Abkürzungen
PCI:
perkutane Kollageninduktion
VKOF:
verbrannte Körperoberfläche
Einleitung
Thermische Verletzungen sind eine häufige Unfallursache bei Kindern. Sie betreffen
insbesondere Kleinkinder, da in diesem Alter der Bewegungsradius mit besserer Erreichbarkeit
der Gefahrenstellen deutlich schneller zunimmt als das Verständnis für die Gefahr
selbst. So sind im Kindesalter etwa ⅔ der stationär behandelten Patienten mit Verbrühungen
und Verbrennungen jünger als 3 Jahre.
Brandverletzte und besonders schwer brandverletzte Kinder sind im Rettungsdienst selten.
Deshalb stellt die Erstversorgung von Kindern mit Brandverletzungen im Rettungsdienst
die Behandler vor Schwierigkeiten, insbesondere im Kleinkindesalter. Zusätzlich ergeben
sich auch technische Probleme, da z. B. die Anlage eines venösen Zugangs bei manchen
Kindern eine Herausforderung ist. Auch die emotionale Reaktion mancher Rettungsmediziner
ist bei ausgeprägten Befunden nicht zu unterschätzen.
Dieser Artikel beschreibt die Behandlung von Kindern mit thermischen Verletzungen
und zeigt Besonderheiten bei deren Versorgung auf.
Ätiologie und Epidemiologie
Ätiologie und Epidemiologie
Etwa 6000 Kinder müssen aufgrund einer Verbrennung oder Verbrühung in Deutschland
pro Jahr stationär behandelt werden ([Abb. 1]) [1]. Insgesamt geht man von ca. 30 000 brandverletzten Kindern, die einen Arzt aufsuchen,
pro Jahr aus.
Abb. 1 Durch Verbrennungen und Verbrühungen bedingte Krankenhausfälle pro Jahr [1].
Wie bei den meisten Unfällen überwiegt auch bei den Kindern das männliche Geschlecht.
Das relative Risiko für Jungen ist erhöht ([Tab. 1]). Über die letzten 10 Jahre scheint jedoch das relative Risiko bei den Kindern und
Jugendlichen > 5 Jahre für Jungen eher abzunehmen [1].
Tab. 1 Relatives Risiko thermischer Verletzungen geschlechterspezifisch.
Alter
|
relatives Risiko männlich vs. weiblich
|
Angaben je 100 000 Einwohner; Durchschnittswert der Jahre 2005–2014.
|
< 1
|
1,3
|
1–4 Jahre
|
1,5
|
5–14 Jahre
|
1,4
|
15–17 Jahre
|
1,9
|
Die Unfallursachen, die bei Kindern zur Brandverletzung führen, sind verglichen zu
Brandverletzungen im Erwachsenenalter sehr unterschiedlich. Überwiegen bei Erwachsenen
die Flammenverletzungen (47,5 %), so treten bei Kindern in der großen Mehrzahl der
Fälle Verbrühungen auf [2]. Dazu kommt noch eine verhältnismäßig große Anzahl von Kontaktverbrennungen.
Die Verteilung der Unfallursachen ist in [Abb. 2] dargelegt. Aufgeführt sind die Unfallursachen bei allen im Jahr 2015 stationär behandelten
Kindern, die im Verbrennungsregister der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin
und des Arbeitskreises „Das schwerbrandverletzte Kind“ von den teilnehmenden Kliniken
dokumentiert wurden [2].
Abb. 2 Unfallursachen laut Verbrennungsregister Kinder 2015 [2].
Das körperspezifische Verteilungsmuster ist in [Abb. 3] dargestellt [2].
Abb. 3 Betroffene Lokalisation laut Verbrennungsregister Kinder 2015 [2].
Merke
Aufgrund des häufigen Unfallmechanismus der von einer Arbeitsfläche herunter gezogenen
heißen Flüssigkeit sind Kopf, Arme und der ventrale Rumpf häufig im Rahmen einer latzförmigen
Verteilung überproportional betroffen. Dazu kommen als häufige Lokalisation die Hände
durch Kontakt mit heißen Oberflächen.
In der großen Mehrzahl der Fälle geschieht der Unfall im häuslichen Umfeld der Kinder
(98 %), in 1,2 % der Fälle in der Schule oder der Kindertagesstätte.
Cave
Nicht zu vernachlässigen ist der Anteil der nicht akzidentellen Verletzungen, der
im Verbrennungsregister 2015 0,3 % der Fälle ausmacht [2].
Die Dunkelziffer wird wahrscheinlich deutlich höher sein. In vergleichbaren Gesellschaften
geht man bei 1–16 % der Fälle von einer nicht akzidentellen Ursache aus und es wird
angenommen, dass bis zu 20 % aller Verletzungen bei Kindesmisshandlungen durch thermische
Schädigung entstehen [3].
Praxistipp
Aufmerksam sollte man besonders dann sein,
-
wenn der beschriebene Unfallmechanismus nicht mit dem Verletzungsmuster einhergeht,
-
wenn es sich um strumpf- oder handschuhförmige Verbrennungen handelt mit glatten Rändern
und ohne weitere Spritzmarken (im Sinne von Tauchverletzungen),
-
wenn z. B. die verspätete ärztliche Vorstellung nicht ausreichend erklärt werden kann.
Durch die gute Vernetzung des Rettungsdienstes und der Kliniken kommen die Kinder
sehr zügig in ein Brandverletztenzentrum oder eine spezialisierte Klinik. 41,9 % der
dort behandelten Kinder wurden im Jahr 2014 in der 1. Stunde nach dem Unfall vorgestellt
und weitere 34,4 % nach 1 bis < 4 Stunden. 11 % der Kinder werden verspätet (> 48
Stunden) im Zuge einer Sekundärzuweisung vorgestellt [2].
