Diabetes aktuell 2017; 15(01): 03
DOI: 10.1055/s-0043-103373
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Diabetes-Trump?

Antje Bergmann
1   Dresden
,
Peter E. H Schwarz
1   Dresden
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Publication Date:
08 March 2017 (online)

Es vergeht kein Tag, an dem nicht ein neues Dekret des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump unterschrieben wird und – was aber überraschend ist – heftig national und international diskutiert wird. Ein Land, das politisch in der Lethargie versunken schien, mobilisiert plötzlich Millionen, um sich politisch zu engagieren. Wie kommt das? Ist das vielleicht der Trump-Effekt? Oder ist vielleicht die eigentliche Anti-Trump-Bewegung der Trump-Effekt? Es scheint so zu sein, dass das unkonventionelle Anfassen von lange gehegten und gepflegten Grundfesten eine übergreifende, häufig konstruktive Diskussion und Bürgerengagement generiert.

Könnten wir einen solchen Trump-Effekt nicht auch im Diabetessektor gebrauchen? Ich bin mir da ganz sicher. Denn dieser ist in Deutschland vergleichbar mit einem großen behäbigen Tanker, leider einem, der in die Jahre gekommen ist. Der Tanker hat schon einige größere Lecks, droht vielleicht noch nicht zu sinken, hat aber seine besten Jahre hinter sich.

Das unkonventionelle Anfassen von Grundfesten in der Diabetologie könnte sicherlich eine durchaus kontroverse, konstruktive und notwendige Diskussion auslösen - nicht nur in Deutschland. Auch eine „Bürgerbeteiligung“ und hier in erster Linie die Partizipation von Patienten und Ärzten auf Augenhöhe könnte der Diabetologie hierzulande sehr gut tun. In kaum einem Land auf der Welt spielt die Patientenbeteiligung in der Diabetologie eine so geringe Rolle. Dabei würde uns die Entwicklung sozialer Netzwerke und M-Health- und Smart-Health-Produkten die Chance bieten, viel näher am Patienten zu sein, als wir das jemals waren. Häufig gewinnt man aber den Eindruck, diese Patientenbeteiligung sei nicht gewollt.

Hier muss ein Umdenken einsetzen. Denn mit seinen Stärken und Schwächen ist der Patient die größte Ressource für ein effektives Selbstmanagement, was die Wirkung einer medikamentösen Therapie um ein Vielfaches überragen kann. Dies nicht zu nutzen, könnte man fast als „fahrlässiges ärztliches Handeln“ bezeichnen und sollte eine Herausforderung in der Diabetologie sein, um vielleicht einen Trump-Effekt hinsichtlich der Patientenbeteiligung zu generieren.

Behandeln wir unsere Patienten mit Diabetes wirklich richtig? Die Diskussion dieser Frage könnte ebenfalls einen Trump-Effekt vertragen. Ehrlich betrachtet sind wir sind nicht so viel besser wie noch vor 30, 40 oder 50 Jahren. Ein enormer Erfolg in der pharmakotherapeutischen Entwicklung hat das ganzheitliche Diabetesmanagement bei vielen in den Hintergrund gedrängt. Uns stehen heute viel mehr Medikamente zur Verfügung, unseren therapeutischen Ansatz haben wir aber nicht wesentlich verändert. Vielleicht ist dies richtig, aber eine kontroverse konstruktive Diskussion darüber wäre gut. Wenn 10 000 Schritte täglich gelaufen wirksamer sind als eine Diabetespille am Tag, gilt es, die Polypharmazie bei Diabetes mellitus zu überdenken. Warum auch nicht hier einen Trump-Effekt zulassen und hinterfragen, was wir tun?

Wenn Sie diese Zeilen lesen, hat es sicherlich schon weitere Dekrete und kontroverse Diskussionen gegeben. Was darin geschrieben steht, kann man sicherlich sehr kritisch betrachten. Die Diskussionen darüber und das neu entfachte Engagement der Bürger dazu ist aber auf alle Fälle positiv zu bewerten. Einen solchen Effekt könnten wir im Diabetessektor in Deutschland durchaus gebrauchen. Denn nur mit Diskussionen zum Thema und unserem persönlichen Einsatz können wir eine positive, neue Diabetologie generieren.