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DOI: 10.1055/s-0042-123356
Internationale Studienergebnisse
Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik:
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
02. März 2017 (online)
- Uhrzeigerstrategie hilft beim Drehen – Morbus Parkinson
- „Sich tätowieren lassen“ ist eine komplexe Betätigung – Occupational Science
- Reduzierte Impulsivität – Neurofeedback
Uhrzeigerstrategie hilft beim Drehen – Morbus Parkinson
Patienten mit Parkinson haben häufig Probleme damit, sich im Stand oder Gang umzudrehen. Sie führen den Richtungswechsel sehr langsam mit vielen kleinen Schritten aus oder frieren in der Drehbewegung ein (Freezing).
Ein Forscherteam aus Taiwan testete nun, ob das Umdrehen den Patienten leichter fällt, wenn sie ihre Füße wie Uhrzeiger bewusst auf die Positionen drei, sechs, neun und zwölf Uhr bzw. andersherum setzen. Für ihre Untersuchung verteilten sie 25 Probanden zufällig auf eine Gruppe, die sich drehte wie immer. Eine andere Gruppe wendete die Uhrzeigerstrategie an. Ob die neue Methode einen Effekt hat, überprüften die Wissenschaftler mithilfe einer Videoanalyse beim Timed-Up-and-Go-Test. Dabei werteten sie insbesondere den Richtungswechsel aus, der in der Mitte des Tests von den Patienten gefordert ist.
Nach einer kurzen Übungseinheit drehten die Patienten aus der Uhrengruppe im Test schneller und mit weniger Freezing-Episoden als die Gruppe, die drehte wie immer. Außerdem zeigten sie weniger Variabilität in der Schrittzeit und der Schrittasymmetrie.
Die Forscher schlussfolgern, dass die Uhrzeigerstrategie helfen kann, Gleichgewichtsverlust und Stürzen beim Drehen vorzubeugen. Die Patienten sollten sich dabei jedoch voll auf die Strategie fokussieren. Denn stellten die Therapeuten den Patienten während des Drehens mit der Uhrzeigerstrategie zusätzlich eine Aufgabe (Dual Task), war der Effekt gestört.
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J Neurol Phys Ther 2016; 40: 249–256
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„Sich tätowieren lassen“ ist eine komplexe Betätigung – Occupational Science
Ergotherapieprofessorin Dr. Ann Wilcock entwickelte das Rahmenkonzept „Doing, Being, Becoming, Belonging“. Es hilft Ergotherapeuten dabei, Betätigungen wie „sich tätowieren lassen“ zu analysieren. Die Analyseergebnisse veröffentlichte Hannah Key, Ergotherapiestudentin am Cambian Diston College, Großbritannien, gemeinsam mit ihrer Dozentin Claire Brewis.
Die Studentin führte eine qualitative Untersuchung durch, um ein ergotherapeutisches Verständnis für die Betätigung „sich tätowieren lassen“ zu generieren. Potenzielle Teilnehmer rekrutierte sie über ihren Freundeskreis und das E-Mail-System der Universität. Als Einschlusskriterium sollten die Probanden mehr als ein Tattoo haben. Insgesamt nahmen sechs Frauen und Männer zwischen 20 und 30 Jahren teil. Die Hauptmotivation für ihre zwei bis 40 Tattoos war entweder eine persönliche Bedeutung des Motivs oder die Ästhetik. Mit ihnen führte die Studentin semistrukturierte Interviews von durchschnittlich 25 Minuten Dauer durch. In ihren Fragen bezog sie sich einerseits auf die Motivation, sich tätowieren zu lassen. Andererseits stellte sie Fragen zu den Emotionen während des gesamten Prozesses von der Entscheidung für eine Tätowierung über die Auswahl bis zum fertig gestochenen Motiv.
In ihrer Auswertung sortierte die Ergotherapiestudentin die Antworten der Befragten acht Kategorien zu, die das Tätowieren beeinflussen. Das waren zum Beispiel „externe Faktoren“ (Finanzierung), „positive Emotionen“ (Ästhetik), die „Verbindung zur eigenen Identität“ (Bedeutung des Tattoos), „Verbindung zu anderen“ (Verstorbenen) sowie „soziale Verbindung“ (andere Tätowierte).
Diese acht Kategorien analysierte Hannah Key anhand des Rahmenkonzepts von Wilcock:
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Doing (= tun): Wiederholtes Tätowieren führt zu Veränderungen. Tätowierte wählen Folge-Tattoos zum Beispiel mit mehr Bedacht aus.
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Being (= sein): Der Prozess wird individuell erfahren. Positive Emotionen sind beispielsweise Gefühle von Befriedigung und Macht über den eigenen Körper. Negative Gefühle werden durch verletzende Feedbacks der Umwelt ausgelöst.
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Becoming (= werden): Tätowierte gestalten ihren Körper selbst und erleben dadurch Einzigartigkeit. Ebenso stellen Tattoos ggf. ein Symbol für Veränderung dar.
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Belonging (= dazugehören): Tätowierungen halten Beziehungen aufrecht und schenken soziale Verbundenheit.
Die ergotherapeutische Analyse zeigt, dass es sich beim „Sich-tätowieren-Lassen“ um eine komplexe und individuelle Betätigung handelt. Folgestudien sollten weitere Subkulturen untersuchen, um die Ergebnisse auf größere Populationen zu übertragen und den Begriff der Betätigung weiter ausbauen zu können.