Einteilung von Brandverletzungen
Einteilung von Brandverletzungen
Die genaue und exakte Beurteilung von Verbrennungsausmaß und -tiefe ist eine der wesentlichen
Grundlagen für die weitere Behandlung der thermischen Verletzungen. Begleitverletzungen
wie z. B. das Inhalationstrauma müssen stets mitberücksichtigt sowie erfasst werden.
Begleitverletzungen
Diese Begleitverletzungen können den Schweregrad signifikant beeinflussen und die
Prognose verschlechtern. So verlängert das Inhalationstrauma die intensivmedizinische
Therapie und erhöht die Beatmungszeit und die Mortalitätsrate [4]. Bei dem Verdacht auf ein Inhalationstrauma sollte rasch eine Sauerstofftherapie
begonnen werden und eine frühzeitige Intubation insbesondere bei Stridor, Kurzatmigkeit,
versengten Nasenhaaren oder Ruß und Blasenbildung intraoral/pharyngeal erwogen werden.
Merke
Das Ausmaß einer thermischen Verletzung wird in Prozent (%) der verbrannten Körperoberfläche
(VKOF) und der Tiefenausdehnung (Grad) bestimmt. Zudem sollte die Lokalisation genannt
und dokumentiert werden.
Tiefenausdehnung
Die Tiefeneinteilung wird in 4 verschiedene Grade abhängig von der „Eindringtiefe“
der thermischen Schädigung vorgenommen ([Abb. 4]).
Abb. 4 Schematische Darstellung der Tiefenausdehnung bei thermischen Verletzungen [5]. Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie.
Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker.
Stuttgart: Thieme; 2014.
Die klinische Beurteilung des Tiefenausmaßes erfolgt anhand der folgenden Kriterien:
Dies ist insbesondere bei der Primärversorgung nicht immer einfach und bedarf einiger
Erfahrung.
Die Tiefenausdehnung lässt sich im klinischen Alltag mit den Kriterien aus [Tab. 2] abschätzen.
Tab. 2 Klinische Einteilung der Tiefenausdehnung bei thermischen Verletzungen [5].
Einteilung
|
Tiefe
|
Klinik
|
Grad I
|
epidermal
|
Rötung
Schwellung
starker Schmerz
intaktes Epithel
|
Grad IIa
|
oberflächlich dermal
|
Blasenbildung
feuchter hyperämischer Wundgrund
prompte Rekapillarisierung
Hautanhangsgebilde intakt
starker Schmerz
|
Grad IIb
|
tief dermal
Haarfollikel und Schweißdrüsenausführungsgänge mit betroffen und teilweise zerstört
|
fetzenförmige Epidermolyse
Blasenbildung
weißlicher Wundgrund
gestörte Rekapillarisierung
Hautanhangsgebilde partiell vorhanden
mäßiger Schmerz
|
Grad III
|
komplett dermal
|
trockene weiße, elfenbeinartige Hautnekrose bis hin zur Verkohlung
Verlust von Hautanhangsgebilden
keine Schmerzen
|
Grad IV
|
Unterhautfettgewebe, eventuell Muskeln, Sehnen, Knochen und Gelenke
|
Verkohlung
|
Insbesondere im Falle von Verbrühungen sollte man sich nicht zu einer zu frühen endgültigen
Tiefenbestimmung verleiten lassen, da gerade in diesem Fall häufig eine definitive
Unterscheidung erst nach ca. 3–5 Tagen möglich ist [6]. In dieser Zeit tritt die bekannte Demarkierung auf und insbesondere die Unterscheidung
zwischen Grad IIa und IIb kann erst zu diesem Zeitpunkt sicher getroffen werden, und
somit auch die Entscheidung einer konservativen Behandlung vs. einer chirurgischen
Therapie.
Merke
Die thermische Verletzung und somit deren Tiefenbestimmung ist ein dynamischer Prozess.
Flächenausdehnung
Methode nach Lund und Browder
Zur Ermittlung des Flächenausmaßes kann die altersabhängige schematische Bestimmung
von Lund und Browder zu Hilfe genommen werden ([Abb. 5] u. [Tab. 3]). Dies hat sich vor allen Dingen bei Kindern bewährt, da bei dieser Methode das
Alter sowie die jeweiligen Körperproportionen miteinbezogen werden. Die Neunerregel
nach Wallace, die in der Erwachsenenmedizin zum Einsatz kommt, ist bei Kindern wenig
hilfreich, da bei kleinen Kindern die Überproportion des Kopfes nicht berücksichtigt
wird.
Abb. 5 Schematische Darstellung zur Berechnung der verbrannten Körperoberfläche nach Lund
und Browder [7]. Für die Regionen Hals, Oberarm, Unterarm, Hand, Rumpf, Gesäß, Genitale und Fuß
gelten unabhängig vom Alter die gleichen Prozentwerte der Gesamtkörperoberfläche.
Die Regionen Kopf (A), Oberschenkel (B) und Unterschenkel (C) gehen altersabhängig
in die Berechnung ein (s. a. [Tab. 3]). Quelle: Mehlig U, Hannmann T, Loff S. Thermische Verletzungen im Kindesalter.
Pädiatrie up2date 2010; 5: 35–53.
Tab. 3 Berechnung der verbrannten Körperoberfläche nach Lund und Browder [7].
