ergopraxis 2017; 10(05): 10-11
DOI: 10.1055/s-0043-100242
Wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Core Outcome Sets – Studien vergleichbar machen

Christian Kopkow
,
Philipp Eschenbeck

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Publication Date:
05 May 2017 (online)

 

Studien lassen sich trotz gleicher Fragestellung häufig nicht vergleichen. Bei ein und derselben Intervention definiert etwa der eine Forscher Schmerz, der andere die Lebensqualität als zu messenden Endpunkt. Core Outcome Sets schaffen Abhilfe: Sie definieren Outcomes und Messinstrumente zu einem bestimmten Thema, um Studien vergleichbar zu machen.


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Prof. Dr. Christian Kopkow

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Prof. Dr. Christian Kopkow ist Physiotherapeut, BSc Physiotherapy und MSc Public Health, und Professor für Physiotherapie an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. In seiner Forschung konzentriert er sich auf die Diagnostik und Versorgung von Erkrankungen des muskuloskeletalen Systems sowie auf die Outcome-Forschung und entwickelt Core Outcome Sets. Dabei arbeitet er in den Initiativen VAPAIN und OMERACT mit.

Prof. Dr. Philipp Eschenbeck

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Prof. Dr. Philipp Eschenbeck ist Ergotherapeut (FH), MSc Occupational Therapy, Professor für Ergotherapie und Leiter des Studienbereichs Ergotherapie an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. In einem Schwerpunkt seiner Forschungsaktivitäten interessiert er sich für die Entwicklung betätigungsorientierter Assessments und sieht so den Bedarf und das Potenzial von Core Outcome Sets.

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Abb.: vinnstock/shutterstock.com

Wirft man einen Blick auf systematische Übersichtsarbeiten, fällt häufig auf, dass die darin herangezogenen Studien unterschiedliche Endpunkte erfassen. Manche definieren als Outcome Schmerz, andere zum Beispiel die Funktion des Gelenks. So lassen sich die Ergebnisse später nicht miteinander vergleichen. Das wäre aber wichtig, um in Reviews verlässliche Aussagen darüber machen zu können, wie wirksam einzelne Behandlungsansätze sind. Würden alle Wissenschaftler bei einem bestimmten Thema dieselben für die Praxis relevanten Endpunkte erfassen, wäre es möglich, diese Studien später miteinander zu vergleichen. Eine Methode, die sich dies zum Ziel gesetzt hat, sind die sogenannten Core Outcome Sets (COS) [1]. In einem COS ist definiert, was (Outcome) und wie (Messinstrument) Forschende zu einem bestimmten Thema messen sollen [2].

Um aus Reviews Aussagen darüber zu treffen, wie wirksam ein Ansatz ist, müssen die Studien vergleichbar sein.

COS in der Ergotherapie

Ein Beispiel aus der multimodalen Therapie von Klienten mit chronischen Schmerzen zeigt, wie relevant dieses Thema auch für die Ergotherapie ist.

In einer Übersichtsarbeit von 2016 schlussfolgern die Forscher, dass die Endpunkte in den Studien besonders heterogen sind, in denen die Wirksamkeit der multimodalen Therapie von Klienten mit chronischen Schmerzen untersucht wird [3]. Insgesamt wurden 14 verschiedene Outcome-Domänen identifiziert: In 57 der 70 analysierten Studien war Schmerzintensität und in 42 waren depressive Symptome ein Outcome. Damit ist die Schmerzintensität zwar besonders häufig vertreten, jedoch nicht Teil aller Studien. Ein gemeinsamer Nenner ist somit nicht möglich, und es wird verhindert, dass aus der Fülle einzelner Studien zu demselben Thema ein Konsens entsteht.

Im Beispiel der multimodalen Therapie gibt ein kürzlich entwickeltes COS vor, dass unter anderem immer die Endpunkte Schmerzintensität und körperliche Aktivität zu messen sind [4]. Selbstverständlich können Wissenschaftler diese durch weitere Outcomes wie Lebensqualität oder Fehltage am Arbeitsplatz ergänzen. Die durch COS definierten „Grund-Endpunkte“ sollten sie jedoch einhalten – unabhängig von der spezifischen Fragestellung.


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COS definieren, was Forschende wie messen sollten

Damit das funktioniert, haben sich Wissenschaftler und Kliniker zusammengeschlossen und die Entwicklung von COS initiiert. Die OMERACT-Initiative (Outcome Measures in Rheumatology) hat dabei die Entwicklung seit den 1990er Jahren geprägt. Sie arbeiten nach wie vor maßgeblich an der Methodik von COS und entwickeln sie für verschiedene Erkrankungen, zum Beispiel für Schulterschmerzen. Zudem haben sich zahlreiche weitere Initiativen gegründet, die COS etwa für multimodale Therapien bei Klienten mit chronischen Schmerzen entwickeln [4].

COS entstehen durch die Zusammenarbeit aller beteiligten Personengruppen in einem Bereich wie Ärzte, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Wissenschaftler und unbedingt auch Klienten. Üblicherweise werden vorerst alle Outcomes aufgelistet, die bereits im Zusammenhang mit einem Thema auftauchen. Daraufhin werden alle Beteiligten gefragt, ob sie weitere Endpunkte für wichtig erachten. Nach einer Diskussion stimmen die Teilnehmer über die Relevanz der Outcomes ab. Diejenigen, die sie für wichtig erachten, bilden das „Core Set of Domains” [4]. Hier sind die Outcome-Domänen definiert, etwa Schmerz, soziale Teilhabe, Arbeitsfähigkeit oder gesundheitsbezogene Lebensqualität. Also relevante Aspekte von Gesundheit, die mess- und spezifizierbar sind [5]. Sie definieren, was in der Studie gemessen werden soll.

Aktuell gibt es 833 geplante, laufende oder abgeschlossene COS-Projekte in unterschiedlichen Fachbereichen.

In einem oder in mehreren nächsten Schritten wird dann das „Core Set of Measurement Instruments” erstellt. Hier tauchen diejenigen Messinstrumente auf, die Forscher nutzen sollen, um die im COS definierten Outcomes zu messen. Sie definieren, wie gemessen werden soll [1]. So erscheint es plausibel, dass sich die Ergebnisse durch die vielen unterschiedlichen Erhebungsmethoden nur eingeschränkt vergleichen lassen.


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COS im Internet kostenlos einsehbar

Das Ziel von COS ist es, langfristig Outcomes und Messinstrumente zu einem bestimmten Thema zu standardisieren. Einen Überblick über die aktuell 833 COS-Projekte, die bereits bestehen oder derzeit entwickelt werden, bietet die Datenbank der COMET-Initiative (Core Outcome Measures in Effectiveness Trials). Sie ist im Internet unter www.comet-initiative.org frei zugänglich.

Christian Kopkow und Philipp Eschenbeck


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Abb.: vinnstock/shutterstock.com