomatösen Polyposis abzugrenzen. Auch hier besteht ein sehr hohes Risiko für ein kolorektales Karzinom, wobei sich Polypen und Karzinome bei den Anlageträgern meist später und häufig im proximalen Kolon entwickeln.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [255] [256] [257] [258] [259] [260] [261] [262] [263]

Hintergrund

Die AFAP ist typischerweise durch weniger als 100 kolorektale Adenome und/oder ein etwa 10 – 15 Jahre späteres Auftreten von Adenomen und KRK als bei klassischer FAP charakterisiert; das Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines KRK ist aber ebenfalls sehr hoch. Extrakolische Manifestationen (z. B. Desmoide) können auftreten [255] [256] [257] [258] [259] [260]. Die klinisch definierte AFAP ist aus genetischer Sicht eine heterogene Gruppe. Keimbahnmutationen im APC-Gen (5’ und 3’-Ende des Gens) lassen sich in 15 – 30 % der Familien nachweisen. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) (siehe unten) [261]. Die klinische Abgrenzung gegenüber HNPCC kann im Einzelfall schwierig sein [262]. Daher ist die molekulargenetische Diagnostik (Mikrosatellitenanalyse, APC, MUTYH) unter Umständen bei der klinischen Differenzialdiagnose einer attenuierten FAP sehr hilfreich [263]. Bei einem Großteil der Patienten mit der klinischen Diagnose einer AFAP gelingt derzeit kein Mutationsnachweis, sodass von Mutationen in weiteren bisher nicht identifizierten Genen ausgegangen werden muss [263].


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5.2.1.2.3. Patienten mit MUTYH-assoziierter Polyposis (MAP)

5.20.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2a

Die MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) ist die wichtigste Differenzialdiagnose der FAP. Der Phänotyp entspricht meist dem einer AFAP; auch bei der MAP ist das Lebenszeitrisiko für ein KRK sehr hoch. Aufgrund des autosomal-rezessiven Erbgangs besteht aber ein nur geringes Erkrankungsrisiko bei Kindern eines Patienten und heterozygoten Anlageträgern. Die Diagnosestellung ist in der Regel nur durch die molekulargenetische Untersuchung möglich.

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [264] [265] [266] [267] [268] [269] [270] [271]

Hintergrund

Die durch biallele Keimbahnmutationen im MUTYH-Gen verursachte, autosomal-rezessiv erbliche MAP ist die wichtigste Differenzialdiagnose der APC-assoziierten FAP [264]; sie wird bei 15 – 20 % der APC-mutationsnegativen kolorektalen Adenomatosen diagnostiziert [265] [266].

Der kolorektale Phänotyp der MAP ähnelt dem der AFAP: Meist treten zwischen 20 und einigen hundert Adenomen auf, das mittlere Diagnosealter ist 45 Jahre (Streuung 12 – 68 Jahre) [267]. Unbehandelt beträgt das KRK-Lebenszeitrisiko etwa 70 – 80 % [268]. Das phänotypische Spektrum der MAP ist noch nicht abschließend geklärt: Einige große populationsbasierte Studien an KRK-Patienten zeigten, dass bis zu ein Drittel der biallelen MUTYH-Mutationsträger ein KRK ohne kolorektale Polypen entwickelt [269]. Daneben wurden bei bis zu 50 % der MAP-Patienten hyperplastische Polypen beschrieben [270].

Bei etwa 20 % der Patienten besteht eine Duodenalpolyposis, das Lebenszeitrisiko für ein Duodenalkarzinom beträgt etwa 4 %. Extraintestinale Malignome treten insgesamt signifikant häufiger als in der Allgemeinbevölkerung auf (Odds Ratio 1,9) und zeigen eine gewisse Überlappung zum HNPCC; es besteht allerdings kein dominierender Tumor. Typische FAP-assoziierte extraintestinale Tumoren wie Osteome, Desmoide und CHRPE treten nicht auf [271].


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5.2.2. Vorsorgeuntersuchungen

5.2.2.1. HNPCC/Lynch-Syndrom

5.21.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Risikopersonen für HNPCC ist mit Erreichen der Einwilligungsfähigkeit (in der Regel ab dem 18. Lebensjahr), jedoch vor dem 25. Lebensjahr eine genetische Beratung zu empfehlen. Sobald die krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollten Risikopersonen auf die Möglichkeit einer prädiktiven Testung hingewiesen werden.

Level of Evidence

1c

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [272] [273]

Starker Konsens

5.22.

Evidenzbasiertes Statement

2008

Level of Evidence

1c

Wenn die krankheitsverursachende Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen wurde, gelten die allgemeinen Krebsvorsorgemaßnahmen.

Starker Konsens

Hintergrund

Anlageträger für ein HNPCC haben Mutationen in den Mismatch-Repair-Genen. Bislang konnten Keimbahnmutationen in 5 verschiedenen Genen nachgewiesen werden: MSH2, MLH1, MSH6, PMS2 und EPCAM. Fast 86 % der bislang identifizierten Mutationen liegen in den Genen MSH2 und MLH1 [272], etwa 10 % im MSH6-Gen und 2 % im PMS2-Gen. Mutationen im EPCAM-Gen werden bei ca. 2 % der Familien gefunden [273]. Vor einer prädiktiven genetischen Untersuchung muss entsprechend des GenDG eine humangenetische Beratung erfolgen. Eine prädiktive Testung ist in der Regel nur möglich, wenn in der Familie bei einem bereits erkrankten Mitglied eine zweifelsfrei pathogene Mutation nachgewiesen wurde. Der Nachweis von Polymorphismen oder Mutationen mit unklarer pathogenetischer Bedeutung eignet sich nicht als Grundlage für eine prädiktive genetische Diagnostik.

5.23.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

HNPCC-Patienten und Risikopersonen sollen in der Regel ab dem 25. Lebensjahr jährlich koloskopiert werden.

Konsens

Hintergrund

HNPCC-Patienten haben ein deutlich erhöhtes Karzinomrisiko. Einen Überblick über die empfohlenen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen gibt [Tab. 6]. Kolonkarzinome bei HNPCC-Patienten treten im Median im 44. Lebensjahr auf. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit steigt ab dem 30. Lebensjahr deutlich an. Bei sehr früher Manifestation kolorektaler Karzinome in der Familie sollte abweichend von der o. g. Empfehlung die erste Koloskopie 5 Jahre vor dem jüngsten Manifestationsalter in der Familie erfolgen. Mehr als 50 % der HNPCC-assoziierten Karzinome befinden sich im rechtsseitigen Kolon [245]. Aus diesem Grunde reicht eine Rektoskopie bzw. Rektosigmoidoskopie als Vorsorgeuntersuchung nicht aus. Eine prospektive Studie konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität und auch Inzidenz von KRK um mehr als jeweils 60 % bei 3-jährlichen Untersuchungsintervallen nachweisen [274]. Aufgrund einer beschleunigten Tumorprogression mit Intervallkarzinomen in etwa 4 % aller Patienten bei 2- bis 3-jährlichen Untersuchungsabständen wird ein jährliches Intervall empfohlen [274] [275] [276] ([Tab. 6]). In der prospektiven Studie des Deutschen HNPCC-Konsortiums mit 1-jährlichem Intervall weisen die unter Überwachung asymptomatisch detektierten CRC eine signifikant günstigere Stadienverteilung auf [231].

Die Stadienverteilung und damit auch Prognose HNPCC-assoziierter kolorektaler Karzinome, die im Rahmen eines Vorsorgeprogrammes entdeckt werden, ist signifikant günstiger verglichen zu Karzinomen, die aufgrund von Symptomen der Erkrankung diagnostiziert worden sind [277]. Die Koloskopie kann als Chromoendoskopie erfolgen. In prospektiven Studien wurde durch eine Chromoendoskopie eine signifikante Steigerung der Adenomdetektionsrate gesehen [278] [279] [280]. Es ist aber gegenwärtig unklar, ob dadurch die Intervallkarzinomrate oder Mortalität günstig beeinflusst wird.

5.24.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Bei weiblichen HNPCC-Patienten und Risikopersonen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- und Ovarialkarzinome durchgeführt werden.

Level of Evidence

4

Quellen: [244] [281] [282] [283] [284]

Starker Konsens

5.25.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Bei weiblichen HNPCC-Patienten und Risikopersonen sollte ab dem 35. Lebensjahr zusätzlich jährlich eine Endometriumbiospsie durchgeführt werden.

Konsens

Hintergrund

Diese Empfehlungen ergeben sich aus dem natürlichen Verlauf des HNPCC (siehe oben). Bei Anlageträgerinnen beträgt das Risiko, bis zum 70. Lebensjahr ein Endometriumkarzinom zu entwickeln, 40 bis 60 %, für ein Ovarialkarzinom ungefähr 10 – 15 % [244] [281]. Die bisher publizierten Studien hinsichtlich der Effektivität der Früherkennung des Endometriumkarzinoms bei HNPCC-Patientinnen zeigten deutliche Hinweise, dass der transvaginale Ultraschall (TVU) als Screening-Untersuchung zur Früherkennung des Endometriumkarzinoms insbesondere prä- und perimenopausal ungeeignet ist [282] [283] [284]. Da die Endometriumbiopsie mit der Pipelle-Methode in Ergänzung zum TVU aus den Literaturdaten als die sinnvollste Alternative hervorgeht und diese auch bereits in internationalen Empfehlungen für HNPCC-Patientinnen propagiert wurde [285], ist die Empfehlung zur jährlichen Endometriumbiopsie ab dem 35. Lebensjahr sinnvoll ([Tab. 7]). Bei Patienten mit abgeschlossener Familienplanung sollte die Möglichkeit einer prophylaktischen Hysterektomie und ggf. Adnektomie diskutiert werden (siehe Empfehlung 5.30.).

5.26.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Bei HNPCC-Patienten und Risikopersonen mit HNPCC sollte ab dem 35. Lebensjahr zusätzlich regelmäßig eine ÖGD durchgeführt werden.

Konsens

Hintergrund

HNPCC-assoziierte Magenkarzinome werden im Median im 54. Lebensjahr diagnostiziert, sie treten in nur 2 % vor dem 35. Lebensjahr auf. Für Deutschland wurde ein kumulatives Lebenszeitrisiko von 6,8 % bis zum 70. Lebensjahr ermittelt [238]. Eine familiäre Häufung (mindestens 2 Betroffene mit Magenkarzinomen) ließ sich in nur 26 % der MLH1- und MSH2-Mutationsträger nachweisen [286]. Daher erscheint eine ÖGD für alle Anlageträger und Risikopersonen ab dem 35. Lebensjahr sinnvoll ([Tab. 6]). Der Beginn der ÖGD mit 35 Jahren wird auch vorgeschlagen, da das Dünndarmkarzinomrisiko das Magenkrebsrisiko übersteigt und Erkrankungen ab dem 30. Lebensjahr auftreten. Das kumulative Lebenszeitrisiko für Dünndarmkarzinome im Rahmen eines HNPCC beträgt 4 – 8 % [238] [239]. Dabei sind 35 – 50 % der Dünndarmkarzinome im Duodenum lokalisiert [240]. Die Empfehlung der S3-Leitlinie zum Magenkarzinom wird aufgrund der Datenlage künftig zu präzisieren sein. Zur Frage des Untersuchungsintervalls gibt es keine Daten; in Analogie zur beschleunigten Tumorprogression kolorektaler Karznome auf dem Boden eines hereditären MMR-Defektes wird ein jährliches Intervall als sinnvoll erachtet.

Wegen des erhöhten Risikos für Urothelkarzinome und hepatobiliäre Karzinome wurde früher eine jährliche Oberbauchsonografie empfohlen. Der Nutzen ist aber nicht belegt und vom kurativen Potenzial fraglich. Sie wird daher nicht länger allgemein empfohlen. Der Nutzen einer urinzytologischen Untersuchung ist nicht belegt und wird daher seit 2004 nicht mehr allgemein empfohlen.

5.27.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Eine medikamentöse Prävention bei HNPCC sollte nicht durchgeführt werden.

Level of Evidence

2b

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [287] [288]

Konsens

Hintergrund

Zur Chemoprävention bei HNPCC liegen bisher nur Daten einer prospektiv randomisierten Studie vor. Die CAPP2-Studie hat in einem 2x2-Design den Einsatz von 600 mg Acetylsalicylsäure und von nicht resorbierbarer Stärke geprüft. Die primäre Analyse der definierten Endpunkte ergab keinen Nachweis eines signifikanten Effektes von ASS [287]. Nach einem längeren Follow-up von 55,7 Monaten fand sich für die Subgruppe von HNPCC-Patienten, die 600 mg ASS für mindestens 2 Jahre eingenommen hatten, eine signifikante Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome (Hazard ratio 0,41 [95 %CI 0,19 – 0,86], p = 0,02) sowie eine nicht signifikante Senkung von anderen HNPCC-assoziierten Karzinomen (Hazard ratio 0,47 [95 %CI 0,21 – 1,06], p = 0,07) [288]. Die untersuchte ASS-Dosis erscheint mit 600 mg hoch mit entsprechend zu befürchtender erhöhter Nebenwirkungsrate. Die Effektivität niedrigerer ASS-Dosen ist derzeit für HNPCC-Patienten nicht geklärt und soll in einer Nachfolgestudie (CAPP-3) untersucht werden. Es sollte angestrebt werden, möglichst viele HNPCC-Patienten in diese Studie einzuschließen. Bis die Ergebnisse dieser Studie vorliegen, sollte keine allgemeine medikamentöse Prävention mit ASS bei HNPCC-Patienten erfolgen.

5.28.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Eine prophylaktische Kolektomie bzw. Proktokolektomie bei HNPCC-Mutationsträgern soll nicht durchgeführt werden.

Eine subtotale Kolektomie bei Karzinom sollte nicht generell durchgeführt, aber individuell mit dem Patienten besprochen werden.

Starker Konsens

5.29.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Die koloskopische Überwachung des Patienten nach onkologischer Resektion soll zusätzlich zur üblichen Nachsorge auch postoperativ nach dem gleichen Muster wie vor der Operation fortgesetzt werden.

Level of Evidence

2a

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [274] [275] [289] [290] [291] [292]

Starker Konsens

Hintergrund

Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen Karzinome bei fast allen Patienten im Stadium UICC I/II oder sogar als prämaligne Adenome entdeckt werden [274] [275] und die Penetranz unvollständig ist, wird von einer prophylaktischen Kolektomie bzw. Proktokolektomie abgeraten. Individuelle Konstellationen wie endoskopisch nicht abtragbare Adenome, regelhaft schwierige Koloskopien, nicht ausreichende Kolonvorbereitung trotz adäquater Abführmaßnahmen und fehlende Compliance können eine Empfehlung zu einer prophylaktischen Kolektomie rechtfertigen.

Bei Nachweis eines Karzinoms werden die Patienten nach tumorchirurgischen Gesichtspunkten im Sinne einer onkologischen Resektion operiert (siehe auch Kapitel 7). Das Risiko eines kolorektalen Karzinoms im verbliebenen Dickdarm und das Risiko von extrakolischen Neoplasien bleibt jedoch erhöht, sodass diese Patienten einer intensiven postoperativen Nachsorge zugeführt werden müssen. In dieser sollte die Tumornachsorge für sporadische KRK mit dem HNPCC-spezifischen Früherkennungsprogramm für KRK und extrakolische Tumoren kombiniert werden. Ob eine erweiterte prophylaktische Resektion zur Prophylaxe metachroner KRK einer engmaschigen Überwachung überlegen ist, ist derzeit unklar. Die bisherigen Daten aus retrospektiven Fallserien sind unzureichend, und aufgrund nationaler Unterschiede im Bezug auf das Screening-Intervall nicht auf Deutschland übertragbar [289] [290] [291] [292].

5.30.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Mit Patientinnen mit Lynch- und HNPCC-Syndrom sollte mit 40 Jahren, bzw. fünf Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie, eine prophylaktische Hysterektomie und ggf. eine Ovarektomie besprochen werden.

Konsens

Hintergrund

Dieses Vorgehen basiert auf der Expertenmeinung der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) der Deutschen Krebsgesellschaft. Der Eingriff sollte möglichst erst nach Abschluss der Familienplanung erfolgen. Eine retrospektive Studie konnte einen deutlichen Rückgang in der Inzidenz der Endometrium- und Ovarialkarzinome bei diesen Patientinnen zeigen [293]. Nach einer prophylaktischen Ovarektomie sollte eine Hormontherapie (HRT) durchgeführt werden. Nach einer Hysterektomie kann die HRT auch nur mit Östrogenen erfolgen, wodurch die Nebenwirkungen der Therapie gesenkt werden.


#

5.2.2.2. Adenomatöse Polyposis-Syndrome

5.2.2.2.1.Patienten mit klassischer familiärer adenomatöser Polyposis (FAP)

5.31.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgrund des autosomal-dominanten Erbgangs als Mutationsträger in Betracht kommen, werden als Risikopersonen bezeichnet. Bei diesen sollte ab dem 10. Lebensjahr im Anschluss an eine humangenetische Beratung der Familie eine prädiktive genetische Diagnostik empfohlen werden, soweit die zugrundeliegende APC-Keimbahnmutation in der Familie identifiziert werden konnte.

Level of Evidence

4

Quellen: [120] [294]

Starker Konsens

5.32.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

A

Wurde die in der Familie identifizierte Mutation bei Risikopersonen (Kinder, Geschwister oder Eltern eines FAP-Patienten) ausgeschlossen, ist eine gesonderte Vorsorge nicht mehr notwendig.

Level of Evidence

1c

Keine Angabe

Starker Konsens

5.33.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Risikopersonen, bei denen die Mutation bestätigt oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sollen ab dem 10. Lebensjahr jährlich rekto-sigmoidoskopiert werden. Bei Nachweis von Adenomen soll eine komplette Koloskopie erfolgen und bis zur Proktokolektomie jährlich wiederholt werden (s. u.).

Level of Evidence

4

Quellen: [120] [193] [294] [295]

Starker Konsens

Hintergrund

Die humangenetische Beratung erfolgt bei nicht-einwilligungsfähigen Personen gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten. Die Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da kolorektale Karzinome bei FAP-Anlageträgern vor dem 15. Lebensjahr sehr selten sind [294]. Die molekulargenetische Untersuchung erfolgt in der Regel mittels direktem Mutationsnachweis im APC-Gen, in seltenen Fällen mit aussagekräftiger familiärer Konstellation kann die Anlageträgerschaft auch indirekt durch Kopplungsanalyse nachgewiesen werden. Eine sichere prädiktive Testung kann nur bei zuvor identifizierter pathogener Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied erfolgen und muss in eine humangenetische Beratung eingebettet sein [120] [GenDG]. Ein Mutationsnachweis gelingt bei ca. 70 – 80 % der Patienten. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann eine Augenhintergrundspiegelung durchgeführt werden. Die Augenhintergrundspiegelung zur Identifizierung einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE) hat durch die prädiktive DNA-Testung jedoch an Bedeutung verloren.

Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum und Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen nachgewiesen worden, so können weiter proximal weitere Adenome oder sogar Karzinome vorhanden sein. In diesem Falle soll kurzfristig eine komplette Koloskopie durchgeführt werden, die je nach Befund in mindestens jährlichen Abständen wiederholt werden sollte. In Familien, in denen eine genetische Testung nicht durchgeführt wurde oder nicht aussagekräftig war, ist allen Risikopersonen die endoskopische Vorsorge ab dem 10. Lebensjahr zu empfehlen [193] [294] [295]. Bei bestimmten Mutationen, früher Karzinommanifestation in der Familie oder assoziierten Symptomen ist der Beginn der Vorsorge bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung zu ziehen.

5.34.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Patienten mit klassischer FAP sollten prophylaktisch und unabhängig vom Ergebnis der molekulargenetischen Testung – wann immer möglich kontinenzerhaltend – proktokolektomiert werden, wenn vertretbar erst nach Abschluss der Pubertät.

Level of Evidence

1c

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [263] [296] [297] [298] [299] [300] [301]

Starker Konsens

5.35.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Nach einer Proktokolektomie soll regelmäßig eine Pouchoskopie erfolgen. Bei Patienten mit erhaltenem Rektumstumpf soll regelmäßig eine Rektoskopie durchgeführt werden. Das Intervall hängt vom Untersuchungsergebnis (Anzahl, Größe und Histologie nachgewiesener Neoplasien) ab und sollte 12 Monate nicht überschreiten.

Starker Konsens

Hintergrund

Die rechtzeitige Proktokolektomie ist zur Verhinderung des kolorektalen Karzinoms entscheidend [296] [297] [298] [299] [300]. Die Relevanz des molekulargenetischen Befundes für therapeutische Entscheidungen ist begrenzt, da der Nachweis einer Mutation nur selten eine individuelle Abschätzung des Krankheitsverlaufs erlaubt und bei einem nennenswerten Teil der klinisch sicher erkrankten Personen keine ursächliche Mutation identifiziert werden kann. Der Polyposis-Patient muss unabhängig vom Ergebnis der Mutationssuche adäquat behandelt werden, notwendige chirurgische Maßnahmen sollten deshalb auch bei fehlendem Mutationsnachweis und ggf. noch vor Abschluss der Mutationssuche durchgeführt werden [263]. Als Orientierung ist ein Operationszeitpunkt zwischen Abschluss der Pubertät und dem 20. Lebensjahr für eine prophylaktische Proktokolektomie anzustreben. Der OP-Zeitpunkt muss sich jedoch individuell nach Alter, Anamnese und endoskopischem/histologischem Befund (Zahl der Polypen und Dysplasiegrad) richten [299] [300] [301]. Nach der Beobachtung zum natürlichen Verlauf der FAP entsteht das Karzinom im Median im 36. Lebensjahr [302]. Mit dem Patienten sollte das mögliche Belassen eines Rektumstumpfes diskutiert werden (ileorektale Anastomose, IRA). Hierbei ist zu beachten, dass nach Kolektomie mit Belassung des Rektums das Risiko der Entstehung eines Rektumstumpfkarzinoms ca. 13 % nach 25 Jahren beträgt [303], während die Langzeitprognose nach IPAA (ileo-pouchanaler Anastomose) bessere Langzeitergebnisse hinsichtlich der Karzinomprophylaxe aufweist [304] [305] [306] [307]. Aus diesem Grunde wird bei der klassischen FAP die Proktokolektomie mit IPAA empfohlen. Die Operation sollte in entsprechend erfahrenen Zentren durchgeführt werden. Die Durchführung einer Proktokolektomie mit endständigem Ileostoma kann heute größtenteils vermieden werden.

Da viele Patienten Polypen im Bereich des Pouches nahe der ileoanalen Anastomose entwickeln, die maligne entarten können, wird postoperativ eine jährliche Pouchoskopie empfohlen. Sofern keine Proktokolektomie erfolgte, ist die engmaschige Kontrolle des Rektumstumpfes in maximal 12-monatlichen Intervallen erforderlich, ggf. mit Abtragung neu auftretender Polypen.

5.36.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Eine ÖGD und Duodenoskopie (Seitblickoptik) mit besonderer Inspektion der Papillenregion sollte spätestens ab dem 25 – 30. Lebensjahr durchgeführt werden. Bei unauffälligem Befund wird ein 3-Jahres-Intervall empfohlen. Das Intervall sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad vorhandener Adenome (Spigelman-Klassifikation) auf bis zu einem Jahr verkürzt werden.

Bei Nachweis von Duodenal-/Papillenadenomen ist die Indikation zur endoskopischen Polypektomie zu überprüfen.

Bei schwergradiger Duodenalpolyposis (Spigelman IV) und invasivem nicht-fernmetastasiertem Karzinom besteht eine Indikation zur operativen Resektion.