Alter (Jahre)
|
0–1
|
1–4
|
5–9
|
10–14
|
15
|
Erwachsener
|
Kopf
|
19 %
|
17 %
|
13 %
|
11 %
|
9 %
|
7 %
|
Oberschenkel
|
5,5 %
|
6,5 %
|
8 %
|
8,5 %
|
9 %
|
9,5 %
|
Unterschenkel
|
5 %
|
5 %
|
5,5 %
|
6 %
|
6,5 %
|
7 %
|
Hals
|
2 %
|
2 %
|
2 %
|
2 %
|
2 %
|
2 %
|
Oberarm
|
4 %
|
4 %
|
4 %
|
4 %
|
4 %
|
4 %
|
Unterarm
|
3 %
|
3 %
|
3 %
|
3 %
|
3 %
|
3 %
|
Hand
|
2,5 %
|
2,5 %
|
2,5 %
|
2,5 %
|
2,5 %
|
2,5 %
|
Rumpf
|
26 %
|
26 %
|
26 %
|
26 %
|
26 %
|
26 %
|
Gesäß
|
5 %
|
5 %
|
5 %
|
5 %
|
5 %
|
5 %
|
Genitale
|
1 %
|
1 %
|
1 %
|
1 %
|
1 %
|
1 %
|
Fuß
|
3,5 %
|
3,5 %
|
3,5 %
|
3,5 %
|
3,5 %
|
3,5 %
|
Handflächenregel
Deutlich einfacher und ohne jegliche Hilfsmittel kann man das Flächenausmaß der zugezogenen
Verbrennung mittels der Handflächenregel bestimmen. Dabei entspricht die Handfläche
des betroffenen Kindes – inklusive Finger – 1 % seiner Körperoberfläche ([Abb. 6]).
Abb. 6 Die Fläche der Hand des betroffenen Patienten entspricht 1 % seiner Körperoberfläche.
Die dargestellte Fläche auf dem Rumpf entspricht somit ca. 5 % seiner Körperoberfläche.
Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine
Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 4. Aufl. Stuttgart:
Thieme; 2014.
Genauigkeit der Berechnung
Merke
Die Genauigkeit der Berechnung hängt im Wesentlichen auch von der Erfahrung des Untersuchers
ab. Martin [8] konnte zeigen, dass Verbrennungsspezialisten die betroffene Fläche genauer bestimmen
können als unerfahrene Untersucher.
Es kommt in der alltäglichen Praxis häufig vor, dass das Verbrennungsausmaß in seiner
Flächenausdehnung überschätzt wird. Dies kann gerade bei Kindern mit schweren Verbrennungen
fatale Folgen haben aufgrund der daraus resultierenden Überinfusion, die anhand der
betroffenen Körperoberfläche errechnet wird. Durch die daraus resultierende Hypervolämie
kann es zu Komplikationen wie z. B. einem Lungenödem oder einem intestinalen Kompartment
kommen. Das Unterschätzen der Flächenausdehnung ist extrem selten und tritt praktisch
nicht auf.
Praxistipp
Das Flächenausmaß der zugezogenen Verbrennung lässt sich schnell und einfach mit der
Handflächenregel bestimmen: Die Handfläche des Kindes (mit Fingern) entspricht 1 %
seiner Körperoberfläche.
Erstversorgung am Unfallort
Erstversorgung am Unfallort
Die Erstversorgung am Unfallort ist die Basis für eine gute und adäquate weitere Therapie.
Die Eckpfeiler der Primärversorgung sind in der Infobox aufgeführt.
Infobox
Erstversorgung am Unfallort
-
Sicherung der Vitalfunktion
-
Kühlen
-
Analgosedierung
-
möglichst exakte Beurteilung des Verbrennungsausmaßes (% VKOF und Tiefe) sowie möglicher
Begleitverletzungen (Inhalationstrauma)
-
Infusionstherapie und -management
Sicherung der Vitalfunktion
Bezüglich der Sicherung der Vitalfunktion ist insbesondere das Inhalationstrauma zu
berücksichtigen, woran bei Explosionen oder Bränden in geschlossenen Räumen stets
gedacht werden muss. In einem solchen Fall muss der Notarzt eine Schutzintubation
in Erwägung ziehen. Eine präklinische Intubation bei Gesichtsverbrühungen ist nur
selten erforderlich, da sich ein intubationsbehinderndes Ödem nicht in der Kürze des
Transports entwickelt.
Kühlen
Das posttraumatische Kühlen sollte unmittelbar nach Unterbindung der Wärmequelle und
Entkleidung des Patienten erfolgen. Falls die Kleidung fest mit der Haut verklebt
ist (möglich im Falle von Verbrennungen), sollte sie belassen werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang:
-
Kühlung der betroffenen Körperregion und nicht des ganzen Kindes.
-
Das Wasser darf nicht zu kalt sein, da es sonst sehr schnell zu einer Hypothermie
kommen kann.
Mögliche Folgen einer Hypothermie sind unter anderem ein gesteigerter Sauerstoffbedarf,
ein erhöhtes Apnoerisiko, eine Verschlechterung der plasmatischen Gerinnung sowie
Herzrhythmusstörungen, Hypoglykämie und eine herabgesetzte Mikrozirkulation [9]. Zudem kann das kalte Wasser zu einem lokalen Gewebeschaden führen.
Merke
Eine sofortige Kühlung der betroffenen Körperstelle sollte mit lauwarmem Wasser (mindestens
15 °C) für maximal 10 Minuten erfolgen.
Die Haut sollte zusätzlich mit sterilen, nicht haftenden Folien oder Verbänden abgedeckt
werden. Das Aufbringen von anderen Mitteln wie Puder, Zahnpasta oder ggf. Salben ist
obsolet.
Ein 3-jähriger Junge zieht sich mit heißem Wasser aus einem ausgeleerten Wasserkocher
eine Verbrühung des Gesichts zu. Die daneben stehende Mutter nimmt den Jungen und
kühlt die betroffenen Stellen in der Dusche mit kühlem Wasser. Parallel dazu wird
der Rettungsdienst verständigt.
