JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2017; 06(02): 50-51
DOI: 10.1055/s-0042-122554
Kolumne · Rechtsticker
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kolumne · Rechtsticker

Tobias Weimer
1   WEIMER I BORK – Kanzlei für Medizin- & Strafrecht, Frielinghausstr. 8; 44803 Bochum, URL: info@kanzlei-weimer-bork.de   URL: www.kanzlei-weimer-bork.de
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Heidi Günther
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Publication Date:
06 April 2017 (online)

KOLUMNE

Alter schützt vor gar nichts

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(Paavo Blåfield)

Jede Generation ist eine Fortsetzung der andern und ist verantwortlich für ihre Taten.

(Heinrich Heine (1797–1856), dt. Dichter)

Jetzt, wo ich gerade an dieser Kolumne sitze, hat uns die Vorweihnachtszeit mit allem, was dazugehört, fest im Griff. Weihnachtsmärkte, wohin man sieht. Weihnachtsfeiern, die man absolviert. Weihnachtsgeschenke, die gekauft werden müssen. Und dann erst die Vorbereitungen für den Weihnachtsabend. Wo wird gefeiert? Wer kommt an diesem Abend und was wollen wir essen? Der ganze Dezember scheint unter einem großen W zu stehen.

Jetzt, wo diese Kolumne zu lesen ist, ist der ganze Weihnachtstrubel längst vorbei und das neue Jahr hat Fahrt aufgenommen. Und dieses neue Jahr hat wie jedes Jahr seine geplanten Höhepunkte. Einer wird ohne Zweifel die Bundestagswahl im September sein. Und was gehört zu einer solchen bedeutenden Wahl? Richtig: Der Wahlkampf!

Nun muss niemand – mich eingeschlossen – hellseherische Fähigkeiten haben, um sich die Themen dieses Wahlkampfs vorzustellen: Da hätten wir neben der Flüchtlingspolitik, der Außenpolitik, den wirtschaftlichen Themen und der Familienpolitik selbstverständlich auch die Rentenpolitik. Und schon komme ich auf mein Thema des Tages: die Generationen. Wenn ich mir die Schlagwörter in den Medien zu diesem Thema ansehe, haben diese immer etwas latent Bedrohliches. Es wird von Generationskonflikt, Generationsgerechtigkeit oder Generationsvertrag gesprochen. Dabei ist Generation eigentlich die Gesamtheit aller zu einer bestimmten Zeit geborenen Menschen. Der Begriff kommt aus dem lateinischen generatio und bedeutet unter anderem auch Nachkommenschaft. In unserem Wortschatz wurde dieser Begriff übrigens etwa 1525 durch den Arzt Paracelsus etabliert. Nur hat sich im Laufe der Jahrhunderte das Verständnis um dieses Begriff beträchtlich verändert.

Früher lebten mehrere Generationen unter einem Dach. Für viele von uns ist das heute undenkbar. Für meinen Sohn, meine Schwiegertochter und mich war dieses Thema eine Zeitlang durchaus nicht abwegig. Wir haben uns ernsthaft auf die Suche nach einem entsprechenden Haus gemacht und sind großartig gescheitert. Denn auch in Bauplänen und Wohnraumgestaltung ist es heute gar nicht mehr vorgesehen, generationsübergreifend leben und wohnen zu wollen. Schade eigentlich. Denn wir verstehen uns sehr gut und konnten uns ein Zusammenleben sehr lebhaft vorstellen. Sicherlich wären bei uns auch ab und an die Fetzen geflogen und jeder hätte seinen privaten Rückzugsort gebraucht. Doch unterm Strich haben wir mehr Vorteile und verbesserte Lebensqualität gesehen. Aber es sollte nicht sein.

Zum Zeitgeist gehört, dass jede Generation mehr für sich lebt. Eigene Wege geht. Individualisierung, Pluralisierung, Technisierung, Digitalisierung und Mobilität sind die Zauberwörter. Wertvorstellungen, Anschauungen und Lebenskonzepte sind im stetigen Wandel. Kein Wunder, dass jede Generation auch ihren eigenen Namen verpasst bekommen muss. Ich habe leider nicht herausgefunden, wer für die Titel der Generationen verantwortlich ist, aber ich weiß, dass ich zur Babyboomer-Generation gehöre. Diese Generation kommt in der Beschreibung eigentlich noch ganz gut weg. Sie bezeichnet nur eine Zeit, in der ein beträchtlicher Geburtenanstieg zu verzeichnen war. Da habe ich ja noch einmal Glück gehabt.

Mein Sohn hingegen ist ein Kind der Generation Y. Auch als „Millenials“ oder „MTV-Generation“ bezeichnet. In der Definition beschrieben als Menschen, die mit dem Fernsehsender MTV aufgewachsen und von diesem geprägt worden seien. Diesen Teil der Definition halte ich für ein bisschen sehr flach. Aber diese Generation wird auch als sehr gut ausgebildet und Sinn suchend beschrieben. Sie wollen Karriere machen, ohne dabei den Ausgleich zwischen Arbeit und Leben aus den Augen zu verlieren. Das trifft dann auch auf meinen Sohn im Großen und Ganzen zu.

Bezeichnungen wie „Generation Maybe“, oder „Null-Bock-Generation“ oder „Generation Terror“ hingegen machen mir dann doch schon Angst.

Doch alle Namen, Bezeichnungen und Titel sprechen ja niemanden frei, auf andere zu achten, Respekt zu zeigen und überhaupt bestimmte Normen und Regeln im gemeinsamen Leben zu beachten – auch wenn die Rahmenbedingungen für ein Miteinander sich ständig ändern und dadurch ein gewisses Konfliktpotenzial zwischen den Generationen, meinetwegen auch zwischen Jung und Alt, entsteht. Bestenfalls sollte ein Miteinander, mindestens ein Nebeneinander und auf keinen Fall ein Gegeneinander entstehen.

Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Erst im vergangenen Monat musste ich auf eine Patientenbeschwerde reagieren. Nachdem ich mir den sehr rüden und fordernden Ton eines Patienten sehr bestimmt verbeten habe, flatterte prompt eine schriftliche Beschwerde bei unserem ärztlichen Direktor rein. Da waren mal zwei Generationen aufeinandergeprallt. Der Aufforderung zu einer Stellungnahme bin ich widerwillig nachgekommen. Nicht ohne darin zu erwähnen, dass auch der Beschwerdeführer sich im Ton und seiner Art, mit mir und den Kollegen umzugehen, nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Dieses hatte er in seinem Anschreiben unter den Tisch fallen lassen. Schade eigentlich.

Alt oder älter zu sein, ist nicht gleich der Freifahrtschein für schlechtes Benehmen oder dafür, alles besser zu wissen. Nicht immer war früher alles besser. Obwohl ich mir einen Hang zu dieser Floskel auch nicht immer absprechen kann. Und heute jung zu sein, stelle ich mir oft auch ein bisschen schwierig vor. Ich kenne junge Kollegen, die vor Selbstbewusstsein und Enthusiasmus nur so sprühen und dabei oft über das Ziel hinausschießen. Nicht selten gefolgt von großen Enttäuschungen, wie von einem Blitz getroffen, wenn sie im Alltag ankommen. Die gesunde Mischung macht es oft aus.

Übrigens stand folgender Text auf einer Tontafel der alten Sumerer: „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte.“ Das war vor mehr als 3000 Jahren schon falsch und stimmt heute auch nicht.

Bleiben wir also gespannt auf die uns folgenden Generationen und darauf, welche Bezeichnungen diese – von wem auch immer – erhalten werden.

In diesem Sinne, Ihre

Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de