PSYCH up2date 2017; 11(06): 509-525
DOI: 10.1055/s-0043-106978
Essstörungen, somatische Belastungsstörungen, Schlafstörungen und sexuelle Funktionsstörungen

Krankheitsbewältigung bei Tinnitus

Burkard Jäger
,
Gerhard Armin Goebel
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Tinnitus ist unangenehm und nervig – führt teilweise aber auch zu großer Verzweiflung bis hin zu schweren depressiven Symptomen. Die Planung einer Behandlung beginnt mit der sorgfältigen Evaluation der Folgesymptome. Eine sachgerechte Beratung über das Krankheitsbild, verbunden mit einer optimistischen Entkatastrophisierung, Hinweise zu günstiger Krankheitsbewältigung und ggf. die Behandlung psychischer Komorbidität bilden den Kern der Therapie.

Kernaussagen
  • Chronischer Tinnitus ist nur im dekompensierten Fall eine schwerwiegende Erkrankung, in der absoluten Mehrzahl der Fälle liegt ein kompensierter, gut tolerierter und bewältigter Tinnitus vor.

  • In ca. 10% der Fälle bestehen nach 2 Jahren noch behandlungsbedürftige Folgesymptome des Tinnitus, wie z. B. schwere Schlafstörungen, depressive Verstimmungen oder Ängste.

  • In diesen Fällen (und auch zur Sekundärprävention einer Dekompensation!) sollte zunächst ein ausführliches „Counseling“ versucht werden. In diesem werden die möglichen Zusammenhänge zu Folgesymptomen sachlich erklärt, es wird ein günstiger Umgang damit empfohlen und ggf. eine Behandlung einer psychischen Symptomatik angeregt.

  • Ist dies nicht ausreichend, kann eine ambulante oder stationäre Bewältigungstherapie des dekompensierten Tinnitus veranlasst werden. Hierzu gibt es bewährte Konzepte, z. T. unter Einbeziehung von technischen Hörhilfen oder einer akustischen „Maskierung“ des Tinnitus (z. B. die „Tinnitus-Retraining-Therapie“).

  • In seltenen Fällen bedarf der Patient auch einer – in der Regel – stationären psychosomatischen oder psychiatrischen Therapie, ggf. auch mit Unterstützung einer psychopharmakologischen Behandlung.

  • Die unter der Regie der AWMF [2] erstellten Leitlinien fassen das bestehende Wissen zum Tinnitus umfänglich zusammen. Sie bieten den Therapeuten wie auch den Patienten eine gute Orientierung in einem manchmal unübersichtlichen Markt nicht immer seriöser Angebote und Heilungsversprechen.

  • Die Therapie des dekompensierten Tinnitus ist ein gutes Beispiel dafür geworden, dass Krankheitsbewältigung oft gelernt werden muss, in aller Regel aber gelernt werden kann.



Publication History

Publication Date:
16 November 2017 (online)

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York