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J Occup Sci 2016; doi: 10.1080/14427591.2016.1241186
Die Beziehung zwischen einer Betätigung und ihrem Endprodukt wird durch vier interagierende Dimensionen bestimmt. Analysieren Ergotherapeuten eine Betätigung nach den Dimensionen, erreichen sie ein tieferes Verständnis für die Betätigung.
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Doing (tun): aktives Engagement in einer Betätigung; Individuen erfahren dadurch das „Sein“
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Being (sein): formt die Betätigungsidentität; die Dimension spiegelt den Sinn der Betätigung wider und die dazugehörigen Gefühle
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Becoming (werden): Die Kombination aus Doing und Being führt zu einem Prozess des Wachstums und der Weiterentwicklung und damit zu einem zukünftigen Ich.
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Belonging (dazugehören): Betätigung schafft Verbindungen zu anderen Menschen, zu Orten und Menschen.
J Occup Sci 2016; doi: 10.1080/14427591.2016.1241186
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Reduzierte Impulsivität – Neurofeedback


Abb.: D. Race/fotolia.com (nachgestellte Situation)
Theta-/Beta-Feedback reduziert impulsives Verhalten von Kindern mit ADHS. Die positiven Effekte zeigen sich im Verhalten und auf neuropsychologischer Ebene. Zu diesem Ergebnis kommen kognitive Neuropsychologen um Annet Bluschke an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychotherapie Dresden.
Sie führten eine achtwöchige Studie durch, um zu untersuchen, welche neuronalen Mechanismen Theta-/Beta-Neurofeedback beeinflusst. Ihr besonderes Interesse galt der Kernsymptomatik Impulsivität. Für die Studie im Prä-/Post-Design untersuchten sie 19 Kinder zwischen 8 und 14 Jahren mit einem IQ von durchschnittlich 97. Alle erfüllten die Kriterien für ADHS nach ICD-10. Neun von ihnen waren medikamentös eingestellt, Komorbiditäten bestanden nicht. Die Wartekontrollgruppe mit vergleichbarer Charakteristik bestand aus 17 Kindern.
Die Forscher führten eine Prä-Testung mittels Conners-3-Skala durch und testeten die Reaktion der Kinder bezüglich ihrer Impulskontrolle. Dazu sahen die Kinder auf einem Bildschirm entweder das Wort „Drück“ oder „Stopp“. Je nach Aufforderung mussten sie mit dem Zeigefinger schnellstmöglich eine Taste drücken oder die Reaktion zurückhalten. Dabei wurden richtiges Verhalten, benötigte Reaktionszeit und Gehirnaktivität im EEG gemessen.
Anschließend erhielt die Experimentalgruppe zwei Mal wöchentlich für eine Stunde Neurofeedback. Dabei wurden Gehirnwellen und aktivierte Gehirnareale per EEG aufgezeichnet. Während die Kinder Aufgaben lösen sollten, zum Beispiel ein Auto steuern, sahen sie ihre Theta-/Beta-Aktivität auf dem Bildschirm. Regulierten sie diese falsch, erschien ein trauriges Smiley. Zusätzlich erhielten die Kinder Verhaltenstherapie, Aufmerksamkeitsstrategien, Hausaufgaben und Token-Systeme.
Die Auswertung der Reaktionsaufgabe und der Conners-3-Skala zeigt, dass die Experimentalgruppe ihre Impulsivität signifikant besser steuern konnte. Zudem traten konkrete Veränderungen in der Gehirnaktivität auf: Die Hemmungsvorgänge im medial frontalen Kortex waren gesteigert. Die Regulation von Theta-/Beta-Frequenzen gelang den Kindern besser. Aufgrund unvollständiger Daten sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen. Ob Theta-/Beta-Neurofeedback auch andere Facetten von ADHS verbessert, muss noch untersucht werden. Zudem bleibt offen, wie lange die Effekte bestehen und ob Neurofeedback eine ähnliche Wirkung wie Medikamente hat.
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Scientific Reports 2016; 6; 1-9
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standardisiertes klinisches Instrument zur Erfassung von Aufmerksamkeitsstörungen
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eignet sich zur Diagnostik bei Verdacht auf ADHS, Verlaufsuntersuchung, allgemeines Screening für Verhaltensprobleme
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geeignet für Kinder und Jugendliche von 6 bis 18 Jahren
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erfasst Verhalten, Symptome und Probleme in verschiedenen Bereichen (z. B. Lernprobleme, Sozialverhalten)
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vier verschiedene Versionen (ADHS-Index, Langversion, Kurzversion und Global-Index)
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Für jede Version gibt es einen Lehrer-, Eltern- und Selbstbeurteilungsfragebogen.
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Bearbeitungsdauer: ca. 20 Minuten
Testzentrale. Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten – 3. Im Internet: www.testzentrale.de/shop/conners-skalen-zu-aufmerksamkeit-und-verhalten-3-70014.html
Gehirnwellen lassen sich mittels EEG messen:
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Delta: Schlafwellen
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Theta: Tagträumen, reduzierte Aufmerksamkeit, zu hoch bei Kindern mit ADHS
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Beta: konzentrierter Wachzustand, zu niedrig bei Kindern mit ADHS
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High-Beta: Ängste, Sorgen, Gedankenjagen
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SMR: sensomotorischer Rhythmus, motorische Ruhe kombiniert mit Wachheit
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Alpha: entspannter Wachzustand
Wiener Institut für Neurofeedback und Biofeedback. Neurofeedback Funktion. Im Internet: www.winbfb.at/nf_funktion.htm
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Abb.: D. Race/fotolia.com (nachgestellte Situation)