Konsens

Hintergrund

Das Lebenszeitrisiko Duodenalpolypen zu entwickeln beträgt für FAP-Patienten zwischen 80 und 90 % [233] [234]. Weniger als 10 % der Patienten weisen Magenadenome auf, über 50 % Drüsenkörperzysten des Magens. Magenkarzinome scheinen hingegen nicht signifikant häufiger als in der Normalbevölkerung zu sein [308]. Hinsichtlich der Ausprägung der Duodenal-Polyposis sollte die Spigelman-Klassifikation ([Tab. 7]) herangezogen werden [309]. Das durchschnittliche Alter der Patienten mit schwerer Duodenalpolyposis liegt bei 43 (Range 24 – 65) Jahren [235]. Insgesamt scheint das Wachstumsverhalten der Duodenaladenome langsamer als das von kolorektalen Adenomen zu sein [310] [311] und hängt mehr vom zunehmenden Alter (> 40 Jahre zunehmend) als vom initialen Stadium ab [312]. Der Mutationsort (Codon 279 – 1309) korreliert mit dem Schweregrad der Polyposis im Duodenum, aber wohl nicht mit der Wahrscheinlichkeit, dass sich hochgradige Dysplasien entwickeln [313] [314]. Das Lebenszeitrisiko für ein Duodenalkarzinom beträgt für Patienten mit FAP zwischen 3 und 4 % [315] [316] und ist somit bis zu 300-fach höher als in der Normalbevölkerung [317]. Das Risiko, dass bereits ein invasives Karzinom vorliegt, richtet sich nach der Ausprägung der Duodenalpolyposis. So liegt das Risiko für ein invasives Karzinom bei Spigelman II und III bei jeweils 2 %, demgegenüber bei Spigelman IV bei 36 % [318].

Sinn einer endoskopischen Überwachung kann nicht die Entfernung sämtlicher Polypen sein, sondern muss auf die Entdeckung von relevanten Neoplasien (high-grade intraepitheliale Neoplasie, villöse oder tubulovillöse Adenome) ausgerichtet sein. Eine endoskopische Sanierung bis hin zur Polypenfreiheit ist in der Regel nicht sinnvoll. Alle Polypen > 1 cm sollten, sofern technisch möglich, abgetragen werden. Bei kleineren Polypen sollten die größten Polypen abgetragen werden, um durch die histologische Untersuchung einen Spigelman-Score festlegen zu können.

Für FAP-Patienten mit leichtgradiger Duodenalpolyposis (Spigelman I und II) scheint ein Untersuchungsintervall von 3 Jahren ausreichend [310]. Aufgrund des hohen Karzinomrisikos im Spigelman-Stadium IV muss hier ein chirurgisches Vorgehen empfohlen werden, wobei der pankreaserhaltenden Duodenektomie, auch aufgrund der geringeren Morbiditätsrate gegenüber der Pankreatikoduodenektomie der Vorzug zu geben ist [319] [320]. Die operative Duodenotomie und Polypektomie kann wegen der hohen Rezidivrate nicht empfohlen werden [321] [322]. Prinzipiell lässt sich auch nach extensivem chirurgischem Vorgehen das Wiederauftreten von Adenomen nicht verhindern [321]. Auch ist derzeit nicht klar, ob die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung des Duodenums lebensverlängernd ist [315]. Zum Vorgehen bei FAP-assoziierten Papillenadenomen gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Insgesamt existieren zu dieser Problematik bei FAP nur sehr wenige Publikationen. Während z. T. bei jedem Patienten bei jedem Papillenadenom eine Papillektomie favorisiert wird [323] [324], favorisieren andere Gruppen bei kleinen Adenomen eine Überwachungsstrategie und eine Papillektomie nur bei Progress (Größe, Histologie) oder eingetretenen bzw. drohenden Komplikationen (z. B. Cholestase, Pankreatitis) [310] [311]. Zusammenfassend erscheint das folgende Überwachungsprogramm sinnvoll, wobei es jeweils der individuellen Situation angepasst werden sollte: Spigelman I und II: Kontrolle mindestens alle 3 Jahre, gegebenenfalls Polypektomie, Spigelman III: Kontrolle jährlich, gegebenenfalls Polypektomie, Spigelman IV: Operation.

5.37.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Bei vorliegender Therapieindikation (Symptomatik, Progredienz) sollten Desmoide bei FAP in erster Linie mit einer Kombinationstherapie aus Sulindac und Tamoxifen behandelt werden. Das Vorgehen bei progredienten Desmoiden unter dieser medikamentösen Therapie soll interdisziplinär abgestimmt werden. Als Optionen kommen Chemotherapie, Chirurgie und Radiatio in Betracht.

Konsens

Hintergrund

Desmoidtumoren treten bei 10 bis 30 % aller Patienten mit einer FAP auf. Das Risiko für die Entwicklung eines Desmoidtumors ist für Frauen höher als für Männer. Neben einer erkennbaren Geno-/Phänotyp-Korrelation (APC-Mutation Kodon > 1300) [325] [326] [327] wird ein chirurgisches Trauma als Triggerfaktor angesehen. Etwa 50 % der Desmoide treten intraabdominell und hier vor allem mesenterial auf und verursachen durch das lokal infiltrative Wachstum oft erhebliche Probleme. Aus diesem Grunde ist insbesondere bei Patienten mit einer positiven Familienanamnese oder einer distalen APC-Mutation vor einer Proktokolektomie auf das Vorhandensein von Desmoiden zu achten und die Indikation für eine Proktokolektomie möglichst spät zu stellen. Ein regelmäßiges Screening auf Desmoide wird bei beschwerdefreien Patienten nicht empfohlen. Präoperativ kann ein Screening auf Desmoide mit einem geeigneten bildgebenden Verfahren durchgeführt werden. Asymptomatische und nicht-größenprogrediente Desmoidtumoren bedürfen oft keiner Therapie. In einem systematischen Review publizierter klinischer Studien zur medikamentösen, nicht-zytotoxischen Therapie sind eine Therapie mit Sulindac (300 mg) oder Tamoxifen (40 – 120 mg) oder eine Kombinationstherapie am besten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit belegt [328]. Auch zu Raloxifen liegen vergleichbare Daten aus einer kleinen Fallserie vor [329]. Progrediente Tumoren unter Sulindac oder antihormoneller Therapie sollten mit einer Chemotherapie (Doxorubicin und Dacarbazine oder Methotrexat und Vinblastin) oder einer Strahlentherapie behandelt werden [330] [331] [332]. Ergebnisse zur Resektion sind kontrovers [333]. Vielfach wird insbesondere bei intraabdominellen Desmoiden über inkomplette Resektionen und hohe Rezidivraten berichtet [334] [335] [336] [337].

Bei Bauchwanddesmoiden scheint in vielen Fällen ein chirurgisches Vorgehen mit Erreichen einer R0-Resektion und Rezidivfreiheit möglich zu sein [335].

5.38.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Eine jährliche Sonografie der Schilddrüse kann ab dem 15. Lebensjahr bei weiblichen FAP-Patienten durchgeführt werden.

Konsens

Hintergrund

Das Lebenszeitrisiko für Patienten mit einer FAP, ein Schilddrüsenkarzinom zu entwickeln, beträgt 1 bis 12 %. Ungefähr 95 % aller berichteten Schilddrüsenkarzinome sind bei Frauen aufgetreten; das Risiko ist daher vor allem für weibliche Anlageträger erhöht. Die Diagnose erfolgt im Mittel zwischen dem 24. und 33. Lebensjahr. Erkrankungen vor dem 15. Lebensjahr sind selten [338]. Karzinome treten oft multifokal und zum Teil bilateral auf. Histologisch liegt in der Regel die kribiforme Variante eines papillären Schilddrüsenkarzinoms vor.

Zwei prospektive [339] [340] und eine retrospektive Studie [341] haben den Stellenwert eines einzeitigen Ultraschall-Screenings untersucht. Benigne Schilddrüsen-Knoten wurden dabei in 20 bis 79 % entdeckt. Schilddrüsenkarzinome wurden mit einer Prävalenz von 2,6 bis 7,6 % diagnostiziert. In der größten Studie wurde keines der Karzinome durch die Anamnese oder Palpation der Schilddrüse entdeckt, sondern alle über die Sonografie [339]. Daher kann ein Ultraschall-Screening für weibliche FAP-Patienten ab dem 15. Lebensjahr durchgeführt werden. Untersuchungen zum geeigneten Untersuchungsintervall liegen bisher nicht vor. Die Prognose FAP-assoziierter Schilddrüsenkarzinome ist gut; Todesfälle sind aber beschrieben [338] [342] [343]. Inwieweit durch das Screening eine Mortalitätssenkung erreicht werden kann ist unklar. Möglicherweise kann die Häufigkeit der Notwendigkeit einer adjuvanten Radiotherapie gesenkt werden, wenn vermehrt Mikrokarzinome detektiert werden.

Das Hepatoblastom ist eine sehr seltene Manifestation einer FAP. Weniger als 0,5 % aller Kinder von FAP-Patienten entwickeln fast ausschließlich vor dem 10. Lebensjahr ein Hepatoblastom [344]. Dabei scheint das Risiko für Jungen höher zu sein. In einem Teil der Fälle gibt es eine positive Familienanamnese [345]. Aufgrund der Seltenheit und der unklaren Datenlage, ob durch ein Screening die Prognose von Hepatoblastompatienten verbessert werden kann, wird ein Screening nicht generell empfohlen [346] [347].

5.39.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Eine medikamentöse Behandlung von Adenomen im unteren und oberen Gastrointestinaltrakt sollte nicht generell empfohlen werden.

Level of Evidence

2b

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [348] [349] [350] [351] [352] [353] [354] [355] [356]

Starker Konsens

Hintergrund

Sulindac reduziert die Anzahl kolorektaler Adenome um mehr als 50 % [348] [349] [350] [351] [352]. Es verhindert jedoch nicht die Polypenneubildung [353]. Weiterhin wurden unter Sulindac-Therapie Karzinome im Rektumstumpf beobachtet. Sulindac ist in Deutschland nicht zugelassen. Eine Chemoprävention mit Sulindac bei FAP kann in Einzelfällen als additive Behandlung nach subtotaler Kolektomie durchgeführt werden, um die rektale Polypenlast zu reduzieren. Eine endoskopische Überwachung ist jedoch zwingend.

Der selektive COX2-Hemmer Celecoxib, der zu einer Reduktion rektaler Adenome führt [354], wurde zur Chemoprävention bei FAP als Ergänzung zu chirurgischen Maßnahmen und weiteren endoskopischen Kontrollen zugelassen. Celecoxib in hohen Dosierungen von 400 – 800 mg reduziert die kolorektale Polypenzahl um 28 % [354] und beeinflusst auch eine Duodenalpolyposis [355]. Es ist allerdings ungeklärt, ob die Einnahme auch das Risiko der Karzinomentstehung bei diesen Patienten senkt. COX-2-Hemmer sind mit einer erhöhten kardiovaskulären Ereignisrate assoziiert [356]. Der Stellenwert der COX-2-Inhibitoren ist aufgrund der kardiovaskulären Nebenwirkungen derzeit unklar und diese sollten gegenwärtig nur in ausgewählten Fällen bei strenger Indikationsstellung (Nutzen-Risiko-Abwägung) verwendet werden. Das für die FAP zugelassene Präparat mit dem Wirkstoff Celecoxib wurde im April 2011 vom Hersteller aufgrund mangelnder Rekrutierung einer von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) geforderten Post-Zulassungsstudie vom Markt genommen. Die Verwendung von COX-2-Inhibitoren könnte bei selektionierten Patienten zur Verzögerung einer Kolektomie, bei subtotaler Kolektomie zur Reduzierung der Rektumpolypenlast, bei schwerer Duodenalpolyposis erhöhtem Operationsrisiko oder erhöhtem Perforations- und Blutungsrisiko bei Polypektomie in Einzelfällen gerechtfertigt werden.


#

5.2.2.2.2. Patienten mit attenuierter familiärer adenomatöser Polyposis

5.40.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

B

Ein Patient mit einer attenuierten FAP sollte in Abhängigkeit von Alter, Polypenzahl und histologischem Befund therapiert werden. Bei endoskopisch nicht beherrschbarer Polyposis ist eine Kolektomie indiziert. Patienten, die nicht kolektomiert sind, sollten zeitlebens jedes Jahr koloskopiert werden.

Level of Evidence

4

Quellen: [256] [257] [259] [260] [357] [358] [359] [360]

Starker Konsens

5.41.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

C

Risikopersonen aus Familien mit attenuierter FAP sollten im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung im Alter von 15 Jahren erstmals koloskopiert werden. Finden sich keine Polypen, sollten diese Personen ab dem 20. Lebensjahr jährlich koloskopiert werden.

Level of Evidence

4

Quellen: [358] [359] [360]

Starker Konsens

Hintergrund

Bei Patienten mit einer attenuierten FAP treten Polypen oft deutlich später und seltener auf als bei der klassischen FAP. Die Diagnose eines KRK in der Adoleszenz wurde kasuistisch berichtet [357]. Die Polypen sind häufig im rechtsseitigen Kolon lokalisiert. Aus diesem Grunde muss eine komplette Koloskopie zur Früherkennung durchgeführt werden [256] [257] [259] [260]. Da die klinische Ausprägung stark variieren kann, ist die Therapieentscheidung individuell abzuwägen. Bei Patienten mit bestehender Operationsindikation, aber weniger als 5 Rektumpolypen, ist unter Umständen eine ileorektale Anastomose mit Belassen eines Rektumstumpfes vertretbar. Da extrakolische Manifestationen genau wie bei der klassischen FAP auftreten können [358] [359] [360], gelten diesbezüglich die Empfehlungen für die klassische FAP. Bis zu welchem Alter Vorsorgeuntersuchungen bei Risikopersonen mit unauffälligem endoskopischem Befund fortgeführt werden sollen, ist aufgrund der Datenlage derzeit unklar.


#

5.2.2.2.3. Patienten mit MUTYH-assoziierter Polyposis (MAP)

5.42.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Eine Testung im MUTYH-Gen soll bei Patienten durchgeführt werden, bei denen klinisch eine attenuierte adenomatöse Polyposis besteht und keine krankheitsverursachende Mutation im APC-Gen nachgewiesen wurde.

Konsens

Hintergrund

Die MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) ist die wichtigste Differenzialdiagnose der FAP. Der Phänotyp entspricht meist dem einer AFAP; auch bei der MAP ist das Lebenszeitrisiko für ein KRK sehr hoch. Aufgrund des autosomal-rezessiven Erbgangs besteht aber ein nur geringes Erkrankungsrisiko bei Kindern eines Patienten und heterozygoten Anlageträgern. Die Diagnosestellung ist in der Regel nur durch die molekulargenetische Untersuchung möglich. Etwa 50 % der Patienten haben bei Diagnose einer MAP bereits ein manifestes KRK, bei einem Drittel dieser Fälle wurden synchrone oder metachrone KRK beobachtet. Die Polypen treten im gesamten Dickdarm auf, KRKs finden sich in über 50 % im rechtsseitigen Kolon. Das Auftreten von MAP-assoziierten KRKs vor dem 29. Lebensjahr ist eine Rarität.

5.43.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Geschwister eines MAP-Patienten haben aufgrund des autosomal-rezessiven Erbgangs ein Erkrankungsrisiko von 25 % und werden als Risikopersonen bezeichnet. Diesen sollte ab dem 18.-20. Lebensjahr im Anschluss an eine humangenetische Beratung eine prädiktive genetische Diagnostik empfohlen werden.

Starker Konsens

5.44.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Werden beide MUTYH-Mutationen des Indexpatienten bei seinen Geschwistern ausgeschlossen, ist eine gesonderte Vorsorge bei diesen nicht mehr notwendig.

Starker Konsens

5.45.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Für Verwandte eines MAP-Patienten, bei denen lediglich eine der beim Indexpatienten nachgewiesenen MUTYH-Mutationen vorliegt (heterozygote Anlageträger), werden Vorsorgeuntersuchungen wie bei erstgradig Verwandten eines Patienten mit sporadischem KRK empfohlen (siehe 5.1.3.1).

Starker Konsens

Hintergrund

MAP ist die einzige bisher bekannte autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung mit erhöhtem KRK-Risiko. Ob heterozygote Anlageträger ein erhöhtes KRK-Risiko tragen, wird kontrovers diskutiert; einige neuere populations- und familienbasierte Untersuchungen an großen Kollektiven fanden Hinweise für ein moderat erhöhtes Risiko im fortgeschrittenen Alter (RR 1,5 – 2,1) [269] [361] [362]. Das höchste Erkrankungsrisiko für ein KRK (RR 2,1) bestand bei erstgradig verwandten heterozygoten Anlageträgern eines MAP-Patienten, das Diagnosealter betrug hier im Mittel 70 Jahre (Streuung 58 – 82). Erkrankungsrisiko und -zeitpunkt sind somit vergleichbar dem von erstgradig Verwandten eines Patienten mit sporadischen KRK.

Aufgrund einer Heterozygotenfrequenz von etwa 1 – 1,5 % in der kaukasischen Allgemeinbevölkerung haben die obligat heterozygoten Kinder eines MAP-Patienten bei nicht-konsanguinen Partnerschaften ein nur geringes Erkrankungsrisiko für eine MAP (< 0,5 %) [264]. Wenn zur Einschätzung des Erkrankungsrisikos eine prädiktive Testung des Kindes gewünscht wird, muss beim Kind oder dem nicht erkrankten Elternteil eine komplette Mutationssuche im MUTYH-Gen erfolgen, um eine ggf. vom gesunden Elternteil vererbte zweite MUTYH-Keimbahnmutation zu identifizieren. Dem Nutzen eines aussagekräftigen genetischen Befundes steht hier allerdings die (seltene) Identifizierung funktionell unklarer genetischer Varianten gegenüber, über deren pathogene Relevanz und damit klinische Konsequenzen im Einzelfall (derzeit) keine Aussage möglich ist. Da das Vorhandensein einer zweiten MUTYH-Mutation bei Kindern eines MAP-Patienten aufgrund der zu vermutenden unvollständigen Mutationsdetektionsrate nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, besteht bei heterozygot getesteten Kindern eines MAP-Patienten ein – vermutlich sehr geringes – Restrisiko, an einer MAP zu erkranken. Eine komplette Koloskopie im etwa 30. und 40. Lebensjahr kann deshalb in Erwägung gezogen werden.

5.46.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Asymptomatische biallele MUTYH-Mutationsträger sollten im Alter von 18 – 20 Jahren erstmals koloskopiert werden. Finden sich keine Polypen, sollten diese Patienten weiterhin überwacht werden.

Ein Patient mit einer MAP sollte in Abhängigkeit von Alter, Polypenzahl und histologischem Befund therapiert werden. Bei endoskopisch nicht beherrschbarer Polyposis ist eine Kolektomie indiziert. Patienten, die nicht kolektomiert sind, sollen zeitlebens jedes Jahr koloskopiert werden.

Eine ÖGD und Duodenoskopie (Seitblickoptik) mit besonderer Inspektion der Papillenregion soll ab dem 25.-30. Lebensjahr mindestens alle drei Jahre durchgeführt werden.

Spezifische Vorsorgeuntersuchungen für extraintestinale Manifestationen sind bei MAP-Patienten nicht gerechtfertigt.

Eine Empfehlung zur medikamentösen Behandlung von Adenomen im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt kann aufgrund fehlender Daten nicht gegeben werden.

Konsens

Hintergrund

Der kolorektale Phänotyp der MAP ähnelt dem der APC-assoziierten AFAP. Bei Patienten mit einer MAP werden Polypen und KRKs meist erst zwischen dem vierten und siebten Lebensjahrzehnt symptomatisch. Etwa 50 % der Patienten haben bei Diagnose einer MAP bereits ein manifestes KRK, bei einem Drittel dieser Fälle wurden synchrone oder metachrone KRK beobachtet [363]. Die Polypen treten im gesamten Dickdarm auf, KRKs finden sich in über 50 % im rechtsseitigen Kolon und in über 20 % im Rektosigmoid [265]. Aus diesem Grunde muss eine komplette Koloskopie zur Früherkennung durchgeführt werden [256] [257] [259] [260]. Das Auftreten von MAP-assoziierten KRKs vor dem 29. Lebensjahr ist eine Rarität. Da die klinische Ausprägung stark variieren kann, ist die Therapieentscheidung individuell abzuwägen. Bei Patienten mit bestehender Operationsindikation und wenigen Rektumpolypen ist unter Umständen eine ileorektale Anastomose mit Belassen eines Rektumstumpfes vertretbar [364].

Obwohl eine Duodenalpolyposis bei MAP-Patienten seltener (17 %) als bei FAP-Patienten beobachtet wird, erscheint das Risiko von etwa 4 % für die Entwicklung eines Duodenalkarzinoms vergleichbar hoch zu sein [271]. Bei der MAP treten Duodenalkarzinome vereinzelt auch ohne vorbestehende duodenale Adenome auf [365]. Ob für MAP-Patienten deshalb möglicherweise andere Früherkennungsstrategien als für (A)FAP-Patienten erforderlich sind, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen. Extraintestinale Malignome treten bei MAP-Patienten insgesamt signifikant häufiger (RR 1,9 %) als in der Allgemeinbevölkerung auf und zeigen eine gewisse Überlappung zum HNPCC. In der diesbezüglich bisher einzigen systematischen Studie an 276 Patienten wurde eine gering bis moderate, aber statistisch signifikant erhöhte Inzidenz für Ovarial-, Blasen- und Hautkarzinome sowie ein Trend zur Risikoerhöhung für Mammakarzinome beobachtet [271]. Es fand sich allerdings kein dominierender extraintestinaler Tumor und keine Verschiebung zu einem frühen Auftreten (medianes Diagnosealter der vier Malignome zwischen 51 und 61 Jahren). Desmoide wurden nicht beobachtet.


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5.2.2.3. Nicht-adenomatöse Polyposis-Syndrome

5.47.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2a

Hierzu zählen insbesondere die hamartomatösen Polyposis-Syndrome (Peutz-Jeghers-Syndrom, Familiäre Juvenile Polyposis, Cowden-Syndrom), das Hyperplastische Polyposis-Syndrom und die Erbliche gemischte Polyposis. Diese Erkrankungen sind zum Teil sehr selten (ihr Anteil an allen KRK beträgt unter einem Promille). Anlageträger haben ein erhöhtes Risiko sowohl für kolorektale Karzinome als auch für andere syndromspezifische intestinale und extraintestinale Tumoren (Magen, Mamma, etc.).

Evidenz aus Aktualisierungsrecherche: [263] [366] [367] [368] [369] [370] [371] [372] [373] [374] [375] [376] [377] [378] [379] [380] [381] [382] [383] [384] [385] [386] [387] [388] [389] [390] [391] [392] [393] [394] [395] [396]

Hintergrund

Die Differenzialdiagnose der nicht-adenomatösen Polyposis-Syndrome kann in Einzelfällen sehr schwierig sein und erfordert das interdisziplinäre Zusammenwirken von Gastroenterologen, Chirurgen, Pathologen, Humangenetikern, Radiologen und anderen klinischen Fachdisziplinen (v. a. Gynäkologie, Urologie). Die Diagnose und klinische Betreuung der Patienten sollte daher in Abstimmung und Zusammenarbeit mit Zentren erfolgen, die Erfahrung mit diesen Syndromen haben [263] [366]. Die hamartomatösen Polyposis-Syndrome folgen einem autosomal-dominanten Erbgang. Kinder (und ggf. auch Geschwister) einer erkrankten Person haben somit ein 50 %iges Risiko, die zugrundeliegende genetische Veränderung geerbt zu haben und im Laufe des Lebens zu erkranken.

Das Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) ist eine autosomal-dominant erbliche Erkrankung, die charakterisiert ist durch das Auftreten von hamartomatösen Polypen des Gastrointestinaltraktes und mukokutanen Melaninpigmentierungen, die vor allem perioral auffällig sind. Letztere blassen aber oft im Laufe des Lebens ab und sind nicht spezifisch. Peutz-Jeghers-Polypen treten insbesondere im Dünndarm auf und zeigen eine charakteristische Histologie. Ursächlich sind Keimbahnmutationen des STK11 / LKB1-Gens. Ein Mutationsnachweis gelingt bei Patienten, die die klinisch-diagnostischen Kriterien erfüllen, in über 90 % [367]. Das Manifestationsalter ist sehr variabel, einige Patienten entwickeln schon in den ersten Lebensjahren Symptome. Zu den Komplikationen im Kindesalter zählen das akute Abdomen durch Invaginationen oder einen obstruktiven Ileus sowie die chronische Blutung mit sekun­därer Anämie. Bis zu 30 % der Patienten sind im Alter von 10 Jahren bereits einmal laparo­tomiert worden [368]. Beim PJS muss für eine Reihe von intestinalen und extraintestinalen Tumoren von einem deutlich erhöhten Erkrankungsrisiko ausgegangen werden [369] [370] [371] [372] [373] [374] [375]. Neben dem KRK ist insbesondere das Risiko für Karzinome der Mamma, des Magens, des Dünndarms, des Pankreas, der Hoden, des Ovars und Uterus erhöht [377] [378] Das kumulative Lebenszeitrisiko für einen malignen Tumor wird mit etwa 85 – 90 % angegeben. Für Tumoren im gesamten Gastrointestinaltrakt besteht ein kumulatives Lebenszeitrisiko von 57 %, das KRK-Risiko allein beläuft sich auf 35 – 39 % und stellt damit das zweithäufigste Karzinom bei PJS dar. Die untere Grenze des 95 %-Konfidenzintervalles beträgt 30 Jahre. Das Tumorrisiko steigt dabei nach dem 50. Lebensjahr rasch an [376] [377] [378]. Das Lebenszeitrisiko für gynäkologische Tumoren wird mit 13 – 18 % angegeben [377] [378]. Ovarialtumoren bei PJS sind in der Regel SCTAT und nicht-epithelialen Ursprunges und werden zum Teil bereits auch bei kleinen Mädchen diagnostiziert (mittleres Alter 28 Jahre, 4 – 57 Jahre). Cervixkarzinome treten mit einem Lebenszeitrisiko von 9 % auf und entsprechen histologisch in mehr als drei Viertel der Fällen einem Adenoma malignum [377]. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 34 Jahre (23 – 54 Jahre). Das Risiko für Endometriumkarzinome wird mit etwa 10 % angegeben.

