neuroreha 2017; 09(02): 94-95
DOI: 10.1055/s-0043-107130
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Veranstaltungsbericht

Stefan-Hesse-Gedenksymposium 14. Januar 2017
Jan Mehrholz
1   Private Europäische Medizinische Akademie der Klinik Bavaria in Kreischa GmbH, An der Wolfsschlucht 1–2; 01731 Kreischa
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Publication History

Publication Date:
09 June 2017 (online)

Anlässlich des viel zu frühen Todes von Herrn Prof. Dr. med. Stefan Hesse ([Abb. 1]) wurde im Medical Park Berlin am 14. Januar 2017 ein Gedenksymposium zu seinen Ehren veranstaltet.

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Abb. 1 Prof. Dr. med. Stefan Hesse (1960–2016) setzte sich bis zu seinem Tod engagiert für eine moderne Neurorehabilitation ein und publizierte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten. (Foto: Jan Mehrholz)

Prof. Dr. med. Stefan Hesse war nicht nur Wegbereiter, wissenschaftlicher Vordenker, Motor der modernen Neurorehabilitation, sondern ebenso ein innovativer und produktiver klinischer Querdenker. Stefan Hesse publizierte zahlreiche wissenschaftliche Artikel zur Neurorehabilitation. Er etablierte innovative Therapieideen wie Endeffektorgeräte zur elektromechanisch assistierten Gangrehabilitation oder entwickelte einen Armroboter für Patienten nach Schlaganfall.

Er engagierte sich als Neurologe nicht allein medizinisch, sondern setzte sich ebenso für motorische Ansätze in der Neurorehabilitation ein. Er unterstützte Therapeuten in der Neurorehabilitation wissenschaftlich, förderte und motivierte, alles im Sinne der besseren klinischen Versorgung von Patienten.

Im Januar trafen sich nun mehr als 100 Teilnehmer, um Professor Stefan Hesses zu gedenken sowie die wissenschaftlichen Meilensteine seiner Karriere zu würdigen.

Das Programm begann mit Professor Dr. K. H. Mauritz, China, der in einer sehr schönen, umfassenden Übersicht die wissenschaftlichen und klinischen Meilensteine von Professor Hesse beschrieb ([Abb. 2]). Beginnend mit den Anfängen von Herrn Hesse als Oberarzt in der Klinik Berlin hin zu seiner wissenschaftlichen Karriere (die Ganganalyse, fokale Spastiktherapie, Hilfsmittelversorgung sowie auch die Entwicklung des Lokomotionstraining). Als ein wichtiges Verdienst ist sicherlich die internationale Etablierung der Lokomotionstherapie auf dem Laufband zu nennen oder eben auch die Entwicklung von Maschinen, Geräten zur Gang- und Armrehabilitation. Professor Mauritz würdigte dabei nicht allein die Verdienste als Wissenschaftler, sondern ebenso den Menschen Stefan Hesse.

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Abb. 2 Prof. Dr. K. H. Mauritz (Foto: Jan Mehrholz)

Anschließend trug Professor Dr. J. Mehrholz, Kreischa, zur Etablierung und zu den Evidenzen der Lokomotionstherapie vor ([Abb. 2]). Gezeigt wurde die derzeitige wissenschaftliche Evidenz der Lokomotionstherapie (Stand Januar 2017). Derzeit gibt es insgesamt 36 randomisierte kontrollierte Studien mit ungefähr 1500 Patienten, die in einer systematischen Übersichtsarbeit eingeschlossen wurden. In der Metaanalyse zeigt sich, dass jede 7. Gehbehinderung nach Schlaganfall durch elektromechanisch assistiertes Gehtraining vermeidbar ist. Die Effektivität ist auch abhängig von bestimmten Geräten. Insbesondere die von Herrn Hesse entwickelten Endeffektorgeräte zeigen sich im indirekten Vergleich gegenüber Exoskelett-Robotern sowohl hinsichtlich einer Verbesserung der Gehgeschwindigkeit als auch der Gehstrecke überlegen.

