GGP - Fachzeitschrift für Geriatrische und Gerontologische Pflege 2017; 01(01): 6-7
DOI: 10.1055/s-0043-101246
Kolumne
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das eine Universum Pflege?

Sabine Hindrichs
,
Tobias Weimer
1   WEIMER I BORK – Kanzlei für Medizin- & Strafrecht, Frielinghausstr. 8; 44803 Bochum, URL: info@kanzlei-weimer-bork.de   URL: www.kanzlei-weimer-bork.de
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Publication Date:
19 June 2017 (online)

Wenn heute über die „Pflege“ gesprochen wird, meinen wir dabei wirklich alle immer dasselbe?

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Als ich die Anfrage des Thieme-Verlags erhielt, ob ich mir vorstellen könnte, für diese neue Fachzeitschrift eine Kolumne zu schreiben – der Grundidee folgend, eine Brücke zwischen der akuten Krankenpflege und der Langzeitpflege zu schlagen –, stellte sich mir die Frage, ob ich die Richtige dafür bin. Urteilen Sie selbst.

Meine pflegefachliche Kinderstube war in den späten achtziger Jahren das Vincenz-Pallotti-Hospital im Bergischen Land. Ein kleines Akutkrankenhaus mit allen erforderlichen Fachrichtungen und einer eigenen Krankenpflegeschule unter dem eisernen Regiment der Schwesternschaft der Pallottinerinnen. Ein Bewerbungsverfahren mit mehr als 600 Bewerbern, ein Interview mit den Eltern und eine Sondererlaubnis durch den Regierungspräsidenten, weil ich unter 18 Jahren war, machten mich zu einer der 25 auserwählten, glücklichen Schülerinnen für den Jahrgang 1986–89. Neben dem Gefühl besonders und auserkoren zu sein, gab es in den darauffolgenden drei Jahren so manche Träne und Verzweiflung über eine strenge und sehr reglementierte Ausbildung und weiterführende Erziehung. Was ich damals als belastend, bevormundend, sogar manchmal als unzumutbar empfunden habe, hat mich so entscheidend in meiner pflegerischen Sichtweise und meinem Handeln geprägt, dass ich seitdem ein sehr klares Bild von professioneller Pflege habe und dieses auch entsprechend lebe und vertrete. Würde ich heute unter den jetzigen Bedingungen diese Ausbildung noch einmal beginnen? Ich kann dies nicht mit Bestimmtheit sagen.

Unmittelbar nach meiner Ausbildung zur Krankenschwester war mir bereits klar, dass die Sache mit dem assistierenden medizinischen Berufsbild nicht das Meine war. Zu denkend, zu selbstständig handelnd, um in einem weitestgehend durch Ärzte geprägten Handlungsfeld nur daneben zu stehen und zu assistieren. Die ambulante Pflege bot hier ein pflegerisches Handlungsfeld mit einer nicht unerheblichen pflegefachlichen Freiheit. Die Tätigkeit als klassische Gemeindeschwester mitten im Herzen von Köln traf genau das, was ich mir vorstellte. Das junge Ding und die alten Diakonissen! Keiner hätte es für möglich gehalten, aber gemeinsam gelang es uns, mit Einführung der Pflegeversicherung und damit dem Übergang in ein neues pflegerisches Zeitalter, die alten Strukturen der Gemeindeschwestern in ein zukunftsträchtiges, verbundstarkes mittelständisches Unternehmen zu überführen. Für mich war damit der Weg von der assistierenden Krankenschwester hin zur pflegerischen Geschäftsführung verbunden, mit einem nicht unerheblichen finanziellen Verantwortungsbereich.

Meine ausgeprägte Neugier und die Möglichkeit Neues auszuprobieren, führte mich nach meiner betriebswirtschaftlichen Lebensphase in die EDV-Branche. Die Faszination der sich gerade entwickelnden elektronischen Möglichkeiten im Bereich der Pflege führte mich sehr schnell mitten in die Entwicklungs- und Aufbauphase der ersten EDV-geführten Pflegedokumentationssysteme. Neben meinem anscheinend angeborenen Grundverständnis für EDV-geführte Prozesse, stellte ich fest, dass EDV-Techniker völlig ungeeignet waren, Pflegekräften die EDV auch nur ansatzweise näher zu bringen. Die beiden Berufsgruppen schienen gänzlich andere Sprachen zu sprechen. Ja, und ich war wohl die, die beide Sprachen beherrschte und beide Gruppen hörten mir zu und waren aber auch sichtlich erleichtert, so wenig wie möglich miteinander zu tun zu haben.