Der Verdacht auf eine Familiäre Juvenile Polyposis (FJP) besteht bei der Diagnose von fünf oder mehr juvenilen Polypen im Kolon, Nachweis von extrakolischen juvenilen Polypen oder bei Nachweis eines juvenilen Polypen bei entsprechender positiver Familienanamnese. Die korrekte Diagnose juveniler Polypen kann aufgrund morphologischer Ähnlichkeiten mit hyperplastischen Polypen sowie lymphozytären Infiltraten und dysplastischen Anteilen schwierig sein: In einem nennens­werten Teil der genetisch gesicherten Fälle wird die juvenile Polyposis initial als Colitis ulcerosa oder hyperplastische Polypo­sis fehlgedeutet [379] [380]. Im Zweifelsfall sollte deshalb die Zweitbegutachtung der histologischen Präparate durch einen gastroenterologisch versierten Pathologen angestrebt werden.

Die Erkrankung kann sich bereits im frühen Kindesalter durch eine chronische gastrointestinale Blutung oder exsudative Enteropathie mit begleitender Entwicklungsverzögerung bemerkbar machen. Ursächlich sind Keimbahnmutationen im SMAD4- oder BMPR1A-Gen. Das Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines KRKs beträgt bis zu 68 %. Es bestehen klare Genotyp-Phänotyp-Beziehungen: Patienten mit einer SMAD4-Keimbahnmutation haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Magenpolypen und Magenkrebs sowie für eine hereditäre hämorrhagi­sche Teleangiektasie (Morbus Osler-Rendu-Weber) [380] [381]. Daneben ist möglicherweise das Risiko für Pankreaskarzinome erhöht [382] [383] [384] [385] [386]. Bei sehr schweren frühmanifesten Verläufen ist an die seltene juvenile Polyposis des Kleinkindesalters zu denken [387].

Die endoskopisch-histologische Abgrenzung einer juvenilen Polyposis vom auf PTEN-Mutationen beruhenden Cowden-Syndrom oder dem vermutlich nicht erblichen Cronkhite-Canada-Syndrom kann Probleme bereiten und erfolgt in der Regel durch das im Vordergrund stehende extraintestinale Tumorspektrum und die Molekulargenetik. Beim Cowden-Syndrom [388] ist insbesondere das Risiko für Mamma- und Schilddrüsenkarzinome erhöht. Das Risiko für kolorektale Karzinome scheint nach neueren Daten mit einem Lebenszeitrisiko von 28 % ebenfalls erhöht zu sein [389]. Weiterhin wurden erhöhte Risiken für Karzinome des Endometriums und der Nieren sowie für Melanome beschrieben. Das Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom wird als Variante des Cowden-Syndroms betrachtet. Beide Syndrome sind mit Keimbahnmutationen des PTEN-Gens assoziiert und werden unter der Bezeichnung PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom (PHTS) zusammengefasst [390] [391].

Bei der Erblichen gemischten Polyposis (hereditary mixed polyposis syndrome, HMPS) und dem Hyperplastischen Polyposis-Syndrom (HPS) handelt es sich um schlecht definierte Entitäten, über deren genetische Grundlagen noch wenig bekannt ist. Beide Syndrome wurden mit einem – zum Teil deutlich – erhöhten KRK-Risiko in Verbindung gebracht [392] [393] [394] [395] [396]; sie sind jedoch selten und bisher sowohl klinisch wie genetisch schlecht charakterisiert, sodass die Erkenntnisse in Bezug auf Tumorrisiken nur bedingt aussagekräftig sind. Bei einigen Patienten mit HMPS wurden Mutationen im PTEN- oder BMPR1A-Gen nachgewiesen, diese Fälle sollten als (atypische) Varianten des Cowden-Syndroms bzw. der FJP betrachtet und entsprechend behandelt werden.

5.48.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Generelle Überwachungsempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Die Überwachung der Patienten und Risikopersonen sollte in Zusammenarbeit mit einem ausgewiesenen Zentrum durchgeführt werden.

Konsens

Hintergrund

Valide Vorsorgeempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Für die häufigeren Syndrome wurden von einzelnen Experten spezifische Früherkennungsprogramme vorgeschlagen. Eine publizierte Leitlinie zum Peutz-Jeghers-Syndrom hat methodische Defizite und weist für die meisten Empfehlungen nur geringe Evidenzen auf [397]. Die Patienten und Risikopersonen sollten deshalb in enger Abstimmung mit erfahrenen Zentren betreut werden. Für einige Syndrome wurden von Experten spezifische altersabhängige Früherkennungsprogramme vorgeschlagen (Übersicht in [263]), die Empfehlungen weichen allerdings zum Teil deutlich voneinander ab und die Wirksamkeit ist bei den sehr seltenen Syndromen aufgrund geringer Fallzahlen nur schwer zu validieren.


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5.3. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

5.3.1. Colitis ulcerosa

5.49.

Konsensbasierte Statement

2013

EK

Das kolorektale Karzinomrisiko ist bei Patienten mit Colitis ulcerosa im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht. Entsprechende Empfehlungen sind in der S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa genannt.

Starker Konsens

Überwachungskoloskopie, zeitliche Strategie (Auszug aus der S3-LL CU [398])

5.50.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Da die colitisassoziierte Kolonkarzinommortalität durch eine endoskopische Überwachung gesenkt werden kann, sollen regelmäßige Überwachungskoloskopien erfolgen.

Evidenzgrad[5]

3a

[399] [400]

Konsens

5.51.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Zur Festlegung der Überwachungsstrategie soll bei allen CU-Patienten unabhängig von der Krankheitsaktivität eine Kontrollkoloskopie zur Erfassung des Befallsmusters spätestens 8 Jahre nach Beginn der Symptomatik erfolgen.

Evidenzgrad

4

[401]

Konsens

5.52.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Die Überwachungskoloskopien sollten dann bei ausgedehnter CU ab dem 8. Jahr und bei linksseitiger oder distaler CU ab dem 15. Jahr nach Erstmanifestation 1 – 2 jährlich erfolgen.

Evidenzgrad

4

[402] [403]

Konsens

5.53.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Wenn gleichzeitig eine PSC besteht, sollen die Überwachungskoloskopien unabhängig von der Krankheitsaktivität und Ausdehnung der CU ab dem Zeitpunkt der PSC-Diagnosestellung jährlich erfolgen.

Evidenzgrad

3a

[404] [405]

Konsens

5.54.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Nach subtotaler Kolektomie sollen in Analogie die gleichen endoskopischen Überwachungsstrategien wie bei einer CU ohne Resektion erfolgen.

Evidenzgrad

4

[406]

Starker Konsens

Erläuterung

Eine Metaanalyse von Collins aus dem Jahr 2006 fasst die direkte und indirekte Evidenz zu Überwachungskoloskopien bei Colitis ulcerosa zusammen. Die drei identifizierten Fallkontrollstudien konnten keine statistisch signifikante Reduktion des Risikos, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, zeigen. Dabei ist anzumerken, dass es sich um kleine Studien mit teilweise aus heutiger Sicht inadäquatem Koloskopiestandard handelte. Dahingegen konnte die Metaanalyse deutliche indirekte Evidenz identifizieren, dass Überwachungskoloskopien sehr wahrscheinlich das Risiko, an einem Colitis-assoziierten Kolonkarzinom zu versterben, vermindern können, und gleichzeitig kosteneffektiv sind [399]. Dies basiert darauf, dass Colitis-assoziierte Kolonkarzinome früher erkannt werden, obwohl dennoch zwischen Überwachungsuntersuchungen Intervallkarzinome auftreten können [400]. Das Karzinomrisiko steigt mit der Krankheitsdauer und der Krankheitsausdehnung an, weshalb bei Patienten mit einer Pancolitis die regelmäßige Überwachung früher als bei Patienten mit einer distalen Colitis beginnen sollte. Da sich aus einer initial als distale Colitis beschriebenen Entzündung auch ohne klinische Hinweise eine Pancolitis entwickeln kann, sollte eine Kontrollkoloskopie innerhalb von 8 Jahren nach den ersten Krankheitssymptomen durchgeführt werden, um die Ausdehnung zu überprüfen und danach das Überwachungsvorgehen festlegen zu können. Eine niederländische Studie weist darauf hin, dass bereits bis zu 22 % der Patienten vor dem Start der bisher empfohlenen Überwachungskoloskopien Colitis-assoziierte Kolonkarzinome entwickelten [401]. Wenn Patienten mit PSC herausgerechnet wurden – die ab Diagnosestellung überwacht werden sollten – reduziert sich die Rate der „entgangenen“ Karzinome auf ca. 15 %.

Das Überwachungsintervall zwischen den Untersuchungen sollte höchstens 2 Jahre betragen, weil in diesem Zeitraum bereits Intervallkarzinome auftreten können [402] [403]. Da bei einer Proktitis das Karzinomrisiko allenfalls minimal erhöht ist, muss – bei Fehlen sonstiger Risikofaktoren – keine regelhafte Überwachung erfolgen. Da das Karzinomrisiko bei Patienten mit CU und einer PSC 5-fach erhöht ist [405] und Karzinome gehäuft rechtsseitig auftreten [404], sollte bei diesen Patienten eine Überwachung ab Diagnosestellung unabhängig vom Befall jährlich erfolgen.

Nach subtotaler Kolektomie können im verbliebenen Darm, wie auch nach restaurativer Proktokolektomie im Pouch bzw. je nach Operationstechnik im Bereich der verbliebenen Kolonmukosa distal der Anastomose, Karzinome auftreten [406], sodass eine regelhafte Überwachung des verbliebenen Kolons bzw. des Pouches erfolgen sollte.


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5.3.2. Morbus Crohn

Das kolorektale Karzinomrisiko bei Patienten mit Morbus Crohn scheint, insbesondere bei Kolonbefall, im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht zu sein. Der Nutzen eines Überwachungsprogramms mit Ileokoloskopie zur Früherkennung eines Karzinoms ist bei der Crohn Colitis ungeklärt. Die Datenlage wird in der S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn diskutiert [407].


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5.4. Anhang: Abbildungen und Tabellen des TK III

5.4.1. Algorithmus: Genetische Diagnostik und Vorsorge


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5.4.2. Testalgorithmus Immunhistochemie/MSI zur Abklärung Mismatch-Reparatur-Defekt


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5.4.3. Empfohlenes Krebsfrüherkennungsprogramm bei HNPCC

Tab. 6

Empfohlenes Krebsfrüherkennungsprogramm bei HNPCC.

Altersangabe

Untersuchung

Intervall

ab dem 25. Lebensjahr

körperliche Untersuchung

jährlich

Koloskopie

jährlich

gynäkologische Untersuchung einschl. transvaginaler Sonografie (bei Frauen)

jährlich

ab dem 35. Lebensjahr

ÖGD

regelmäßig

Endometriumbiopsie (bei Frauen)

jährlich


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5.4.4. Spigelman-Klassifikation

Tab. 7

Klassifikation der Ausprägung der Duodenalpolyposis nach der Spigelman-Klassifikation (modifiziert nach [309]).

Punktezahl

1

2

3

Anzahl der Polypen

1 – 4

5 – 20

> 20

Polypengröße (mm)

1 – 4

5 – 10

> 10

Histologie

tubulär

tubulär villös

villös

Intraepitheliale Neoplasie

niedriggradig

hochgradig

Stadium 0: 0 Punkte; Stadium I: 1 – 4 Punkte; Stadium II: 5 – 6 Punkte; Stadium III: 7 – 8 Punkte; Stadium IV: 9 – 12 Punkte.


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6. Endoskopie: Durchführung und Polypenmanagement

6.1. Stellenwert der Endoskopie in der Diagnostik von Polypen und kolorektalen Karzinomen

6.1.

Evidenzbasiertes Statement

2017

Level of Evidence

1b

Die komplette Koloskopie stellt das Standardverfahren zur Detektion kolorektaler Polypen und Karzinome dar. Sie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden eines KRK und von kolorektalen Polypen. Die Effektivität der Koloskopie hängt entscheidend von der Qualität der Untersuchung ab. Diese ist technik- und untersucherabhängig.

Quellen: [173]

Starker Konsens

6.2.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

0

Bei inkompletter Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Tumors kann präoperativ zusätzlich eine CT-Kolonografie erfolgen.

A

Postoperativ soll eine komplette Koloskopie erfolgen.

Level of Evidence

4

Quellen: [408] [409] [410] [411]

Starker Konsens

6.3.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Bei inkompletter Koloskopie aufgrund anderer Ursachen (z. B. Adhäsionen) sollte eine CT-Kolonografie erfolgen.

Level of Evidence

3b

Quellen: [408] [409] [412]

Starker Konsens

Hintergrund

Die Koloskopie ist das zuverlässigste Verfahren zur Detektion kolorektaler Karzinome und Polypen, wenn sie mit hoher Qualität durchgeführt wird. Wichtige Qualitäts­merkmale beinhalten die Spiegelung bis zum Coecum, die optimale Darmvorbereitung mit wenig oder keinen verbliebenen Stuhlresten sowie die sorgfältige Inspektion der Darmschleimhaut beim Rückzug. Der wichtigste Surrogatparameter für den Outcome der (Vorsorge-) Koloskopie ist die sog. Adenomdetektionsrate (ADR) [413] [414].

In der jüngsten Zeit sind mehrere Qualitätsleitlinien aus Europa und den USA erschienen, die sich teilweise in unterschiedlicher Weise bezüglich der Qualitätsmerkmale der Koloskopie festlegen [415] [416] [417] [418] [419]; die prozedurenspezifischen Hauptqualitätsparameter sind nachfolgend aufgelistet; hiervon sind Empfehlungen, die allgemein für alle Endoskopien gelten (Sedierung, Komplikationen, Gerätedesinfektion etc.) nicht betroffen, auch wenn die praktische Umsetzung einzelner Parameter (Komplikations-Erfassung und -Audit, Prozedurenzahl) interessanten Diskussionsstoff böte ([Tab. 8]).

Tab. 8

Übersicht leitlinienbasierte prozedurenspezifischen Qualitätsparameter der Koloskopie.

DGVS [415]

ESGE [416]

EU [417]

UK [418]

US [419] [1]

Zoekalrate

> 90 %

> 90 %

> 90 %

> 90 %

ja

Rückzugszeit

> 6 min

> 6 min

ja

> 6 min

> 6 min

ADR

> 20 %

individuell

individuell

> 15 %[2]

ja

Sauberkeit Kolon

> 90 % gut

> 90 % gut

ja

> 90 %

nein

Polypektomie

Vollständigkeit

(endoskop.)

detailliert[3]

vage

Detailliert3

Ja

Intervallläsionen

nein

ja

vage

empfohlen

nein

F-up-Adhärenz

nein

nein

> 90 %

nein

nein

1 2006, meist noch keine Raten.


2 > 20 % „aspirational“.


3 ESGE/UK: Bergungsrate, Tätowierung, ESGE: Überweisungsrate.


Die Adenomdetektionsrate (ADR) ist als Hauptoutcome-Parameter der (Vorsorge-) Koloskopie gesetzt und zeigt eine nahezu lineare negative Korrelation der ADR mit den Intervallkarzinomen auf. Jedoch sind mehrere methodische Mängel in den Studien zu finden (zur ausführlichen Diskussion siehe S2k-Leitlinie der DGVS zu Qualiätsanforderungen der gastrointestinalen Endoskopie [415]). Wie hoch die Adenomdetektionsrate, die nur für die Vorsorge-Koloskopie evaluiert ist, sein soll, wird unter-schiedlich gesehen. Bei Frauen wird eine ADR von 20 %, bei Männern von 30 % gefordert [420]!

Die Rückzugszeit wird ebenfalls häufig als Qualitätsparameter genannt; diesbezüglich konnte in vielen, aber nicht in allen Studien demonstriert werden, dass die Polypendetektionsrate mit der Rückzugszeit nach Erreichen des Coecums korreliert, wobei der Grenzwert bei 6 min lag [421] [422] [423] [424]. Allerdings konnte in anderen Studien auch gezeigt werden, dass bei einer weiteren Erhöhung der Rückzugszeit > 6 min die Adenomrate nicht weiter ansteigt [425] [426] und dass der genannte Cut-off von 6 min in größeren Datenbank-Analysen nicht mit der ADR korreliert [427].

Bei pathologischen Befunden im Rahmen der Koloskopie ist eine Zuordnung nach endoskopisch-antatomischen Strukturen und nach Diaphanoskopie ungenügend, eine Angabe in cm Gerätelänge ab ano sollte nur im Rektum und unteren Sigma erfolgen. Bei unklarem oder OP-würdigem Befund sollte eine Markierung mittels Clip (nur bei zeitnaher OP) oder Tusche (in Läsionsnähe, nicht in die Läsion) erfolgen, um eine Wiederauffindung zu ermöglichen (ggf. auch Röntgen-Durchleuchtung während der Koloskopie).

Allerdings hat die Koloskopie auch Limitationen. So werden Karzinome und (relevante) Adenome übersehen. Diese sogenannten Intervallkarzinome sind großteils auf übersehene Läsionen zurückzuführen. Weitere Faktoren sind die inkomplette Polypektomie (und fehlende Vorstellung des Patienten zur zeitnahen koloskopischen Kontrolle), sowie schnell wachsende sogenannte De-novo-Tumore [428] [429] [430]. Ältere retrospektive Studien mit Database matching sprechen von 4 – 6 % übersehenen Karzinomen [431] [432] [433]. In Studien zur Polypennachsorge traten in einer kanadischen Studie in einem Zeitraum von 3 Jahren bis zu 1 % sog. „missed cancers“ bzw. Intervallkarzinome nach Koloskopie auf, vor allem rechtsseitig [429]; diese Seitendifferenz wurde auch in einer deutschen Studie bestätigt, allerdings in erheblich geringerem Ausmaß [115]. In den beiden bereits zitierten großen Studien aus Polen und USA lag innerhalb von 52 bzw. 35 – 39 Monaten die Rate von Intervallkarzinomen nach Koloskopie bei 0,09 % [414] bzw. 0,22 % [413], also ganz erheblich niedriger. Auch scheint in der Hochburg der Intervallkarzinome Kanada die Rate der Intervallkarzinome von 1996 bis 2010 um die Hälfte zurückzugehen (und lag hier dann am Ende bei 0,04 % pro Follow-up-Jahr [434]).

Alternativen und Ergänzungen zur Koloskopie: Strahlenanwendung ist zu Screeningzwecken, d. h. bei Gesunden, in Deutschland nur ausnahmsweise (Mammakarzinom-Screening) zugelassen. Unter anderem deswegen wird die CT-Kolonografie hier nicht eingesetzt. Theoretisch sind unvollständige Koloskopien und die Patientenverweigerung einer (diagnostischen) Koloskopie mögliche Indikationen zu radiologischen Verfahren. Sensitivität und Spezifität der CT-Kolonografie sind in den letzten Jahren seit Erstellung der letzten Leitlinie angestiegen. In Übersichten der letzten Jahre lag die CT-Kolonografie entweder um 10 – 20 % zurück (größenabhängig) für alle Neoplasien im Screening-Setting [173], erreichte eine gute (88 %) Treffsicherheit für Adenome > 5 mm bei Stuhltest-positiven Screening-Kandidaten bei allerdings nur 75 % Spezifität [435], und zeigte eine sehr hohe Treffsicherheit für Karzinome in einer radiologischen Übersicht bei allen Indikationen [412]. Was die Patientenpräferenz für CT vs. Koloskopie betrifft, hängen die Ergebnisse offenbar vorwiegend vom Journal der Veröffentlichung (Radiologie vs. Gastroenterologie/Innere) und vom Ausmaß der Darmvorbereitung beim CT ab [436]. Insgesamt gibt es – noch weniger für die MRT-Kolografie [437] – aber keine Outcome-Studien im Bereich der Vorsorge, was den Einsatz hier zumindest vorerst nicht empfehlen lässt. Die Röntgendoppelkontrast­untersuchung des Dickdarms ist heute obsolet.

Diagnostische Probleme bei der CT-Kolonografie können Stuhlreste und eine schlechte Entfaltung des Darmlumens bereiten. Die Detektion flacher, eingesenkter und kleiner Polypen ist schwieriger als die prominenter Polypen. Aufgrund mangelnder Standardisierung sind die Ergebnisse derzeit stark zentrenabhängig.

Aus den genannten Gründen ist bei einem positiven fäkalen Okkultbluttest (FOBT) oder zur Abklärung eines Tumorverdachtes die komplette Koloskopie der Goldstandard. Es besteht hierbei die Möglichkeit sowohl der Biopsieentnahme zur histologischen Diagnostik als auch der Polypektomie als gleichzeitige therapeutische Intervention.

Bei Patienten mit stenosierenden Tumoren oder inkompletter Koloskopie aus anderen Gründen konnten in Fallserien mittels CT- [408] [409] [410] [411] oder MR-Kolonografie [438] [439] proximale Tumoren oder Polypen nachgewiesen werden, sodass gemeinsame Leitlinien von ESGE und ESGAR von 2014 hier den Einsatz der CT-Kolografie empfehlen [440]. Allerdings gibt es inzwischen Evidenz für die Kolon-Kapselendoskopie bei inkompletter Koloskopie (natürlich nicht bei Stenosen), die in einer 2015 veröffentlichten kleineren randomisierten Studie (n = 100) hier doppelt soviele Adenome ≥ 6 mm wie die CT-Kolonografie fand (24,5 vs. 12,2 %) [441]. Die Kolonkapsel wurde als primäre Methode in mehreren methodisch teilweise limitierten Studien evaluiert und zeigte hier größenabhängig eine ähnliche Detektionsrate wie die CT-Kolonografie; die Zahl der Karzinome reichte nicht für eine valide Analyse aus [442]. Als Vorsorge-Methode erreichte die Kapsel-Koloskopie ebenfalls gute Werte für Adenome ≥ 6 mm (Sens 81 %, Spez. 93 %), eines von vier Karzinomen wurde aber übersehen und es wurden 21 % der initial eingeschlossenen Patienten von der finalen Analyse ausgeschlossen [443]. Aufgrund dieser Limitationen ist die Kolonkapsel derzeit nicht als primäre Screening-Methode zu empfehlen.

Die letzte Übersicht von 2016 über Koloskopie-Komplikationen bei der Vorsorge-Koloskopie aus 21 großen populationsbasierten Studien berichtet über eine gepoolte Rate an Perforationen, Nachblutungen sowie Mortalität von jeweils 0,05, 0,3 und 0,003 %, nach Polypektomie lagen Perforationen bei 0,08 % und Nachblutungen bei knapp 1 % der Untersuchungen. Die Komplikationsrate war bei Screening/Nachsorge-Koloskopie niedriger als bei der diagnostischen Koloskopie [444].

6.1.1. Sigmoidoskopie vs. Koloskopie

6.4.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Bei positivem FOBT/FIT-Test, bei Tumorverdacht oder sigmoidoskopischem Nachweis eines neoplastischen Polypen soll eine vollständige Koloskopie durchgeführt werden.

Level of Evidence

2b

Quellen: [107] [128] [445] [446] [447]

Starker Konsens

Hintergrund

Zur Abklärung eines positiven FOBT-Testes bzw. eines Tumorverdachtes wird die komplette Koloskopie gefordert, da hiermit auch Adenome und Karzinome im rechten Hemikolon erkannt werden können. Relevante neoplastische Läsionen proximal des Sigmas findet man in 25 – 55 %. In Screening-Studien konnte gezeigt werden, dass bei 30 – 46 % der Fälle mit proximalen fortgeschrittenen Neoplasien im rechten Hemikolon das Rektosigmoid adenomfrei ist [107] [128] [445] [446] [447].

