Key words
malignant superior vena cava syndrome - endovascular stent - lung carcinoma - poor
outcome
Endovaskuläre Stents haben sich in den letzten 30 Jahren von ihren Anfängen Mitte/Ende
der 80er-Jahre über die Zulassung durch die Food and Drug Administration (FDA) für
ballonexpandierbare Stents 1994, die Einführung von medikamentenfreisetzenden Stents
(Drug-Eluting Stents, DES) vor 12 Jahren bis heute zu einer wichtigen Option im Therapiespektrum
der Medizin entwickelt [1]. Der häufigste Einsatzbereich sind Eingriffe an den Koronararterien [2]. Darüber hinaus finden Stents auch in der Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
(pAVK), meist in Kombination mit der Ballonangioplastie, erfolgreich Anwendung [3]
[4]. Dort werden Stents neben den größeren Becken- und Oberschenkelarterien mittlerweile
auch in Unterschenkelarterien implantiert. Auch wegen der Erfolge von Stents beim
Einsatz in Arterien sind diese bei venösen Stenosen zunächst tierexperimentell und
später auch bei Menschen zum Einsatz gekommen [5]
[6].
Die obere Einflussstauung, die sich entwickelt, wenn die Vena cava superior verlegt
oder stenosiert ist, ist mittlerweile eines der Hauptanwendungsgebiete im venösen
System. Bei über 90 % der Fälle entsteht diese aufgrund eines verdrängenden oder infiltrativ
wachsenden malignen Tumors im Thorax, wobei es sich in mehr als 80 % um ein Bronchialkarzinom
handelt [7]
[8]
[9]
[10]. Wesentlich seltener sind hingegen benigne Ursachen wie Kathetherthrombosen oder
Strikturen post Radiatio [11]. Bei über 55 000 prognostizierten in Deutschland neu aufgetretenen Bronchialkarzinomen
im Jahr 2016 muss davon ausgegangen werden, dass bei 3 – 5 % der Patienten schon bei
Erstdiagnose eine obere Einflussstauung besteht oder sich im Verlauf der Tumorerkrankung
entwickeln wird [12]
[13]. Wegen der schlechten Prognose von sechs Monaten (Median), begleitet von meist gravierenden
klinischen Symptomen wie Gesichts-, Lid- und Armödemen, Kopfschmerzen und Dyspnoe
im Liegen sowie dem hohen Leidensdruck der Patienten, bedarf es einer schnellen Entlastung
[14]
[15]
[16]. Die medikamentöse Therapie mit Kortikosteroiden, Diuretika und Antikoagulantien,
sowie Strahlen- und Chemotherapie zeigen keinen schnellen Therapieerfolg. Eine chirurgische
Intervention mit Rekonstruktion der oberen Hohlvene ist zwar beschrieben, kommt klinisch
jedoch im Prinzip nicht zum Einsatz [17]
[18]
[19].
In Arbeiten mit kleinen Kohorten wurde gezeigt, dass eine Stentimplantation effektiver
ist als die oben genannten Therapieansätze. Durch Therapie der Dyspnoe und Ödeme von
Gesicht, Hals und oberen Extremitäten wird zudem die anschließende oder bereits laufende
Behandlung des zugrunde liegenden Tumorleidens erleichtert. Insgesamt wird der klinische
Zustand verbessert. [7]
[20].
In der vorliegenden Arbeit berichten wir retrospektiv über fast zehn Jahre Erfahrung
mit der Stentimplantation bei oberer Einflussstauung zur symptomatischen Therapie.
Material und Methoden
Mittels codebasierter Datenbankabfrage im Radiologie-Informationssystem des Klinikum
Nürnberg (mediWORKS®, MediTec GmbH, Bad Salzdetfurth, Deutschland) wurden alle Patienten identifiziert,
denen seit Beginn der digitalen Datenerfassung im Jahr 1999 bis zum Stichtag (30.11.2012)
bei oberer Einflussstauung ein oder mehrere Stents implantiert wurden. Patienten mit
benigner Ursache der oberen Einflussstauung wurden ausgeschlossen. Krankengeschichte
und Verlauf wurden primär durch Zugriff auf die digitalisierten Patientenakten recherchiert.