Die rasch eingetroffenen Rettungsdienstmitarbeiter bedecken die Wunden mit sterilen
Kompressen und packen den Jungen für den Transport in eine Rettungsdecke ein. Auf
einen i. v. Zugang wird verzichtet, eine analgetische Therapie erfolgt mit 250 mg
Paracetamol supp.
Nach erfolgter Kühlung ist die Aufrechterhaltung der Normothermie indiziert. Dies
kann durch Auflegen von Decken, Aufheizen der Umgebungstemperatur oder bei Bedarf
durch warme Infusionen erzielt werden. Insbesondere großflächige thermische Verletzungen
führen zu einem Verlust der Thermoregulation.
Bei Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern, bei intubierten und beatmeten Patienten
sowie bei Patienten mit großflächigen thermischen Verletzungen (> 15 % VKOF) sollte
jedoch auf eine Kühlung verzichtet werden, da eine ggf. resultierende Hypothermie
mit einer erhöhten Letalität einhergeht [10].
Analgosedierung
Leider kommt es im Alltag immer noch vor, dass die Kinder beim Eintreffen im Krankenhaus
keine ausreichende analgetische Therapie erhalten haben, obwohl der Schmerz bei Patienten
mit thermischen Verletzungen sehr hoch ist und gerade die Schmerztoleranz bei Kindern
herabgesetzt ist [11]. Beispielsweise Ketamin oder andere Opioide wie Fentanyl in Kombination mit Midazolam
sind schnell wirksam und sehr potent.
Häufig ist eine inadäquate Schmerztherapie auf schwierige Venenverhältnisse oder ein
schmerzgeplagtes Kind in Abwehrhaltung gegenüber dem – im täglichen Umgang mit Kindern
ungeübten – Mediziner zurückzuführen. Hier ist jedoch zu erwähnen, dass viele Notfallmedikamente,
insbesondere Schmerzmedikamente wie Fentanyl, auch intranasal (über nasalen Applikator;
MAD BOD®) oder rektal appliziert werden können. Im Anschluss kann in Ruhe ein i. v.
Zugang oder, wenn nötig, ein intraossärer Zugang gelegt werden.
Eine Übersicht der in der Akutversorgung benutzten Analgosedativa gibt [Tab. 4].
Tab. 4 Dosisempfehlung für Analgosedativa bei Kindern.
Wirkstoff
|
intravenös
|
intraossär
|
rektal
|
intranasal
|
Ketamin
|
2–4 mg/kgKG
|
2–4 mg/kgKG
|
7–10 mg/kgKG
|
1–3 (– 5) mg/kgKG
|
Ketamin S
|
1–2 mg/kgKG
|
1–2 mg/kgKG
|
3–5 mg/kgKG
|
0,5–1,5 (– 2,5) mg/kgKG
|
Fentanyl
|
0,001–0,01 mg/kgKG
|
|
|
|
Piritramid
|
0,05–0,1 mg/kgKG
|
|
|
|
Midazolam
|
0,05–0,1–(0,2) mg/kgKG
|
|
0,3–0,5 mg/kgKG
|
0,2–0,3 mg/kgKG
|
Infusionstherapie
Merke
Ein adäquates Flüssigkeitsmanagement ist aufgrund des Flüssigkeitsverlusts im Bereich
der Wunden, der raschen reaktiven Ödembildung und der daraus resultierenden Flüssigkeitsverschiebung
aus dem Intravasalraum essenziell.
Insbesondere in den ersten Minuten posttraumatisch kommt es aufgrund von Freisetzung
verschiedener Mediatoren zum Capillary Leak mit Verlust von Wasser, Elektrolyten und
Proteinen [12]. Das Flüssigkeitsmanagement hängt aber natürlich auch von dem Flächenausmaß der
thermischen Verletzungen ab.
Bei großflächigen thermischen Verletzungen sollte in jedem Fall ein i. v. Zugang gelegt
werden und die Flüssigkeitssubstitution mit 10 ml/kg KG/h als Bolus erfolgen, um einem
Volumenmangelschock vorzubeugen. Hierfür eignen sich isotone, kristalloide Lösungen
(Ringer-Acetat). Falls dies nicht möglich ist, sollte die Substitution über eine intraossäre
Nadel erfolgen. Sofern ein längerer Transportweg ansteht, ist die Flüssigkeitssubstitution
mit 10 ml/kgKG/h bei ausgeprägten Verletzungen fortzuführen. Die Bestimmung der Verletzungstiefe
der Verbrennung spielt in der Akutphase eine untergeordnete Rolle, da sich dadurch
keine Änderung des initialen Flüssigkeitsregimes ergibt.
Bei Kindern mit kleinflächigen thermischen Verletzungen (< 10 % VKOF) kann bei schwierigen
Venenverhältnissen am Unfallort auf einen i. v. Zugang verzichtet werden, wenn das
Krankenhaus in weniger als 30 Minuten erreichbar ist.
Transport in die Klinik
Patienten mit ernsten und schweren Verbrennungen sollten in jedem Fall in ein Verbrennungszentrum
oder eine spezialisierte Klinik mit hoher Expertise transportiert werden. Die in der
Übersicht zusammengefassten Kriterien charakterisieren eine schwere Verbrennung.
Übersicht
Schwere Verbrennung
-
Inhalationstrauma
-
Verbrennungen II. Grades von ≥ 10 % VKOF
-
Verbrennungen III. Grades von ≥ 5 % VKOF
-
Beteiligung von Gesicht, Händen, Füßen, Genitalien, Perineum oder großen Gelenken
-
alle thermischen Verletzungen IV. Grades
Kinder mit ausgeprägten thermischen Verletzungen sollten in Notarztbegleitung transportiert
werden. Während des Transports sollte keine weitere Kühlung mehr durchgeführt und
die Vitalparameter inklusive Temperatur streng im Blick behalten werden.