Eine Sigmoidoskopie sollte nur im Ausnahmefall erfolgen, wenn eine vollständige Darmvorbereitung nicht möglich ist. Eine komplette Koloskopie ist in einem hohen Prozentsatz möglich und kann auch bei älteren Patienten in der Regel mit einer niedrigeren Rate an Nebenwirkungen durchgeführt werden [448] [449] [450] [451] [452]; bezüglich Risiken und Komorbiditäten müssen in dieser Gruppe allerdings auch auch die Belastung durch die Darmvorbereitung und die Sedierung abwägend in Betracht gezogen werden [453] [454] [455] [456]. Die Sigmoidoskopie hat für die Primärdiagnostik bei Tumorverdacht keine Berechtigung und in Deutschland wie auch in den meisten anderen europäischen Ländern [457] als Vorsorgemethode keine Bedeutung.


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6.1.2. Chromoendoskopie und verwandte Verfahren

6.5.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

0

Eine Chromoendoskopie kann bei Patienten mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und HNPCC zur besseren Erkennung von neoplastischen Läsionen eingesetzt werden.

Level of Evidence

1b

Quellen: [458] [459] [460] [461] [462] [463] [464]

Starker Konsens

Hintergrund

Neben der Chromoendoskopie mit Farbstoffen wie Methylenblau oder Indigokarmin sind in den letzten Jahren zahlreiche Bildbearbeitungsverfahren entstanden, die ein direktes Aufbringen von Farbstoff ersetzen wollen (Narrow Band imaging – NBI, Fujinon intelligent colour enhancement-FICE, iScan etc). Bei Patienten mit Colitis ulcerosa [458] [459] [460] [461] [462] oder HNPCC [463] [464] ist eine höhere Detektionsrate neoplastischer Läsionen durch Chromoendoskopie wahrscheinlich, allerdings ohne bewiesenen Effekt auf den Gesamt-Outcome [462]. Es ist bisher nicht geklärt, ob die Erkennung höherer Raten vorwiegend kleiner Veränderungen dem Patienten nutzen und den erhöhten Zeitaufwand der direkten Chromoendoskopie rechtfertigen.

Bezüglich der virtuellen Chromo-Endoskopie-Verfahren häufen sich die Metaanalysen [465] [466] [467] [468] [469] [470]. NBI wird in keiner der Metaanalysen ein Effekt auf die ADR zugeschrieben, FICE wird in einer der Metaanalysen erfasst, ebenfalls ohne Wirkung auf die ADR [466]. Eine weitere vor kurzem erschienene dreiarmige Studie mit NBI und FICE weist in dieselbe Richtung [471]. Für I-Scan zeigen zwei kleinere (n = 200 und n = 67) randomisierte Studien einen Vorteil [472] [473], der durch eine größere randomisierte Tandem-Studie (n = 389) nicht bestätigt werden konnte [474]. Interessanterweise wies die jüngste und umfangreichste Metaanalyse nur der konventionellen Chromoendoskopie einen Effekt auf die ADR zu [466], und dies aufgrund von 9 solcher Studien, davon die meisten mit Verbesserung der Detektion von nur kleinen Adenomen, andere mit erheblichen methodischen Mängeln.

Die Rolle der Chromoendoskopie-Verfahren liegt dagegen in einer besseren Abgrenzung flacher und eingesenkter Läsionen von der umgebenden gesunden Schleimhaut [475] [476] [477] [478] [479] [480]. Die Chromoendoskopie kann daher vor der endoskopischen Abtragung flacher Adenome eingesetzt werden.

Insgesamt scheinen mechanische Verfahren in der Verbesserung der Adenomdetektion besser abzuschneiden als die Chromoendoskopie, allerdings wohl nicht die einfachen transparenten Abstandskappen, über die bereits 6 Metaanalysen vorliegen [466] [481] [482] [483] [484]. Neuere sog. Igelkappen (Endocuff) scheinen nach mehreren randomisierten Studien die Adenomrate zu erhöhen [485] [486] [487] [488], was auch für auf das Endoskop aufgesetzte Ballone zuzutreffen scheint [489].

Eine Klassifikation des mukosalen Musters (Pit-Pattern) und der Mikroarchitektur der mukosalen und submukosalen Gefäße („vessel-pattern“) sowie eine Beurteilung nach der Paris-Klassifikation [490] kann sinnvoll sein. Ziel der Zoomendoskopie ist es, anhand der „pit-pattern“-Klassifikation zwischen hyperplastischen und neoplastischen Läsionen zu unterscheiden, um ohne Histologie festzustellen, welche Läsionen endoskopisch abgetragen werden müssen. In letzter Zeit hat sich aber die Auflösung von HD-Endoskopen mit oder ohne Bildnachbearbeitung in einer Weise verbessert, dass eine Vergrößerungsendoskopie nicht mehr obligat erscheint [491]. So wurden auch neue Klassifikationen vorgeschlagen, z. B. die sog. NICE-Klassifikation [492], die auf der Gerätetechnik einer speziellen Firma beruht.

Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen zu der Überlegung einer endoskopischen Polypendifferenzial­diagnose („endoskopische Histologie“) [491] mit dem Ziel, kleinere abgetragene Polypen nicht mehr histologisch untersuchen zu lassen („Resect and Discard“ [493] [494], kurz DISCARD policy) – vorwiegend aus Kostengründen [495] [496]. Die Nachsorgeempfehlungen richten sich dann hauptsächlich nach der endoskopischen Differenzialdiagnose zwischen Adenomen und hyperplastischen Läsionen, da keine Histologie mehr vorliegt.

Da dieses Vorgehen bisher nicht ausreichend validiert ist, ist die histologische Beurteilung abgetragener Polypen in Übereinstimmung mit der S2k-Leitlinie zur endoskopischen Qualität [415] weiterhin als Standard zu betrachten.

Die konfokale Lasermikroskopie bleibt derzeit noch wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten [497].


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6.2. Polypektomiedurchführung

6.2.1. Endoskopische Resektionsverfahren

6.6.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Polypen sollen unter Angabe der Lokalisation entfernt und geborgen werden. Die Polypektomie kann bei multiplen Polypen ggf. mehrzeitig erfolgen.

Level of Evidence

1c

Starker Konsens

6.7.

Konsensbasierte Empfehlung

2017

EK

Um eine repräsentative histologische Aussage zu erhalten und zur definitiven Therapie, sollen Polypen > 5 mm vollständig durch Schlingenektomie entfernt werden.

Grundsätzlich sollen diagnostische Koloskopien nur dann durchgeführt werden, wenn in gleicher Sitzung die Möglichkeit zur Schlingenektomie besteht.

Starker Konsens


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6.2.2. Endoskopische Beurteilung vor Abtragung

Ziel einer Koloskopie muss das Erreichen eines polypenfreien Darms (clean-colon) sein. Um Doppeluntersuchungen zu vermeiden, sollte eine Koloskopie grundsätzlich nur bei vorhandener Interventionsmöglichkeit erfolgen. Ist die Abtragung eines Befundes nicht möglich oder sinnvoll (Risikosituation bei ambulanter Durchführung, fehlende Expertise bei größeren Polypen), sollte der Patient in ein Zentrum eingewiesen werden. Eine Zangenbiopsie von größeren Polypen (> 5 mm) ist nicht sinnvoll, wenn eine Abtragung technisch möglich ist. Die Zangenbiopsie ist außerdem unzuverlässig mit einer Unterschätzung der histopathologischen Diagnose in 10 % der biopsierten Polypen insgesamt und 60 % bei fortgeschrittenen Neoplasien [498]. Darüber hinaus können ausgiebige Biopsien durch nachfolgende Vernarbung die komplette endoskopische Abtragung beim Zweiteingriff erschweren. Bei eindeutigen Malignitätskriterien mit primärer OP-Indikation sind Biopsieentnahmen jedoch obligat.

Voraussetzung und Limitierung für die endoskopische Resektion größerer Polypen ist die realistische Option einer kompletten Abtragung mit einem niedrigen Blutungs- und Perforationsrisiko. Die Erfahrung des Untersuchers und die Lage des Polypen können ebenfalls limitierende Faktoren darstellen. Zu bedenken sind die mit der Größe ansteigende Karzinomrate neoplastischer Polypen (bis zu 15 % bei Polypen > 3 cm), die Wuchsform, die Lokalisation, der Allgemeinzustand des Patienten, das erhöhte Blutungsrisiko sowie das erhöhte Perforationsrisiko im proximalen Kolon [499] [500] [501] [502] [503] [504]. Die Polypektomie kann bei multiplen Polypen ggf. mehrzeitig erfolgen.

Bei größeren flachen Adenomen (sog. laterally spreading tumours bzw. adenomas, LST) wird der prädiktive Wert des sog. nicht-granulären Typs für die Prädiktion der Malignität hervorgehoben, die etwa im Verhältnis 15 zu 1 – 3 % zu den granulären Wuchsformen steht [505] [506] [507] [508] [509] [510] [511] – siehe auch ausführliche Diskussion in der S2k-Leitlinie der DGVS zu Qualiäts­anforderungen der gastrointestinalen Endoskopie [415]. Beim sog. Non-lifting-Zeichen [512] [513] ist umstritten, ob es ein zuverlässiges Zeichen für Malignität ist [512] [514], es kann aber zu einer technisch erschwerten und unvollständigen Resektion auch bei low-grade Adenomen führen [510].

Bei ausschließlich eingesenkten flachen Läsionen (IIc), die endoskopisch suspekt erscheinen, v. a. wenn sie sich nach Unterspritzung nicht abheben, sollte in der Regel eine primär chirurgische Therapie erwogen werden, da es sich hierbei meistens nicht mehr um sogenannte frühinvasive T1-Karzinome handelt und die komplette endoskopische Entfernung (R0) oft nicht möglich ist. In ausgewählten Fällen kommt auch die endoskopische Vollwandresektion (FTRD) in Betracht (siehe unten). Im übrigen wurde wiederholt gezeigt, dass die primäre Abschätzung der endoskopischen „Abtragbarkeit“ eines Polypen von der Erfahrung des Koloskopikers abhängt und die meisten „nicht abtragbaren“ Polypen in Zentren doch erfolgreich abgetragen werden können [515] [516] [517] [518] [519] [520].

Hyperplastische Polypen

Kleine (≤ 5 mm) häufig multipel auftretende typische hyperplastische Polypen im Rektum können belassen werden, wenn sie endoskopisch eindeutig als solche zu identifizieren sind. Weiter proximal sollten hyperplastisch anmutende Polypen immer abgetragen werden, da sie mit zunehmender Größe oft als serratierte Adenome klassifiziert werden.

Die serratierte Polyposis (SPS), früher als hyperplastisches Polyposis-Syndrom bezeichnet, scheint eines der häufigsten kolorektalen Polyposis-Syndrome zu sein. Bisher wurde kein Gendefekt identifiziert. Die aktuelle WHO-Definition (26) für die Diagnose einer serratierten Polyposis (serratiertes Polyposis-Syndrom/SPS) besteht aus drei Kriterien:

  • mindestens fünf histologisch bestätigte serratierte Polypen proximal des Sigmas, davon zwei > 1 cm oder

  • jede Zahl serratierter Polypen proximal des Sigmas bei Patienten mit einem/einer erstgradig Verwandten mit hyperplastischer Polypose oder

  • mehr als 20 serratierte Polypen jeglicher Größe im Kolon verteilt

Das serratierte Polyposis-Syndrom geht mit einem erhöhten Karzinomrisiko einher und erfordert regelmäßige Kontrollkoloskopien.

Endoskopische Resektionstechniken

Die vollständige Entfernung und Bergung (insbesondere bei Abtragung in Teilstücken bei sog. fraktionierter endoskopischer Mukosaresektion – EMR) eines Polypen ist immer zu fordern, denn in einem verbliebenen Polypenrest können noch eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie oder ein Karzinom nachweisbar sein. Um eine Zuordnung zu ermöglichen, sollen die Polypen einzeln unter Angabe der Lokalisation für eine histologische Aufarbeitung geborgen werden. Bei mehreren kleineren und nicht suspekten Polypen in einem Segment ist eine gemeinsame Bergung dieser Polypen vertretbar. Hierbei müssen aber im Falle histologischer Überraschungsbefunde die onkologischen Resektionsgrenzen beachtet werden; eine Markierung des polypektomierten Kolonsegmentes ist sinnvoll, wenn chirurgische Resektionen erforderlich werden.

Folgende endoskopische Verfahren stehen zur Verfügung:

  • Zangen- vs. Schlingenabtragung kleiner Polypen bis 5 mm

  • Polypektomie mit der Schlinge bei Polypen > 5 mm

  • Endoskopische Mukosaresektion (EMR)

Die einzelnen Verfahren sind ausführlich in der S2k-Leitlinie der DGVS zu Qualiäts­anforderungen der gastrointestinalen Endoskopie [415] diskutiert. Für kleine Polypen bis 5 mm wurde gezeigt, dass die Abtragung mit der Zange oft Adenomgewebe zurücklässt [521] und vermutlich abhängig von der Sorgfalt und der Biopsiezahl ist. Am besten ist die Kaltschlingenabtragung untersucht; sie ist wohl bei kleinen Polypen vorzu­ziehen [522] [523] [524]. In zwei kleineren (etwa 60 Polypen pro Arm) randomisierten, histologisch nachkontrollierten Studien betrug die Rate komplett abgetragener Adenome in der Kaltschlingengruppe 93,2 bzw. 96,6 % vs. 75,9 bzw. 82,6 % in der Zangenabtragungsgruppe [525] [526].

Größere Polypen werden mit der Schlinge abgetragen, bei flachen Polypen meist nach vorheriger Unterpritzung; größere (flache) Polypen erfordern i. d. R. eine stückweise Abtragung (endoskopische Mukosaresektion/EMR). Die Größe des entfernten Polypen, der histologische Adenomtyp und der Schweregrad der intraepithelialen Neoplasie bestimmen die Höhe des Risikos für Lokalrezidive und metachrone Polypen. Grundsätzlich sollte aus methodischen Gründen unterschieden werden zwischen Restadenomgewebe (bei der ersten meist kurzfristigen Kontrolle nach Resektion diagnostiziert) und Adenomrezidiven (d. h. ein Wiederauftreten nach – je nach Definition – ein oder zwei negativen endoskopisch-bioptischen Kontrollen). Bei Polypen > 2 cm beträgt nach neueren Studien die Rest/Rezidivadenomrate bis zu 20 % und mehr [527] [528] [529] [530] [531] [532]. Diese Rezidive können jedoch in der Regel endoskopisch erneut behandelt werden, sodass insgesamt sehr hohe Erfolgsraten von > 95 % zu erwarten sind.

Um die histologische Beurteilung des Resektats zu verbessern sowie die Rezidivrate zu senken, wird seit einigen Jahren die en-bloc-Resektion größerer flacher Polypen durch endoskopische Submukosadissektion (ESD) propagiert. Diesen Vorteilen stehen jedoch eine deutlich höhere Komplexität, meist deutlich längere Eingriffszeit und höhere Komplikationsraten dieses Verfahrens im Vergleich zur EMR gegenüber. Zudem bringt die Abtragung in einem Stück bei benignen Läsionen wie Kolonadenomen prinzipiell weniger Vorteile als im onkologischen Setting von (Früh-) Karzinomen.

Die Literatur zum Thema Colon-ESD ist durch eine starke Dominanz fernöstlicher, v. a. japanischer Studien und die dortige histologische Vermischung von „Mukosa­karzinomen“ (= high-grade Dysplasie bzw. Tis-Tumore) und Submukosakarzinomen erschwert [533]. Vergleichende retrospektive und daher nicht randomisierte Studien der ESD mit der EMR gibt es ebenfalls nur aus Fernost [534] [535] [536] [537] [538] [539] [540]. Westliche Ergebnisse der Kolon-ESD zeigen zumeist [541] eine deutlich niedrigere R0-Rate mit teilweise erheblichen (allerdings meist endoskopisch zu behandelnden) Komplikationen [542] [543] [544] [545]. Bei den Submukosa-Karzinomen, die in diesen westlichen Studien (ausschließlich Fälle im Rektum!) dankenswerterweise meist separat analysiert werden, erfolgte bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten allerdings postendoskopisch doch eine sekundäre Operation. Die Daten zeigen ein Selektions- bzw. Indikationsproblem auf: Auch in der jüngsten Publikation [545] mussten über 50 % der T1-Karzinomfälle onkologisch nachreseziert werden, weil keine Low-risk-Situation vorlag. Es ist nach wie vor nicht geklärt, welches Polypenkarzinom „ex ante“ von der ESD profitiert. Die Technik ist zwar als onkologisch beste one-piece-Behandlungsmethode von kolorektalen Frühkarzinomen anzusehen, aber aus oben genannten Gründen derzeit für wenige Spezialfälle in Zentren vorbehalten und nicht für einen breiten Einsatz im westlichen Kolon geeignet. Für die Entfernung von benignen Polypen ist die ESD nicht notwendig. Die EMR bleibt die Standardmethode zur Entfernung benigner kolorektaler Polypen.

Abgetragene flache und sessile Polypen sollten zur Identifikation durch Aufspießen mit einer Stecknadel oder durch Farbstoff markiert werden. Die Fixierung auf einer Korkplatte ist bei diesen flachen Polypen für die histologische Aufarbeitung hilfreich.

Bei möglicher oder zu erwartender Operationspflichtigkeit ist eine präoperative Markierung des Polypenareals mit Clip oder Tusche obligat (Ausnahme: Coecum und distales Rektum), allerdings unbedingt etwas proximal und/oder distal und nicht in die Läsion. Eine Alternative ist die intraoperative Koloskopie zur Lokalisation des Polypen bzw. dessen Abtragungsstelle. Eine Markierung der Polypektomiestelle wie dargelegt kann auch bei schwieriger Lokalisation als Redetektionshilfe (erschwerte Wieder-auffindbarkeit bei Überwachungs­untersuchungen) nach endoskopischer Intervention erfolgen.

Alternative Verfahren der Polypenentfernung (offene oder laparoskopische Resektion, Rendezvousverfahren, TEM, transanale Abtragung) sind im Einzelfall in Erwägung zu ziehen. Abgetragene flache und sessile Polypen sollten zur Identifikation durch Aufspießen mit einer Stecknadel oder durch Farbstoff markiert werden. Die Fixierung auf einer Korkplatte ist bei diesen flachen Polypen ebenfalls obligat.

Die endoskopische Vollwandresektion (Full-Thickness-Resection) stellt ein Reserveverfahren dar [546]. Hierbei wird das abzutragende Areal in einen Hohlzylinder, welcher auf die Endoskopspitze aufgesetzt wird, mittels eines Greifers eingezogen und im Prinzip simultan eine Schlingenabtragung und ein Verschluss des Kolonwanddefektes durch einen großen Clip durchgeführt. Mögliche Indikationsgebiete sind: Restadenomgewebe, Adenomrezidive, submuköse nicht-neo-plastische Polypen etc. Ein weiteres Anwendungsgebiet können Low-risk-Frühkarzinome entweder in primärer Intention oder (nach Erhalt der EMR-Histologie) in sekundärer Intention zur Gewährleistung einer R0-Resektion sein (siehe Absatz 6.4 Vorgehen bei pT1-Karzinomen). Die Limitationen sind: Größe ≥ 3 cm, fehlende Mobilisierbarkeit in den Zylinder, keine adäquate endoskopische Erreichbarkeit mit dem Equipment, Fehlbedienungen der Technik. Die vorliegenden Daten reichen zu einer abschließenden Bewertung derzeit nicht aus. Auch über die Komplikationsraten ist wenig bekannt. Die Behandlungsmethode ist deshalb für klinische Einzelfälle in Zentren möglich. Eine Empfehlung zur allgemeinen breiten Anwendung kann (noch) nicht abgegeben werden.

Komplikationen

Bezüglich publizierter Komplikationsraten der Koloskopie sei auf eine Übersicht der ASGE [547] und einen spezifisch auf die Vorsorge-Koloskopie bezogenen Review [548] verwiesen. Die S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen der gastrointestinalen Endoskopie [415] gibt einen Überblick über die wichtigsten deutschen [549] [550] [551] [552] [553] [554] [555] [556] [557] und internationalen größeren Serien [558] [559] [560] [561] [562] [563] [564] [565] [566] [567]. In einer großen deutschen prospektiven Studie waren unabhängige Faktoren bezüglich des Perforationsrisikos Polypengrößen über 1 cm sowie die Lokalisation im rechten Kolon, bzgl. des Blutungsrisikos lediglich die Polypengröße > 1 cm [557]. Das Risiko schwerer Blutungen (Transfusionspflichtigkeit, Operationsnotwendigkeit, rezidivierende Nachblutung) betrug 0,9 %; das Perforationsrisiko im rechten Kolon 1,2 %, im linken Kolon 0,4 %.

Bezüglich Prophylaxe-Maßnahmen gegenüber einer (Nach-) Blutung nach Endoresektion sowie bezüglich Polypektomie unter Thrombozytenaggregationshemmung wird ebenfalls auf die S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen der gastrointestinalen Endoskopie [415] verwiesen.


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6.3. Histologische Untersuchung

6.8.

Konsensbasierte Empfehlung

2017

EK

Die histologische Untersuchung jedes Polypen ist obligat. Die histologische Befundung der Polypen soll entsprechend der WHO-Kriterien [568] mit einer Aussage zur Vollständigkeit der Abtragung erfolgen. Konventionelle Adenome werden klassifiziert nach histologischem Wachstumstyp (tubulär, tubulovillös und villös) und dem Grad der intraepithelialen Neoplasie (niedrig- und hochgradige intraepitheliale Neoplasie); serratierte Läsionen werden unterteilt in hyperplastische Polypen, sessile serratierte Adenome, mixed Polypen (mit Angabe des IEN-Grades) und traditionelle serratierte Adenome (mit Angabe des EIN-Grades) [569] [570].

Starker Konsens

Hintergrund

In den letzten Jahren wurde aufgrund molekulargenetischer Befunde evident, dass neben der „klassischen Adenom-Karzinom-Sequenz“ weitere Pfade der Karzinomentwicklung bestehen. Zum einen der sog. „serratierte Karzinogeneseweg“, als dessen Vorläuferläsion die relativ neue Entität des sessilen serratierten Adenoms (SSA) betrachtet wird, zum anderen ein „Mischtyp“, der molekulare Charakteristika der beiden anderen Karzinogenesewege vereint und dessen Vorläuferläsionen das traditionelle serratierte Adenom (TSA) oder villöse Adenome sein können Die primäre Schlüsselmutation für die alternative serratierte Route liegt im B-raf-Gen mit Störung der Apoptose, gefolgt von Seneszenz mit Promotor (CpG)-Methylierungen und konsekutiven Genausfällen (z. B. hMLH1, MGMT, p16) und der Entwicklung einer meist hochgradigen Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) [571] [572].

Da der serratierte Weg der kolorektalen Karzinomentstehung möglicherweise schneller verläuft, sind Kenntnis und Diagnose der Vorläuferläsionen von entscheidender Bedeutung. Die neuen Entitäten sessil serratiertes Adenom (SSA) und traditionell serratiertes Adenom (TSA) sind erst seit 2010 definiert [573]. Hyperplastische Polypen (HP) gehören formal zu den nicht-neoplastischen Läsionen, sind also „unschuldig“. Aufgrund der jetzt bekannten Daten und der relativ ähnlichen, aber nicht gleichen Morphologie von hyperplastischen Polypen und sessilen serratierten Adenomen ist aber zu vermuten, dass früher SSA als hyperplastische Polypen fehlklassifiziert wurden. Bei Läsionen, die > 0,5 cm sind, liegt die „Falschklassifizierungsrate“ bei etwa 30 % [571].