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Abb. 3 Prof. Dr. J. Mehrholz (Foto: Jan Mehrholz)

Darauf folgte ein Vortrag zur Zukunft des Lokomotionstrainings durch Herrn H. Schmidt, Berlin ([Abb. 4]). Er beschrieb die neuen technischen Möglichkeiten wie die Verwendung von Markern und großen Datensätzen zur Kontrolle, Messung und zum Assessment von Gangparametern in elektromechanischen Gerätesystemen. Über ausgeklügelte Rückmeldesysteme in Fußplatten können beispielsweise Daten in Echtzeit übertragen, analysiert und therapeutisch genutzt werden.

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Abb. 4 H. Schmidt (Foto: Jan Mehrholz)

Anschließend erläuterte Professor Dr. J. Wissel, Berlin, das Thema Botulinumtoxin in der Neurorehabilitation ([Abb. 5]). Er spannte den Bogen von den ersten Studien zum Thema – von Herrn Hesse bereits Anfang der 1990er-Jahre publiziert – bis hin zur etablierten Behandlung der fokalen Spastik. Erläutert wurden der exakte Wirkmechanismus des Toxins und die besondere Wirksamkeit bei der Behandlung von Schmerzen nach Schlaganfall.

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Abb. 5 Prof. J. Wissel (Foto: Jan Mehrholz)

Herr Dr. R. Buschfort berichtete über die Etablierung moderner gerätegestützter Therapie der oberen Extremität und die erfolgreiche klinische Implementierung von Armstudios/Armstübchen. Dabei werden gleich mehrere Geräte in einem Raum aufeinander abgestimmt und als Therapie für die obere Extremität angeboten.

Herr Professor Dr. T. Platz, Greifswald ([Abb. 6]), beleuchtete mit seiner Übersicht aktuelle Konzepte und therapeutische Optionen zur Armrehabilitation nach Schlaganfall. Er zeigte, dass die Studienlage für zusätzliche Armtherapie nicht eindeutig ist und dass vor allem spezifische Armtherapien sinnvoll sind. Erfreulich ist, dass mittlerweile eine Reihe an Therapien wie Spiegeltherapie, roboterassistiertes Üben und der schädigungsorientierte Ansatz wissenschaftlich fundiert sind.

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Abb. 6 Prof. Dr. T. Platz (Foto: Jan Mehrholz)

Herr Dr. T. Schauer beschrieb die Möglichkeiten funktioneller Elektrostimulation. Besonders eindrucksvoll: selbstlernende Ganganalysemodule, die, am Körper getragen, innerhalb von nur wenigen Schritten die Bewegung erfassen und in Echtzeit funktionell elektrostimulierend Korrekturen bewirken.

In der Mittagspause wurde festlich das „Stefan-Hesse-Haus“ eingeweiht. Aus diesem Anlass wurde ein eigens angefertigtes Gemälde enthüllt ([Abb. 1]).

Nach der Pause betonte Professor Dr. M. Pohl, Pulsnitz, die Herausforderungen der Frührehabilitation auf der Intensivstation. Er mahnte auch die damit verbundenen neuen Herausforderungen ethischer Art (Palliation) oder der Beatmungsentwöhnung an.

Herr Dr. Jawari ([Abb. 7]) berichtete über die nichtinvasive Hirnstimulation bei Patienten mit schweren Bewusstseinsstörungen. Er zeigte in mehreren anschaulichen Videos die Anwendung verschiedener Arten der Hirnstimulation zur Verbesserung der Wachheit.

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Abb. 7 Dr. Jawari (Foto: Jan Mehrholz)

Frau Dr. I. Melzer zeigte im Anschluss, dass eben auch komplementäre Therapieansätze in der Neurorehabilitation oftmals sehr sinnvoll sein können.

Nach der Kaffeepause trug Professor Dr. Liebetanz neueste Entwicklungen zur Fazilitation des zentralparetischen Muskels mit Tetanustoxin vor. Auf diesem Gebiet hatte Herr Hesse erste Studien initiiert. Die Idee ist, mittels Tetanustoxin wichtige Agonisten zu stimulieren.

Zum Abschluss des Symposiums beschrieb der designierte 1. Vorsitzende der DGNR, Professor Dr. T. Mokrusch, Lingen, die zukünftige „Reise“ der Neurorehabilitation.

Ein bewegendes und würdevolles Symposium zu Ehren eines bedeutenden Wissenschaftlers, Klinikers und Motors der modernen Neurorehabilitation.