Neben dem technischen Fortschritt und den damit verbundenen Möglichkeiten führte mich meine Tätigkeit Stück für Stück wieder zurück zu meinen pflegerischen Wurzeln – nun in den Bereich der Langzeitpflege. Die zunehmenden gesetzlichen Anforderungen in Wissen und Qualität führten dazu, dass die EDV immer mehr in den Hintergrund meines beruflichen Handelns trat. Die Schulung aktueller pflegefachlicher Themen in den Einrichtungen und deren Implementierung ließen mich mehr und mehr mein Herz an diese Form der Pflege, die stationäre Langzeitpflege, verlieren.

Durch die Möglichkeit als Mitarbeiterin des Projektbüros „Ein-Step“ aktiv die Einführung und Implementierung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation mit zu gestalten, eröffneten sich für mich noch einmal ganz neue Per-spektiven zum Thema Pflege. Im Spannungsfeld zwischen den stetig wachsenden Anforderungen in der Langzeitpflege an Fachlichkeit und gesetzlichen Vorgaben und Richtlinien und der selbstbestimmten Lebensführung pflegebedürftiger Personen fühle ich mich heute als Vermittlerin zwischen beiden Welten. Die Welt der medizinischen Akutversorgung ist darüber hinaus ein paralleles Universum. Die Schnittmenge ist die gleiche pflegebedürftige Person, die Sichtweise auf die Pflege ist allerdings eine völlig andere.

Diese Welten miteinander zu verbinden und die pflegebedürftige Person ins Zentrum zu rücken, ist meine ganz persönliche Herzensangelegenheit. Daher finde ich die Grundidee dieser neuen Fachzeitschrift, die Sicht der Akut- und der Langzeitpflege mit ihren derzeit sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen miteinander zu verbinden, längst überfällig und überaus unterstützenswert, zum Wohl und für eine selbstbestimmte Lebensführung der pflegebedürftigen Personen.

Ich freue mich, gemeinsam mit Ihnen den Versuch zu unternehmen, die verschiedenen Pflegewelten zu verbinden und uns für die zukünftigen Herausforderungen im Bereich der Pflege gemeinsam auf den Weg zu machen.

Ihre
Sabine Hindrichs

sabine@hindrichs-pflegeberatung.de

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Genehmigung einer Zwangsbehandlung

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung klargestellt, dass vor der gerichtlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung eines psychisch kranken Patienten das Gutachten eines förmlich bestellten Sachverständigen einzuholen ist, der den Kranken persönlich zu untersuchen beziehungsweise zu befragen hat. Als Entscheidungsgrundlage sei ein Attest des behandelnden Arztes nicht ausreichend.

Damit gab das Gericht der Rechtsbeschwerde einer psychisch kranken Frau, der zwangsweise Neuroleptika verabreicht werden sollten, statt. Ferner stellte das Gericht fest, dass der behandelnde Arzt die Funktion des gerichtlich bestellten Sachverständigen nur im Ausnahmefall, wie zum Beispiel bei Eilbedürftigkeit, übernehmen dürfe.

BGH, Beschluss vom 08.07.2015 – XII ZB 600/14

Sturzprophylaxe und freiheitsentziehende Maßnahmen

Die Pflichten einer Pflegeeinrichtung sind durch diejenigen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind, begrenzt. Maßstab ist hierbei das objektiv Erforderliche sowie das für den Patienten und das Pflegepersonal Zumutbare. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind. Die zu erbringenden Leistungen richten sich nach dem jeweils anerkannten Stand der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse. Danach ist die Anbringung eines Bettgitters bei Bewohnern mit nachgewiesenem Bewegungsdrang und der mangelnden Einsicht im Hinblick auf ihre Krankheitsbilder kontraindiziert.

Beratertipp: Beachten Sie den Expertenstandard Sturzprophylaxe. Dieser ist nach § 113a Abs. 3 SGB XI unmittelbar verbindlich! Zudem planen Sie bei Aktualisierungen bzw. Neuauflagen genügend Zeit zur Implementierung der Expertenstandards in Ihrer Einrichtung ein. Die Schulung und Überprüfung Ihrer Mitarbeiter benötigt Zeit.