Waren die Daten zum prä- oder postinterventionellem Verlauf nicht vollständig, wurde
sekundär auf Papierakten, das Krebsregister des Klinikum Nürnberg sowie des Tumorzentrums
der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) oder Auskünfte der behandelnden niedergelassenen
Fachärzte zurückgegriffen. Da sich auf diese Weise für Patienten der Jahre 1999 bis
einschließlich 2002 nur inkomplette Datensätze generieren ließen, wurden diese Patienten
ebenfalls von der Auswertung ausgeschlossen. Falls Unklarheiten bezüglich der Lokalisation
oder der Einstufung der eingeengten Vena cava superior bezüglich Stenose oder Verschluss
durch die vorliegenden schriftlichen Befunde zurückblieben, wurden die im Picture
Archiving and Communication System (Ashvins® PACS, Medical Communications Soft- und Hardware GmbH, Karlsruhe, Deutschland) gespeicherten
Interventionsaufnahmen und das immer vorliegende Thorax-CT erneut bewertet. Die Stenosen
wurden anhand der DSA-Serien und der Bildmorphologie graduiert. Stenosierungen von
≥ 70 % des Gefäßdurchmessers wurden als hochgradige Stenose angesehen. Die gesammelten
Daten wurden in Microsoft Office Excel® gesammelt, aufbereitet und mit IBM SPSS Statistics 22® statistisch und grafisch ausgewertet.
Eingriff
Nach schriftlicher Einverständniserklärung der Patienten, wurden die Eingriffe in
einem Angiografieraum an einer Anlage (Axiom Artis dTA®, Siemens Healthcare, Forchheim, Deutschland) für digitale Subtraktionsangiografie
(DSA) durchgeführt. Patienten mit Dyspnoe wurden während der Intervention pulsoxymetrisch
überwacht. Zugangsweg war in aller Regel die rechte Vena femoralis. Nach lokaler Betäubung
und Punktion wurde eine 7F-Schleuse eingebracht. In üblicher Technik wurde der rechte
Vorhof mit einem Selektivkatheter sondiert, um gegebenenfalls eine tiefsitzende Stenose
oder einen Verschluss von kaudal darzustellen. Nach vorsichtiger Sondierung der Stenose
wurde mit einem hydrophilen Sondierungsdraht (0,035-Inch Radifocus® Guidewire, Stiff type, Terumo Corp, Tokio, Japan) entweder zuerst die rechte oder
die linke Vena brachiocephalica sondiert und ein Selektivkatheter eingelegt, um das
geeignete Gefäß zur Stentimplantation festzulegen zu können. Entweder wurde geradeaus
in die rechte oder im Bogen in die linke Vena brachiocephalica implantiert. Hierfür
wurde zusätzlich auf das immer vorliegende Thorax-CT in axialen Ebenen oder koronaren
Rekonstruktionen zurückgegriffen ([Abb. 1a, b]). Anschließend erfolgte das Einwechseln eines Amplatz-Drahts (0,035-inch Amplatz
Super Stiff®, Boston Scientific, Malborough, USA). Hierüber erfolgte, nach elektronischer Festlegung
der benötigten Länge und Kaliber des Stents, die Einwechslung des Stentkatheters.
Unter Fluoroskopie erfolgte die Positionierung und langsame durchleuchtungsgesteuerte
Implantation des Stents ([Abb. 1c, d]). Es wurden ausschließlich selbstexpandierende Stents implantiert. Nach Kontroll-DSA
wurde entschieden, ob wegen unvollständiger Stentexpansion und/oder unzufrieden stellendem
Stentdurchfluss eine Nachdilatation indiziert war. Dabei wurden ausschließlich Ballons
mit einem Diameter bis 12 mm verwendet, um eine mögliche Ruptur der Vena cava zu vermeiden.
Zur Vermeidung von Frühthrombosen im Stent wurden die Eingriffe unter Gabe von jeweils
5000 IE Heparin durchgeführt. Die Patienten wurden nach der Prozedur mit Druckverbänden
versorgt und hatten eine sechsstündige Bettruhe einzuhalten. Eine Antikoagulation
wurde nicht regelhaft und nach Maßgabe der klinischen Kollegen unter Abwägung des
erhöhten Blutungsrisikos bei Tumorleiden durchgeführt.
