ergopraxis 2017; 10(09): 14-16
DOI: 10.1055/s-0043-106274
Wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
01 September 2017 (online)

 

Einflüsse berücksichtigen und Strategien entwickeln - Klientenzentrierung und Handlungsorientierung

Zwei zentrale Leitgedanken der Ergotherapie sind Klientenzentrierung und Handlungsorientierung. Mit der Forderung nach mehr Patientensouveränität und dem Wunsch nach betätigungsorientierten Behandlungsansätzen stellt sich die Frage, ob Ergotherapeuten die theoretischen Konstrukte praktisch umsetzen. Linda Schulte, Oliver Sturmhöfel und Lena Andres von der Zuyd Hogeschool in Heerlen, NL, fanden in ihrer Bachelorarbeit Folgendes heraus: Ob und wie stark Ergotherapeuten die Leitgedanken umsetzen, ist von Praxiskontext, Gesundheitssystem und Klienten abhängig. Ergotherapeuten müssen sich dieser Einflüsse bewusst sein, um Strategien entwickeln zu können, die es ermöglichen, die Leitgedanken umzusetzen.

Die Studenten untersuchten bezogen auf die stationäre neurologische Rehabilitation, ob und wie Ergotherapeuten die Leitgedanken der Ergotherapie umsetzen. Dazu führten sie eine Literaturrecherche in Datenbanken wie CINAHL durch, um den theoretischen Hintergrund aufzuarbeiten. Mit ihren Erkenntnissen entwickelten sie einen Leitfaden für Experteninterviews. Dafür rekrutierten sie acht Ergotherapeuten. Als Einschlusskriterien mussten die Teilnehmer in der stationären Neurologie in den Reha-Phasen B, C oder D arbeiten und sich mit den Definitionen von Handlungsorientierung und Klientenzentrierung identifizieren können. Alle Teilnehmer hatten Ergotherapie studiert und sich intensiv mit den Leitgedanken auseinandergesetzt. Die Interviews dauerten zwischen 50 und 90 Minuten und fanden am Arbeitsplatz der Teilnehmer statt.

Die Auswertung zeigt, dass die befragten Experten die Leitgedanken vor dem Hintergrund des Professionellen Reasonings umsetzen. Sie wenden alle Reasoning-Formen in unterschiedlicher Ausprägung an. Beispielsweise nutzen sie das Prozedurale Reasoning, um sich auf Grundlage der Diagnose und der Wünsche des Klienten für einen Behandlungsansatz zu entscheiden. Zusätzlich beeinflussen drei weitere Faktoren die Umsetzung der Leitgedanken:

  • Klienten: Gesundheitliche Beeinträchtigungen und die damit einhergehende Aufenthaltsdauer bestimmen die Therapie.

  • Praxiskontext: Fehlende zeitliche und personelle Ressourcen beeinträchtigen die Umsetzung.

  • Gesundheitssystem: Vorgaben der Kranken- und Rentenversicherungen beeinflussen die Umsetzung, zum Beispiel durch eine immer kürzere Aufenthaltsdauer.

Zusammengefasst bewirken die Einflussfaktoren eine Diskrepanz zwischen dem theoretischen Verständnis der Leitgedanken und ihrer praktischer Umsetzung. Die Forscher fordern ergotherapeutische Ausbildungseinrichtungen dazu auf, sich mit den Leitgedanken zu beschäftigen und diese an ihre Schüler weiterzugeben. Damit können Ergotherapeuten ihre Kernkompetenzen hervorheben und zur Professionalisierung des Berufes beitragen.

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ergoscience 2017; 12: 3–10

TAB.

Professional Reasoning ist das Zusammenspiel kontextabhängiger Prozesse der Informationsaufnahme, des Denkens und des Entscheidens. Es umfasst alle Reasoning-Formen.

Reasoning-Form

Erläuterung

Procedural Reasoning

  • umfasst alle Denkprozesse, die sich mit der Befundaufnahme, Intervention und Evaluation beschäftigen

Interactive Reasoning

  • fokussiert die Beziehung zwischen Therapeutin und Klient, das Verständnis des Klienten und seiner individuellen Sichtweisen

Conditional Reasoning

  • beschäftigt sich mit dem Verständnis der derzeitigen Situation des Klienten und möglichen Veränderungschancen, Zielen und Voraussetzungen

Narrative Reasoning

  • wird als grundlegende Form angesehen, Erfassen von Informationen des Klienten durch Erzählungen (Storytelling, Storymaking)

Pragmatic Reasoning

  • fokussiert die Umwelt, in der die Beziehung zwischen Klient und Therapeutin stattfindet, sowie deren hindernde/fördernde Faktoren

ergoscience 2017; 12: 3–10


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Professional Reasoning

Clinical Reasoning bezeichnet Denk- und Entscheidungsprozesse, die als die wichtigsten Elemente therapeutischen Handelns gelten. Denn Ergotherapeuten müssen ihr Vorgehen immer individuell auf einen Klienten abstimmen, um die passende Intervention zu finden und diese auch verantworten zu können. Dabei ersetzt die internationale Literatur „Clinical Reasoning“ zunehmend durch „Professional Reasoning“. Dieser Begriff ist nicht mehr an das klinische Setting gebunden. Er berücksichtigt auch weitere Arbeitsfelder von Ergotherapeuten wie Kindergärten, Schulen oder die Betriebliche Gesundheitsförderung.