Sessile serratierte Adenome (SSA)

Sessile serratierte Adenome sind typischerweise > 5 mm, liegen im rechtsseitigen Kolon und sind flach erhaben, ragen also nicht polypös in das Darmlumen vor. Endoskopisch sind SSA relativ schwierig zu erkennen, grenzen sich durch eine aufgelagerte Schleimschicht von der Umgebung ab (sog. Schleimkappe). Aufgrund der Morphologie und der Lokalisation könnten sie eine wesentliche Ursache der sog. Intervallkarzinome darstellen. Inzwischen ist unbestritten, dass SSA eine Vorläuferläsion der „serratierten Karzinogenese“ darstellen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung zwischen HP und SSA stützt sich auf das typische Gesamtbild der SSA mit L- und T-förmigen Verzweigungen an der Kryptenbasis, einer Serratierung bis zur Kryptenbasis, dem Vorliegen dilatierter, basal oft „eckiger“ Krypten und gelegentlichem Vorkommen von unter die Lamina muscularis mucosae reichenden „invertierten Krypten“.

Traditionelle serratierte Adenome (TSA)

Traditionelle serratierte Adenome sind im Gegensatz zu den SSA polypoid in das Darmlumen vorragende Läsionen. Sie verbinden die sägezahnartige Architektur hyperplastischer Polypen mit der IEN der klassischen Adenome. Sie machen etwa 1 % aller kolorektalen Adenome aus und sind ganz überwiegend im linksseitigen Kolon und im Rektum lokalisiert. TSA zeichnen sich molekular durch eine hohe Frequenz von K-RAS-Mutationen aus.

„Gemischter Polyp“

Unter dem Begriff „gemischter Polyp“ wird eine heterogene Gruppe Läsionen subsummiert, die Anteile serratierter Adenome, hyperplastischer Polypen und tubulären, tubulo-villösen oder villösen Adenomen enthalten kann.

Risikobewertung serratierter Läsionen

Während die Zeit der malignen Transformation serratierter Läsionen nicht bekannt ist, scheint jedoch das Vorhandensein serratierter Läsionen ein erhöhtes Risiko für die Entstehung kolorektaler Neoplasien anzuzeigen. In Analogie zu Tumoren des Ösophagus und der Lunge sind serratierte Läsionen Ausdruck einer Feldkanzerisierung des Darms – sie zeigen an, dass der Betroffene prädisponiert ist, (prä)-neoplastische Läsionen mit karzinogener Potenz an multiplen Stellen des Darms zu entwickeln.

Zahlreiche Studien konnten nachweisen, dass serratierte „Polypen“ mit syn- und metachronen fortgeschrittenen kolorektalen Neoplasien assoziiert sind im Sinne von Indikatorläsionen. In einer Metaanalyse [574] werden neun Studien mit 34 480 Patienten zusammengefasst. Serratierte Polypen wurden in 15,6 % der Patienten nachgewiesen. Bei Nachweis eines serratierten Polypen hatte der Patient ein 2,05-fach erhöhtes Risiko für eine fortgeschrittene Neoplasie. Der Nachweis proximal lokalisierter serratierter Polypen war mit einer 2,77-fachen Risikoerhöhung assoziiert. Handelte es sich um große serratierte Polypen (> 1 cm) stieg das Risiko auf das 4-fache. Damit erscheinen serratierte Läsionen als Indikatorläsion, die ein erhöhtes Risiko für fortgeschrittene kolorektale Neoplasien anzeigen. Besonders Patienten mit großen serratierten Adenomen im proximalen Hemikolon sind gefährdet, fortgeschrittene kolorektale Neoplasien zu entwickeln.

Über den langfristigen Verlauf serratierter Läsionen existieren lediglich einige Daten, die eine abschließende Bewertung nicht erlauben. In einer populationsbasierten randomisierten Studie [575] wurde das Risiko der Entstehung kolorektaler Karzinome in Abhängigkeit von Adenomen im follow-up untersucht. Das Risiko für kolorektale Karzinome war 2,5-fach erhöht bei Patienten mit einem großen serratierten Polypen, 2-fach erhöht für Patienten mit einem fortgeschrittenen (konventionellen) Adenom und um 0,6 % für Patienten mit einem nicht fortgeschrittenen Adenom. Die Autoren schlussfolgern, dass ein großes serratiertes Adenom als unabhängiger Risikofaktor für ein kolorektales Karzinom gelten kann, auch wenn man dieses Risiko durch Histologie, Größe und Multiplizität begleitender Adenome korrigiert.

Eine retrospektive nationale populationsbasierte Fallkontrollstudie von [576] an insgesamt 272 342 Koloskopien konnte zeigen, dass SSAs mit zytologischen Markern einer Dysplasie mit der Entwicklung eines Adenokarzinoms assoziiert sind. Frauen mit SSAs zeigten ein höheres Risiko für kolorektale Karzinome als Männer: Ein SSA erhöhte das Risiko für ein kolorektales Karzinom bei Frauen um den Faktor fünf, bei Männern um den Faktor zwei. Patienten mit einem SSA proximal der linken Flexur wiesen das größte Risiko für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms auf.

Zusammenfassend kann aktuell davon ausgegangen werden, dass Patienten mit großen serratierten Adenomen ein erhöhtes Risiko der kolorektalen Karzinomentstehung aufweisen, vergleichbar mit dem Risiko für fortgeschrittene konventionelle Adenome.

Für die Nachsorgeempfehlungen nach Polypektomie kommt der Histologie der abgetragenen Läsionen eine entscheidende Bedeutung zu. Entsprechend ist die histologische Untersuchung aller abgetragenen Läsionen obligat. Das von einzelnen Experten vorgeschlagene Konzept der Abtragung und Verwerfung von kleinen Polypen (Resect and Discard) wird deshalb abgelehnt [577].

6.9.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Bei Karzinomnachweis soll der histologische Befund folgende Merkmale enthalten:

  • das Ausmaß der Tiefeninfiltration (pT-Kategorie), bei sessilen Polypen die sm- Invasionsmessung in μm,

  • den histologischen Differenzierungsgrad (Grading),

  • Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäßinvasion (L-Klassifikation),

  • und die Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation) im Hinblick auf die lokale Entfernung im Gesunden (zur Tiefe und zur Seite).

Level of Evidence

3a

Quelle: [578]

Starker Konsens

6.10.

Konsensbasierte Empfehlung

2017

EK

Das Ausmaß des Tumorbuddings kann als zusätzlicher Parameter gewertet werden.

Starker Konsens

6.11.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

In Hinblick auf weitere therapeutische Konsequenzen bei komplett entfernten pT1-Karzinomen soll eine zusammenfassende Klassifikation in „Low-risk“ (G1, G2 und keine Lymphgefäßeinbrüche [L0]) oder „High-risk“ (G3, G4, und/oder Lymphgefäßeinbrüche [L1]) erfolgen.

Level of Evidence

3a

Konsens

6.12.

Konsensbasierte Empfehlung

2017

EK

Tumorzellbudding größer als 1 kann ebenfalls als „High-risk“ gewertet werden.

Konsens

Hintergrund

Die Notwendigkeit einer Angabe über den Abstand der Entfernung im Gesunden bei pT1-Karzinomen ist strittig.

Tumor-Grading und -budding

Die Festlegung des Tumordifferenzierungsgrades erfolgt nach den Regeln der WHO (WHO 2010). Diese besagen, dass der Tumordifferenzierungsgrad den am schlechtesten differenzierten Tumoranteilen entspricht. Die Invasionsfront soll nicht berücksichtigt werden. Allerdings ist aus der täglichen Praxis bekannt, dass gerade die Invasionsfront eine Eigenschaft aufweist, die als Tumor-Budding bezeichnet wird. Es handelt sich um einzelne Tumorzellen oder auch Tumorzellaggregate an der Invasionsfront, die zumeist schlecht differenziert sind und stammzellähnliche Eigenschaften aufweisen. Diese Zellen unterscheiden sich auch genetisch von denen des Tumorzentrums. Bisher gab es allerdings keine einheitliche Definition, wie Tumor-Budding zu bewerten oder zu graduieren sei. Jetzt soll einem Vorschlag japanischer Autoren gefolgt werden: Tumor-Budding wird demnach definiert als histologischer Nachweis von Tumorzell-Clustern (fünf oder weniger Zellen) entdifferenzierter oder isolierter Tumorzellen an der Invasionsfront. Dabei soll die Invasionsfront mit 200-facher Vergrößerung mikroskopiert werden und die Grade 1 mit 0 – 4; 2 mit 5 – 9 und 3 mit > 9 Buddings oder Tumorzell-Clustern bestimmt werden. Ein Tumor-Budding Grad 2 oder 3, d. h. > 4 Buddings oder Cluster an der Invasionsfront, waren in mehreren Studien ein zusätzlicher Parameter für ein erhöhtes Risiko von Lymphknotenmetastasen [579] [580] [581].

Da die Analysen zum Tumorbudding vorwiegend aus Japan stammen und die Angabe des Tumorbuddings bisher in Deutschland kein Standard ist, wurde der Empfehlungsgrad zur Berücksichtigung des Tumorbuddings in der Risikobewertung von T1-Karzinomen abgeschwächt auf ein „kann“.

Eine Checkliste zur standardisierten histopathologischen Befundung kolorektaler Polypen sollte verwendet werden [578].


#

6.4. Vorgehen bei pT1-Karzinomen

6.13.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch R0-entfernten Polypen ein pT1-Karzinom, soll auf eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-risk-Situation bei histologisch karzinomfreier Polypenbasis (R0) handelt. In der High-risk-Situation soll die radikale chirurgische Behandlung erfolgen, auch wenn die Läsion komplett entfernt wurde.

Level of Evidence

3a

Quellen: [582] [583] [584]

Konsens

6.14.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Bei inkompletter Abtragung eines Low-risk pT1-Karzinoms soll eine komplette endoskopische oder lokale chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist oder Zweifel am Vorliegen einer pT1-Situation bestehen, soll die onkologisch-chirurgische Resektion erfolgen.

Level of Evidence

3a

Quellen: [582] [583] [584]

Starker Konsens

Hintergrund

pT1-Karzinome unterscheiden sich je nach Situation erheblich in ihrer Prognose. Dreh- und Angelpunkt einer Risikostratifizierung in eine Low- und eine High-risk-Gruppe stellt die Wahrscheinlichkeit einer Lymphknotenmetastasierung dar. Die Gesamtgruppe der T1-Karzinome hat eine Lymphknotenmetastasierungsrate (N+) von 0 – 20 % [582] [583] [584]. Für die Abschätzung der Metastasierungsrate gibt es eine Reihe von Prognosekriterien [585] [586] [587] [588]; hierbei wird das Lymphknotenmetastasierungsrisiko in der Low-risk-Situation bei etwa 1 % oder darunter angesetzt [582] [583] [585] [586] [589] [590] [591] [592] [593] [594] [595].

Folgende Faktoren sind für die Risikostratefizierung von pT1-Karzinomen von Bedeutung:

  • Grading: G1 und G2 gelten als Low-risk-Kriterien (G1 gut differenziert, G2 mäßig differenziert, G3 schlecht differenziert, G4 undifferenziert)

  • Invasion in Lymph- (L-Klassifikation) oder Blutgefäße (V-Klassifikation): Abwesenheit von Invasionen (L0 V0) bestimmen die Low-risk-Kategorie. Der Nachweis einer Veneninvasion (V-Klassifikation) sollte erwähnt werden, der Stellenwert für eine lokale Therapie ist jedoch nicht sicher belegt.

  • Tumorzellbudding, d. h. die Anwesenheit von einzelnen, „versprengten“ Tumorzellen an der Invasionsfront des Karzinoms. (siehe Empfehlung 6.12)

  • Submucosainvasion, am Operations- bzw. Polypektomiepräparat ausgemessen (vor allem bei sessilen/flachen Läsionen). Hierbei hat sich bei Operationspräparaten bewährt, die Submukosaschicht in drei Drittel aufzuteilen. Am Präparat eines sessilen Polypen, das mittels endoskopischer Polypektomie gewonnen wurde, ist aber nur die Messung der Submukosainvasionsstrecke in µm sinnvoll, da die Submukosa als Gesamtschicht nicht zuverlässig zur Verfügung steht bzw. keine Muskularis propria miterfasst ist. Die sogenannten frühinvasiven Formen (sm1 = Submukosainvasion ≤ 1000 µm) haben mit 0 – 6 % ein geringes N+-Risiko [490] [582] [583] [584] [585]. Bei sm3-Karzinomen hingegen beträgt das Lymphknotenmetastasierungsrisiko etwa 20 % [490] [596].
    Cave: Die Messung der Submukosainfiltration am gestielten Polypen in µm ist nicht sinnvoll bzw. irreführend, weil die Submukosadicke von der Stiellänge abhängig ist. Die Einteilung nach der Haggitt-Klassifikation [597] [598], ist in der Praxis schwierig vorzunehmen. Mit Ausnahme einer fortgeschrittenen Stielinvasion (> 3000 µm [599] wird ein T1-Karzinom im gestielten Polypen als sm1 klassifiziert.

  • In multivariaten Analysen kommt der Lymphangioinvasion die größte Bedeutung als Risikofaktor für das Vorliegen von Lymphknotenmetastasen zu. Ein L+-Status ist mit einer 20 %igen N+-Rate vergesellschaftet [600]. Bei L0 und G2 scheint die Submukosa-Invasionstiefe zwischen 1000 µm und 2000 µm die Lymphknotenmetastasierungsrate (N+) lediglich von 1 % auf 2 % zu erhöhen [601] [602].

Ergänzende wichtige Anmerkungen zum Resektions- (R-) Status

Obligate Voraussetzung für eine Nachbeobachtung ohne onkologische Resektion bei endoskopisch/lokal abgetragenen low-risk T1-Karzinomen ist die sichere Beurteilung der vollständigen Abtragung (R0). Gestielte Läsionen sollten möglichst in einem Stück abgetragen werden. Bei sessilen/flachen Läsionen und einer En-bloc-Entfernung ist histopathologisch die Beurteilung der seitlichen und basalen Ränder, bei einer Piecemeal-Abtragung nur die der basalen Ränder zuverlässig histologisch möglich. Kontrovers wird ein Sicherheitsabstand von 1 mm zur Basis diskutiert [585]; hierzu gibt es in der endoskopischen Literatur keine guten Angaben. In der Low-risk-Situation und gesichertem R0-Status (s. u.) ist eine nachfolgende radikal-chirurgische Resektion nach onkologischen Kriterien nicht erforderlich.

In der Regel erfolgt die endoskopische Krebstherapie im Rahmen einer Polypektomie, ohne dass vorher die Krebsdiagnose bekannt ist. Eine Entfernung in Piecemeal-Technik erscheint hier ausreichend [603]. Hierbei erfolgt die Beurteilung der R-Situation zur Seite endoskopisch-makroskopisch, die Beurteilung zur Tiefe histologisch (basal R0). Allerdings ist dann eine zeitnahe (2 – 6 Monate) endoskopisch-bioptische Überprüfung der lokalen R0-Situation erforderlich.

In ausgewählten Fällen kann die endoskopische Vollwandresektion (FTRD) bei Low-risk-Tumoren helfen, bei inkompletter Resektion eine kurative R0-Situation zu erreichen, indem die Abtragungsstelle endoskopisch nachreseziert wird (siehe auch Abschnitt 6.2.1 Endoskopische Resektionsverfahren).

In jedem Fall einer definitiven Rx-basalen oder R1-basalen oder unklarem vertikalem Resektionsrand ist bei operablen Patienten eine chirurgische Resektion, in der Regel als onkologische Resektion, erforderlich!

Randomisierte Studien zum Vergleich endoskopischer und chirurgischer Verfahren bei T1-Karzinomen liegen nicht vor. Retrospektive Studien zeigen, dass nach endoskopischer Therapie von low-risk T1-Karzinomen in etwa 3 % mit Rezidiven in Form von Lokalrezidiven oder Fernmetastasen zu rechnen ist [595] [604]. Mit dem individuellen Patienten ist deshalb die onkologische Situation zu besprechen und OP-Risiken der onkologischen Resektion gegenüber den Risiken der alleinigen endoskopischen Lokaltherapie darzustellen und abzuwägen.

Vorsicht ist geboten, wenn vor allem bei sessilen Läsionen prätherapeutisch bereits eine Karzinomdiagnose bioptisch gesichert wurde. Häufig handelt es sich dann schon nicht mehr um eine endoskopisch therapierbare Situation. Endoskopische Warnkriterien sind: Ulzerationen, Einsenkungen, Kontaktblutungen und fehlendes Lifting-sign beim Unterspritzen der Läsion. Solche bekannten malignen Läsionen sollen endoskopisch nur in Zentren mit ausreichender Expertise in der primären Einschätzung wie auch in den endoskopischen Resektionstechniken abgetragen werden.

Bei bekanntem oder vermutetem T1-Karzinom ist eine endoskopische Entfernung als en-bloc-Resektion aus onkologischen Gründen optimal. Die Methode der Wahl bei der Lokalisation im Rektum ist die ESD (siehe 6.2.1 Endoskopische Resektionsverfahren).

6.15.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Die endoskopische lokale Nachsorge soll nach kompletter Entfernung (R0) von low risk (pT1, low grade [G1, G2, L0]) Karzinomen nach einem halben Jahr erfolgen.

Eine komplette Koloskopie soll nach 3 Jahren erfolgen.

Level of Evidence

4

Starker Konsens

Hintergrund

Die oben genannten Empfehlungen dienen zur Erkennung von Lokalrezidiven. Eine komplette Koloskopie sollte zur frühzeitigen Erkennung und Sanierung von Rezidiven entsprechend den Empfehlungen der Adenomnachsorge erfolgen.


#

6.5. Polypenmanagement (Nachsorge)

6.16.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Nach Abtragung kleiner einzelner nicht neoplastischer Polypen sollte keine endoskopische Nachsorge erfolgen.

Level of Evidence

3b

Quellen: [605] [606] [607]

Konsens

Hintergrund

Bei Patienten mit kleinen (< 1 cm) hyperplastischen Polypen und negativer Familienanamnese besteht offenbar kein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms. Hier gelten die allgemeinen Regeln zur KRK-Prävention, das heißt eine Kontrollkoloskopie nach 10 Jahren [605] [606] [607]. Ausnahmen sind nichtneoplastische Polyposiserkrankungen (hyperplastische, juvenile, Peutz-Jeghers und SSA-Polypose) mit erhöhtem Risiko einer malignen Entartung [608].

6.17.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Der Zeitpunkt der Kontrollkoloskopie nach kompletter Abtragung neoplastischer Polypen (Adenome) soll von Anzahl, Größe und Histologie der entfernten Adenome abhängig gemacht werden.

Level of Evidence

2b

Quellen: [619]

Starker Konsens

6.18.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Bei Patienten mit 1 oder 2 Adenomen < 1 cm ohne höhergradige intraepitheliale Neoplasie sollte eine Kontrollkoloskopie nach 5 – 10 Jahren erfolgen.

Level of Evidence

3b

Quellen: [210] [609] [610]

Starker Konsens

6.19.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Werden bei dieser Kontrollkoloskopie wiederum keine oder nur 1 – 2 Adenome < 10 mm ohne überwiegend villöse Histologie oder HGIEN gefunden, sollte die nächste Kontrollkoloskopie nach 10 Jahren erfolgen.

Level of Evidence

3b

Quellen: [210] [609] [610]

Konsens

6.20.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Bei Patienten mit 3 – 4 Adenomen oder einem Adenom ≥ 1 cm oder einem Adenom mit überwiegend villöser Histologie oder HGIEN sollte die erste Kontrollkoloskopie nach 3 Jahren erfolgen.

Level of Evidence

3b

Quellen: [611]

Konsens

6.21.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Bei Patienten mit Adenom mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie und histologisch bestätigter vollständiger Abtragung sollte eine Kontrollkoloskopie nach 3 Jahren erfolgen.

Level of Evidence

1b

Quellen: [611]

Starker Konsens

6.22.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Bei histologisch nicht bestätigter vollständiger Abtragung von Adenomen > 5 mm sollte auch bei makroskopisch kompletter Abtragung eine Kontrolle nach 6 Monaten erfolgen.

Level of Evidence

5

Expertenmeinung

Konsens

6.23.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Bei Nachweis von ≥ 5 Adenomen jeder Größe sollte das Kontrollintervall < 3 Jahre betragen.

Level of Evidence

5

Expertenmeinung

Konsens

6.24.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

A

Nach Abtragung großer Adenome in Piecemeal-Technik soll eine kurzfristige Kontrolle der Abtragungsstelle nach 2 – 6 Monaten erfolgen.

Level of Evidence

3b

Quelle: [612] [613] [614] [615] [616]

Konsens

6.25.

Evidenzbasierte Empfehlung

2017

Empfehlungsgrad

B

Nach kompletter Abtragung eines traditionellen serratierten Adenoms oder eines sessilen serratierten Adenoms sollte die Nachsorge analog zu klassischen Adenomen erfolgen.

Level of Evidence

3b

Quellen: [576] [617] [618]

Konsens

Hintergrund

Nach Abtragung von Adenomen werden bei etwa 50 % der Patienten im Verlauf erneut Adenome detektiert [619]. Kontrolluntersuchungen nach Polypektomie machen etwa 20 % der Koloskopien aus und stellen somit einen wichtigen Kostenfaktor dar [620]. Die Zielstruktur der Nachsorge nach Polypektomie sind zum einen Karzinome, zum anderen fortgeschrittene Adenome. Bei Kontrollkoloskopien innerhalb von 3 Jahren nach Abtragung von Adenomen werden bei 0,7 bis 0,9 % Karzinome, sogenannte Intervall-Karzinome, entdeckt [429].

Diese setzen sich zusammen aus übersehenen Läsionen (miss rate), inkompletten Polypektomien sowie dem Auftreten schnell wachsender Tumore [428] [430] [432] [621]. Die Festlegung der Untersuchungsintervalle nach Polypektomie hängen vom individuellen Risiko des Patienten ab. Das Risiko hängt entscheidend von der Anzahl, der Größe und Histologie der entfernten Adenome ab [619]. Patienten mit 1 oder 2 kleinen tubulären Adenomen haben kein wesentlich erhöhtes Karzinomrisiko [210] [609] [610]. Eine Kontrollkoloskopie nach 5 bis 10 Jahren erscheint daher ausreichend zu sein. Werden bei dieser Kontrollkoloskopie erneut nur 1 oder 2 kleine tubuläre Adenome gefunden, besteht kein wesentlich erhöhtes Risiko, sodass die nächste Kontrollkoloskopie dann erst nach 10 Jahren durchgeführt werden sollte. Nach Abtragung von 3 oder 4 Adenomen oder mindestens 1 Adenom ≥ 10 mm oder mit überwiegend villöser Histologie (nicht tubulovillöse Adenome!) oder hochgradiger intraepithelialer Neoplasie sollte die Kontrollkoloskopie aufgrund des erhöhten Risikos einer fortgeschrittenen Neoplasie nach 3 Jahren erfolgen. Grundlage für diese Empfehlung sind die Daten der National Polyp Study, in der eine Untersuchung nach 3 Jahren eine ähnliche Rate an fortgeschrittenen Neoplasien ergab wie nach 1 Jahr [611]. Patienten mit 5 oder mehr Adenomen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für eine fortgeschrittene Neoplasie von 24,9 % in einer gepoolten Analyse [619], vor allem, wenn 1 der Adenome ≥ 10 mm ist [622]. Daher erscheint in diesen Fällen ein kürzeres Untersuchungsintervall angezeigt ([Tab. 9]).

Tab. 9

Nachsorgeintervalle nach Polypektomie.

Ausgangssituation

Intervall Kontrollkoloskopie

1 oder 2 kleine tubuläre Adenome (< 1 cm) ohne villöse Komponente oder hochgradige intraepitheliale Neoplasie

5 – 10 Jahre

3 oder 4 Adenome oder ≥ 1 Adenom ≥ 1 cm oder villöse Komponente oder hochgradige intraepitheliale Neoplasie

3 Jahre

≥ 5 Adenome

< 3 Jahre

serratierte Adenome

wie bei klassischen Adenomen

Abtragung in Piecemeal-Technik

Kontrolle der Abtragungsstelle nach 2 – 6 Monaten

Das Nachsorgeintervall der 2. Kontrollkoloskopie hängt von den Befunden der Indexkoloskopie und der 1. Kontrollkoloskopie ab. Hierzu liegen keine Daten randomisierter Studien, sondern nur retrospektive Analysen vor. Ein möglicher Algorithmus ist in der vorstehenden Tabelle aufgeführt. Zu bedenken ist, dass Patienten mit Nachweis von fortgeschrittenen Adenomen in der Indexkoloskopie auch bei Nachweis von 1 oder 2 tubulären Adenomen in der ersten Kontrollkoloskopie ein erhöhtes Risiko für fortgeschrittene Neoplasien beibehalten [623] [624] [625] [626], sodass in diesem Fall eine erneute Kontrolle nach 3 Jahren sinnvoll erscheint. Es liegen weiterhin keine Studien vor, die randomisiert verschiedene Nachsorgeintervalle nach Abtragung serratierter Adenome untersuchen. In der Literatursuche wurden lediglich Fall-Kontrollstudien und Fallserien identifiziert. In diesen wurde eine ähnliche Rate an fortgeschrittenen Adenomen in der Kontrollkoloskopie gefunden wie nach Abtragung von Adenomen [576] [617] [618]. Es erscheint daher sinnvoll, dass nach Abtragung von serratierten Adenomen die gleichen Nachsorgeempfehlungen gelten sollten wie für nicht-serratierte Adenome (für weitere Einzelheiten siehe Abschnitt 6.3).