Abb. 1 a Patient mit hochgradiger Stenose der Vena cava sup. bei mediastinalem Befall eines
kleinzelligem Bronchialkarzinom. CT mit koronarer Rekonstruktion; b Axiale Schnitte desselben Patienten; c DSA mit Darstellung der hochgradigen Stenose nach Sondierung der Vena brachiocephalica
links; d Guter Abstrom nach Stentimplantation. Trotz Nachdilatation verbleibt eine Reststenose
bei derbem Tumorgewebe.
Ergebnisse
Insgesamt wurden Krankheitsgeschichte, Intervention und Verlauf von 141 Patienten
(medianes Alter 64,6 Jahren; Range 36 – 84), 86 Männer und 55 Frauen, retrospektiv
analysiert. Bei 96 Patienten war bereits vor dem Eingriff (median 32 Tage; Range 0 – 2060)
das für die obere Einflussstauung ursächliche maligne Grundleiden histologisch gesichert
worden, bei 35 Patienten erst nach dem Eingriff (median 4 Tage; Range 1 – 37). Damit
war bei einem Viertel der Patienten in unserem Kollektiv bereits vor der Erstdiagnose
der zugrunde liegenden Krebsentität eine obere Einflussstauung vorhanden. Siebenmal
wurde aufgrund der palliativen Behandlungssituation von einer histologischen Sicherung
abgesehen. In den restlichen Fällen konnte das Diagnosedatum nicht eruiert werden.
Es wurden 121 Bronchialkarzinome, darunter 64 kleinzellige und 56 nicht kleinzellige
sowie ein undifferenziertes Bronchialkarzinom, neun extrathorakale Karzinome (Nieren-,
Prostata-, Mamma-, Schilddrüsen- und kolorektales Karzinom), die durch mediastinale
Metastasen symptomatisch wurden, drei Pleuramesotheliome und ein Morbus Hodgkin festgestellt.
57 Patienten wurden bereits vor dem Eingriff chemotherapiert, 74 nach der Intervention.
Radiotherapie erhielten 31 Patienten vor der Stentimplantation und 55 danach. Darüber
hinaus wurde bei 12 Patienten zusätzlich zur Stentimplantation eine notfallmäßige
Mediastinalbestrahlung durchgeführt. Die Indikation zur interventionellen Therapie
der oberen Einflussstauung wurde aufgrund der klinischen Lage und in Zusammenschau
mit kontrastmittelgestützten CT-Aufnahmen durch die behandelnde Fachabteilung und/oder
das Tumorboard in Rücksprache mit der Radiologie gestellt. Bei 89 Patienten wurde
die Stentimplantation elektiv durchgeführt, bei 52 notfallmäßig. [Abb. 2] zeigt die Verteilung der unterschiedlichen Stenosegrade der Venen, an denen die
Interventionen durchgeführt wurden. Über alle primären Interventionen (n = 141) gezählt
wurde die Vena cava superior insgesamt 125-mal gestentet, die Vena brachiocephalica
sinistra 62-mal. 168 Stents wurden bei primären Eingriffen implantiert, 116-mal ein
Stent und jeweils in Stent-in-Stent Technik 23-mal zwei Stents sowie dreimal drei
Stents. Die durchschnittliche Länge und der mittlere Durchmesser der Stents lagen
bei 73,6 bzw. 13,7 Millimetern.
Abb. 2 Typen von Stenosen nach absoluter Anzahl und relativ zur Gesamtzahl an primären Interventionen
(n = 141).
Die Anzahl implantierter Stents nach Produktbezeichnung und Abmessungen sind in den
[Tab. 1], [2] zusammengefasst. In 89 Fällen war nach Freisetzung des Stents eine Resttaillierung
des Stents bei nicht vollständiger Expansion verblieben, wodurch eine Nachdilatation
notwendig wurde. Dabei wurden Ballons mit Größen bis 12/40 mm (Boston Scientific,
Malborough, USA) verwendet.