ergopraxis 2015; 4: 18–23


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Kognitive Leistungen nach Schlaganfall steigern - Neurofeedback

Haben Menschen nach einem Schlaganfall kognitive Einschränkungen, können Sie von Neurofeedback profitieren. Zu diesem Ergebnis kam ein interdisziplinäres Forschungsteam um Dr. Jane Topolovec-Vranic vom Fachbereich für Ergotherapie und Occupational Science der Universität Toronto, Kanada.

In ihrer systematischen Übersichtsarbeit werteten die Forscher acht Studien aus, welche die Wirkung von Neurofeedback auf die kognitiven Leistungen von Klienten nach Schlaganfall untersuchten. Die Arbeiten hatten sie in gängigen Datenbanken wie OVID oder Medline recherchiert. Laut Ergebnissen untersuchten bisher nur wenige Studien, wie sich das Neurofeedback auf die kognitiven Leistungen von Klienten nach Schlaganfall auswirkt: Eine RCT-Studie, zwei kontrollierte Interventionsstudien und fünf Fallstudien ließen sich hierzu finden. Die meisten Studien kamen zu positiven Ergebnissen. Demnach steigern sich die kognitiven Leistungen der Betroffenen infolge der Neurofeedback-Behandlung mäßig. Dabei können die Klienten ihre Gedächtnisleistungen, Konzentrations-, Lese- und Sprachfähigkeit verbessern. Ebenso kann sich die Behandlung positiv auf ihre Stimmung, Motivation und Energie auswirken.

Aus Sicht der Forscher liefert ihre Arbeit erste Belege dafür, dass Neurofeedback eine evidenzbasierte Intervention für die kognitive Rehabilitation von Klienten nach Schlaganfall darstellt. Da viele der einbezogenen Studien methodische Schwächen und ein niedriges Evidenzlevel besitzen, sollten Ergotherapeuten die dargestellten Ergebnisse allerdings mit Vorsicht interpretieren. Die Forscher sehen Bedarf an Studien mit hoher methodischer Qualität, um die Ergebnisse weiter zu untermauern und die Langzeiteffekte des Neurofeedbacks zu untersuchen.

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PLoS One 2017; 12: e0177290


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Seitliches Gehtraining verbessert Gangbild und Asymmetrie - Hemiplegie nach Schlaganfall

Welchen Einfluss hat es, wenn man seitliches Gehen oder Rückwärtsgehen in die Therapie von Menschen mit Hemiplegie nach Schlaganfall einbaut? Um das zu testen, untersuchten koreanische Forscher 51 Patienten. Diese verteilten sie gleichmäßig auf drei Gruppen: 17 in eine Trainingsgruppe mit Rückwärtslaufen, 17 in eine Trainingsgruppe mit seitlichem Gehen und 17 in eine Kontrollgruppe. Um die Gangparameter zu messen, nutzten die Wissenschaftler den 10-Meter-Gehtest sowie den GAITRite, ein System, bei dem der Proband über einen Teppich geht und das Programm Informationen zu Ganggeschwindigkeit, -ablauf, Schrittweite, -länge und Schwankungen liefert.

Die Resultate der seitlichen Gehtrainingsgruppe zeigten im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen signifikante Verbesserungen der Gehgeschwindigkeit und der Schrittlänge sowie verringerte Werte beim 10-Meter-Gehtest und in der Zweibeinstandphase.

Zusätzlich war das Gangbild deutlich symmetrischer. Demnach sollten Therapeuten bei Patienten mit Hemiplegie nach Schlaganfall ein zusätzliches Gangtraining mit seitlichem Aspekt in die Behandlung aufnehmen.

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Am J Phys Med Rehabil 2017; 96: 61–67


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Neurofeedback

Neurofeedback stellt eine besondere Form des Biofeedbacks dar. Der Nutzer erhält über das Elektroenzephalogramm (EEG) eine visuelle oder auditive Rückmeldung zu seiner Gehirnaktivität. Dieses Feedback kann er nutzen, um seine Gehirnaktivität zu beeinflussen und an verschiedene Trainingsziele anzupassen. Auf diese Weise kann er auch der stark verlangsamten Aktivität der Theta- oder Alphawellen entgegenwirken, die typischerweise nach einem Schlaganfall auftritt.

PLoS One 2017; 12: e0177290


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4,5 Stunden

bleiben nach einem Schlaganfall, um mittels Lysetherapie eine bis zu 26 Prozent höhere Chance zu erhalten, den Apoplex ohne schwere Behinderungen zu überleben. Wer innerhalb von drei Stunden behandelt wird, erhöht seine Chance auf bis zu 75 Prozent.

Lancet 2014; 384: 1929–1935


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