Einleitung
Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) besitzen ein zwei- bis vierfach höheres Risiko, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln, als Menschen ohne T2DM [1 ]
[2 ]. Die koronare Herzkrankheit zeigt dabei die höchste Prävalenz unter den kardiovaskulären Erkrankungen bei Menschen mit T2DM, gefolgt von Schlaganfall und peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Darüber hinaus wurde das Risiko der Entwicklung einer Herzinsuffizienz, die wesentlich die Prognose der Patienten mit T2DM verschlechtert, lange unterschätzt [3 ]. Bei Männern und Frauen über 50 Jahren mit T2DM und einer kardiovaskulären Vorerkrankung ist die Lebenserwartung im Durchschnitt um 7,5 bzw. 8,2 Jahre verkürzt, wobei mehr als die Hälfte der Todesfälle durch ein kardiovaskuläres Ereignis verursacht werden [4 ]
[5 ]. Demzufolge steht die Senkung der makro- und mikrovaskulären Folgeerkrankungen durch eine adäquate Therapie des T2DM im Mittelpunkt nationaler und internationaler Leitlinien und Behandlungsempfehlungen [6 ]
[7 ]. Ältere Endpunktstudien haben gezeigt, dass das Risiko mikrovaskulärer Komplikationen durch eine gute Blutzuckerkontrolle reduziert werden kann [8 ]
[9 ]. Trotzdem ist Diabetes mellitus in vielen Teilen der Welt nach wie vor die häufigste Ursache für die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz [10 ]
[11 ]
[12 ]. Bis zu 40 % der Patienten mit T2DM sind früher oder später von einer Niereninsuffizienz betroffen, wobei die interindividuelle Varianz bis zum Eintreten der ersten Krankheitszeichen sehr groß ist (wenige Jahre bis Jahrzehnte) [11 ]
[12 ]
[13 ]. Den Nachweis, dass durch eine intensive Blutzuckertherapie eine Reduktion makrovaskulärer Ereignisse erreicht wird, blieben ältere Outcomestudien hingegen im Wesentlichen schuldig, da die Blutzuckersenkung wenig Auswirkungen auf das kardiovaskuläre Risiko im Verlauf der Studienbeobachtung hatte. Mehrjährige Nachbeobachtungen nach Abschluss der Studien konnten teilweise eine signifikante Senkung kardiovaskulärer Ereignisse durch eine frühe intensive Blutzuckersenkung nachweisen [14 ]
[15 ]
[16 ]. Blutzuckerkontrolle per se scheint sich erst langfristig positiv auf das kardiovaskuläre Risiko auszuwirken. Demzufolge liegt die Inzidenzrate von Myokardinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärer Mortalität bei Patienten mit T2DM deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Aufgrund der stetig steigenden Prävalenz von T2DM ist damit eine weitere Zunahme kardiovaskulärer Komplikationen zu erwarten [14 ].
EMPA-REG OUTCOME® -Studie
Empagliflozin zeigte bereits im Phase-3-Studienprogamm, dass die Substanz den HbA1c , das Körpergewicht und den Blutdruck klinisch relevant senkt und, abgesehen von Genitalinfektionen, die durch den Wirkmechanismus (Induktion einer Glukosurie) bedingt sind, ein positives Verträglichkeitsprofil aufweist [25 ]. Die Untersuchung makro- und mikrovaskulärer Endpunkte bei Patienten mit T2DM und bestehender kardiovaskulärer Erkrankung in der EMPA-REG OUTCOME® -Studie erfolgte nach regulatorischen Vorgaben.
Studiendesign
EMPA-REG OUTCOME® (ClinicalTrials.gov Nummer: NCT01 131 676) ist eine internationale, randomisierte, doppelblinde Studie mit drei Behandlungsarmen (Empagliflozin 10 mg oder 25 mg oder Placebo, jeweils zusätzlich zur antidiabetischen und kardiovaskulären Standardtherapie; [Abb. 1 ]), die in 42 Ländern durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem HbA1c von 7 – 10 % und hohem kardiovaskulärem Risiko aufgrund vorbestehender Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die bisherige antidiabetische und kardiovaskuläre Standardtherapie (Antidiabetika, Antihypertensiva, Lipidsenker und Thrombozytenaggregationshemmer) wurde beibehalten und sollte im Studienverlauf kontinuierlich und leitliniengerecht angepasst werden, um möglichst in allen Studienarmen vergleichbare Zielwerte zu erreichen. Der primäre kombinierte Endpunkt war die Zeit bis zum ersten Auftreten eines MACE-3-Ereignisses (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder nicht tödlicher Schlaganfall). Die Studie war ereignisgesteuert und wurde im Hinblick auf die statistische Aussagekraft so lange durchgeführt, bis bei zumindest 691 Patienten ein MACE-3-Ereignis eingetreten war. Der wichtigste sekundäre Endpunkt war MACE-4 (MACE-3 plus Hospitalisierung aufgrund von instabiler Angina pectoris). Weitere kardiovaskuläre Endpunkte waren unter anderem die Einzelkomponenten von MACE-4 sowie Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz, Gesamtmortalität, transiente ischämische Attacke (TIA), neu auftretende Albuminurie und neue oder sich verschlechternde Nephropathie (kombinierter Endpunkt aus Progression zur Makroalbuminurie, Verdopplung des Serum-Kreatinin-Werts bei gleichzeitiger eGFR [geschätzte glomeruläre Filtrationsrate] ≤ 45 ml/min, Einleitung einer Nierenersatztherapie oder Tod durch Nierenerkrankung) [26 ]. Zudem wurde die Wirkung von Empagliflozin auf HbA1c , Nüchternblutzucker, Körpergewicht, Bauchumfang, Blutdruck, Pulsrate, Lipide, Harnsäure und eGFR zu vorab definierten Zeitpunkten während des Studienverlaufs gemessen ([Abb. 1 ]). Die Dokumentation unerwünschter Ereignisse erfolgte über die gesamte Studiendauer. Im Studienverlauf auftretende Todesfälle sowie andere zu MACE gehörende Ereignisse wurden von mehreren verblindeten, externen, klinischen Event-Komitees bewertet [22 ]. Die Studie war von Beginn an statistisch darauf ausgelegt, in hierarchischer Testung zunächst Nichtunterlegenheit und dann Überlegenheit zeigen zu können (Empagliflozin vs. Placebo für MACE-3 und MACE-4). Für die primäre Analyse wurden die Daten der beiden Empagliflozin-Gruppen (10 mg und 25 mg) gepoolt. Darüber hinaus wurden verschiedene Subgruppen analysiert (Alter zu Studienbeginn, Geschlecht, Rasse, Ethnizität, Region, HbA1c , BMI, Blutdruck, eGFR, Albumin-Kreatinin-Ratio, kardiovaskuläre Risikofaktoren, antidiabetische Medikation, Anwendung von Statinen, Antihypertonika, Antikoagulanzien) [26 ].