Tab. 1
Anzahl von Stents geordnet nach Produkt absolut und relativ zur Gesamtanzahl primär
implantierter Stents (n = 168).
Produkt
|
Anzahl
|
Smart-Stent
|
135 (80,4 %)
|
Wallstent
|
21 (12,5 %)
|
Zilverstent
|
8 (4,8 %)
|
EpicStent
|
3 (1,8 %)
|
nicht bekannt
|
1 (0,6 %)
|
Tab. 2
Anzahl primär implantierter Stents nach Abmessungen absolut und relativ zur Gesamtzahl
(n = 168).
Stentabmessungen in Millimeter
|
Anzahl
|
14/80
|
77 (45,8 %)
|
14/60
|
44 (26,2 %)
|
12/80
|
19 (11,3 %)
|
12/60
|
6 (3,6 %)
|
14/89
|
6 (3,6 %)
|
14/69
|
2 (1,2 %)
|
sonstige
|
13 (7,7 %)
|
nicht bekannt
|
1 (0,6 %)
|
Die Eingriffe wurden insgesamt gut toleriert. Bei sechs Patienten wurde Diazepam zur
Sedierung intravenös verabreicht, vier erhielten Dipidolor zur Schmerztherapie. Bei
abschließenden DSA Serien zeigten sich bei 138 (97,9 %) Patienten ein dann guter Abfluss
über dem gestenteten Gefäßabschnitt, neunmal wurde noch im Angiografieraum eine Symptombesserung
(Soforteffekt) dokumentiert. Stentbrüche oder Dislokationen wurden nicht beobachtet.
Noch auf dem Angiografietisch traten bei drei Patienten Sofortverschlüsse durch thrombotisches
Material im Stent auf, bei denen nur in einem Fall eine Nachdilatation half. Ein Patient,
der nach der Intervention ein akutes Rechtsherzversagen entwickelte, verstarb noch
am Tag des Eingriffs. Die spätere Obduktion ergab, dass die linke Pulmonalarterie
von Tumorgewebe ummauert und dadurch stenosiert war. Ein anderer Patient, bei dem
sich ebenfalls eine Rechtsherzbelastung entwickelte, konnte durch eine Stentimplantation
in die stenosierte Pulmonalarterie therapiert werden. Von diesen fünf Patienten abgesehen
profitierten alle Patienten klinisch von dem Eingriff. Die jeweilige Symptombesserung
wurde in Bildkonferenzen zurückgemeldet. Stentbruch, Dislokation oder Ruptur der Vena
cava superior bei Nachdilatation traten als weitere Majorkomplikationen nicht auf.
Damit lag die Rate dieser lebensbedrohlichen Komplikationen bei 1,4 %. Die drei Sofortverschlüsse
wurden als Minorkomplikationen gewertet, weitere Minorkomplikationen wurden nicht
beobachtet. Die Rate lag somit bei 2,1 %.
Innerhalb der ersten 30 Tage nach Intervention traten fünf klinische Rezidive (erneute
obere Einflussstauung) auf (median 17 Tage; Range 2 – 23). Bei vier dieser Patienten
lag schon bei Stentimplantation eine partielle Thrombose der Vena cava superior vor.
Dies ist vermutlich ein Risikofaktor für den frühen Stentverschluss. Einmal blieb
nach Angioplastie eine 50 %ige Reststenose im Stent zurück. Drei dieser verdächtigten
Frühverschlüsse wurden angiografisch in PTA-Bereitschaft abgeklärt. Bei einem zeigte
sich eine gute Stentperfusion, sodass keine Reintervention notwendig wurde. Der Versuch
einer Rekanalisierung bei Frühthrombose wurde bei den beiden anderen Patienten durchgeführt.
Eine Vordilatation mit erneuter Stentimplantation führte bei einem dieser Patienten
zu einer Besserung der klinischen Symptome, beim anderen blieb die Reintervention
mittels Dilatation frustran, wodurch die Rekanalisation nicht erreicht wurde und sich
der klinische Zustand nicht besserte.