Versorgung im Krankenhaus
Versorgung im Krankenhaus
Bei der Aufnahme des Kindes im Krankenhaus sollte zunächst eine Reevaluation des Verbrennungsausmaßes
und des klinischen Zustands sowie der Schmerztherapie erfolgen. Wie bereits oben erwähnt,
ist für die daraus resultierende Flüssigkeitssubstitution eine genaue Kalkulation
der betroffenen Körperoberfläche notwendig. Bei einer Fehlkalkulation kann es z. B.
zu einer Hypervolämie aufgrund des meist überschätzten Verbrennungsausmaßes mit den
damit verbundenen Komplikationen kommen. Zudem sollten das Gewicht und die Größe des
Kindes gemessen werden.
Abb. 7 Stufenschema Schmerztherapie (Abteilung für Kinderanästhesie, Altonaer Kinderkrankenhaus,
Hamburg) (KI = Kurzinfusion, PCA = patientenkontrollierte Analgesie).
Abb. 8 3-jähriger Junge mit Verbrühung gemischt zweitgradig.
a Am Unfalltag nach primärem Débridement.
b Nach Suprathelauflage.
c Am 5. postoperativen Tag nach Suprathelauflage.
d 2 Wochen nach Suprathelauflage.
e 4 Wochen postoperativ.
Fallbeispiel
Verbrühung II
Bei Ankunft in der Klinik befindet sich der Junge in einem ordentlichen Allgemeinzustand.
Bei der Beurteilung der Verletzung zeigt sich eine Verbrühung des Gesichts und der
behaarten Kopfhaut rechts frontal. Die Areale sind zweitgradig verbrüht. Es finden
sich noch einzelne gefüllte Blasen, bei über der Hälfte der Fläche sind die Blasen
spontan eröffnet. Insgesamt wird das Ausmaß mit 3 % VKOF beziffert. Der Tetanusimpfschutz
ist intakt.
Aufgrund des Ausmaßes, der Lokalisation und des Alters wird dann zur weiteren kindgerechten
Versorgung ein Débridement in Narkose durchgeführt ([Abb. 8]).
Weiterführend sollte auf die folgenden Punkte geachtet werden:
Intensivmedizinisches Management
Die Überwachung der Vitalparameter ist für die Zustandsbestimmung des Kindes und als
Basis für das nachfolgende Therapiemanagement von großer Bedeutung. Bei schweren Verbrennungen
kann aufgrund der Flüssigkeitssubstitution, Medikamentengabe, häufiger Narkosen sowie
zur kontinuierlichen Messung des zentralen Venendrucks die Anlage eines zentralen
Venenkatheters indiziert sein.
Diurese
Die Diurese kann sehr gut nach Legen eines Blasenkatheters kontrolliert werden. Bei
großflächigen Verbrennungen bietet sich ein Dauerkatheter mit Temperatursonde an.
Die Diurese sollte bei Säuglingen und Kleinkindern 1–2 ml/kgKG/h und bei Schulkindern
0,5–1 ml/kgKG/h betragen. Sofern kein Blasenkatheter angelegt wird (z. B. bei Kindern
< 15 % VKOF), kann die Überwachung der Diurese mittels dem spezifischen Gewicht erfolgen.
Bei Zeichen eines Volumenmangels und Oligurie sollte die Flüssigkeitszufuhr erhöht
werden. Genauso wichtig ist jedoch die rechtzeitige Reduktion der Infusion bei einer
Diurese oberhalb des Zielbereichs, um einer ausgeprägten Ödembildung entgegenzuwirken.
Ernährung
Merke
Prinzipiell sollte stets eine frühzeitige enterale Ernährung angestrebt werden.
Schwer verbrannte Kinder entwickeln im Rahmen der Verbrennungskrankheit einen Hypermetabolismus,
der bis zum 2,5-Fachen des Grundumsatzes betragen kann. Diese katabole Stoffwechsellage
erfordert daher eine entsprechend zusammengesetzte hyperkalorische Ernährung ([Tab. 5]).
Tab. 5 Tagesbedarf (Regel nach Hildreth 1990 [13]).
Alter
|
Energiebedarf
|
< 12 Jahre
|
1800 kcal/m2 gesamte KOF + 1300 kcal/m2 VKOF
|
> 12 Jahre
|
1500 kcal/m2 gesamte KOF + 1500 kcal/m2 VKOF
|
Infusionstherapie
In der Kinderverbrennungsmedizin hat sich bei großflächigen Verbrennungen die modifizierte
Parkland-Formel für Kinder bewährt ([Tab. 6]).
Tab. 6 Parkland-Formel für Kinder: Flüssigkeitssubstitution während des stationären Aufenthalts.
|
Infusionstherapie
|
Grundbedarf
|
≤ 10 kgKG
|
100 ml/kgKG/d
|
≤ 20 kgKG
|
80 ml/kgKG/d
|
≤ 40 kgKG
|
50 ml/kgKG/d
|
> 40 kgKG
|
40 ml/kgKG/d
|
stationäre Therapie
|
1. Tag
|
4–5 ml/kgKG × VKOF
|
2. Tag
|
1 ml/kgKG × % VKOF
|
Kinder mit einer kleinflächigen Verbrennung (bis maximal 15 % VKOF) benötigen nur
den Erhaltungsbedarf angepasst an spezifisches Gewicht und Diurese.
Analgosedierung
Es sollte stets eine adäquate Analgosedierung zur Schmerzfreiheit des Patienten angestrebt
werden, insbesondere um die Traumatisierung des Kindes durch die schmerzhaften repetitiven
Verbandswechsel zu minimieren. Hierfür eignet sich die Kombination eines Analgetikums
mit einem Sedativum.
Merke
Die Schmerzfreiheit der Kinder sollte die Basis einer jeden Behandlung sein.