Abb. 1 Studiendesign der EMPA-REG OUTCOME® -Studie. Nach Zinman et al. 2014, Cardiovascular Diabetology, 13: 102. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0 [rerif]
Patienten-Charakteristika
Insgesamt wurden 7042 Patienten in 592 Studienzentren eingeschlossen. Nach der zweiwöchigen Run-in-Phase wurden 7034 Patienten (72 % männlich, durchschnittliches Alter 63,1 Jahre) auf die 3 Behandlungsarme randomisiert. Insgesamt flossen die Daten von 7020 Patienten in die Primäranalyse ein. Die mediane Beobachtungsdauer betrug 3,1 Jahre. Insgesamt beendeten 97,0 % der Patienten die Studie, und zu Studienende war der Vitalstatus für 99,2 % der Patienten bekannt [22 ]. Die Baseline-Charakteristika waren in den drei Behandlungsgruppen vergleichbar ([Tab. 1 ]). Der mittlere HbA1c -Wert zu Studienbeginn betrug 8,1 %. Fast alle Patienten (99 %) hatten eine kardiovaskuläre Vorerkrankung (47 % Myokardinfarkt, 23 % Schlaganfall). Etwa ein Zehntel der Patienten litt unter Herzinsuffizienz. Die Mehrheit der Patienten wies eine eingeschränkte Nierenfunktion im Sinne einer eGFR (gemäß CKD-EPI-Formel) unter 90 ml/min/1,73 m2 auf (52 % CKD-Stadium 2, 26 % CKD-Stadium 3). Eine Albuminurie war zu Studienbeginn bei 40 % der Patienten bekannt. Insgesamt wies zu Studienbeginn ein großer Anteil der Patienten eine gute Versorgung mit Antidiabetika (Metformin, ca. 74 %; Insulin, ca. 48 %), Lipidsenkern (ca. 80 %), Antihypertensiva (ca. 95 %) sowie Antikoagulanzien/Thrombozytenaggregationshemmern (ca. 89 %) auf ([Tab. 1 ]) [22 ].
Tab. 1
Baseline-Charakteristika.
Parameter
Placebo
(N = 2333)
Empagliflozin 10 mg (N = 2345)
Empagliflozin 25 mg
(N = 2342)
Alter, Jahre (MW±SD)
63,2 ± 8,8
63,0 ± 8,6
63,2 ± 8,6
Männlich, n (%)
1680 (72,0 %)
1653 (70,5 %)
1683 (71,9 %)
HbA1c , %
8,08 ± 0,84
8,07 ± 0,86
8,06 ± 0,84
Anzahl Jahre seit der T2DM-Diagnose (MW±SD)
423 ± 18,1
406 ± 17,3
434 ± 18,5
571 ± 24,5
585 ± 24,9
590 ± 25,2
1339 ± 57,4
1354 ± 57,7
1318 ± 56,3
Antidiabetische Medikation, n (%)
1734 (74,3 %)
1729 (73,7 %)
1730 (73,9 %)
992 (42,5 %)
985 (42,0 %)
1029 (43,9 %)
267 (11,4 %)
282 (12,0 %)
247 (10,5 %)
101 (4,3 %)
96 (4,1 %)
102 (4,4 %)
1135 (48,6 %)
1132 (48,3 %)
1120 (47,8 %)
65 ± 50,6
65 ± 47,9
66 ± 48,9
Kardiovaskuläre Risikofaktoren
BMI, kg/m2 (MW ± SD)
30,7 ± 5,2
30,6 ± 5,2
30,6 ± 5,3
Systolischer Blutdruck, mmHg (MW±SD)
135,8 ± 17,2
134,9 ± 16,8
135,6 ± 17,0
Diastolischer Blutdruck, mmHg (MW±SD)
76,8 ± 10,1
76,6 ± 9,8
76,6 ± 9,7
LDL-Cholesterin, mg/dl (MW±SD)
84,9 ± 35,3
86,3 ± 36,7
85,5 ± 35,2
HDL-Cholesterin, mg/dl (MW±SD)
44,0 ± 11,3
44,7 ± 12,0
44,5 ± 11,8
eGFR, n (%)
488 (20,9 %)
519 (22,1 %)
531 (22,7 %)
1238 (53,1 %)
1221 (52,1 %)
1202 (51,3 %)
607 (26,0 %)
605 (25,8 %)
607 (25,9 %)
Kardiovaskuläre Erkrankung
≥ 1 kardiovaskulärer Risikofaktor, n (%)
2307 (98,9 %)
2333 (99,5 %)
2324 (99,2 %)
1763 (75,6 %)
1782 (76,0 %)
1763 (75,3 %)
1083 (46,4 %)
1107 (47,2 %)
1083 (46,2 %)
563 (24,1 %)
594 (25,3 %)
581 (24,8 %)
553 (23,7 %)
535 (22,8 %)
549 (23,4 %)
479 (20,5 %)
465 (19,8 %)
517 (22,1 %)
Herzinsuffizienz
244 (10,5 %)
240 (10,2 %)
222 (9,5 %)
Kardiovaskuläre Medikation
Blutdrucksenker, n (%)
2221 (95,2 %)
2227 (95,0 %)
2219 (94,7 %)
1868 (80,1 %)
1896 (80,9 %)
1902 (81,2 %)
1498 (64,2 %)
1530 (65,2 %)
1526 (65,2 %)
988 (42,3 %)
1036 (44,2 %)
1011 (43,2 %)
788 (33,8 %)
781 (33,3 %)
748 (31,9 %)
136 (5,8 %)
157 (6,7 %)
148 (6,3 %)
210 (9,0 %)
209 (8,9 %)
201 (8,6 %)
Lipidsenker, n (%)
1864 (79,9 %)
1926 (82,1 %)
1894 (80,9 %)
1773 (76,0 %)
1827 (77,9 %)
1803 (77,0 %)
199 (8,5 %)
214 (9,1 %)
217 (9,3 %)
81 (3,5 %)
95 (4,1 %)
94 (4,0 %)
210 (9,0 %)
228 (9,7 %)
228 (9,7 %)
Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer
2090 (89,6 %)
2098 (89,5 %)
2064 (88,1 %)
1927 (82,6 %)
1939 (82,7 %)
1937 (82,7 %)
249 (10,7 %)
253 (10,8 %)
241 (10,3 %)
156 (6,7 %)
141 (6,0 %)
125 (5,3 %)
Wirksamkeit
Die nachfolgend beschriebenen Ergebnisse werden für die gepoolten Daten beider Empagliflozin-Dosierungen (10 mg und 25 mg) dargestellt.