Im späteren Verlauf kam es bei 17 weiteren Patienten zu einem klinischen Rezidiv (median
128 Tage; Range 53 – 492). Es wurden bei drei dieser Patienten mit Spätverschlüssen
insgesamt sieben Reinterventionen durchgeführt ([Tab. 3]). Ursächlich waren Thrombosen im Stent, wobei eine Tumorthrombose jeweils nicht
auszuschließen war, da keine histologische Sicherung erfolgte. Bei den restlichen
14 Patienten wurde nach Rücksprache mit den Kollegen der behandelnden Kliniken aufgrund
des fortgeschrittenen Tumorleidens mit hoher Wahrscheinlichkeit erneuter Frühverschlüsse
auf eine Reintervention verzichtet.
Tab. 3
Übersicht über 7 Reinterventionen bei 3 Patienten mit Spätverschlüssen.
|
Patient A
|
Patient B
|
Patient C
|
1. Reintervention
|
113 Tage nach primärem Eingriff
|
423 Tage nach primärem Eingriff
|
492 Tage nach primärem Eingriff
|
Technik und Ergebnis der Reintervention
|
Dilatation + Stentimplantation, erfolgreich
|
Dilatation + Stentimplantation, erfolgreich
|
Stentimplantation, erfolgreich
|
2. Reintervention
|
188 Tage nach primärem Eingriff
|
452 Tage nach primärem Eingriff
|
535 Tage nach primärem Eingriff
|
Technik und Ergebnis der Reintervention
|
Dilatation + Stentimplantation, erfolgreich
|
Dilatation + Stentimplantation, erfolgreich
|
Lyse, erfolgreich
|
3. Reintervention
|
–
|
472 Tage nach primärem Eingriff
|
–
|
Technik und Ergebnis der Reintervention
|
–
|
Dilatation, erfolgreich
|
–
|
Somit kam es insgesamt zu 22 klinischen Rezidiven und neun Reinterventionen mit PTA
oder Ballondilatation bei fünf Patienten. Die Durchgängigkeitsrate der primär implantierten
Stents an Tag 30, 60, 180, 365 und 730 nach Intervention lag bei 95,2, 94,0, 83,7,
85,7 bzw. 85,7 %.
Überleben
Die Überlebensrate war in Anbetracht von Grunderkrankung und Palliativtherapie erwartungsgemäß
limitiert. In den ersten 30 Tagen nach Intervention starben 27 (19 %) Patienten. Das
mediane Gesamtüberleben nach Eingriff betrug 101, das rezidivfreie Überleben 80 Tage
([Abb. 3]). [Tab. 4] zeigt zusammengefasst das mediane Überleben nach Erstdiagnose, sowie das mediane
rezidivfreie und Gesamtüberleben nach primärer Intervention: In unserem Kollektiv
zeigten Patienten mit histologisch nicht abgeklärtem Tumor das schlechteste Gesamtüberleben
nach Intervention (75 Tage), gefolgt von Patienten mit kleinzelligen (95 Tage) und
nicht kleinzelligen (121 Tage) Bronchialkarzinomen. Patienten mit sonstigen Krebserkrankungen
überlebten nach Stentimplantation median am längsten (143 Tage).
Abb. 3 Gesamt (gestrichelte) – und rezidivfreies (durchgezogene Linie) Überleben nach Intervention
in Tagen.
Tab. 4
Medianes Gesamt- und rezidivfreies Überleben nach Intervention und Entitäten, sowie
medianes Überleben nach Erstdiagnose, jeweils in Tagen.
|
medianes Überleben ab Intervention in Tagen
|
medianes rezidivfreies Überleben in Tagen
|
medianes Überleben ab Erstdiagnose in Tagen
|
insgesamt
|
101 (n = 130)
|
80 (n = 131)
|
–
|
Bronchialkarzinom gesamt
|
111 (n = 112)
|
80 (n = 113)
|
233 (n = 108)
|
kleinzelliges Bronchialkarzinom
|
95 (n = 59)
|
94 (n = 59)
|
235 (n = 57)
|
nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom
|
121 (n = 52)
|
78 (n = 53)
|
230 (n = 50)
|
sonstige
|
143 (n = 12)
|
92 (n = 12)
|
454 (n = 10)
|
keine histologische Sicherung
|
75 (n = 6)
|
52 (n = 6)
|
–
|
Beim rezidivfreien Überleben bezüglich der Einflussstauung nach Intervention ergaben
sich andere Ergebnisse: Obwohl Patienten ohne histologische Sicherung immer noch den
schlechtesten Wert haben (52 Tage), sind Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom
median mit 94 Tagen am längsten rezidivfrei geblieben. Bei Patienten mit nicht kleinzelligen
Bronchialkarzinomen traten die meisten Rezidive (n = 13) auf und somit sank der mediane
Wert auf 78 Tage. Nach Erstdiagnose betrug die mediane Überlebenszeit aller Patienten
235 Tage, bei Patienten mit kleinzelligen und nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen
235 bzw. 230 Tage ([Abb. 4]).