Generell gilt, dass eine inkomplette endoskopische Abtragung von Adenomen mit einem erhöhten Intervallkarzinomrisiko einhergeht [627]. Eine pathologisch bestätigte komplette Abtragung ist daher anzustreben. Entsprechend erscheint es sinnvoll nach Abtragung von Adenomen > 5 mm, bei denen die Vollständigkeit der Abtragung histologisch nicht bestätigt werden kann, eine Kontrolle der Abtragungsstelle durchzuführen. Auch wenn keine vergleichenden Daten vorliegen wird analog zur Abtragung nach Piecemeal-Technik empfohlen, dass die Kontrolle nach etwa 6 Monaten erfolgen sollte. Bei kleineren Adenomen kann bei Zangenabtragung die Beurteilung der Vollständigkeit der Abtragung für den Pathologen schwierig bis unmöglich sein. Auch ist die klinische Relevanz kleiner Adenome unklar. Daher ist in diesen Fällen die endoskopische Beurteilung der Vollständigkeit der Abtragung entscheidend und eine erneute Kontrolle der Abtragungsstelle entbehrlich.

Nach Abtragung flacher oder sessiler Adenome in Piecemeal-Technik ist insbesondere bei größeren Adenomen die Rezidivrate deutlich erhöht (9 – 28 %) [612] [613] [614] [615] [616]. Der Einsatz von Argon Plasma Koagulation zur Entfernung von Restgewebe zur Sicherstellung einer kompletten Abtragung kann hilfreich sein [613] [616]. Allerdings fehlt dann die histologische Beurteilung. Die Sondergruppe von Patienten mit Z. n. Abtragung flacher oder sessiler Adenome in Piecemeal-Technik sollte wegen der erhöhten Lokalrezidivrate eine Kontroll-Endoskopie der Abtragungsstelle nach 2 – 6 Monaten erhalten [628].

Bezüglich der Empfehlungen zur Nachsorge bei HNPCC, FAP und CED-Patienten siehe Abschnitt 10.6.


#

6.6. Medikamentöse Sekundärprävention bei Adenomen

6.26.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

B

Eine medikamentöse Sekundärprophylaxe nach Polypektomie sollte außerhalb von Studien nicht durchgeführt werden.

1b

Quellen: [80] [81] [82] [629] [630] [631]

Starker Konsens

Hintergrund

Obwohl in mehreren prospektiv randomisierten Untersuchungen mit hoher Evidenzstärke (1b) ein geringer präventiver Effekt nach Einnahme von niedrigdosiertem ASS gefunden wurde [629] [630], kann aufgrund des geringen Effektes (Senkung der Rezidivadenomrate um max. 35 %) und der medikamentös bedingten Risiken [632] derzeit eine Einnahme zur Senkung des Rezidivrisikos von Adenomen nicht empfohlen werden. Gleiches gilt für die COX-2-Hemmer, für die eine Senkung der Adenomrezidivrate um 24 bis 45 % erreicht wurde [80] [81] [82], die jedoch mit einer signifikant erhöhten Rate kardiovaskulärer Nebenwirkungen einhergingen [633] [634], die den potenziellen Nutzen aufwiegen [635]. Auch die Senkung der Adenomrezidivrate um 12 % durch Kalzium erscheint zu gering, um die längerfristige Einnahme für diese Indikation rechtfertigen zu können [631].


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7. Präoperative Diagnostik und Chirurgie

7.1. Einleitung

Im Folgenden werden allgemeine Gesichtspunkte der Diagnose und Therapie, soweit sie Kolon- und Rektumkarzinome gemeinsam betreffen, für beide Entitäten zusammenfassend aufgezeigt; spezielle diagnostische und therapeutische Aspekte werden gesondert aufgeführt.

Die Therapie kolorektaler Karzinome sollte grundsätzlich auf der Basis einer histologischen Untersuchung geplant werden. Als Karzinome gelten Veränderungen, bei denen atypische epitheliale Formationen in der Submukosa infiltrieren (pT1 oder mehr). Nicht einbezogen sind sog. Mukosakarzinome oder sog. intraepitheliale Karzinome (pTis), bei denen keine Metastasierung erfolgt und die durch lokale Abtragungen im Gesunden ausreichend behandelt werden.


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7.2. Definition von Kolon- und Rektumkarzinomen

Die Grenze zwischen Kolon und Rektum wird unterschiedlich definiert. Die intraoperative Beurteilung anhand des Endes der Taeniae oder der peritonealen Umschlagsfalte ist individuell unterschiedlich und von Alter, Geschlecht und anderen Faktoren abhängig. Die präoperative Messung der Höhenangabe des Tumors mit dem flexiblen Endoskop ist unzuverlässig. Zuverlässiger sind die Höhenangaben mit dem starren Rektoskop. Die Anokutanlinie dient als distaler Messpunkt.

Nach dem internationalen Dokumentationssystem [636] [637] gelten als Rektum-karzinome Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist. Nach der UICC 2003 werden die Rektumkarzinome entsprechend ihrem Abstand von der Anokutanlinie in Karzinome des oberen Rektumdrittels (12 – 16 cm), des mittleren Rektumdrittels (6– < 12 cm) und des unteren Rektumdrittels (< 6 cm) unterteilt [638].

Demgegenüber gelten in den USA [639] [640] als Kolonkarzinome Tumoren, die mehr als 12 cm und als Rektumkarzinome Tumoren, die 12 cm und weniger von der Linea anocutanea entfernt sind. Begründet wird dies mit der deutlich höheren Lokalrezidivrate bei Tumoren unterhalb von 12 cm [641].


#

7.3. Definition Interdisziplinäre Tumorkonferenz

7.1.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Alle Patienten mit KRK sollen nach Abschluss der Primärtherapie (z. B. Operation, Chemotherapie) in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden.

Bereits prätherapeutisch sollen Patienten in folgenden Konstellationen vorgestellt werden:

  • jedes Rektumkarzinom

  • jedes Kolonkarzinom im Stadium IV

  • metachrone Fernmetastasen

  • Lokalrezidive

  • vor jeder lokal ablativen Maßnahme, z. B. RFA/LITT/SIRT

Konsens

Hintergrund

Um der Komplexität der Therapie des kolorektalen Karzinoms gerecht zu werden, ist eine Besprechung der Patienten in einer interdisziplinären Tumorkonferenz erforderlich. Mitglieder der Konferenz auf Facharztebene sollten u. a. sein: ein Gastroenterologe, ein Hämato-/Onkologe, ein Viszeralchirurg, ein Strahlentherapeut, ein Radiologe und ein Pathologe. Zur Beurteilung der primären oder sekundären Resektabilität von Lebermetastasen sollte ein erfahrener Leberchirurg hinzugezogen werden; ist dieser vor Ort nicht verfügbar, sollte eine externe konsiliarische Zweitmeinung eingeholt werden.

In bestimmten Fällen ist eine Vorstellung in der Tumorkonferenz vor Einleitung einer Therapie erforderlich. So ist z. B. bei Patienten mit Rektumkarzinom zu klären, ob eine neoadjuvante Therapie erfolgen sollte. Durch eine Vorstellung in der Tumorkonferenz und interdisziplinärer Festlegung des Therapiekonzepts konnte in einer Studie die Rate an befallenem circumferentiellen Rand im OP-Präparat deutlich gesenkt werden [642]. Liegen Fernmetastasen vor ist zu klären, ob ein rein palliatives Konzept einzuschlagen ist, oder ob durch eine primäre oder sekundäre Resektion von Metastasen (v. a. Lebermetastasen) eine Heilung möglich ist. Mit einer gehäuften Vorstellung von Patienten im Stadium UICC IV in der Tumorkonferenz nahm die Rate an Metastasenchirurgie zu [643].

Auch Patienten mit metachronen Fernmetastasen oder Lokalrezidiven im Verlauf sind zur Festlegung des weiteren Konzepts primär vorzustellen. Patienten, bei denen ein lokalablatives Verfahren geplant ist, sollen ebenfalls vorgestellt werden, um alternative Therapiemöglichkeiten zu besprechen.

Im Falle von Kolonkarzinomen ohne Fernmetastasen erfolgt in der Regel primär eine onkologische Resektion des Karzinoms. Hier ist eine präoperative Vorstellung nicht erforderlich.

In allen Fällen ist eine Vorstellung der Patienten nach Abschluss der Therapie erforderlich, z. B. nach Operation eines kolorektalen Karzinoms u. a., um dann die Indikation zur Durchführung einer adjuvanten Therapie zu besprechen. Hierdurch konnte in einer Studie aus Großbritannien die Rate an adjuvanter Chemotherapie und das Überleben der Patienten signifkant gesteigert werden [644].

Aber auch Patienten mit Fernmetastasen, bei denen primär eine Chemotherapie eingeleitet wurde, sollen im Verlauf erneut in der Tumorkonferenz (unter Hinzuziehung erfahrener Leber- bzw. Lungenchirurgen) vorgestellt werden, um eine mögliche sekundäre Resektabilität der Fernmetastasen zu klären [Abb. 3].

Zoom Image
Abb. 3 Staging beim kolorektalen Karzinom.

#

7.4. Präoperative Ausbreitungsdiagnostik

7.4.1. Endoskopische Diagnostik

7.2.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

Folgende Untersuchungen sollten obligater Bestandteil der präoperativen Ausbreitungsdiagnostik beim kolorektalen Karzinom sein:

Level of Evidence

Evidenzgrundlage

B

  • digital-rektale Untersuchung

5

[645] [646] [647]

A

  • komplette Koloskopie mit Biopsie

4

[645] [646] [647]

A

  • im Falle einer nicht passierbaren Stenose Koloskopie 3 – 6 Monate postoperativ

3b

[645] [646] [647]

Jeweils starker Konsens

Hintergrund

Die digital-rektale Untersuchung erlaubt eine orientierende Beurteilung der Sphinkterfunktion sowie der Tiefeninfiltration bei tiefsitzenden Rektumkarzinomen und lässt damit eine gewisse Abschätzung des Sphinktererhaltes zu.

Vor der Therapie eines Patienten mit einem kolorektalen Karzinom muss eine Koloskopie mit Biopsie vorliegen. Da in bis zu 5 % der kolorektalen Karzinome synchrone Tumoren zu erwarten sind, die der intraoperativen Beurteilung entgehen könnten, ist eine Koloskopie des gesamten Kolons vorzunehmen [645] [646] [647]. Ist aus technischen Gründen eine komplette Koloskopie nicht möglich, kann ein alternatives radiologisches Verfahren eingesetzt werden (siehe Kapitel 6.1).

Stellenwert der Virtuellen Koloskopie (bei stenosierenden Tumoren und inkompletter Koloskopie)

7.3.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

0

Bei inkompletter Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Tumors kann präoperativ zusätzlich eine CT- oder MR-Kolonografie erfolgen. Postoperativ soll eine komplette Koloskopie erfolgen.

Level of Evidence

4

Quellen: [410]

Starker Konsens

7.4.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

B

Bei inkompletter Koloskopie infolge anderer Ursachen (z. B. Adhäsionen) sollte eine CT- oder MR-Kolonografie erfolgen.

Level of Evidence

4

Quellen: [410]

Starker Konsens

Hintergrund

Die virtuelle Kolonografie stellt hierfür ein vielversprechendes Verfahren [410]. Ist eine komplette Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Prozesses nicht möglich, sollte eine Koloskopie ca. 3 – 6 Monate nach Resektion erfolgen. Ein präoperativer Kolonkontrasteinlauf ist von der Wertigkeit her eingeschränkt und bei Stenosen mit der Gefahr einer Ileusinduktion verbunden und wird daher nicht empfohlen.


#

7.4.2. Bildgebende Verfahren

7.4.2.1. Bedeutung einzelner bildgebender Verfahren (außer PET) zur Abklärung von Fernmetastasen bei der Primärbehandlung des kolorektalen Karzinoms

7.5.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Als Basisuntersuchungen des präoperativen Stagings des kolorektalen Karzinoms sollen die Ultraschalluntersuchung des Abdomens und die konventionelle Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen erfolgen.

Im Falle eines unklaren Befundes oder des Verdachtes auf Fernmetastasen oder Infiltration von Nachbarorganen oder umgebende Strukturen soll ein Mehrzeilen-CT des Abdomens und Beckens bzw. im Falle des Verdachtes auf Lungenmetastasen ein CT des Thorax durchgeführt werden.

Konsens

Hintergrund

Ziel einer prätherapeutischen Bildgebung vor Therapieeinleitung ist zum einen, das Vorliegen von Fernmetastasen zu klären. So liegen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eines Kolonkarzinoms bei 25 % der Patienten Fernmetastasen vor: in 13 % auf ein Organ beschränkt (M1a), in 12 % in mehr als einem Organ oder im Peritoneum (M1b). Lebermetastasen finden sich in 19 %, Lungenmetastasen in 3 %, Peritonealmetastasen in 9 %. Weitere Fernmetastasen in nichtregionären Lymphknoten (2 %), der Haut (2 %), des Ovars (1 %), der Knochen (< 1 %) oder anderer Lokalisationen (2 %) sind selten.

Für das Rektumkarzinom beträgt die Häufigkeit von Fernmetastasen bei Erstdiagnose 18 %: in 12 % auf ein Organ beschränkt (M1a), in 6 % in mehr als einem Organ oder im Peritoneum (M1b). Fernmetastasen in der Leber finden sich bei 15 %, Lungenmetastasen in 4 %. Weitere Fernmetastasen finden sich bei 3 % im Peritoneum, bei 2 % in nichtregionären Lymphknoten. Fernmetastasen in der Haut, Knochen, Gehirn, Ovar oder anderen Lokalisationen finden sich jeweils in weniger als 1 % (Daten aus Klinischem Krebsregister der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg).

Zur Klärung von Lebermetastasen soll primär die Abdomen-Sonografie eingesetzt werden (Sensitivität 63 – 86 %, Spezifität 98 % [648] [649] [650]. Bei verdächtigen Befunden oder unzureichender Beurteilbarkeit der Leber in der Sonografie oder klinischem Verdacht auf das Vorliegen von Lebermetastasen ist ein Mehrzeilen-CT des Abdomens durchzuführen (Sensitivität 75 – 83 %, Spezifität 95 – 98 % [648] [651]. Das Mehrzeilen-CT ist auch am besten geeignet für die Zuordnung der Metastasen zu den Lebervenen, den Hilusstrukturen sowie der Vena cava, die zur Beurteilung der Resektabilität von Lebermetastasen erforderlich ist (siehe Kapitel 7.7.5). Das Ausmaß der Lebermetastasierung wird am besten durch die Magnetresonanztomografie erfasst (Sensivitität und Spezifität: MRT 80 – 88 % und 93 – 97 %, CT 74 – 84 % und 95 – 96 %) [648] [651].

Die kontrastmittelverstärkte Sonografie der Leber ist CT und MRT annähernd gleichwertig (Sensitivität 83 – 86 %, Spezifität 94 – 98 %), setzt jedoch adäquate Qualitätsstandards (technische Ausrüstung und Erfahrung des Untersuchers) voraus [649] [650] [652].

Da das Mehrschicht-CT gleichzeitig eine Aussage zur lokalen Tumorausdehnung erlaubt (siehe unten), besteht die Tendenz, statt bzw. in Ergänzung zu einem Sono-Abdomen primär ein Abdomen–CT durchzuführen. In Studien ergab sich bei Patienten mit Kolonkarzinomen allerdings durch einen routinemäßigen Einsatz eines präoperativen Abdomen-CTs lediglich in wenigen Fällen eine Änderung des weiteren Vorgehens [653] [654].


#

7.4.2.2. Stellenwert des präoperativen lokalen Stagings durch CT, (MRT) beim Kolonkarzinom bzgl. lokaler Ausbreitung

7.6.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Mit einem präoperativen Staging-CT kann unterschieden werden zwischen Tumoren, die auf die Darmwand beschränkt sind und denen, die sie überschreiten. Die Identifikation des Nodalstatus gelingt jedoch signifikant schlechter. Die besten Ergebnisse bietet das Mehrzeilen-CT (MSCT).

Konsens

Hintergrund

Eine neoadjuvante Therapie beim nicht ausgedehnt metastasierten Kolonkarzinom wird derzeit nur in Ausnahmefällen (z. B. distales Sigmakarzinom mit sehr ausgedehnter regionärer lymphogener Metastasierung oder Tiefeninfiltration bis an die absehbaren Resektionsränder heranreichend) in Erwägung gezogen. Allerdings wird zunehmend diskutiert, durch eine entsprechende präoperative Bildgebung den Therapiealgorithmus von Patienten zu optimieren, z.B Selektion für eine laparoskopische Resektion oder Zuweisung von Patienten mit absehbarer multiviszeraler Resektion an erfahrene Zentren.

Die Aussagekraft der präoperativen Ultraschalluntersuchung des Abdomens ist diesbezüglich unzureichend. Erhebungen zur Genauigkeit des Kernspintomogrammes zum lokalen Staging des Kolonkarzinomes liegen nicht vor. Das moderne Mehrschicht-CT (MSCT) erreicht eine hohe Sensitivität (86 %) und Spezifität (78 %) bzgl. der lokalen Tumorausdehnung, aber eine deutlich geringere Sensitivität (70 %) bei gleicher Spezifität (78 %) bzgl. der Detektion lokaler Lymphknotenmetastasen [655].


#

7.4.2.3. Stellenwert der PET-CT

7.4.2.3.1. bei der Primärdiagnostik des kolorektalen Karzinoms

7.7.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2b

Die PET/PET-CT hat keinen Stellenwert in der Ausbreitungsdiagnostik bei Erstdiagnose eines kolorektalen Karzinoms.

De Novo: [656] [657] [658] [659] [660] [661] [662] [663] [664] [665] [666] [667] [668] [669] [670] [671]

Starker Konsens

Hintergrund

In der Literatursuche wurden 15 prospektive und 5 retrospektive Kohortenstudien und Fallserien identifiziert. In 13 Studien waren Patienten mit Kolon- und Rektumkarzinomen eingeschlossen, in 7 Studien nur Rektumkarzinompatienten. In 14 Studien wurden alle Patienten eingeschlossen, in 2 retrospektiven Studien nur Pat. mit lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen, in einer Studie nur Patienten mit CEA-Erhöhung oder unklarer CT-Bildgebung. In den eingeschlossenen Studien wurde in 10 Fällen eine PET, in 6 Fällen eine PET-CT, in 4 Fällen eine PET-CT mit CT-Kolonografie durchgeführt. Verglichen wurde die PET mit CT +/- anderen Modalitäten in 14 Studien, mit einem MRT in 3 Studien; in 4 Studien wurde kein Vergleich vorgenommen. Referenz war in 18 Fällen die Histologie und der klinische Verlauf, in zwei Fällen das klinische Staging anhand der vorgenommenen Untersuchungen.

Die Sensitivität der PET für Fernmetastasen war hoch (75 – 100 %) und in einigen Fällen den Vergleichsmethoden überlegen [656] [661], in anderen Fällen nicht überlegen [657] [658] [659] [664]. Unklar ist die Qualität der Vergleichsmethoden. In neueren Studien mit Multidetector-Spiral-CT erscheint kein wesentlicher Unterschied nachweisbar [657] [658].

Die Sensitivität für Lymphknotenmetastasen war vorwiegend niedrig (29 – 85 %), bei 2 retrospektiven Rektumkarzinomstudien 44 und 85 % und nicht besser als Vergleichsstudien (CT bzw. MRT) [656] [657] [658] [659] [660] [661] [662] [663] [664].

In den Studien führte der Einsatz der PET bzw. PET-CT in 2 – 27 % zu einer Änderung des therapeutischen Vorgehens [657] [658] [661] [664] [665] [666] [667] [668] [669] [670] [671].

Insgesamt zeigen die Daten keinen eindeutigen zusätzlichen Nutzen für die PET in der primären Diagnostik des kolorektalen Karzinoms.


#

7.4.2.3.2. vor Resektion kolorektaler Lebermetastasen

7.8.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

0

Eine PET-CT kann bei Patienten mit resektablen Lebermetastasen eines kolorektalen Karzinoms mit dem Ziel der Vermeidung einer unnötigen Laparotomie durchgeführt werden.

Level of Evidence

2b

De Novo: [672] [673]

Konsens

7.9.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Eine PET-CT soll nicht innerhalb von 4 Wochen nach Gabe einer systemischen Chemotherapie oder Antikörpertherapie durchgeführt werden, da die Sensitivität deutlich reduziert ist.

Level of Evidence

2b

De Novo: [674] [675] [676]

Starker Konsens

Hintergrund

Zur Frage des Nutzens einer PET/PET-CT bei der Rezidivdiagnostik und dem Rezidivstaging bei Patienten mit kolorektalem Karzinom war im August 2011 vom IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) ein Vorbericht vorgelegt worden [677]. Neben der Bewertung des Patienten-relevanten Nutzens sollte eine systematische Bewertung der prognostischen und diagnostischen Güte der PET/PET-CT durchgeführt werden. Die Literaturrecherche umfasste den Zeitraum bis August 2009. Aktuellere Publikationen wurden im Text erwähnt. Den hier getroffenen Leitlinienempfehlungen liegen die Evidenzbewertungen des IQWIG-Berichts zugrunde. Der Empfehlungsgrad wurde unter zusätzlicher Einbeziehung der klinischen Bewertung des Verfahrens erarbeitet. Ferner wurden in einer neueren Literaturrecherche von August 2009 – Dezember 2011 ein RCT in Abstraktform [673], zwei systematische Reviews [651] [678], eine prospektive Fallkontrollstudie [674] und eine retrospektive Fallserie [676] identifiziert, die in die Bewertung ebenfalls mit eingegangen sind (Einzelheiten siehe Evidenzbericht). Die bisherige Empfehlung mit einem Grad B für die PET/PET-CT-Untersuchung vor einer Resektion von kolorektalen Lebermetastasen bei einem FONG-Score > 2 der letzten Leitlinienaktualisierung 2008 wurde geändert, da die Studie, die zu dieser Empfehlung führte, bis heute nicht als Vollmanuskript publiziert ist [679].

Zur Frage des Patienten-relevanten Nutzens der PET/PET-CT ist bislang eine RCT als Vollpublikation und 1 RCT in Abstraktform publiziert. Bei Patienten vor Resektion von Lebermetastasen eines KRK hat eine ergänzende PET/PET-CT keinen Einfluss auf das krankheitsfreie oder Gesamtüberleben des Patienten. Ob die ergänzende PET-CT Untersuchung überflüssige Laparotomien als klinisch relevanten Endpunkt vermeiden kann, ist nicht vollständig geklärt. Die hier konsentierte Empfehlung stützt sich vor allem auf die voll publizierte Studie von Ruers [672], die jedoch methodische Schwächen aufweist. In dieser Studie wurden 150 Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen, die zur Resektion vorgesehen waren, in zwei Arme randomisiert, CT oder CT plus 18F-FDG PET. Das primäre Studienziel wurde in der Publikation angegeben als die Rate an überflüssigen Laparotomien, die durch die PET-Untersuchung eingespart werden kann. Dieser Endpunkt ist für den Patienten relevant. Die Studie fand keinen signifikanten Unterschied im Überleben im PET-Arm, jedoch eine signifikante Verringerung der Zahl „überflüssiger Laparotomien“ im PET-Arm. So war im Kontrollarm die Rate an überflüssigen Laparotomien 45 %, im PET-Arm 28 %. Dies entsprach einer Risikoreduktion von 38 % mit sehr großem Konfidenzintervall (95 % CI, 4 – 60 %, p = 0,042). Die Autoren schlussfolgern, dass man mit einer zusätzlichen PET vor Lebermetastasenresektion einem von sechs Patienten die Laparotomie ersparen könnte. Die sekundären Endpunkte DFS und OS waren wie folgt: DFS: 35,5 vs. 29,8 % (p = 0,194); OS: 61,3 vs. 65,8 % (p = 0,378). Die Studie wurde von der Konsensuskonferenz im Evidenzlevel herabgestuft (siehe auch IQWIG-Bericht, Herabstufung von Ib auf II), da der bei der Studienplanung genannte primäre Studienendpunkt von dem in der Publikation angegebenen abwich (ursprünglicher Endpunkt: Rate der Patienten, die nach 9 Monaten krankheitsfrei sind).