Die EMPA-REG OUTCOME® -Studie war darauf ausgelegt, das Auftreten klinisch relevanter kardiovaskulärer Ereignisse zu untersuchen. Eine effektive Blutzuckerkontrolle durch Empagliflozin in der Mono- oder Kombinationstherapie war bereits durch die Zulassungsstudien belegt [25 ]
[27 ]
[28 ]
[29 ]. In der EMPA-REG OUTCOME® -Studie war nach 206 Wochen unter Empagliflozin eine geringfügig stärkere mittlere HbA1c -Senkung als in der Placebo-Gruppe vorhanden (7,81 % versus 8,16 %). Im Vergleich zu Placebo war Empagliflozin im Studienverlauf mit einer leichten Verringerung des Körpergewichts, des Bauchumfangs, des Harnsäurewerts sowie des systolischen und diastolischen Blutdrucks assoziiert. Es wurde keine Erhöhung der Herzfrequenz und geringfügige Zunahmen an LDL- und HDL-Cholesterin beobachtet [22 ].
Makrovaskuläre Endpunkte
MACE-3-Ereignisse waren unter Empagliflozin signifikant seltener als unter Placebo (Hazard Ratio [HR] 0,86 (95,02 % KI: 0,74; 0,99), was einer 14-%igen relativen Risikoreduktion (RRR) und einer signifikanten Überlegenheit gegenüber Placebo entspricht (p = 0,04) ([Abb. 2a ]). Der Unterschied bei MACE-3 wurde getrieben durch eine Reduktion kardiovaskulär bedingter Todesfälle (HR 0,62; 95 % KI: 0,49; 0,77; p < 0,001) ([Abb. 2b ]), wobei in allen sechs Unterkategorien von kardiovaskulärem Tod der positive Effekt von Empagliflozin vorhanden war, u. a. in den beiden Kategorien tödlicher Myokardinfarkt und tödlicher Schlaganfall [22 ]. Die Behandlung mit Empagliflozin hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit der MACE-3-Komponenten nicht tödlicher Myokardinfarkt (HR 0,87; 95 % KI: 0,70; 1,09; p = 0,22) und Schlaganfall (HR 1,24; 95 % KI: 0,92; 1,67; p = 0,16). Hinsichtlich MACE-4 zeigte Empagliflozin keine signifikante Überlegenheit im Vergleich zu Placebo (HR 0,89; 95 % KI: 0,78; 1,01; p = 0,08), was auf die durch Empagliflozin unbeeinflusste Häufigkeit von Hospitalisierungen wegen Angina pectoris zurückzuführen ist (HR 0,99; 95 % KI: 0,74; 1,34; p = 0,97) [22 ].
Abb. 2 Erreichen des primären Endpunkts MACE-3 a und Auftreten kardiovaskulärer Todesfälle b (Nach Zinman et al. 2015, N Engl J Med 373:2117 – 2128).
Unter Empagliflozin war das als sekundärer Endpunkt präspezifizierte relative Risiko für Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz gegenüber Placebo signifikant reduziert (HR 0,65; 95 % KI: 0,50; 0,85; p = 0,002) ([Abb. 3a ]). Von dieser Risikoreduktion profitierten Patienten unabhängig davon, ob bei ihnen zu Studienbeginn eine Herzinsuffizienz vorlag oder nicht [30 ]. Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod traten in der Empagliflozin-Gruppe signifikant seltener als in der Placebo-Gruppe auf (5,7 % vs. 8,5 %; HR 0,66; 95 % KI: 0,55; 0,79; p < 0,001). Der Vorteil von Empagliflozin gegenüber Placebo hinsichtlich kardiovaskulärer Todesfälle wurde in allen Subgruppen und in beiden Empagliflozin-Behandlungsarmen beobachtet. Beim primären Endpunkt und bei kardiovaskulärem Tod lagen die Punktschätzer bei den Subgruppenanalysen nahezu durchweg unter 1. Dies weist darauf hin, dass die positiven Ergebnisse unter Empagliflozin für ein breites Patientenkollektiv mit bestehender kardiovaskulärer Erkrankung Gültigkeit haben [22 ].
Abb. 3 Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz a , Gesamtmortalität b und neue oder sich verschlechternde Nephropathie c (a und b nach Zinman et al. 2015, N Engl J Med 373:2117 – 2128; c nach Wanner et al. 2016, N Engl J Med 375:323 – 334).
Gesamtmortalität
Das relative Risiko für Gesamtmortalität war in der Empagliflozin-Gruppe signifikant um 32 % niedriger als in der Placebo-Gruppe (HR 0,68; 95 % KI: 0,57; 0,82; p < 0,0001) ([Abb. 3b ]) [22 ].