Abb. 4 Gesamtüberleben nach Erstdiagnose nach Entitäten (kleinzelliges Bronchialkarzinom
(gestrichelte), nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom (durchgezogene), metastasierte
extrathorakale Karzinome (strichpunktierte Linie)) in Tagen.
Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen dem medianen rezidivfreien und
Gesamtüberlebensraten nach elektiver oder notfallmäßiger Stentimplantation konnte
nicht nachgewiesen werden. Patienten, die notfallmäßig behandelt wurden, hatten ein
medianes rezidivfreies Überleben von 80 Tagen und ein Gesamtüberleben nach Intervention
von 83 Tagen. Elektiv behandelte Patienten von 92 bzw. 106 Tagen.
Darüber hinaus wurde untersucht, ob es Überlebenszeitunterschiede zwischen Patienten
mit initialer (zeitnah zur histologischen Diagnose) oder erst im Verlauf aufgetretener
oberer Einflussstauung gab. Wegen fehlender Daten, wann die obere Einflussstauung
erstmals auftrat, wurden die Daten der Intervention und der endgültigen histologischen
Sicherung als Surrogatparameter benutzt und das Kollektiv anhand dieser in zwei Untergruppen
aufgeteilt: In der einen Gruppe war die Stentimplantation vor der histologischen Diagnose
vorgenommen worden, in der anderen danach. Beim Vergleich dieser beiden Gruppen zeigte
sich, dass es keinen Unterschied bezüglich der medianen Überlebenszeit zwischen Patienten
mit initialer (240 Tage) und erst im Verlauf aufgetretener oberer Einflussstauung
gab (235 Tage). In der Subgruppenanalyse der kleinzelligen Bronchialkarzinome ergab
sich jedoch ein mit p = 0,012 (Log Rank) signifikanter Unterschied ([Abb. 5]): Patienten mit bereits initial aufgetretener oberer Einflussstauung und symptomatischer
Therapie mittels Stent überlebten median 326 Tage nach Erstdiagnose. Trat die obere
Einflussstauung erst im Verlauf auf, überlebten die Patienten median nur 209 Tage.
Bei den nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen konnte dieser Zusammenhang nicht nachgewiesen
werden.
Abb. 5 Überleben nach Intervention von Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom mit
initialer Einflussstauung (gestrichelte) und Einflussstauung im Verlauf (durchgezogene
Linie) in Tagen.
Zum Zeitpunkt des Endes der Datenerhebung (31. März 2014) lebten noch vier Patienten.
Diskussion
Seit der Erstbeschreibung durch Hunter im Jahr 1757 hat sich die Ätiologie der oberen
Einflussstauung gravierend verändert. Infektionen, einst die Hauptursache, wurden
in mehr als 90 % der Fälle durch maligne Erkrankungen ersetzt, wobei Bronchialkarzinome
mehr als 80 % dieser Gruppe ausmachen. In unserem Kollektiv litten mehr als 85 % der
Patienten an einem Bronchialkarzinom, knapp 40 % an einem kleinzelligen Bronchialkarzinom.
Dies deckt sich mit Angaben in der Literatur [7]
[9].
