Diabetes aktuell 2017; 15(02): 56
DOI: 10.1055/s-0043-102869
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„Alte“ und „neue“ Antidiabetika –es bleibt spannend!

Rüdiger Landgraf
1   München
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Publication Date:
24 April 2017 (online)

Die Neubewertung altbekannter blutglukosesenkender Wirkstoffe wie Metformin, Sulfonylharnstoffe, Glinide oder Glitazone und die Einführung neuer Wirkstoffklassen – Inhibitoren der Dipeptidyl-Peptidase 4 (DPP-4-Inhibitoren), Glucagon-like-Peptide(GLP)-1-Rezeptoragonisten oder Hemmstoffe des Natrium-Glukose-Cotransporters Typ 2 (SGLT-2-Hemmer) – im Verlauf der letzten rund 15 Jahre haben sich die Behandlungsregime unserer Patienten mit Typ-2-Diabetes wesentlich erweitert und bereichert.

Spannend waren insbesondere die letzten 2 Jahre: Erstmals konnten mit dem SGLT-2-Hemmer Empagliflozin und dem GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid 2 Wirkstoffe in großen randomisierten prospektiven Studien eine Reduktion der (kardiovaskulären) Morbidität und Mortalität belegen, zumindest bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem hohen kardiovaskulären Risiko. Prof. Jochen Seufert, Tübingen, wertet die SGLT-2-Inhibiton in seinem Beitrag sogar als „Meilenstein in der antihyperglykämischen Therapie des Typ-2-Diabetes“. Jetzt gilt es abzuwarten, ob auch andere SGLT-2-Inhibitoren diesen Effekt nachweisen können und ob auch Patienten mit einem geringeren Herz-Kreislauf-Risiko von einer solchen Therapie profitieren können. Entsprechende Endpunktstudien sind derzeit schon „unterwegs“.

Nicht Liraglutid, sondern Dulaglutid haben Prof. Rüdiger Göke, Marburg, und seine Kollegen aus der Studiengruppe der Diabetologen Genossenschaft Hessen eG unter Praxisbedingungen getestet. In ihrer „Real-World-Studie“ konnten sie die in den Zulassungsstudien berichteten Effekte von Dulaglutid auch im Alltag der diabetologischen Schwerpunktpraxis bestätigen. Dabei ist die Blutglukoseverbesserung mindestens ebenbürtig, die Gewichtskontrolle unter Praxisbedingungen schien sogar noch etwas ausgeprägter zu sein.

Aber auch rund um die „altbewährten“ Substanzen hat sich im Verlauf der letzten Jahre viel getan: So bleibt Metformin seit Ende der 2000er-Jahre das Antidiabetikum der ersten Wahl, vorausgesetzt die – wenn auch deutlich gelockerten – Kontraindikationen werden berücksichtigt. Dies spiegelt sich auch in den nationalen und in internationalen Leitlinien wider. Neue Wirkprinzipien von Metformin werden in dem Beitrag von Dr. Michael Jecht, Berlin, diskutiert. Beispielsweise scheint Metformin die Zusammensetzung der Darmmikrobiota verändern zu können, und auch eine mögliche Wirkung von Metformin auf bestimmte Kreberkrankungen findet zunehmende Beachtung.

Immer mehr in die Kritik geraten sind die Sulfonylharnstoffe, die in vielen Ländern insbesondere aus öknomischen Gründen nach wie vor eine der am häufigsten eingesetzten Substanzen nach dem Versagen einer Metforminmonotherapie sind. Seit über 40 Jahren wird ihre Sicherheit immer wieder infrage gestellt: Insgesamt ist die Datenlage zur kardiovaskulären Sicherheit von Sulfonylharnstoffen aus einzelnen Studien, Metaanalysen und populationsbasierten Daten derzeit ausgesprochen widersprüchlich. Prof. Thomas Forst, Mainz, begründet in seinem Beitrag, warum in der klinischen Praxis insbesondere der Einsatz von Sulfonylharnstoffen bei Risikopersonen stets kritisch hinterfragt werden muss, zumal jetzt bessere und sichere Alternativen zur Verfügung stehen, die zum Einsatz kommen sollten.

Die Forschung rund um die antidiabetischen Therapieprinzipien bleibt also in Bewegung. Es lohnt sich, am Ball zu bleiben, um Ihre Patienten anhand der aktuellen Evidenz sicher und effizient und an den individuellen Zielwerten ausgerichtet behandeln zu können! Wegen der zunehmenden Evidenz für positive Effekte auf für den Patienten relevante Endpunkte durch den Einsatz moderner Antidiabtika erfolgt jährlich eine Aktualisierung von konsentierten Empfehlungen zum Beispiel der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der „American Diabetes Association“ (ADA).