Renale Endpunkte
Im Vergleich zu Placebo wurde unter Empagliflozin das Neuauftreten oder eine Verschlechterung einer Nephropathie um 39 % (HR 0,61; 95 % KI: 0,53; 0,70; p < 0,001) ([Abb. 3c ]) sowie die Progression zur Makroalbuminurie um 38 % (HR 0,62; 95 % KI: 0,54; 0,72; p < 0,001) reduziert [31 ]. Eine noch deutlichere Reduktion um 46 % gegenüber Placebo wurde beim kombinierten Endpunkt aus Verdopplung der Kreatininkonzentration im Serum, Einleitung einer Nierenersatztherapie oder Tod infolge Nierenerkrankung festgestellt (HR 0,54; 95 % KI: 0,40; 0,75; p < 0,001). In Übereinstimmung traten auch die einzelnen renalen Ereignisse einer Verdopplung der Kreatininkonzentration im Serum (HR 0,56; 95 % KI: 0,39; 0,79; p < 0,001) und der Einleitung einer Nierenersatztherapie (HR 0,45; 95 % KI: 0,21; 0,97; p = 0,04) in der Empagliflozin-Gruppe signifikant seltener als in der Placebo-Gruppe auf. Der Vorteil von Empagliflozin gegenüber Placebo hinsichtlich Neuauftreten oder Verschlechterung einer Nephropathie war konsistent in den untersuchten Subgruppen vorhanden. Die eGFR blieb unter Empagliflozin nach einer anfänglichen Abnahme über den weiteren Studienverlauf weitgehend konstant, während sie unter Placebo kontinuierlich abnahm ([Abb. 4 ]). Die initiale eGFR-Abnahme unter Empagliflozin war nach Absetzen der Medikation bei Studienende weitgehend reversibel [31 ].
Abb. 4 Verlauf der glomerulären Filtrationsrate (eGFR [nach CKD-EPI-Formel]) (Nach Wanner et al. 2016, N Engl J Med 375:323 – 334).
Die getrennte Auswertung für Empagliflozin 10 mg und 25 mg zeigte keine relevanten Unterschiede zwischen beiden Dosierungen für MACE-3, MACE-4, kardiovaskulär bedingten Tod, Gesamtmortalität, Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz und neue oder sich verschlechternde Nephropathie [22 ]
[30 ]
[31 ].
Sicherheit
Insgesamt war der Anteil der Patienten mit unerwünschten Ereignissen (UE), schwerwiegenden UE und UE, die zum Absetzen der Studienmedikation führten, in den beiden Empagliflozin-Gruppen und der Placebo-Gruppe vergleichbar ([Tab. 2 ]) [22 ]. Auf den Wirkmechanismus von SGLT-2-Inhibitoren zurückzuführende Genitalinfektionen traten in den Empagliflozin-Gruppen häufiger auf. Die diabetische Ketoazidose war in allen Behandlungsgruppen vergleichbar selten (Anteil der betroffenen Patienten: Empagliflozin 10 mg [0,1 %] und 25 mg [< 0,1 %], Placebo [< 0,1 %]). Die Häufigkeit bestätigter Hypoglykämien war ebenfalls zwischen den Studienarmen vergleichbar: Empagliflozin 10 mg (28 %) und 25 mg (27,6 %), Placebo (27,9 %). Auch die Zahl der schweren Hypoglykämien mit Notwendigkeit zur Fremdhilfe war unter Placebo und beiden Empagliflozin-Dosierungen vergleichbar ([Tab. 2 ]). In den Empagliflozin-Gruppen wurden weniger Patienten mit akutem Nierenversagen oder akuten Nierenschäden dokumentiert als in der Placebo-Gruppe [22 ].
Tab. 2
Unerwünschte Ereignisse.
Ereignis
Placebo
(N = 2333)
Empagliflozin 10 mg
(N = 2345)
Empagliflozin 25 mg
(N = 2342)
UE insgesamt
2139 (91,7 %)
2112 (90,1 %)
2118 (90,4 %)
UE mit schwerer Ausprägung
592 (25,4 %)
536 (22,9 %)
564 (24,1 %)
Schwerwiegendes UE
988 (42,3 %)
876 (37,4 %)
913 (39,0 %)
119 (5,1 %)
97 (4,1 %)
79 (3,4 %)
Zum Abbruch der Einnahme von Studienmedikation führendes UE
453 (19,4 %)
416 (17,7 %)
397 (17,0 %)
Bestätigte Hypoglykämie[1 ]
650 (27,9 %)
656 (28,0 %)
647 (27,6 %)
36 (1,5 %)
33 (1,4 %)
30 (1,3 %)
Harnwegsinfektion
423 (18,1 %)
426 (18,2 %)
416 (17,8 %)
158 (9,4 %)
180 (10,9 %)
170 (10,1 %)
265 (40,6 %)
246 (35,5 %)
246 (37,3 %)
Komplizierte Harnwegsinfektion
41 (1,8 %)
34 (1,4 %)
48 (2,0 %)
Genitalinfektion
42 (1,8 %)
153 (6,5 %)
148 (6,3 %)
25 (1,5 %)
89 (5,4 %)
77 (4,6 %)
17 (2,6 %)
64 (9,2 %)
71 (10,8 %)
Volumenmangel
115 (4,9 %)
115 (4,9 %)
124 (5,3 %)
Akutes Nierenversagen
155 (6,6 %)
121 (5,2 %)
125 (5,3 %)
Akuter Nierenschaden
37 (1,6 %)
26 (1,1 %)
19 (0,8 %)#
Diabetische Ketoazidose
1 (< 0,1 %)
3 (0,1 %)
1 (< 0,1 %)
Thromboembolisches Ereignis
20 (0,9 %)
9 (0,4 %)
21 (0,9 %)
Knochenfraktur
91 (3,9 %)
92 (3,9 %)
87 (3,7 %)