Benigne Ursachen, wie Thrombosen an zentralvenös einliegenden Kathetern, sind zwar
zunehmend und in einigen Fallserien in mehr als 40 % der Fälle für die Entwicklung
einer oberen Einflussstauung verantwortlich, insgesamt im Vergleich zu den neoplastischen
Ursachen jedoch selten [14]
[21]
[22]. Die obere Einflussstauung ist als schwerwiegender Krankheitsverlauf zu werten,
schränkt sie doch die Lebensqualität von krebskranken Patienten durch gravierende
Symptome wie Gesichts-, Lid- und Armödemen, Kopfschmerzen und Dyspnoe bis zur Orthopnoe
weiter ein. Alleinige Radiotherapie, von einigen Autoren auch als aggressiveres Therapieregime
(8 Gy dreimal die Woche für 3 Wochen) vorgeschlagen, führt zwar in bis zu 90 % der
Patienten zu einer Reduzierung der Tumorgröße und somit zu einer Verbesserung der
Symptome [23]. Aufgrund der zu Beginn der Strahlentherapie häufig auftretenden Ödembildung im
bestrahlten Areal, die die Symptome der oberen Einflussstauung zunächst noch verstärken,
wird oft eine Steroidtherapie begonnen, die mit einer schlechten Prognose assoziiert
ist [24]. Darüber hinaus müssen die Komplikationen einer Radiotherapie wie Tumornekrose,
Übelkeit und Erbrechen, Hautirritationen und Ösophagitis sowie Rezidivraten von bis
zu 80 % berücksichtigt werden [7]
[25]. Die mittlerweile als Standard angesehene kombinierte Radio- und Chemotherapie zeigt
zwar in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Tumorentität in 60 – 90 % der Anwendungen
eine Verbesserung der Symptome, jedoch setzt dieser Effekt in der Regel erst nach
zwei bis vier Wochen ein und ist mit Rezidivraten von 20 – 50 % verbunden [26]
[27]. Chirurgische Interventionen mit Rekonstruktion der oberen Hohlvene sind zwar möglich,
können jedoch nur an wenigen stark selektierten Patienten vorgenommen werden [17]
[18]
[19]. Innerhalb der letzten 20 Jahre wurde mehrmals gezeigt, dass endovaskuläre Stents
als symptomatische Therapie der oberen Einflussstauung ein großes Potenzial bezüglich
Symptomkontrolle und Rezidivfreiheit aufweisen [7]
[20]
[28].
Patienten können schneller und in besserem Befinden einer Tumortherapie zugeführt
werden. Darüber hinaus interferiert eine Stentimplantation nicht mit einer gleichzeitigen
oder nachgeschalteten Tumortherapie.
Mehrfach wurde eine Rezidivrate von 10 – 20 % berichtet. Bei 15 % (n = 22) unserer
Patienten entwickelte sich im Verlauf ein Rückfall. Es kam häufiger zu Spätverschlüssen
als Frühverschlüssen (30 Tage Intervall nach Intervention). Ursächlich waren in allen
Fällen Thrombosen im Stent. Bei fünf dieser Patienten wurde eine Reintervention durchgeführt.
Vier dieser Patienten profitierten zwar von der Reintervention, jedoch kam es daraufhin
im Vergleich zum Kollektiv häufiger und dann früher zu einem erneuten Rezidiv der
oberen Einflussstauung. Der Eingriff wird gut toleriert und zeigt sowohl bei den Primär-
als auch den Folgeeingriffen eine niedrige Komplikationsrate. Insgesamt zeigt unsere
Erfahrung aber, dass die Reintervention bei Rezidiv deutlich weniger erfolgreich ist
als der Primäreingriff. Bei Stentthrombosen droht die schnelle Rethrombose.
Die berichteten Überlebenszeiten nach Stentimplantation liegen bei bis zu 6 Monaten,
wobei es starke Schwankungen gibt. In unserem Kollektiv betrug das mediane Gesamtüberleben
nach Intervention 101 Tage, das rezidivfreie Überleben 80 Tage. Nach Erstdiagnose
überlebten Patienten mit Bronchialkarzinom median 233 Tage.
Für eine langfristige Antikoagulation nach Stentimplantation gibt es aktuell keine
ausreichende Evidenz [29]. Auch in unserem Kollektiv wurde eine Antikoagulation nicht regelhaft durchgeführt.