Bei leichten Verbrennungen kommt unser Stufenschema zum Einsatz ([Abb. 7]). Bei schweren Traumata und intubierten Patienten werden meist Ketamin S, Opioide
und Midazolam eingesetzt.
Antibiotische Therapie
Eine prophylaktische antibiotische Therapie im Rahmen von thermischen Verletzungen
ist nicht indiziert. Falls man den Verdacht auf eine systemische Infektion hat, ist
eine kalkulierte antibiotische Therapie nach entsprechender bakteriologischer Diagnostik
zu empfehlen.
Lokaltherapie
Débridement
Nach initialer Stabilisierung des Patienten wird möglichst rasch die chirurgische
Wundversorgung mit Débridement in Analgosedierung durchgeführt. Ziel ist es, alle
Blasen abzutragen, da eine verzögerte Reepithelialisierung durch die Blasenflüssigkeit
sowie ein Bakterienwachstum von den Haarfollikeln ausgehend anzunehmen ist. Dies funktioniert
gut mit Kompressen und einer Wunddesinfektionslösung (z. B. Octenisept oder Polyhexanidlösung).
Die Körpertemperatur des Patienten sollte vor dem Débridement im oberen Normbereich
liegen. Zudem muss insbesondere bei ausgedehnten Verletzungen auf eine ausreichende
Umgebungstemperatur geachtet werden, beispielsweise durch Vorheizen des Operationssaals.
Wundauflage
Die geeignete Wundauflage richtet sich einerseits nach der Beschaffenheit der Wunde,
andererseits aber auch nach den kindlichen Anforderungen.
Merke
Die ideale Wundauflage sollte eine antibakterielle Wirkung haben, schmerzarm zu wechseln
sein und, wenn möglich, länger auf der Wunde verbleiben.
Hierfür eignen sich beispielsweise Polyurethan-Schaumstoffverbände mit Silber wie
z. B. Mepilex Ag®. Es weist eine gute Flüssigkeitsabsorption auf, die gerade in den
ersten Tagen bei den zweigradigen Verbrühungen von Nutzen ist. Zudem hat es aufgrund
seines Silbergehalts eine antibakterielle Wirkung. Ein weiterer Vorteil dieser Wundauflage
ist, dass sie bis zu 5 Tage auf der Wunde belassen werden kann, sie sollte in den
ersten Tagen jedoch bereits jeweils nach 2–4 Tagen zur besseren Wundbeurteilung gewechselt
werden.
Bei oberflächlichen thermischen Verletzungen (zweitgradig) hat sich der Einsatz von
Suprathel® bewährt. Hierbei handelt es sich um einen synthetischen Hautersatz, der
sich der Wundfläche anpasst und adhäriert. Dieses Lacto-Capromer verbleibt auf der
Wunde bis zur vollständigen Abheilung. Somit sind die Verbandswechsel trocken, atraumatisch
und quasi schmerzfrei, da man nicht in direkten Kontakt mit der Wunde kommt. Zudem
besitzt Suprathel eine antibakterielle Wirkung aufgrund des niedrigen ph-Wertes bedingt
durch den Milchsäuregehalt. Sofern die Wunde reizlos ist und das Suprathel anhaftet,
kann von einer erfolgreichen Wundheilung ausgegangen werden ([Abb. 8]). Suprathel wird in der Primärversorgung angewendet oder beim ersten Verbandswechsel
aufgelegt, da zu diesem Zeitpunkt die Unterscheidung der Tiefenausdehnung eindeutiger
ist.
Fallbeispiel
Verbrühung III
In störungsfreier Intubationsnarkose erfolgt die erneute Begutachtung des Befunds.
Im betroffenen Areal rechts frontal und parietal werden die Haare rasiert. Nach sterilem
Abwaschen mit Octenisept erfolgen dann die Blasenabtragung und ein Débridement mit
dem scharfen Löffel.
Es zeigen sich allseits rosige Wundgründe und ein rascher kapillärer Refill. Die meisten
Areale werden oberflächlich zweitgradig bewertet, es finden sich kleinere tiefere
Anteile, insbesondere im Bereich der behaarten Kopfhaut. Nun folgt eine Suprathelauflage
mit zweischichtiger Fettgaze ([Abb. 8]).
Chirurgische Therapie
Der Zeitpunkt der chirurgischen Therapie bei tiefergradigen thermischen Verletzungen
sollte so gewählt werden, dass sich die betroffenen Areale demarkiert haben, um eine
„Übertransplantation“ zu vermeiden. In der Regel heilen die oberflächlichen Verletzungen
binnen 2 Wochen ab. Gerade bei den gemischtgradigen thermischen Verletzungen, insbesondere
Verbrühungen, sollten also zwischen dem 7. und 12. posttraumatischen Tag bei den tiefen
Arealen die Nekrektomie und die Deckung mittels Spalthaut erfolgen. Lediglich bei
der Lokalisation Handflächen und Gesicht kann man noch weiter zuwarten, da dort ein
hohes Regenerationspotenzial besteht.
Bei großflächigen tiefen Verbrennungen ist ggf. bereits zu einem deutlich früheren
Zeitpunkt eine Nekrektomie und Deckung indiziert, da in diesem Fall aufgrund der hohen
Hitzeeinwirkung bereits früher eine Demarkierung eintritt, in der Regel zwischen dem
3. und 5. Tag. Bei tiefen Verbrennungen (drittgradig) im Bereich des Halses, der Extremitäten
sowie des Rumpfes, die nahezu oder komplett zirkulär sind, muss eine sofortige Escharotomie
in Erwägung gezogen werden, sofern ein Kompartment zu befürchten ist ([Abb. 9]).
Abb. 9 Dreijähriges Mädchen mit zirkulärer Verbrühung am rechten Unterarm (a). Nach erfolgter Escharotomie (b).