1 Definiert als Glukosewert < 70 mg/dl (< 3,9 mmol/l) im Plasma oder ein Ereignis, das eine Intervention erfordert.
Diskussion
Studien zur Beurteilung der kardiovaskulären Sicherheit
In einer Reihe von Studien, über die [Tab. 3 ] einen Überblick gibt, wurde die kardiovaskuläre Sicherheit neuer Antidiabetika im Vergleich zu Placebo untersucht. Diese Studien unterscheiden sich von früheren darin, dass die Patienten zusätzlich zur Studienmedikation mit einer optimierten antidiabetischen und kardiovaskulären (Antihypertensiva, Lipidsenker und Thrombozytenaggregationshemmer) Standardtherapie behandelt wurden, die im Studienverlauf angepasst werden konnte. Der kombinierte primäre Endpunkt war die Zeit bis zum ersten Auftreten von kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt oder nicht tödlichem Schlaganfall (MACE-3) bei SAVOR-TIMI 53, EXAMINE, LEADER, SUSTAIN-6 und EMPA-REG OUTCOME® , bzw. MACE-3 plus Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris (MACE-4) bei TECOS und ELIXA [22 ]
[23 ]
[24 ]
[32 ]
[33 ]
[34 ]
[35 ]. Untersucht wurden neuere Antidiabetika der folgenden Klassen: Dipeptidylpeptidase-4(DPP-4)-Inhibitoren (SAVOR-TIMI 53, EXAMINE, TECOS), GLP-1-Rezeptoragonisten (ELIXA, LEADER, SUSTAIN-6) und SGLT-2-Inhibitoren (Empagliflozin). In der SAVOR-TIMI-53-Studie führte die Therapie mit Saxagliptin weder zu einem Anstieg noch zu einer Abnahme kardiovaskulärer Ereignisse, allerdings war die Rate von Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz erhöht [32 ]. Auch in den Studien EXAMINE, TECOS und ELIXA wurden keine Unterschiede im Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse zwischen der jeweiligen Verumgruppe und Placebo beobachtet [33 ]
[34 ]
[35 ]. Damit konnten sie den von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA geforderten Nachweis der kardiovaskulären Sicherheit erbringen.
Tab. 3
Übersicht abgeschlossener kardiovaskulärer Endpunktstudien mit neuen Antidiabetika gemäß regulatorischen Vorgaben seit 2008.
Studie
Patienten
N
Intervention
Mediane Follow-up-Dauer
Primärer Endpunkt
HR
(95 % KI)
SAVOR-TIMI 53 (20)
T2DM+CVD/CRF
HbA1c 6,5 – 12,0 %
16 492
Saxagliptin vs. Placebo
2,1 Jahre
MACE-3
1,00
(0,89 – 1,12)
EXAMINE (21)
T2DM+ACS
HbA1c 6,5 – 11,0 %
5380
Alogliptin vs. Placebo
1,5 Jahre
MACE-3
0,96
(1,16[1 ])
TECOS (22)
T2DM+CVD
HbA1c 6,5 – 8,0 %
14 671
Sitagliptin vs. Placebo
3,0 Jahre
MACE-4
0,98
(0,88 – 1,09)
ELIXA (23)
T2DM+ACS
HbA1c 5,5 – 11 %
6068
Lixisenatid vs. Placebo
2 Jahre
MACE-4
1,02
0,89 – 1,17
LEADER (24)
T2DM+CVD/CRF
HbA1c ≥ 7,0 %
9340
Liraglutid vs. Placebo
3,8 Jahre
MACE-3
0,87
(0,78 – 0,97)
SUSTAIN-6 (25)[2 ]
T2DM+CVD/CRF
HbA1c ≥ 7,0 %
3297
Semaglutid vs. Placebo
2,1 Jahre
MACE-3
0,74
(0,58 – 0,95)
EMPA-REG OUTCOME® (27)
T2DM+CVD
HbA1c 7,0 – 10 %
7020
Empagliflozin vs. Placebo
3,1 Jahre
MACE-3
0,86
(0,74 – 0,99)
ACS: Akutes Koronarsyndrom; CRF: kardiovaskuläre Risikofaktoren; CVD: kardiovaskuläre Erkrankung; HR: Hazard Ratio; KI: Konfidenzintervall; MACE-3: Zeit bis zum Auftreten von kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt oder nicht tödlichem Schlaganfall; MACE-4: MACE-3 + Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris; T2DM: Typ-2-Diabetes mellitus.
1 oberes Konfidenzintervall.
2 Phase-3-Zulassungsstudie, Testung auf Überlegenheit war nicht präspezifiziert.
Gegenüberstellung der Ergebnisse von kardiovaskulären Endpunktstudien mit neueren Antidiabetika
Mit Empagliflozin wurde erstmals in einer großen Endpunktstudie eine signifikante Senkung des relativen Risikos für den präspezifizierten primären Endpunkt MACE-3, Gesamtmortalität, Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz und renale Endpunkte bei Patienten mit T2DM und bestehender kardiovaskulärer Erkrankung gezeigt [22 ]
[30 ]
[31 ]. Für eine über drei Jahre behandelte Gesamtpopulation wies Empagliflozin eine Number Needed to Treat (NNT) von 39 auf, sodass pro 39 über drei Jahre mit Empagliflozin behandelte Patienten ein Todesfall verhindert werden konnte [22 ]. Auch in den später publizierten LEADER- und SUSTAIN-6-Studien konnte ein Vorteil der GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid und Semaglutid gegenüber Placebo für MACE-3 und renale Endpunkte demonstriert werden. Für Liraglutid und Semaglutid konnte jedoch keine signifikante Risikoreduktion für stationäre Aufnahmen wegen Herzinsuffizienz beobachtet werden; bei Semaglutid wurde zudem keine Risikoreduktion der Gesamtmortalität festgestellt ([Tab. 4 ]; [23 ]
[24 ]). Aus der LEADER-Studie ergibt sich für eine dreijährige Liraglutid-Behandlung eine NNT von 98 zur Vermeidung eines Todesfalls [23 ]. Als grundlegender Unterschied im Design dieser drei Studien ist zu beachten, dass in SUSTAIN-6 im Gegensatz zu EMPA-REG OUTCOME® und LEADER die Testung auf Überlegenheit im primären Endpunkt nicht präspezifiziert war und es sich um eine vor der Zulassung abgeschlossene Phase-3-Studie handelte. Ein weiterer Unterschied zwischen den Studien EMPA-REG OUTCOME® , LEADER und SUSTAIN-6 besteht im Hinblick auf das Vorhandensein kardiovaskulärer Risikofaktoren, kardiovaskulärer Vorerkrankung (z. B. akutes Koronarsyndrom, Herzinsuffizienz) und chronischer Nierenerkrankung bei den eingeschlossenen Patienten ([Tab. 3 ]). Darüber hinaus war die mediane Beobachtungszeit in SUSTAIN-6 mit 2,1 Jahren kürzer als bei EMPA-REG OUTCOME® mit 3,1 bzw. LEADER mit 3,8 Jahren ([Tab. 3 ]).