Das Verfahren ist je nach Befundkonstellation nicht risikofrei. Wurde über Sterbefälle
nach Stentimplantation aufgrund von Rechtsherzinsuffizienz schon berichtet, so entwickelte
sich auch in unserem Kollektiv bei zwei Patienten ein akutes Rechtsherzversagen: Bei
gleichzeitiger symptomatischer Stenosierung der Vena cava superior und der Pulmonalarterie
durch Tumorinfiltration oder -kompression kam es offenbar zum akuten Rechtsherzversagen
durch die Volumenbelastung des rechten Ventrikels [20]
[30]. Einer der beiden Patienten verstarb noch am Tag der Intervention, bei dem anderen
konnte durch Stentimplantation in die stenosierte Pulmonalarterie eine Rechtsherzdekompensation
verhindert werden. Die Autoren vertreten daher die Meinung, dass bei obiger Befundkonstellation
von einer Stentimplantation abgesehen werden muss, zumindest aber eine strenge Risikoabschätzung
erfolgen sollte. Auch darf nicht vergessen werden, dass die endovaskuläre Intervention
nur ein Baustein eines multidisziplinären Behandlungskonzepts sein kann. Andere akut
lebensbedrohliche Majorkomplikationen wie die Ruptur der oberen Hohlvene bei Nachdilatation
traten nicht auf. Bei Nachdilatationen wurden ausschließlich Ballons mit einem Diameter
bis 12 mm eingesetzt.
Unsere Arbeit zeigt, dass es für die Praxis ausreichend ist, bei komplexen Stenosen
die Stentimplantation in die Vena cava superior und nur eine Vena brachiocephalica
(also einseitig) vorzunehmen ([Abb. 1c, d]). Der Eingriff ist dadurch weniger anspruchsvoll, zudem können weniger Stents implantiert
werden. Dies deckt sich mit der Literatur [18]. Mögliche weitere Zugangswege sind transcubital und transjugulär, wobei die Autoren
hier nur Erfahrung mit einigen wenigen Fällen haben.
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass in unserem Kollektiv Patienten mit kleinzelligen
Bronchialkarzinomen und initialer oberer Einflussstauung und Stentimplantation nach
Erstdiagnose länger überlebten als Patienten, bei denen sich erst im Verlauf eine
obere Einflussstauung entwickelte. Grund könnte sein, dass bei Patienten mit initialer
Einflussstauung noch das gesamte Therapiespektrum zur Verfügung steht und der Allgemeinzustand
noch besser ist, als bei denjenigen Patienten, bei denen sich im Verlauf eine Einflussstauung
entwickelt.
In jedem Fall sollten auch Patienten mit Entwicklung einer Einflussstauung im Verlauf
wegen des längeren Überlebens und der besseren Lebensqualität einer Stentimplantation
zugeführt werden.
Schlussfolgerung
Die obere Einflussstauung erfordert ein multidisziplinäres Behandlungskonzept. Dabei
ist die endovaskuläre Intervention mit Stents ein sicheres, für den Patienten gut
tolerierbares und bei guter Indikationsstellung risikoarmes Verfahren, um schnell
und nachhaltig eine symptomatische Therapie der oberen Einflussstauung durchzuführen.
Der Eingriff sollte bei Dys- und Orthopnoe sowie bei starken Symptomen der Stauung
im Bereich des Kopf/Hals sowie der oberen Extremität in gefäßinterventionell erfahrenen
Zentren notfallmäßig angeboten werden. Auch der bereits manifeste Verschluss durch
Tumorkompression oder -infiltration kann erfolgreich rekanalisiert werden. Beim nicht
kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) ist nach Stentimplantation mit einer erhöhten
Rezidivrate zu rechnen. Insgesamt bleibt die Prognose der Patienten schlecht, die
Rezidivrate nach Intervention liegt bei 15 %.
-
Patienten mit oberer Einflussstauung leiden an zum Teil gravierender Klinik.
-
Durch Stentimplantation zur symptomatischen Therapie lässt sich eine gute Symptomkontrolle
erzielen.
-
Die Rezidivrate nach Versorgung mit Stents liegt bei 15 %.
-
Die Prognose der Patienten ist erwartungsgemäß schlecht und bestimmt durch die Grunderkrankung.