Eine weitere, bislang auf dem ASCO-Jahresmeeting 2011 in Abstraktform vorgestellte multizentrische randomisierte Studie untersuchte ebenfalls diese Fragestellung [673]. Endpunkt dieser Studie war die Änderung im Patientenmanagement nach PET-Diagnostik (nicht durchgeführte OP wegen zusätzlicher Befunde oder Ausweitung der OP im Vergleich zur Intention ohne/vor der PET-Diagnostik) in einem 2:1 randomisierten Design bei Patienten mit KRK, die für eine Leberresektion bei Lebermetastasen geeignet erschienen. Es wurden 404 Patienten randomisiert (270 Patienten im PET/CT-Arm, 134 Patienten ohne PET). Man fand keinen Unterschied hinsichtlich der Managementänderung zwischen beiden Armen. Der Endpunkt wurde somit nicht erreicht. Allerdings hatten – soweit dies aus der Präsentation zu erheben war – ca. 70 % der Patienten vor der PET-Diagnostik eine Chemotherapie erhalten, was die Sensitivität der Untersuchungstechnik deutlich reduziert (s. u.). Kritisch anzumerken gilt ferner, dass der Endpunkt „Änderung im Patientenmanagement“ im Gegensatz zu „Verringerung überflüssiger Operationen“ nicht als Patienten-relevant gilt.

Eine Reihe von Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich die Sensitivität einer PET deutlich reduziert, falls es innerhalb von 4 Wochen nach einer Chemotherapie durchgeführt wird (Evidenzlevel IIa-III). Daher wird eine PET in diesem Zeitraum nicht empfohlen, da zu viele falsch negative Fälle auftreten. Diese Fragestellung hat der IQWIG-Bericht nicht bewertet. Eine größere Fallkontrollstudie, die die Sensitivität einer PET nach Chemotherapie nicht-randomisiert prüfte, wurde 2010 publiziert [674]. Die Studie fand einen negativ prädiktiven Wert von nur 13,3 % und einen positiven prädiktiven Wert von 94 % mit einer Spezifität von 22,2 % bei einer Accuracy von 85 %, falls die PET innerhalb von vier Wochen nach Chemotherapieende durchgeführt wurde. Die Autoren schlussfolgern, dass eine diagnostische PET-Untersuchung kurz nach einer Chemotherapiegabe nicht sinnvoll sei. In einer retrospektiven Untersuchung aus Australien wurden PET-Ergebnisse von Patienten mit Lebermetastasen vor Leberresektion ausgewertet [680]. Auch diese Studie war klein und heterogen. 21 Patienten wurden präoperativ systemisch therapiert, 53 nicht. Korrekte Ergebnisse mittels PET wurden für 29 % nach Chemotherapie und 53 % in der Nicht-Chemotherapie-Gruppe erzielt. Unterschätzte Befunde ergaben sich zu 52 % in der Chemotherapie-Gruppe, nur zu 34 % in der Nicht-Chemotherapie-Gruppe. Diese Studie gibt ebenfalls Hinweise darauf, dass eine PET-Untersuchung kurz nach einer Chemotherapie nicht sinnvoll ist. Eine weitere prospektive [675] und eine retrospektive Untersuchung [676] kamen zu ähnlichen Ergebnissen.


#
#
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7.4.3. Tumormarker

7.10.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Der CEA-Wert sollte präoperativ bestimmt werden.

Starker Konsens

7.11.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

CA 19 – 9 erhöht die Aussagefähigkeit bezüglich des Vorliegens eines Rezidivs im Vergleich zu einer alleinigen CEA-Wert-Bestimmung nicht.

Starker Konsens

7.12.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Die Bedeutung von CA 125 zur Diagnose von Ovarialmetastasen und als Verlaufsparameter zur weiteren Behandlung einer nachgewiesenen Peritonealkarzinose ist derzeit unklar.

Starker Konsens

Hintergrund

Bei etwa 30 % aller kolorektalen Karzinome ist der Tumormarker CEA zum Zeitpunkt der Erstdiagnose erhöht (Daten aus Klinischem Krebsregister der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg).

Insbesondere in der Tumornachsorge ist dieser Tumormarker ein zuverlässiger Hinweis auf ein Rezidiv. Zudem ist es im Falle von Lebermetastasen ein unabhängiger Prognosefaktor.

Als weitere Tumormarker werden CA 19 – 9 und CA 125 diskutiert, wobei letzterer ein Marker der Peritonealkarzinose ist [681] [682] [683].

Der Nachweis von zirkulierender DNA und sogenannter zirkulierender Tumorzellen im peripheren Blut wie im Knochenmark hat keinerlei Konsequenz.


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7.4.4. Spezielle Diagnostik beim Rektumkarzinom

7.13.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Beim Rektumkarzinom sollte die starre Rektoskopie mit Höhenangabe des Tumorunterrandes obligater Bestandteil der präoperativen Diagnostik sein.

Starker Konsens

Hintergrund

Die starre Rektoskopie ermöglicht eine genaue Bestimmung des Abstandes des distalen Tumorrandes von der Linea dentata und ist somit für die weitere Therapieentscheidung von wesentlicher Bedeutung.

7.14.

Evidenzbasierte Empfehlung/Statement

2013

Empfehlungsgrad

B

Zum lokalen Staging eines Rektumkarzinoms sollte vorzugsweise eine MRT, im Falle eines mutmaßlichen T1-Karzinoms eine Endosonografie durchgeführt werden.

Level of Evidence

2b

De Novo: [684] [685] [686] [687] [688] [689] [690] [691] [692]

Starker Konsens

7.15.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

3

Für T1-Karzinome ist die CT nicht geeignet.

De Novo: [684] [685] [686] [687] [688] [689] [690] [691] [692]

Starker Konsens

7.16.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2b

Die Wertigkeit aller bildgebenden Verfahren zur Beurteilung des Lymphknotenstatus ist mit erheblicher diagnostischer Unsicherheit behaftet.

De Novo: [686] [687]

Starker Konsens

7.17.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Die Befundbeschreibung soll eine Aussage über den Abstand zur mesorektalen Faszie beinhalten.

Starker Konsens

Hintergrund

Beim Rektumkarzinom kommt dem lokalen Staging eine entscheidende Bedeutung bei der weiteren Therapieplanung zu. Während bei einem low-risk T1-Karzinom eine lokale Abtragung ausreichend ist, ist bei high-risk T1 sowie T2-Karzinomen eine Resektion nach onkologischen Kriterien erforderlich. Bei Nachweis einer Tumorinfiltration in das Mesorektum (T3) wird in Deutschland eine neoadjuvante Therapie, bei Nachweis einer Infiltration in Nachbarorgane (T4) in Form einer neoadjvuanten Radiochemotherapie empfohlen. Bei T3-Karzinomen liegen Daten vor, die zeigen, dass dem Ausmaß der Beteiligung des Mesorektums, insbesondere der Abstand von der mesorektalen Fasziem eine wichtige prognostische Bedeutung zukommt [684]. Diese Ebene stellt bei der TME die zirkumferentielle Resektionsgrenze (CRM) dar. Ist die mesorektale Faszie infiltriert, bzw. reicht der Tumor bis 1 mm an die Faszie heran (CRM+), ist das Lokalrezidivrisiko deutlich erhöht [685]. Ein weiterer Prognosefaktor sind befallene Lymphknoten [684].

Bei der Literatursuche zur Wertigkeit verschiedener Verfahren im lokalen Staging von Rektumkarzinomen musste eine Reihe von Studien ausgeschlossen werden, da das Studienkollektiv auch Patienten nach erfolgter Radio- bzw. Radiochemotherapie enthielt. Für weitere Einzelheiten sei auf den Evidenzbericht verwiesen.

Die Genauigkeit der einzelnen diagnostischen Verfahren hängt von den technischen Voraussetzungen der Geräte (z. B. Multidetector Spiral-CT vs. 1-Schicht-CT) und der lokalen Expertise ab. Bei höhergradigen Stenosen oder Tumoren im proximalen Rektum ist eine Endosonografie häufig technisch nicht durchführbar.

In einer Metaanalyse, in der die Daten zur Endosonografie, zum MRT und zum CT bis 2002 analysiert wurden, wies die Endosonografie die höchste Genauigkeit bei T1-Karzinomen auf [686]. Die hohe Sensitivität und Spezifität der Endosonografie konnte in einer neueren Metaanalyse bestätigt werden [687]. Das MRT mit endorektaler Spule stellt eine mögliche Alternative zum EUS dar, ist aber mit höheren Kosten verbunden und wird von den Patienten als unangenehm empfunden und ist an sehr wenigen Standorten etabliert. Das CT ist für die Festlegung von T1-Karzinomen nicht geeignet.

Bei der Differenzierung von T2 und T3-Karzinomen wies die Endosonografie wiederum eine höhere Sensitivität im Vergleich zu MRT und CT auf bei vergleichbarer Spezifität [686]. Bei T4-Karzinomen gab es in der Metaanalyse keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Untersuchungsmodalitäten. In einzelnen neueren Kohorten wurden für das MRT und vereinzelt das Spiral-CT für Tumoren mit Infiltration des Mesorektums (>T2) höhere Sensitivitäten gezeigt [688] [689] [690] [691] [692], wobei im unteren Drittel die Genauigkeit für das CT deutlich geringer war als in den oberen zwei Dritteln [693]. Für Fragestellungen, die eine Darstellung der mesorektalen Faszie und die Beziehung des Tumors zu ihr erfordern, weist das MRT aktuell die höchste Sensitivität auf [694]. Das Spiral-CT stellt eine mögliche Alternative dar [688], in der Endosonografie lässt sich die Faszie nicht darstellen.

Bei der Beurteilung der Lymphknoten sind Sensitivität (55 – 73 %) und Spezifität (74 – 78 %) aller Verfahren derzeit unbefriedigend [686] [687]. Dies ist u. a. dadurch bedingt, dass einerseits eine reaktive Lymphknotenvergrößerung auftritt, andererseits auch Lymphknoten von 5 mm und kleiner Metastasen enthalten können. Aus diesem Grund sollte die Indikation zu einer neoadjuvanten Therapie sehr zurückhaltend gestellt werden, wenn sie allein auf der Beschreibung suspekter Lymphknoten in der prätherapeutischen Bildgebung basiert.

Ferner ist zu bedenken, dass die Genauigkeit der einzelnen Verfahren wesentlich von der lokalen Expertise abhängt, was insbesondere auch für die Kernspintomografie gilt.

Unter Berücksichtigung insbesondere der Möglichkeit der Darstellung der mesorektalen Faszie wird von vielen Experten aktuell das MRT – mit Ausnahme von frühen Karzinomen – für das lokale Staging des Rektumkarzinoms bevorzugt.

Mit Ausnahme der Kurzzeitbestrahlung wird durch eine neoadjuvante Therapie die Genauigkeit der einzelnen diagnostischen Verfahren eingeschränkt (siehe Evidenzbericht).

7.18.

Empfehlung/EK

2008

Empfehlungsgrad

Folgende Untersuchungen können im Einzelfall nützlich sein:

Level of Evidence

0

  • Sphinktermanometrie

4

EK

  • Gynäkologische Untersuchung

EK

  • Zystoskopie

Jeweils starker Konsens

Hintergrund

Die Sphinktermanometrie hat im Allgemeinen keinen Einfluss auf den Therapieentscheid bezüglich des Sphinktererhaltes über das Ergebnis der rektal-digitalen Untersuchung und der differenzierten Anamnese hinaus. In unklaren Fällen kann sie eine Entscheidung bezüglich des Sphinktererhaltes erleichtern.

Bei Verdacht auf eine Infiltration der Blase kann eine Zystoskopie hilfreich sein, bei Verdacht auf Infiltration von Vagina, Uterus oder Adenexe sollte eine gynäkologische Untersuchung erfolgen. Entgegen der früheren Leitlinie wird ein Urinsediment bei Rektum- oder Sigmakarzinomen nicht mehr empfohlen, da die Untersuchung zu unspezifisch ist.


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7.5. Chirurgische Therapie mit kurativem Ziel

7.5.1. Intraoperatives Staging

7.19.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Eine intraoperative Inspektion und, bei offener Operation, die Palpation der Leber sollte in jedem Fall, d. h. auch bei unauffälligem präoperativem Staging, erfolgen.

Bei suffizienter präoperativer Diagnostik rechtfertigt der diagnostische Zugewinn nicht den Aufwand einer intraoperativen Sonografie zur Suche nach weiteren Metastasen.

Konsens

Hintergrund

Aufgrund der zwischenzeitlichen Qualität von Kernspintomografie und Computertomografie werden bei einer Laparotomie in der Regel nur zusätzliche subseröse Lebermetastasen (< 2 mm) durch die intraoperative Inspektion und Palpation entdeckt.

Allerdings liegt die Sensitivität und der positiv prädiktive Wert der intraoperativen Ultraschalluntersuchung mit Kontrastmittel sehr hoch (in einer einzigen Serie mit 24 Patienten bei je 100 %) [695].

7.5.1.1. Intraoperative pathologische Diagnostik

Allgemein ist die Indikation zur Schnellschnittuntersuchung nur bei sich unmittelbar ergebenden Konsequenzen zu stellen. Häufigste Indikation ist die Verifikation von Strukturen mit Verdacht auf Fernmetastasen, z. B. am Peritoneum, in der Leber oder in nicht regionären (z. B. paraaortalen) Lymphknoten.

Bei chirurgischen lokalen Exzisionen (Vollwandexzisionen) stellt sich die sehr wichtige Frage, ob ein zuvor bioptisch gesichertes Karzinom seitlich oder basal im Gesunden entfernt wurde.

Allerdings kann diese nicht mit hinreichender Sicherheit intraoperativ durch Schnellschnittuntersuchung geklärt werden.

Bei einem tiefsitzenden Rektumkarzinom kann nach zunächst vorgenommener tiefer anteriorer Resektion gelegentlich die Schnellschnittuntersuchung des aboralen Resektionsrandes für die Indikation zu einer Erweiterung zur Rektumexstirpation von Bedeutung sein.

Bei möglicher Segment- und tubulärer Resektion wegen großer, polypöser, insbesondere villöser Tumoren des Kolons, bei denen prätherapeutisch eine Karzinomdiagnose nicht gesichert werden konnte, ist eine Dignitätsbeurteilung im Schnellschnitt aus untersuchungstechnischen Gründen (Untersuchung multipler Gewebsblöcke!) häufig nicht möglich. Daher empfiehlt sich in diesen Situationen in der Regel die radikale Tumoroperation.

Bei Adhärenz eines Tumors an Nachbarorganen ist makroskopisch nicht sicher zu klären, ob es sich um eine Infiltration des Karzinoms in das Nachbarorgan oder nur um eine peritumoröse Entzündungsreaktion handelt. In solchen Fällen sollten Biopsien und Schnellschnittuntersuchungen strikt vermieden werden, da hierbei stets die Gefahr einer örtlichen Tumorzelldissemination besteht, was mit einer signifikanten Verringerung der Überlebenschancen einhergeht [696]. Dies begründet die En-bloc-Resektion in allen Fällen von Tumoradhärenzen zu benachbarten Organen oder sonstigen Strukturen (siehe Abschnitt 7.7.2, multiviszerale Resektion).

7.20.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Sofern durch die Bildgebung keine eindeutige diagnostische Zuordnung von unklaren Leberläsionen getroffen werden kann, sollte eine histologische Sicherung erfolgen.

Konsens

Hintergrund

Bei unklaren Läsionen der Leber (siehe unten) sollte, sofern sich hieraus unmittelbarer Handlungsbedarf ergibt, eine histologische Sicherung möglichst durch eine Nadelbiopsie durch gesundes Leberparenchym hindurch erfolgen. Inzisionsbiopsien sind strikt zu vermeiden. Bei kleineren Läsionen kann auch eine vollständige Exzision im Sinne einer Exzisionsbiopsie erfolgen.

7.21.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Die Sentinel-Node-Biopsie (Wächterlymphknoten-Exzision) hat keinen Stellenwert beim kolorektalen Karzinom.

Konsens

Hintergrund

Bei malignen Melanomen und Mammakarzinomen wird die Sentinel-Node-Biopsie durchgeführt, um bei Patienten mit histologisch negativen Pförtnerlymphknoten eine weitergehende Dissektion mit Erhöhung der Morbititätsrate zu vermeiden.

Mit Einführung der laparoskopischen Operationstechniken wurde diskutiert, ob auch bei kolorektalen Karzinomen eingeschränkte Resektionsverfahren durchgeführt werden können, wenn Sentinel-Node-Biopsien negative Pförtnerlymphknoten erbringen.

Außerdem wurde die Frage gestellt, ob sich bei Ultrastaging (immunhistochemische Aufarbeitung) des Pförtnerlymphknotens Änderungen im Tumorstadium ergeben könnten, mit entsprechender Notwendigkeit für eine adjuvante Therapie [697] [698],


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7.5.2. Radikalchirurgische Therapie des Kolonkarzinoms

7.5.2.1. Ausmaß der Lymphknotendissektion:

Im Falle einer lymphogenen Metastasierung des Kolonkarzinoms erfolgt diese nach regelhaftem Metastasierungsmuster, nämlich zunächst longitudinal, zu beiden Seiten des Tumors in die parakolischen Lymphknoten, im weiteren zu den intermediären Lymphknoten entlang der radiären Arterien bis hin zu den zentralen Lymphknoten am Stamm der versorgenden Arterien. Hierbei erfolgt die parakolische Metastasierung nie über eine längere Distanz von mehr als 10 cm [699] [700] [701].

Aus der Durchtrennung der zentralen Arterien ergibt sich das Ausmaß der Darmresektion, wobei im Falle rechtsseitiger Karzinome Lymphknotenmetastasen am terminalen Ileum nur sehr selten und dann nur bei sehr weit fortgeschrittenen Karzinomen vorkommen [702]. Deshalb ist eine Resektion des terminalen Ileums von max. 10 cm bei der Hemikolektomie rechts ausreichend.

Onkologische Grundsätze

Bei der Kolonkarzinomchirurgie korreliert die Lymphknotenausbeute auch im Falle nodal negativer Karzinome (UICC II) mit der Prognose [703] [704].

Vorgehen bei Karzinomen des Coecums und des Colon ascendens

Karzinome in diesem Bereich metastasieren nach zentral über die Arteria ileocolica und die Arteria colica dextra. Entsprechend müssen beide Gefäße zentral durchtrennt werden. Allerdings liegt eine echte Arteria colica dextra mit Abgang aus der Arteria mesenterica superior nur in weniger als 15 % aller Fälle vor [705]. Demnach werden bei nicht angelegtem Gefäß nach rechts ziehende Äste aus dem Hauptstamm der Arteria colica media zentral durchtrennt. Anteile des Omentum majus müssen nur bei direktem Tumorkontakt mitreseziert werden.

Vorgehen bei Karzinomen der rechten Flexur und des rechten Colon transversum

Bei der erweiterten Hemikolektomie rechts werden die Arteria ileocolica, die Arteria colica dextra (soweit vorhanden) und die Arteria colica media zentral ligiert. Entsprechend ergibt sich eine distale Resektionsgrenze im Bereich des linken Colon transversum. Da in dieser Tumorlokalisation auch eine lymphogene Metastasierung über das große Netz Richtung Magenantrum und weiter zum Pankreaskopf hin [700] stattfindet, werden neben der Skelettierung der großen Magenkurvatur und Resektion der Gastroepiploica-dextra-Arkade und damit der rechtsseitigen Omentumanteile auch die Lymphknoten über dem Pankreaskopf disseziert.

Vorgehen bei Karzinomen des mittleren Colon transversum

Diese Tumore metastasieren einerseits über die Arteria colica media nach zentral Richtung A. mesenterica superior, andererseits über die Arteria colica sinistra Richtung Arteria mesenterica inferior. Eine Transversumresektion schließt beide Kolonflexuren mit ein, bei Metastasierung über das Omentum majus Richtung große Magenkurvatur muss korrespondierend zur Tumorlokalisation auch eine Omentumresektion unter Beachtung des Arkadenprinzips (Einbeziehung der Omentumarterie innerhalb einer Arkade zu beiden Seiten des Karzinoms von 10 cm) sowie eine Skelettierung der großen Magenkurvatur mit Entfernung dieser Lymphknoten durchgeführt werden.

Vorgehen bei Karzinomen des distalen Colon transversum und der linken Colonflexur

Die Metastasierung verläuft hier nach rechts über die Arteria colica media, nach links über die Arteria colica sinistra. Somit wird die Arteria colica media zentral, die Arteria colica sinistra am Abgang aus der Arteria mesenterica inferior abgesetzt. Ein Vorteil einer höheren Radikalität durch zentrale Absetzung der Arteria mesenterica inferior ist nicht belegt. Eine Kontinuitätswiederherstellung kann als Ascendo-Sigmoideostomie erfolgen. Wegen der Metastasierung über das große Netz Richtung große Magenkurvatur müssen entsprechend die linksseitigen Omentumanteile unter Dissektion der Arkade an der großen Magenkurvatur mit entfernt werden. Bei fortgeschrittenen Tumoren in diesem Bereich können auch Lymphknoten am linken Pankreasunterrand befallen sein, sodass auch diese vom Isthmus bis zum Pankreasschwanz disseziert werden.

Vorgehen bei Karzinomen des Colon descendens

Bei einer Metastasierung über die Arteria colica sinistra und den Arteriae sigmoideae nach zentral ist hier eine Hemikolektomie links mit zentraler Durchtrennung der Arteria mesenterica inferior erforderlich. Die distale Resektionsgrenze liegt dabei im oberen Rektumdrittel, die proximale im Flexurbereich links. Entsprechend müssen eventuell adhärente Omentumanteile mit reseziert werden.

Vorgehen bei Karzinomen des Sigmas

Diese Tumoren metastasieren über die Arteriae sigmoideae zum Stamm der Arteria mesenterica inferior. Die proximale Colondurchtrennung liegt dabei im Colon descendens mit zentraler Durchtrennung der Arteria mesenterica inferior; bei der distalen Darmdurchtrennung greifen auch die Richtlinien für das Rektumkarzinom im oberen Rektumdrittel, wobei hier mindestens ein Sicherheitsabstand nach distal von 5 cm zum Tumorunterrand eingehalten werden muss mit Durchtrennung des Mesorektums ohne „Coning“ (Ausdünnung proximalwärts).

Hintergrund: Bei 2 – 4 % der Patienten liegen Lymphknotenmetastasen abgangsnah am Stamm der Arteria mesenterica inferior vor [706] [707].


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7.5.2.2. Komplette Mesokolische Exzision (CME)

7.22.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Die chirurgische Therapie des Kolonkarzinoms sollte die komplette mesokolische Exzision beinhalten.

Konsens

Hintergrund

Analog zum Mesorektum existiert in gleicher Weise ein Mesokolon, welches als beidseitige Hülle die Lymphknoten an den versorgenden Arterien umfasst.

Analog zur TME beim Rektumkarzinom wird die CME bei der Operation von Kolonkarzinomen angewandt, um bei der Präparation in vorgegebenen anatomischen Schichten mit zentraler Absetzung der versorgenden Gefäße eine maximale lokale Radikalität mit maximaler Lymphknotenausbeute zu erzielen, und zudem auf die Erhaltung der beiden mesokolischen Schichten („Faszien“) geachtet.

Die komplette mesokolische Exzision beim Kolonkarzinom ist geeignet, eine maximale lokale Radikalität mit hoher Lymphknotenausbeute zu erreichen.

Sie führt zu qualitativ höherwertigen Präparaten [708] [709]. Höhere Komplikationsraten scheinen mit Erhöhung der Radikalität nicht verbunden zu sein [710]. Die bisherigen Daten deuten auf eine Verbesserung der Überlebensraten bei konsequenter Durchführung der CME hin [708].

Die morphometrische Untersuchung des Kolonpräparates kann zukünftig zur objektiven Bewertung von Kolonkarzinompräparaten herangezogen werden.