Tab. 4
Gegenüberstellung der Ergebnisse von kardiovaskulären Endpunktstudien mit Risikoreduktion beim primären Endpunkt MACE-3.
Endpunkt
EMPA-REG OUTCOME®
LEADER
SUSTAIN-6[1 ]
Empagliflozin[2 ]
Placebo2
Hazard Ratio[3 ]
Liraglutid2
Placebo2
Hazard Ratio3
Semaglutid2
Placebo2
Hazard Ratio3
MACE-3[4 ]
3,74
4,39
0,86 (0,74;0,99)
3,4
3,9
0,87 (0,78;0,97)
3,24
4,44
0,74 (0,58;0,95)
CV-Tod
1,24
2,02
0,62 (0,49;0,77)
1,2
1,6
0,78 (0,66;0,93)
1,29
1,35
0,98 (0,65;1,48)
Gesamtmortalität
1,94
2,86
0,68 (0,57;0,82)
2,1
2,5
0,85 (0,74;0,97)
1,82
1,76
1,05 (0,74;1,50)
n-t-MI
1,60
1,85
0,87 (0,70;1,09)
1,6
1,8
0,88 (0,75;1,03)
1,40
1,92
0,74 (0,51;1,08)
n-t-Schlaganfall
1,12
0,91
1,24 (0,92;1,67)
0,9
1,0
0,89 (0,72;1,11)
0,80
1,31
0,61 (0,38;0,99)
HHF
0,94
1,45
0,65 (0,50;0,85)
1,2
1,4
0,87 (0,73;1,05)
1,76
1,61
1,11 (0,77;1,61)
Neue oder sich verschlechternde Nephropathie[5 ]
4,78
7,60
0,61 (0,53;0,70)
1,5
1,9
0,78 (0,67;0,92)
1,86
3,06
0,64 (0,46;0,88)
CV = kardiovaskulär; HHF = Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz; MACE = schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (major adverse cardiovascular events); MI = Myokardinfarkt; n-t = nicht tödlicher.
1 SUSTAIN-6 ist im Gegensatz zu EMPA-REG OUTCOME® und LEADER eine Phase-3-Zulassungsstudie; die Testung auf Superiority war nicht präspezifiziert.
2 Ereignisse pro 100 Patientenjahre.
3 HR (95 % Konfidenzintervall).
4 war jeweils primärer Endpunkt (CV-Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder nicht tödlicher Schlaganfall).
5 Die Zusammensetzung dieses kombinierten Endpunkts variierte: EMPA-REG OUTCOME® : Neuauftreten einer Makroalbuminurie, Verdopplung des Serum-Kreatinins bei einer eGFR ≤ 45 ml/min/1,73 m2 , Beginn einer Nierenersatztherapie oder Tod aufgrund einer Nierenerkrankung; LEADER: Neuauftreten einer Makroalbuminurie, Verdopplung des Serum-Kreatinins bei einer eGFR ≤ 45 ml/min/1,73 m2 , Notwendigkeit einer andauernden Nierenersatztherapie oder Tod aufgrund einer Nierenerkrankung; SUSTAIN-6: anhaltende Makroalbuminurie, Verdopplung des Serum-Kreatinins bei einer Kreatinin-Clearance < 45 ml/min/1,73 m2 oder Beginn einer andauernden Nierenersatztherapie.
Gegenüberstellung der Ergebnisse weiterer kardiovaskulärer Endpunktstudien
Bei allen anderen bislang abgeschlossenen Studien zur kardiovaskulären Sicherheit (SAVOR-TIMI 53, EXAMINE, TECOS, ELIXA) lag die Obergrenze des Konfidenzintervalls für den primären Endpunkt (MACE-3 bzw. MACE-4) zwar unterhalb des von der FDA für Nichtunterlegenheit geforderten Werts von 1,3, jedoch konnte in keiner dieser Studien eine signifikante Senkung des kardiovaskulären Risikos durch die untersuchten Substanzen beobachtet werden [32 ]
[33 ]
[34 ]
[35 ]. Andere blutzuckersenkende Therapeutika aus der Gruppe der Thiazolidindione (Glitazone) und der DDP-4-Inhibitor Saxagliptin wurden mit einem erhöhten Risiko für Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz in Verbindung gebracht [32 ]
[36 ]. Im Vergleich zu den Studien SAVOR-TIMI 53, TECOS, EXAMINE, ELIXA, LEADER und SUSTAIN-6 zeigte EMPA-REG OUTCOME® die niedrigste auf das Jahr umgerechnete Rate an Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz [22 ]
[23 ]
[24 ]
[30 ]
[32 ]
[33 ]
[34 ]
[35 ].
Für die Substanzklasse der Sulfonylharnstoffe ist die Datenlage hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte widersprüchlich. So zeigte die UGDP-Studie Ende der neunziger Jahre für Tolbutamid gegenüber Placebo eine Erhöhung kardiovaskulärer Todesfälle, was zunächst zu Sicherheitsbedenken führte [37 ]. In UKPDS 33 und ADVANCE konnte später jedoch die kardiovaskuläre Sicherheit von Sulfonylharnstoffen gezeigt werden [38 ]
[39 ], und auch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013 bestätigte unter Einschluss von 115 randomisierten klinischen Studien keine Erhöhung des Risikos für MACE von Sulfonylharnstoffen gegenüber Vergleichstherapien [40 ]. Auch in der Gruppe der Glitazone ist die Datenlage heterogen. Zwar fand sich für Muraglitazar im FDA-Assessment ein Anhalt für eine potenzielle Erhöhung des kardiovaskulären Risikos [41 ], und auch Rosiglitazon zeigte ein erhöhtes Risiko für Myokardinfarkt und kardiovaskulären Tod [20 ], wohingegen die Open-Label-Daten aus RECORD keine Erhöhung von kardiovaskulären Todesfällen unter Rosiglitazon nachweisen konnten [42 ] und PROactive für Pioglitazon sogar eine signifikante 16 %ige Reduktion von MACE-3 als sekundärem Endpunkt ergab [43 ].
