Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 718
DOI: 10.1055/s-0042-1753603
Abstracts | DGSMP/DGMS
Vorträge
Thema: Psychosoziale Gesundheit

Selbstberichteter Stress und Haarkortisol bei Medizinstudierenden in Deutschland – eine Querschnittsstudie

M Heming
1   Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
,
P Angerer
1   Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
,
UM Nater
2   Universität Wien, Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie, Wien, Österreich
,
N Skoluda
2   Universität Wien, Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie, Wien, Österreich
,
J Weber
1   Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
› Author Affiliations
 

Einleitung Medizinstudierende weisen eine hohe Stressbelastung auf, die mit unterschiedlichen gesundheitlichen Konsequenzen einhergehen kann. Seit einigen Jahren wird die Konzentration von Kortisol im Haar (HCC) als potenzieller biologischer Marker für chronischen Stress untersucht. Bisherige Studien zeigen jedoch gemischte Resultate über Assoziationen zwischen stressbezogenen Messinstrumenten und HCC. Ziel dieser Studie war es, die Assoziation zwischen selbstberichteter Stressbelastung und HCC bei Medizinstudierenden in Deutschland zu untersuchen.

Methoden Bei den Teilnehmenden handelte es sich um 55 Medizinstudierende, die sich innerhalb des zweiten und neunten Semesters an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf befanden. Die Studierenden füllten einen papierbasierten Fragebogen aus und ließen sich zwischen Mai 2020 und Juli 2021 Haarproben entnehmen. Selbstberichteter Stress wurde zum einen mit der deutschen Übersetzung eines Fragebogens zur spezifischen Stressbelastung bei Medizinstudierenden (PMSS-D, 13 Items) erfasst. Zum anderen wurde ein Fragebogen zu strukturellen Belastungen und Ressourcen im Medizinstudium im Rahmen des Anforderungs-Kontroll-Modells (StrukStud, 25 Items) und eine studentische Version des Modells der beruflichen Gratifikationskrisen (Student ERI, neun Items) verwendet. Die Haarproben mit einer Mindestlänge von zwei Zentimetern wurden so nah wie möglich an der Kopfhaut entnommen und mit einem Cortisol-Lumineszenz-Immunoassay (LIA; IBL International, ein Unternehmen der Tecan-Gruppe, Hamburg, Deutschland) bestimmt. Die Assoziation zwischen den Subkomponenten der drei stressbezogenen Messinstrumente und HCC wurde mittels separater multipler linearer Regressionsanalyse untersucht. Anschließend wurde das jeweilige Stressmodell als gesamtes Konstrukt mit HCC mittels Regressionsanalysen untersucht.

Ergebnisse Der durchschnittliche HCC-Wert unter den Studierenden betrug 5,58 pg/mg (Standardabweichung 2,96). Wahrgenommene erhöhte Anforderungen im Medizinstudium (B=0,23, p= 0,002), eine Kombination aus erhöhten Anforderungen und geringen Entscheidungsspielräumen (B=0,11, p=0,032), erhöhte Verausgabung (B=0,12, p=0,029) und ein Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Belohnung im Sinne des Modells der Gratifikationskrisen (B=0,28, p=0,007) waren in separaten Regressionsanalysen nach Adjustierung für Alter und Geschlecht positiv mit HCC assoziiert. Nur die Assoziation zwischen Anforderungen und HCC blieb statistisch signifikant, als das gesamte Konstrukt des Anforderungs-Kontroll-Modells in einer Regressionsanalyse betrachtet wurde (B=0,22, p=0,003).

Schlussfolgerung Zukünftige Forschungen sollten unter anderem Studierende verschiedener Fachrichtungen im Längsschnittdesign untersuchen, um unsere Ergebnisse zu bestätigen. Unsere Studie legt nahe, dass HCC als biologischer Marker für chronischen Stress bei Medizinstudierenden in Deutschland dienen könnte, abhängig von den gewählten stressbezogenen Modellen und Messinstrumenten.



Publication History

Article published online:
22 August 2022

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