Praxistipp
Bei tiefen Verbrühungen liegt in der Regel der optimale Zeitpunkt einer chirurgischen
Versorgung zwischen dem 7. und 12. posttraumatischen Tag, bei Verbrennungen zwischen
Tag 3 und 5.
Die Hauttransplantation an der betroffenen Wunde wird nach einer tangentialen Nekrektomie
durchgeführt. Das beste Resultat der Transplantation findet sich meist bei noch partiell
erhaltener Dermis, wobei dies natürlich bei tiefen Verbrennungen nicht gewährleistet
werden kann.
Merke
Eine ungemeshte Spalthaut liefert ein kosmetisch vorteilhafteres Ergebnis und sollte
bei ausreichender Fläche der Entnahmestelle und bei Verbrennungen < 15 % VKOF stets
angestrebt werden ([Abb. 10]).
Abb. 10 15-jähriger Patient mit einer Verbrennung durch heißes Fett am 7. posttraumatischen
Tag.
a Man sieht bereits eine deutliche Demarkierung des transplantationsbedürftigen Areals
(Grad II b–III) im Vergleich zum primär heilenden (Grad II a).
b Nach erfolgter Nekrektomie des tiefergradigen Areals und Spalthauttransplantation.
c 28 Tage postoperativ.
Ein erster Verbandswechsel sollte spätestens am 5. postoperativen Tag durchgeführt
werden. Zu diesem Zeitpunkt ist das Transplantat bei regelrechter Einheilung ausreichend
fest, um die Fixierungen (Nähte oder Klammern) zu lösen. Zu diesem Zeitpunkt kann
meist eine sichere Aussage über die „Take-Rate“ des Transplantats getroffen werden
([Abb. 11]).
Abb. 11 3-jähriger Patient nach Knallkörperverbrennung.
a Am 7. posttraumatischen Tag zeigt sich bereits eine deutliche Demarkierung des transplantationsbedürftigen
Areals.
b Nach Nekrektomie erfolgt die Spalthauttransplantation.
c 5. postoperativer Tag.
d 2 Wochen postoperativ.
Bei Kindern hat sich die Entnahme der Spalthaut an der behaarten Kopfhaut bewährt,
da die Entnahmestelle mit ihrer in der Regel nach dem Heilungsverlauf unterschiedlichen
Pigmentierung nach erneutem Wachstum der Haare nicht sichtbar ist. Vor der Rasur sollte
in jedem Falle die Haargrenze markiert werden, um eine Entnahme darüber hinaus zu
vermeiden. Nach Rasur und Desinfektion werden eine Adrenalinlösung und Lokalanästhetika
(Sattler-Mischung) untergespritzt, um zum einen den Blutverlust zu verringern und
zum anderen die Kopfhaut anzuheben, um so mit dem Dermatom besser gleiten zu können
([Abb. 12]).
Abb. 12 Spalthautentnahme an der behaarten Kopfhaut.
a Rasur des Kopfes nach Einzeichnen der Haargrenze.
b Unterspritzung mittels Adrenalinlösung (TLA-Lösung nach Sattler).
c Entnahme mittels Akkudermatom (0,2 mm).
d Entnahmestelle.
e 6. postoperativer Tag.
f 11. postoperativer Tag nach Spalthautentnahme.
Eine Entnahmedicke von 0,2 mm sollte in der Regel nicht überschritten werden. Bei
sehr kleinen Säuglingen ist auch eine Entnahmedicke von 0,1 mm ausreichend.
Nachsorge
Merke
Eine konsequente Nachsorge sollte in der Verbrennungsbehandlung einen ebenso hohen
Stellenwert haben wie eine gute Primärversorgung.
Bei allen tiefen oder größerflächigen Verbrennungen sollte ein ausreichendes und adäquates
Nachsorgekonzept durch die behandelnden Ärzte erstellt werden. Dazu gehören neben
der konservativen Narbentherapie auch ggf. eine physio-/ergotherapeutische Behandlung
sowie eine psychologische Betreuung. Diese Maßnahmen sollten bereits durch den Verbrennungsmediziner
initiiert werden und in Relation mit dem Befund in regelmäßigen Abständen im Rahmen
einer speziellen Sprechstunde für brandverletzte Kinder reevaluiert werden.
Narbenbehandlung
Die konservative Narbentherapie dient neben dem Erhalt bzw. der Wiederherstellung
der vollständigen Funktion auch dem Erreichen eines optimalen kosmetischen Ergebnisses.
Die Pflege mit Salben ist die Basistherapie jeder Narbe (s. a. Fallbeispiel). Bei
tieferen Verbrennungen und nach Transplantationen wird in der Regel über 10–18 Monate
eine Kompressionstherapie durchgeführt, um die häufig auftretenden Hypertrophien zu
vermeiden. Zusätzlich werden bei Bedarf Silikonauflagen, Lagerungsschienen und Kompressionspolster
angewendet.
Operative Narbenkorrekturen erfolgen meist erst nach Ausschöpfen einer konsequenten
konservativen Narbenbehandlung und nach Ausreifung der Narben. Besteht jedoch eine
therapieresistente Funktionseinschränkung, sind Korrekturoperationen früher indiziert.
Zahlreiche chirurgische Maßnahmen zur Narbenkorrektur stehen zur Verfügung (s. Übersicht).
Übersicht
Gängige Operationsmethoden zur Korrektur kindlicher Verbrennungsnarben
-
Lasertherapie
-
Needling (perkutane Kollageninduktion – PCI)
-
Dermabrasio
-
Dermal-Overgrafting
-
Exzisionen, serielle Exzisionen, intraläsionale Exzisionen
-
lokale Verschiebelappenplastik, Z-Plastik, Jumping-Man-Plastik
-
Narbenrelease/-korrektur mit Vollhauttransplantation
-
Narbenkorrektur und Defektdeckung mittels Dermisersatz
-
Narbenkorrektur mit Expandern
-
Fernlappenplastik
Fallbeispiel
Verbrühung III
Postoperativ erholt sich der Junge rasch mit gutem peroralem Kostaufbau und suffizienter
Flüssigkeitsausscheidung, sodass die postoperative i. v. Flüssigkeitssubstitution
zügig beendet werden kann.
