Einleitung
Die Livedovaskulopathie ist eine seltene Vaskulopathie kleiner und mittlerer Hautgefäße.
Ursächlich sind thrombembolische Verschlüsse kleiner Hautgefäße. Diese führen zu einer
gezackten, blitzförmigen Livedozeichnung, bedingt durch einen venösen Rückstau und
stark schmerzhaften Erosionen oder Ulzerationen. Die Hautläsionen heilen unter der
Bildung flacher, depigmentierter Narben aus (Atrophie blanche) [1]. Mit einer Inzidenz von unter 1/100 000 ist die Erkrankung selten und betrifft vorwiegend
jüngere Erwachsene (15 bis 40 Jahre) [2]. Aufgrund schwerer chronisch-rezidivierender Verläufe wurden in der Vergangenheit
Immunsupressiva wie Prednisolon und Azathioprin [3] oder IVIG [4] eingesetzt, um die Livedovaskulopathie zu kontrollieren. Trotzdem konnten häufig
keine stabilen Remissionen erreicht werden. In den letzten Jahren wurde die Wirksamkeit
verschiedener Antikoagulantien beschrieben. Dazu gehören niedermolekulare Heparine
[5] und insbesondere Faktor Xa-Inhibitoren wie Tinzaparin (Innohep®) und später auch Rivaroxaban (Xarelto®) [6].
Kasuistik
Die stationäre Aufnahme des 30-jährigen Patienten W. erfolgte aufgrund akut aufgetretener
Nekrosen und Erytheme des linken, dorsalen Unterschenkels verbunden mit stärksten
Schmerzen bei Belastung (10/10 visuelle Analogskala, VAS). Er berichtete, dass sich
drei Wochen vor stationärer Aufnahme erstmals erythematöse Papeln mit weißlichem Hof
am Unterschenkel links entwickelt hätten. Ambulant wurde unter dem Verdacht auf eine
Borelliose eine Antibiose mit Amoxicillin eingeleitet. In der Folge entwickelte sich
ein Erythem, welches sich zunehmend ausbreitete und seröse Exsudationen. Nach erneuter
hausärztlicher Vorstellung folgte die Überweisung zum niedergelassenen Dermatologen
und in der Folge die stationäre Einweisung unter dem Verdacht auf ein Erysipel.
Befunde
Bei der Untersuchung der Hautbefunde zeigte sich am Unterschenkel links, dorsal über
der Wade ein kreisrundes Erythem und stellenweise eine weißliche, atrophe Abblassung
der Haut. Zusätzlich fielen blitzförmige Nekrosen mit teilweiser, oberflächlicher
Bläschenbildung auf ([Abb. 1]). Des Weiteren zeigten sich an beiden Unterschenkeln zirkulär verlaufende, bräunlich,
makulöse Pigmentierungen, klinisch im Sinne einer postinflammatorischen Hyperpigmentierung.
Diese bestanden anamnestisch seit ca. vier Jahren. In der übrigen körperlichen Untersuchung
zeigten sich keine auffälligen Befunde.
Abb. 1 Hautbefund der Wade mit Livedozeichnung und Ulzerationen vor Beginn der Therapie.
Laborchemisch fielen eine Leukozytose: 15,15 GPt/l (Referenz: 3,8 – 9,8 GPt/l), erhöhtes
CRP: 76,8 mg/l (Referenz: < 5,0 mg/l) und vermehrte D-Dimere: 1634 ng/ml (Referenz:
< 500 ng/ml) auf. Die Borrelien-Serologie war negativ.
Kompressionssonografisch konnte eine Beinvenenthrombose ausgeschlossen werden. Hinweise
auf eine chronisch venöse Insuffizienz fanden sich nicht.
Antinukleäre Antikörper (ANAs) fielen in der indirekten Immunfloreszenz mit einem
Titer von 1 : 320 positiv aus. Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCAs)
konnten nicht nachgewiesen werden.
Die diagnostische Exzision vom Unterschenkel links wies zentral eine nahezu vollständige
Nekrose der Epidermis auf, die zu einer teilweisen Ablösung bzw. Spaltbildung geführt
hatte. Im Stratum papillare waren erhebliche Erythrozytenextravasate und kleine ektatische
kapilläre Gefäße erkennbar. Daneben zeigten sich geringe oberflächliche und tiefe
perivaskuläre lymphohystiozytäre Entzündungsinfiltrate mit Beimengung einzelner Neutrophiler.