UKPDS zeigte für Insuline bei intensiver glykämischer Kontrolle eine Verbesserung mikrovaskulärer, jedoch nicht makrovaskulärer Endpunkte [44 ], und erst im Langzeit Follow-up über 10 Jahre ergab sich ein makrovaskulärer Benefit im Sinne einer Reduktion von Myokardinfarkten unter intensivierter glykämischer Kontrolle [16 ]. Insbesondere für hypoglykämische Episoden werden ungünstige Auswirkungen und Zusammenhänge mit kardiovaskulären Risiken diskutiert [45 ].
Zwischen den aktuellen Studien EMPA-REG OUTCOME® , LEADER und SUSTAIN-6, die allesamt eine signifikante Risikoreduktion im primären kombinierten Endpunkt MACE-3 zeigen konnten, bestanden allerdings Unterschiede im Beitrag der Einzelkomponenten. Im Gegensatz zu Liraglutid, bei dem in der LEADER-Studie alle drei MACE-Komponenten zu dem Ergebnis beitrugen, waren bei Empagliflozin in der EMPA-REG OUTCOME® -Studie der kardiovaskuläre Tod mit einer RRR von 38 % und bei Semaglutid in SUSTAIN-6 der nicht tödliche Schlaganfall mit einer RRR von 39 % die Komponenten mit dem stärksten Effekt ([Tab. 4 ]; [22 ]
[23 ]
[24 ]). In der EMPA-REG OUTCOME® -Studie waren nicht tödliche Myokardinfarkte und Schlaganfälle nicht signifikant verändert [22 ]
[46 ]. Auch hinsichtlich renaler Outcomes unterschieden sich diese Studien mit einem ausgeprägteren Benefit unter Empagliflozin (RRR 39 % in EMPA-REG OUTCOME® ) und Semaglutid (RRR 36 % in SUSTAIN-6) als unter Liraglutid (RRR 22 % in LEADER), wobei die genaue Definition des kombinierten Nephropathie-Endpunktes geringfügig zwischen den Studien variierte ([Tab. 4 ]; [23 ]
[24 ]
[31 ]).
Bei der EMPA-REG OUTCOME® -Studie lässt die frühzeitige Trennung der Ereigniskurven bei den Endpunkten kardiovaskulärer Tod, Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz und Gesamtmortalität zwischen Empagliflozin und Placebo ([Abb. b ], [2b ]) einen wesentlichen Effekt eines nicht HbA1c -basierten Mechanismus vermuten.
Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Empagliflozin in der EMPA-REG OUTCOME® -Studie
In der EMPA-REG OUTCOME® -Studie war der Anteil der Patienten mit UE, schwerwiegenden UE und UE, die zum Absetzen der Studienmedikation führten in allen Armen vergleichbar. Auch die Häufigkeit der unter SGLT-2-Inhibition auftretenden diabetischen Ketoazidose war in den beiden Empagliflozin-Gruppen und der Placebo-Gruppe vergleichbar ([Tab. 2 ]). Eine umfassende Sicherheitsanalyse von Empagliflozin zeigte anhand gepoolter Daten von über 12 000 Patienten aus 17 Studien der Phasen I–III (zuzüglich 6 Verlängerungsstudien), die auf Placebo, Empagliflozin 10 mg oder 25 mg randomisiert waren, eine in allen drei Gruppen vergleichbare Gesamtinzidenz von UE, schwerwiegenden UE, schweren UE und UE, die zum Abbruch der Studienmedikation führten [47 ]. Empagliflozin war im Vergleich zu Placebo mit keiner höheren Inzidenz von Hypoglykämien assoziiert, außer in Kombination mit Sulfonylharnstoff oder Insulin. Die Häufigkeit von diabetischer Ketoazidose war in dieser Metaanalyse vergleichbar für Empagliflozin und Placebo (Anteil der betroffenen Patienten: Empagliflozin 10 mg [0,1 %] und 25 mg [< 0,1 %], Placebo [0,1 %]) [47 ]. Die Ergebnisse zu den Sicherheitsendpunkten sind somit in dieser Metaanalyse und der EMPA-REG OUTCOME® -Studie konsistent und bestätigen ein günstiges Risiko-Nutzen-Profil von Empagliflozin.
Potenzielle Wirkmechanismen
Über welchen Mechanismus bzw. welche Mechanismen die protektive Wirkung von Empagliflozin auf das kardiovaskuläre sowie renale Risiko vermittelt wird, ist bisher nicht geklärt. Generell führt Empagliflozin zur Blutzuckersenkung, indem es die renale Glukoserückresorption verringert und somit eine verstärkte Glukoseausscheidung über den Urin bewirkt. Darüber hinaus wurde mit Empagliflozin eine positive Wirkung auf Blutdruck, Gewicht, viszerale Adipositas, Hyperinsulinämie, arterielle Steifigkeit, Albuminurie, zirkulierende Harnsäurekonzentration und oxidativen Stress beobachtet [48 ]. Insbesondere die frühzeitige Risikoreduktion von kardiovaskulärem Tod, stationären Aufnahmen wegen Herzinsuffizienz sowie neuer oder sich verschlechternder Nephropathie nach Therapiebeginn deuten darauf hin, dass diese Effekte eher hämodynamischer Natur sind und nicht auf eine Vermeidung von Atherosklerose zurückführbar sein dürften [49 ]. Ebenfalls denkbar ist ein Zusammenspiel mehrerer Wirkmechanismen.