In Narkose wird am 3. Tag der oberflächliche Verband das 1. Mal gewechselt. Dabei
zeigt sich das Suprathel mit der unteren Fettgazeschicht gut anhaftend und reizlos.
Anschließend wird der kleine Patient entlassen.
Weitere poststationäre Verbandswechsel werden ambulant 3 und 6 Tage nach der Entlassung
durchgeführt. Auch dabei zeigen sich reizlos anhaftende Suprathelauflagen. Am 9. posttraumatischen
Tag kann das Suprathel bereits von den Rändern gekürzt werden. Beim folgenden Verbandswechsel
13 Tage nach dem Unfall lässt sich das Suprathel vollständig ablösen. Die Wunden sind
vollständig epithelialisiert und können offen belassen werden.
Die Familie beginnt eine 3× tägliche Pflege der Areale mit Panthenolsalbe.
Prävention
Merke
Die wichtigste „therapeutische Maßnahme“ in der Verbrennungstherapie ist die Prävention.
Neben den zunehmend gesetzlich vorgeschriebenen baulichen Maßnahmen wie Rauchmeldern
kommt der Aufklärung eine große Bedeutung zu. Paulinchen – Initiative für brandverletzte
Kinder e. V. (www.paulinchen.de) hat die Prävention neben der Betreuung betroffener Familien zu einer ihrer Hauptaufgaben
gemacht. So werden von Paulinchen zahlreiche Präventionskampagnen durchgeführt und
der „Tag des brandverletzten Kindes“ am 07. Dezember (www.tag-des-brandverletzten-kindes.de) veranstaltet. In vielen Kliniken und Einrichtungen werden zu diesem Tag zahlreiche
Aktionen durchgeführt.
Zusammenfassung
Epidemiologie
Thermische Verletzungen sind eine häufige Unfallursache bei Kindern. Sie betreffen
insbesondere Kleinkinder. So sind im Kindesalter etwa ⅔ der stationär behandelten
Patienten mit Verbrühungen und Verbrennungen jünger als 3 Jahre. Etwa 6000 Kinder
müssen aufgrund einer Verbrennung oder Verbrühung in Deutschland pro Jahr stationär
behandelt werden.
Verletzungsausmaß
Die genaue und exakte Beurteilung von Verbrennungsausmaß und Tiefe der Verletzung
ist eine der wesentlichen Grundlagen für die weitere Behandlung. Begleitverletzungen,
wie z. B. ein Inhalationstrauma, müssen stets mitberücksichtigt und erfasst werden.
Diese Verletzungen können den Schweregrad signifikant beeinflussen und die Prognose
verschlechtern.
Die Tiefenausdehnung der thermischen Verletzung lässt sich in 4 Grade einteilen:
Das Flächenausmaß der zugezogenen Verbrennung lässt sich schnell und einfach ohne
jegliche Hilfsmittel mittels der Handflächenregel bestimmen. Dabei entspricht die
Handfläche des betroffenen Kindes – inklusive Finger – 1 % seiner Körperoberfläche.
Therapeutisches Vorgehen
Eine Kühlung ist mit lauwarmem Wasser (mindestens 15°C) für maximal etwa 10 Minuten
empfohlen.
Die Eckpfeiler der Primärversorgung am Unfallort bestehen aus
-
Sicherung der Vitalfunktion,
-
Kühlen,
-
Analgosedierung,
-
Beurteilung des Verbrennungsausmaßes (% VKOF und Tiefe) sowie möglicher Begleitverletzungen
(Inhalationstrauma).
Die Haut sollte zunächst zusätzlich mit sterilen nicht haftenden Folien oder Verbänden
abgedeckt werden.
Die Temperatur des Kindes muss stets im Blick behalten werden.
Die Schmerztherapie ist bei brandverletzten Patienten essenziell. Viele Analgetika
und Sedativa können auch rektal oder intranasal appliziert werden, sodass man bei
schwierigen Venenverhältnissen auf diese zurückgreifen kann.
Bei konservativem Management ist aus der Vielzahl der Angebote eine geeignete Wundauflage
zu wählen. Die Wundauflage sollte eine antibakterielle Wirkung haben, schmerzarm zu
wechseln sein und, wenn möglich, länger auf der Wunde verbleiben können, um die Anzahl
der Verbandswechsel zu reduzieren.
Bei tiefen thermischen Verletzungen ist die tangentiale Nekrektomie und Spalthauttransplantation
die Therapie der Wahl.
Eine konsequente Nachsorge sollte in der Verbrennungsbehandlung einen ebenso hohen
Stellenwert haben wie eine gute Primärversorgung.
Bei allen tiefen oder größerflächigen Verbrennungen sollte ein ausreichendes und adäquates
Nachsorgekonzept durch die behandelnden Ärzte erstellt werden. Zudem sind regelmäßige
Kontrollen in einer spezialisierten Sprechstunde für brandverletzte Kinder indiziert.
Die effizienteste „therapeutische Maßnahme“ in der Verbrennungstherapie ist die Prävention.
Kernaussagen
-
Abdecken der brandverletzten Haut mit sterilen nicht haftenden Folien oder Verbänden
-
nach initialer Kühlung Normothermie aufrechterhalten
-
Patienten mit ernsten und schweren Verbrennungen in jedem Fall in ein Verbrennungszentrum
oder eine spezialisierte Klinik mit hoher Expertise transportieren.