An der Korium-Subkutis-Grenze fand sich ein größeres Gefäß, das eine Okklusion des
Lumens durch Fibrin, Erythrozyten und Entzündungszellen aufwies. In der direkten Immunfloreszenz
zeigten sich in den Gefäßen Ablagerungen von IgM und vereinzelt C3.
Zusammenfassend konnte aufgrund der Histologie und des typischen klinischen Bildes
die Diagnose einer Livedovaskulopathie gestellt werden.
Therapie und Verlauf
Nach aktueller Studienlage [6] leiteten wir eine Antikoagulation mit Rivaroxaban (Xarelto®) 10 mg zweimal täglich ein. In Kombination mit einer desinfizierenden Lokaltherapie
zeigte sich bereits im stationären Verlauf eine Besserung des Hautbefundes und der
Schmerzsymptomatik. Die Dosis des Rivaroxaban wurde nach Sistieren der Schmerzen auf
10 mg einmal täglich reduziert. Diese Dosis wird seither als Dauertherapie fortgeführt.
Drei Monate nach Entlassung stellte sich der Patient im Rahmen einer Nachkontrolle
erneut bei uns vor. An der Wade zeigte sich narbig, atrophierte Haut ohne frische
Ulzerationen oder Erytheme ([Abb. 2]). Schmerzen wurden vom Patienten verneint.
Abb. 2 Fast komplett abgeheilte Läsionen 3 Monate nach Behandlung.
Diskussion
Die Livedovaskulopathie beschreibt häufig rezidivierende, schwere Verläufe und wurde
in der Vergangenheit mit verschiedenen Immunsupressiva therapiert [3]. Studien haben gezeigt, dass prokoagulatorische Mechanismen in der Pathogenese der
Livedovaskulopathie eine wichtige Rolle spielen [7]. Personen mit hereditären Gerinnungsdefekten sind gehäuft betroffen [7]. Dazu gehören Faktor-V-Leiden-Mutation [8], Protein-C-Mangel [9], Phospholipid-Antikörper-Syndrom [10], erhöhter Plasma-Homocystein-Spiegel [11], Anomalien in der Fibrinolyse [12] und eine erhöhte Plättchenaktivität [13]. Fallberichte beschreiben die Wirksamkeit einer Therapie mit Antikoagulantien. Niedermolekulare
Heparine führten innerhalb weniger Stunden bis Tage zu einer deutlichen Schmerzreduktion
und zu einer Reduktion neu auftretender Ulzerationen [5]
[14]. Nach Zulassung des oralen Faktor Xa-Inhibitors Rivaroxaban (Xarelto®) wurden mehrere Fälle [1]
[15] publiziert, in denen das Medikament erfolgreich zur Therapie der Livedovaskulopathie
eingesetzt wurde. Mit täglichen Dosierungen zwischen 10 mg und 20 mg konnten Schmerzen
und das Auftreten neuer Ulzerationen innerhalb von vier bis acht Wochen komplett gestoppt
werden. In der Folge wurde 2016 eine Proof-of-Concept-Studie zur Antikoagulation mit
Rivaroxaban bei Livedovaskulopathie durchgeführt [6]. Im Zeitraum 12/2012 bis 04/2016 begannen 25 Patienten die Therapie mit Rivaroxaban.
20 Patienten führten die Studie bis zum Ende durch. Sechs der 20 Patienten benötigten
eine zusätzliche Therapie mit Enoxaparin (Clexane®). Der Schmerz reduzierte sich innerhalb von 12 Wochen von 65/100 (VAS) auf 6/100
(VAS). Acht unerwünschte Ereignisse traten auf, darunter 5 Menorrhagien, eine Dysmenorrhagie,
einmal Atemnot und einmal Zahnfleischbluten. In einem Fall trat ein schweres unerwünschtes
Ereignis in Form einer Menorrhagie bei einer Patientin mit vorbekannter Endometriose
auf.
Die Hemmung von Faktor Xa zielt auf eine zentrale Funktion im Gerinnungssystem und
zeigt zusätzlich einen entzündungshemmenden Effekt, was die hohe Effektivität der
Therapie erklären könnte [16].
Zusammenfassend stellt die Therapie mit Rivaroxaban und Enoxaparin als Reserve [6] eine effektive Therapie der Livedovaskulopathie dar. Die orale Einnahme des Rivaroxaban
ist für die häufig jungen, ansonsten gesunden Patienten einfach und praktikabel über
einen langen Zeitraum durchzuführen. Zudem ist keine Überwachung der Gerinnungsparameter
notwendig.