Die SGLT-2-Inhibition führt nicht nur zur Hemmung der Rückresorption von Glukose, sondern auch von Natrium. Es wird vermutet, dass dadurch eintretende renale hämodynamische Effekte für die Nephroprotektion verantwortlich sein könnten [50 ]. Infolge der erhöhten Glukosemenge im Primärharn kommt es bei Patienten mit Diabetes mellitus zu einer Hochregulation der SGLT-2-Expression. Eine erhöhte Zahl von SGLT-2-Molekülen würde aufgrund des Co-Transports von Natrium und Glukose in einer verminderten Natriummenge an der Macula densa resultieren. Dies könnte über ein tubulo-glomeruläres Feedback eine Dilatation des glomerulären Vas afferens mit konsekutiver intraglomerulärer Druckerhöhung und renaler Hyperfiltration erklären. Diese Hyperfiltration entspräche auch den frühen Zeichen einer diabetischen Nephropathie und dieser könnte durch SGLT-2-Inhibition entgegengewirkt werden, da vermehrt Natrium zur Macula densa gelangen würde. Dies könnte über ein tubulo-glomeruläres Feedback die Verengung des glomerulären Vas afferens bewirken und würde damit zu einer Normalisierung des intraglomerulären Drucks und Reduktion der Hyperfiltration führen. Eine Abschwächung der renalen Hyperfiltration konnte bei Patienten mit Typ-1-Diabetes gezeigt werden [51 ]. Die in der EMPA-REG OUTCOME® -Studie beobachtete langsamere Progression der Niereninsuffizienz und niedrigere Rate an Nephropathien in der Empagliflozin-Gruppe gegenüber Placebo ist von besonderer klinischer Bedeutung, da Diabetes mellitus die häufigste Ursache für die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz in vielen Teilen der Welt ist [10 ]
[11 ]
[12 ].
Die Kombination aus vermehrter Ausscheidung von Glukose, Natrium und Wasser sowie normalisiertem tubulo-glomerulären Feedback könnte den kardialen und renalen Benefit der SGLT-2-Hemmung erklären: Indem der Flüssigkeitsverlust durch die Ausscheidung von Glukose und Natrium über den Urin erhöht wird, kommt es außerdem zur Senkung von intravaskulärem Volumen und systolischem Blutdruck sowie zu einer signifikanten Erhöhung des Hämatokrits. Diese Veränderungen reduzieren kardiale Stressfaktoren und verbessern möglicherweise zusätzlich die myokardiale Sauerstoffverfügbarkeit. Daraus ergäbe sich eine Entlastung des Herzens und somit eine Verbesserung der systolischen und diastolischen Funktion, eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit für Lungenödeme und somit eine Risikoreduktion für Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz und tödlich verlaufende Arrhythmien. Eine Verbesserung der kardialen Funktion könnte wiederum zu einer besseren Nierendurchblutung und Nierenfunktion führen [52 ].
Ein weiterer Erklärungsansatz für den kardio-renalen Nutzen liegt in einer günstigen Beeinflussung der kardialen Energienutzung, beispielsweise über Ketonkörper, die unter SGLT-2-Hemmung vermehrt auftreten können („Thrifty Substrate“- oder „Fuel“-Hypothese) [53 ]
[54 ]
[55 ].
Übertragbarkeit der Ergebnisse der EMPA-REG OUTCOME® -Studie
Ob die in der EMPA-REG OUTCOME® -Studie gewonnenen Erkenntnisse auf andere SGLT-2-Inhibitoren übertragbar sind, werden derzeit noch laufende Studien zu Dapagliflozin (DECLARE-TIMI58, NCT01 730 534), Canagliflozin (CREDENCE, NCT02 065 791) und Ertugliflozin (VERTIS, NCT01 986 881) zeigen, deren Ergebnisse 2017 – 2020 erwartet werden. Eine Metaanalyse mit 11 292 Patienten aus acht Phase-3-Studien weist darauf hin, dass auch bei Patienten mit geringem oder mittlerem kardiovaskulären Risiko Empagliflozin im Vergleich zu Placebo zu einer Risikoreduktion bei MACE-3 (HR 0,66; 95 % KI: 0,39; 1,12) und MACE-4 (HR 0,59; 95 % KI: 0,36; 0,95) führen könnte [57 ].
Fazit
Zusammenfassend steht mit Empagliflozin eine Therapieoption zur Verfügung, mit der das kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit T2DM und kardiovaskulärer Vorerkrankung reduziert werden kann. Aufgrund der Ergebnisse aus der EMPA-REG OUTCOME® -Studie wie auch anderer Antidiabetika mit positiven Ergebnissen aus kardiovaskulären Endpunktstudien ist ein erheblicher Einfluss auf die zukünftige Wahl der Therapiestrategien bei T2DM anzunehmen. Dies spiegelt sich bereits durch die Erwähnung von Empagliflozin in den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Kanadischen (CDA) und Amerikanischen (ADA) Diabetes-Gesellschaften, der Amerikanischen Endokrinologie-Gesellschaften (AACE/ACE) wie auch in zwei Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) wider [58 ]
[59 ]
[60 ]
[61 ]
[62 ]
[63 ].
Aufgrund der vorliegenden Daten können vor dem Hintergrund des hohen kardiovaskulären Risikos und der potenziell schlechten Prognose für Niereninsuffizienz Patienten mit T2DM in vielfältiger Hinsicht von Empagliflozin profitieren, da die Substanz nicht nur das Risiko für kardiovaskulären Tod, Gesamtmortalität und Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz senkt, sondern sich auch positiv auf renale Endpunkte und die Erhaltung der glomerulären Filtrationsrate auswirkt. Die besondere Bedeutung der positiven Ergebnisse der EMPA-REG OUTCOME® -Studie wird auch dadurch deutlich, dass Empagliflozin als erstes Antidiabetikum vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einen beträchtlichen Zusatznutzen bei Typ-2-Diabetikern mit kardiovaskulärer Vorerkrankung in der oralen Zwei-, Drei- und Mehrfach-Kombinationstherapie sowie der Add-on-Therapie mit Insulin zuerkannt bekam [64 ].
Addendum
Kürzlich wurden die Ergebnisse zu den gepoolten CANVAS-Studien, CANVAS und CANVAS-R, publiziert. Diese sich im Studiendesign, der Studienpopulation und den präspezifizierten Endpunkten von der EMPA-REG OUTCOME® -Studie unterscheidende Studie zeigte für Canagliflozin eine Superiority für MACE-3. Hinsichtlich anderer Endpunkte gab es jedoch teils signifikant abweichende Ergebnisse im Vergleich zur EMPA-REG OUTCOME® -Studie [65 ].