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7.5.2.3. Lokalablative Verfahren bei Lebermetastasen

7.5.2.3.1. Radiofrequenzablation (RFA)

7.23.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

0

Eine RFA kann durchgeführt werden, wenn nicht resektable Lebermetastasen vorliegen oder der Allgemeinzustand des Patienten eine Resektion nicht zulässt, insbesondere nach vorangegangener Leberresektion.

Level of Evidence

3a

De Novo: [711] [712] [713]

Starker Konsens

Hintergrund

Die derzeitige Evidenzlage zur Sicherheit und Effektivität der Radiofrequenzablation bei kolorektalen Lebermetastasen ist angemessen, um die Verwendung dieser Methode bei Patienten zu befürworten, bei denen entweder nicht resektable Lebermetastasen vorliegen, deren Zustand eine Resektion nicht zulässt, oder bei denen zuvor eine Leberresektion durchgeführt worden ist [711].

Die RFA kann auch primär in Kombination mit der chirurgischen Resektion durchgeführt werden.

Neuere Arbeiten legen die Vermutung nahe, dass bei solitären Lebermetastasen < 3 cm mittels RFA ähnlich gute Ergebnisse wie durch die Resektion erzielt werden können [712] [713]. Die bisherige Datenlage hierzu ist aber widersprüchlich und es fehlen weiterhin vergleichende kontrollierte-randomisierte Studien.


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7.5.2.3.2. Selective Internal Radiation Therapy (SIRT)

7.24.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Eine SIRT zur Behandlung von disseminierten Lebermetastasen bei KRK sollte nur bei Patienten, für die keine andere Therapieoption infrage kommt, und dann nur innerhalb klinischer Studien durchgeführt werden.

Level of Evidence

2a

De Novo: [714] [715]

Konsens

Hintergrund

Patienten mit fehlender oder allenfalls begrenzter extrahepatischer Metastasierung, die zudem systemtherapeutisch austherapiert sind, zeigen in einzelnen Studien mit SIRT (gleichbedeutend mit dem Begriff Radioembolisation) ein verlängertes medianes Überleben sowie ein längeres Intervall bis zum Progress von Lebermetastasen. Für eine endgültige Bewertung, insbesondere auf Überleben und Lebensqualität, liegen zu wenige Daten vor. Deshalb sollten Patienten, die für eine SIRT infrage kämen, nur innerhalb klinischer Studien behandelt werden [714] [715].


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7.5.2.3.3. Laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT)

7.25.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Eine LITT zur Behandlung von Lebermetastasen bei KRK sollte nur innerhalb klinischer Studien durchgeführt werden.

Level of Evidence

4

De Novo: [716] [717]

Starker Konsens

Hintergrund

In einzelnen Fallserien war die interstitielle Laserthermoablation eine sichere und wirksame Behandlung für Patienten mit inoperablen Lebermetastasen kolorektaler Karzinome [716] [717]. Daten zum Effizienzvergleich mit der perkutanen Radiofrequenzablation liegen nicht vor. Für eine endgültige Bewertung, insbesondere auf Überleben und Lebensqualität liegen zu wenige Daten vor. Deshalb sollten Patienten, die für eine LITT infrage kämen, nur innerhalb klinischer Studien behandelt werden.


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7.5.3. Radikalchirurgische Therapie des Rektumkarzinoms

Die kurative Therapie des Rektumkarzinoms erfordert in der Regel neben der Resektion des Primärtumors im Gesunden die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums und damit des regionären Lymphabflussgebiets (sog. radikale Resektion nach internationalem Dokumentationssystem für das kolorektale Karzinom [636] [637]. Nur in streng selektionierten Fällen ist eine kurative Resektion durch lokale Maßnahmen möglich. Folgende Operationsverfahren sind bei Einhaltung der Kriterien der onkologischen Chirurgie als gleichwertig anzusehen, wobei die Indikationsstellung von der Tumorlokalisation, insbesondere der Beziehung zur Linea dentata und dem Levatorschenkel, der Tiefeninfiltration und der Sphinkterfunktion abhängig ist:

  • die (tiefe) anteriore Rektumresektion,

  • die abdomino-perineale Rektumexstirpation,

  • die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdominoperanale Rektumresektion bezeichnet). Diese Operation setzt besondere Erfahrungen voraus.

Zu beachten ist, dass auch bei der tiefen anterioren Rektumresektion sehr häufig zur Erreichung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes nach aboral eine intersphinktäre Präparation erforderlich ist. Hiermit ist jedoch nicht das Operationsverfahren im Sinne der abdominoperanalen Präparation zu verwechseln.

Nach Möglichkeit sind kontinenzerhaltende Verfahren unter Abwägung der zu erwartenden späteren Lebensqualität zu bevorzugen. Bei schlechter Sphinkterfunktion sollte an Stelle einer tiefen Resektion die Anlage einer permanenten Kolostomie bevorzugt werden, die je nach Sicherheitsabstand vom Beckenboden als Rektumexstirpation oder Beckenboden-erhaltend ausgeführt wird.

7.5.3.1. Allgemeine onkologische Grundsätze

Die operative Therapie sollte folgende Grundsätze beinhalten:

Die Entfernung des regionären Lymphabflussgebiets mit Absetzung der A. mesenterica inferior zumindest distal des Abgangs der A. colica sinistra. Die abgangsnahe Unterbindung der A. mesenterica inferior hat keine prognostische Bedeutung, sie wird aber häufig aus operationstechnischen Gründen zur ausreichenden Mobilisation des linken Hemikolons zur Rekonstruktion durchgeführt [718]. Allerdings zeigen anatomische Studien, dass in vielen Fällen auch ohne zentrale Absetzung eine tiefe Anastomose möglich ist [719]. Der Wert einer Dissektion der Lymphknoten am Stamm der A. mesenterica inferior proximal des Abgangs der A. colica sinistra ist nicht gesichert (Evidenzstärke 2b) [720] [721] [722] [723].

  • Die komplette Entfernung des Mesorektums beim Karzinom des mittleren und unteren Rektumdrittels und die partielle Mesorektumexzision beim Karzinom des oberen Rektumdrittels durch scharfe Dissektion entlang anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis und parietalis (totale mesorektale Exzision – TME) [724] [725].

  • Die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstands (siehe unten).

  • In der Regel die En-Bloc-Resektion von tumoradhärenten Organen (multiviszerale Resektion) zur Vermeidung einer örtlichen Tumorzelldissemination [726].

  • Die Schonung der autonomen Beckennerven (Nn. hypogastrici, Plexus hypogastrici inferiores et superior) [727] [728].

7.26.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Die systematische Dissektion der lateralen Lymphknoten entlang der Art. iliaca interna und ihrer Äste soll ohne begründeten Metastasenverdacht nicht durchgeführt werden. Sie erhöht die perioperative Morbidität, ohne dass onkologische Vorteile belegt sind.

Level of Evidence

1b

De Novo: [729] [730] [731] [732]

Starker Konsens


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7.5.3.2. Vorgehen bei Tumoren des oberen Rektumdrittels

7.27.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Bei Tumoren des oberen Rektumdrittels erfolgt die Durchtrennung des Rektums mit partieller Mesorektumexzision 5 cm distal des makroskopischen Tumorrands, gemessen in vivo. Das Mesorektum sollte horizontal ohne proximalwärtige Ausdünnung durchtrennt werden (kein Coning).

Level of Evidence

3b

De Novo: [724] [733] [734] [735] [736] [737]

Starker Konsens

Hintergrund

Die Begründung dieses Vorgehens [736] [737] liegt darin, dass bei T3- und T4-Tumoren in seltenen Fällen Satellitenknoten oder Lymphknotenmetastasen in bis zu 4 cm distal des makroskopischen Tumorrands, gemessen am histologischen Schnitt nach Fixation des nicht ausgespannten Präparats, vorkommen können.


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7.5.3.3. Vorgehen bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels

7.28.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

A

Bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels erfolgt die totale Mesorektumexzision (TME) bis zum Beckenboden unter Schonung des Plexus hypogastricus superior, der Nn. hypogastrici und der Plexus hypogastrici inferiores.

Level of Evidence

1b

Quellen: [727] [738] [739]

Starker Konsens

7.29.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

B

Bei Low-Grade-Tumoren guter oder mäßiger Differenzierung des unteren Rektumdrittels ist ein Sicherheitsabstand von 1 – 2 cm in situ ausreichend. Bei High-Grade-Tumoren (G3/4) ist ein größerer Sicherheitsabstand anzustreben.

Level of Evidence

2b

Quellen: [725] [740] [741] [742] [743]

Starker Konsens

7.30.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Nach neoadjuvanter Radiochemotherapie kann zur Abwendung einer ansonsten notwendigen Exstirpation auch ein aboraler Abstand von 0,5 cm akzeptiert werden. Die Tumorfreiheit des aboralen Resektionsrandes sollte durch intraoperativen Schnellschnitt gesichert werden.

Level of Evidence

2b

De Novo: [744] [745]

Konsens

Hintergrund

Bei Karzinomen des unteren Drittels kann als Alternative zu der ansonsten erforderlichen Rektumexstirpation die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-peranale Rektumresektion bezeichnet) durchgeführt werden, wenn – unter Wahrung der oben genannten Sicherheitsabstände – die puborektale Schlinge nicht infiltriert ist. Diese Operation setzt besondere Erfahrung voraus.


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7.5.3.4. Rekonstruktion nach total mesorektaler Exzision

Nach totaler mesorektaler Resektion mit nachfolgender spinkternaher Anastomose ist potenziell mit u. U. erheblichen funktionellen Störungen zu rechnen. Diese sind abhängig von der Wahl des Rekonstruktionsverfahrens. Als Möglichkeiten stehen zur Verfügung:

  • gerade colo-anale Anastomose

  • der Colon-J-Pouch

  • die transverse Coloplastie

  • die Seit-zu-End-Anastomose

7.31.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Bei der Rekonstruktion nach tiefer anteriorer Resektion soll wegen der besseren funktionellen Ergebnisse in der Regel (wenn anatomisch machbar) keine gerade colo-anale Anastomose angelegt werden.

Level of Evidence

1a

De Novo: [746]

Starker Konsens

7.32.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

1a

Von den verschiedenen Rekonstruktions-Formen sind die Vorteile im funktionellen Ergebnis des Colon-J-Pouches am besten belegt.

De Novo: [746] [747]

Mehrheitliche Zustimmung

7.33.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

1b

Unter funktionellen Gesichtspunkten ist die transverse Koloplastie dem Colon-J-Pouch unterlegen.

De Novo: [747] [748]

Mehrheitliche Zustimmung

7.34.

Evidenzbasiertes Statement

2013

Level of Evidence

2a

Möglicherweise ist die Seit-zu-End-Anastomose dem Colon-J-Pouch ebenbürtig.

De Novo: [749]

Starker Konsens

Hintergrund

Die Nachteile einer geraden colo-analen Anastomose sind hinreichend belegt und wirken sich vor allem während der ersten beiden postoperativen Jahre in erhöhter Stuhlfrequenz sowie schlechterer Kontinenz und Lebensqualität aus [746]. Bei Anlage eines J-Pouches sollte zur Vermeidung von Entleerungsproblemen die Schenkellänge nicht über 6 cm liegen [750]. Die einzige größere prospektiv randomisierte Studie zur Frage des differenziellen Einsatzes verschiedener Rekonstruktionen [747] zeigte, dass bei 74 % der Patienten die Anlage eines J-Pouchs technisch machbar ist. Verglichen mit einer transversen Coloplastie war in dieser Studie der J-Pouch hinsichtlich Stuhlfrequenz und Inkontinenzscore besser. Eine Metaanalyse unter Einschluss der Fazio-Studie relativierte zwar die Aussage zur Stuhlfrequenz, berücksichtigte aber weder die Langzeitergebnisse der Fazio-Studie, noch die Daten zur Inkontinenz [748]. Zur endgültigen Beurteilung des Stellenwerts der Seit-zu-End-Anastomose fehlen noch Studien mit ausreichender Fallzahl [749].


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7.5.3.5. Entscheidung zum Sphinkter-Erhalt

7.35.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Durch die neoadjuvante Radiochemotherapie und entsprechende Remission kann u. U. trotz primär nicht für möglich gehaltenen Sphinktererhaltes eine Schließmuskel-erhaltende Rektumresektion möglich werden. Deshalb sollte diesbezüglich frühestens 6 Wochen nach Abschluss der Radiochemotherapie eine Reevaluation stattfinden.

Starker Konsens

Hintergrund

Eine Reduktion der Tumormasse vor allem bei tiefsitzenden Tumoren ist mit entscheidend für den Erhalt des Sphinkterapparates. Hier zeichnet sich ein Vorteil für die neoadjuvante Radiochemotherapie ab, deren Effekte aber oft verzögert erst nach mehreren Wochen fassbar werden. Dies bedeutet, dass die Entscheidung für das zu wählende Operationsverfahren erst zum Zeitpunkt der Operation nach der erfolgten neoadjuvanten Radiochemotherapie getroffen werden darf [751]. Bildgebende Verfahren sind in der Beurteilung des Response wenig hilfreich [752].


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7.5.3.6. Vorgehen bei komplettem Response nach neoadjuvanter Therapie

7.36.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

In den seltenen Fällen, in denen nach neoadjuvanter Radiochemotherapie klinisch, endoskopisch und durch bildgebende Verfahren (Endosonografie und MRT, alternativ evtl. auch CT) kein Tumor mehr nachweisbar ist, kann auf jegliche Operation verzichtet werden. Voraussetzung ist die gründliche Aufklärung über die noch unzureichende Validierung dieses Vorgehens und die Bereitschaft des Patienten, sich einer sehr engmaschigen mindestens 5-jährigen Nachsorge zu unterziehen.

Konsens

Hintergrund

In einer Studie aus Brasilien mit 265 Patienten mit Rektumkarzinom war bei 26,8 % nach neoadjuvanter Therapie kein Tumor mehr nachweisbar. Diese Patienten wurden nicht operiert und erhielten eine Nachsorge [753]. Nach einem medianen Follow-up von 57,3 Monaten wurde bei zwei Patienten (2,8 %) ein endoluminales Rezidiv und bei drei Patienten (4,8 %) systemische Metastasen nachgewiesen. Die Autoren postulieren, dass bei Patienten mit komplettem Ansprechen nach neoadjuvanter Radiochemotherapie eine alleinige Nachsorge ohne Operation ausreichend zu sein scheint. Es ist jedoch zu bedenken, dass es sich um keine randomisierte Studie handelt und nicht abschließend geklärt ist, ob die Ergebnisse auch außerhalb von Brasilien erreicht werden können.


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7.5.3.7. Rektum-Exstirpation

7.37.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

B

Bei tiefliegenden Tumoren mit Infiltration des Analkanals/der Sphinkteren, die nicht sphinktererhaltend operiert werden können, sollte die abdomino-perineale Exstirpation im Sinne einer „zylindrischen“ Resektion unter Mitresektion des Levator ani erfolgen.

Level of Evidence

3b

De Novo: [709] [754] [755]

Konsens

Hintergrund

Bei der Rektum-Exstirpation ist klassisch die Rate an Präparaten mit unzureichenden lateralen Sicherheitsabständen erhöht [754]. Die onkologischen Ergebnisse sind gegenüber Sphinkter-erhaltenden Eingriffen bei vergleichbaren Tumorstadien schlechter [755]. Die extralevatorische „zylindrische“ Resektion führt zu besseren Sicherheitsabständen und muss auch ohne Beweis durch randomisierte Studien als das überlegene Verfahren angesehen werden [709].

7.38.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

O

Nach neoadjuvanter Radio-(Chemo-)Therapie und/oder bei großen perinealen Defekten können die Wundheilungsstörungen perineal durch primäre plastische Deckung mit einem myokutanen Lappen reduziert werden.

Level of Evidence

3b

De Novo: [756]

Konsens

Hintergrund

Die Rate perinealer Wundheilungsstörungen ist insbesondere nach neoadjuvanter Bestrahlung und bei größeren Defekten hoch. Die Anwendung verschiedener plastischer Rekonstruktionsverfahren bleibt aber eine Einzelfallentscheidung, bei der die individuelle anatomische Verfügbarkeit, die in Kauf zu nehmende Sekundärmorbidität des Hebedefekts, der operative Aufwand und die verfügbare chirurgische Expertise einzubeziehen sind [756].


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7.5.4. Stoma-Anlage

7.39.

Konsensbasierte Empfehlung/Statement

2013

EK

Bei der radikalen Operation des Rektumkarzinoms mit TME und tiefer Anastomose soll ein temporäres Deviations-Stoma vorgeschaltet werden.

Starker Konsens

7.40.

Konsensbasiertes Statement

2013

EK

Als Deviationsstoma sind Kolostoma und Ileostoma gleichwertig.

Starker Konsens

Hintergrund

Durch eine protektive Stomaanalage kann die Morbidität, insbesondere hinsichtlich klinisch relevanter Anastomoseninsuffizienzen und dringlicher Relaparotomien gesenkt werden [757]. Auch ist langfristig bei primärem Verzicht auf ein Deviationsstoma die Rate permanenter Stomata keineswegs geringer [758]. Zur Art des protektiven Stomas gibt es Argumente für beide Varianten, auch wenn jüngere Metaanalysen eher das Ileostoma favorisieren [759] [760].

7.41.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Die Stomaanlage soll möglichst frühzeitig vor der Operation mit dem Patienten besprochen und geplant werden.

Starker Konsens

7.42.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Die Stomaposition soll präoperativ angezeichnet werden.

Konsens

7.43.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Die Ileostomie sollte prominent angelegt werden (> 1 cm). Die Kolostomie sollte leicht erhaben angelegt werden.

Starker Konsens

Hintergrund

Die präoperativen Informationen zur Stomaanlage sollten vom behandelnden Arzt und einer entsprechend ausgebildeten Pflegekraft (Stomatherapeut/in) gegeben werden. Ein Gespräch mit einem Betroffenen aus einer Selbsthilfegruppe sollte – sofern verfügbar – angeboten werden. Die Markierung des Stomas kann durch eine geschulte Pflegekraft/Stomatherapeut/in erfolgen, die Verantwortung für die korrekte Stomamarkierung und damit auch korrekte Anlage des Stomas liegt aber beim Arzt. Für eine optimale Lage ist es erforderlich, dass die Stomaposition im Liegen, Sitzen und Stehen angezeichnet wird.

Die postoperative Stomatherapie sollte sicherstellen, dass der Patient bzw. – sofern er selbst dazu nicht in der Lage ist – dessen Angehörige oder betreuende Personen, selbstständig die Stomaversorgung durchführen können (Grundplattenwechsel, Stomabeutel leeren und wechseln), die Versorgung mit Stomaartikeln gewährleistet ist und im Bedarfsfall der Zugang zu einem(r) Stomatherapeuten/in gewährleistet ist. Die Irrigation sollte Kolostomieträgern angeboten werden. Durch die präoperative Stoma-markierung und Einsatz von Stomatherapeuten konnte in einzelnen Studien eine Senkung der postoperativen Stoma-Komplikationsrate gezeigt werden [761] [762]. Des weiteren konnte in einer prospektiven Studie gezeigt werden, dass die präoperative Stomaberatung die postoperative Versorgung vereinfacht [763].


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7.5.5. Lokale Operationsverfahren des Rektumkarzinoms

7.44.

Evidenzbasiertes Statement

2008

Level of Evidence

1b

Eine lokale chirurgische Tumorexzision beim Rektumkarzinom (Vollwandexzision) ist als alleinige therapeutische Maßnahme unter kurativer Zielsetzung onkologisch ausreichend bei pT1-Karzinomen mit einem Durchmesser bis zu 3 cm, guter oder mäßiger Differenzierung, ohne Lymphgefäßinvasion (Low-Risk-Histologie), sofern die Entfernung komplett erfolgt ist (R0).

Quellen: [764] [765] [766] [767]

Starker Konsens

Hintergrund

Auch in Low-risk-Fällen ist im Vergleich zur radikalen Operation mit einem höheren Lokalrezidiv-Risiko zu rechnen bei gleichzeitig geringerer Morbidität und Letalität und besserem funktionellen Ergebnis, sodass im Einzelfall diese Risiken gegeneinander abzuwägen sind [768] [769]. Es spricht vieles dafür, dass für die lokale Exzison die Technik der transanalen endoskopischen Mikrochirurgie der offenen transanalen Exzision mittels Spreizer überlegen ist [770] [771].

Hinsichtlich des Stellenwertes der sm-Klassifikation für die Einschätzung in „low-risk“ oder „high-risk“ konnte kein Konsens gefunden werden. T1-Karzinome mit tiefer submucosaler Infiltration (sm3, nach manchen Serien sogar sm2) werden von anderen Autoren und Leitlinien als Hochrisiko-Konstellation eingeschätzt, die einer radikalen Operation zugeführt werden sollte [772] [773] [774] [775].

7.45.

Evidenzbasierte Empfehlung

2008

Empfehlungsgrad

B

Bei T1-High-Risk-Karzinomen (G3/4 u./o. Lymphgefäßinvasion) und bei T2-Karzinomen liegt das Auftreten von Lymphknotenmetastasen bei 10 – 20 %, sodass die alleinige lokale Exzision nicht empfohlen werden kann

(siehe auch Abschnitt 6.4).

Level of Evidence

3b

Quellen: [772] [776]

Starker Konsens

Hintergrund

Ist die „high-risk“-Konstellation prätherapeutisch bekannt, sollte primär radikal operiert werden. Stellt sich erst nach transanaler Vollwandresektion eine Hoch-Risiko-Konstellation heraus, so ist die sekundäre radikale Nachoperation innerhalb eines Monats nicht mit einer Verschlechterung der Prognose im Vergleich zum primär radikalen Vorgehen assoziiert [772] [776]. Lehnt der Patient in dieser Situation eine radikale Nachoperation ab, so kann eine adjuvante Radiochemotherapie erwogen werden.


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7.6. Laparoskopische Chirurgie

7.46.

Evidenzbasierte Empfehlung

2013

Empfehlungsgrad

A

Die laparoskopische Resektion des Kolon- und Rektumkarzinoms kann bei entsprechender Expertise des Operateurs und geeigneter Selektion mit gleichen onkologischen Ergebnissen im Vergleich zur offenen OP-Technik durchgeführt werden.[6]

Level of Evidence

1a

De Novo: [777] [778] [779] [780] [781]

Starker Konsens

7.47.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Die Qualität des Präparates soll durch den Pathologen dokumentiert werden.

Starker Konsens

Hintergrund

Auch wenn laparoskopische kolorektale Resektionen längere Operationszeiten bedingen, sprechen zahlreiche randomisierte Studien dafür, dass im Kurzzeitverlauf die perioperative chirurgische Morbidität niedriger ist als nach konventioneller Operation bei unveränderter Gesamt-Morbidität und Letalität [777]. Im Langzeitverlauf konnten weder für die Rate an Narbenhernien und an adhäsions-bedingten Reoperationen noch für regionäre und systemische Tumorrezidive Unterschiede gefunden werden [778] [779]. Die systematischen Reviews und Metaanalysen zeigten equivalente onkologische Langzeitergebnisse vor allem beim Kolonkarzinom, während die Datenlage zum Rektumkarzinom noch zu wünschen übrig ließ. Inzwischen wurden aber reife Langzeitergebnisse der britischen CLASICC-Studie publiziert, die trotz initial problematischer Surrogat-Parameter in der Untergruppe der Rektumkarzinome [780] die onkologische Sicherheit der laparoskopischen Chirurgie sowohl für das Kolon- als auch das Rektumkarzinom belegen konnten [781]. Für die ohne Zweifel notwendige spezielle laparoskopische Expertise sind bisher keine stringenten Kriterien validiert.

7.48.

Konsensbasierte Empfehlung

2013

EK

Neuere Operationsverfahren (z. B. Robotik, NOTES) können wegen unzureichender Daten außerhalb von Studien nicht empfohlen werden.

Starker Konsens

Hintergrund

Das DaVinci-Telemanipulationssystem – der einzige in der klinischen Routine etablierte „Roboter“ – ist in mehreren Serien zur laparoskopischen totalmesorektalen Exzision verwendet worden [782] [783]. Da weder kurzfristige Vorteile noch die längerfristige onkologische Gleichwertigkeit bewiesen sind, ist diese Methode bisher als experimentell anzusehen. Gleiches gilt in noch stärkerem Maße für transgastrale, transvaginale oder transanale Zugänge und Präparate-Bergungen.


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7.7. Sondersituationen

7.7.1. Chirurgische Therapie