Vidal-Petiot E et al.
Cardiovascular event rates and mortality according to achieved systolic and diastolic
blood pressure in patients with stable coronary artery disease: an international cohort
study.
Lancet 2016;
388: 2142-2152
In die Analysen gingen die Daten von insgesamt 22 672 Patienten mit stabiler koronarer
Herzkrankheit und medikamentös behandelter arterieller Hypertonie ein, die zwischen
2009 und 2010 in das CLARIFY-Register aufgenommen worden waren. Als kombinierten primären
Endpunkt definierten die Autoren das Auftreten kardiovaskulärer Todesfälle, Myokardinfarkte
oder zerebraler Insulte. Eine Regulierung der Blutdruckwerte war im Rahmen der Beobachtungs-Studie
nicht vorgesehen und erfolgte jeweils durch die behandelnden Ärzte.
Insgesamt erreichten 9,3 % der Patienten innerhalb von 5 Jahren den primären Endpunkt.
Schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse wurden sowohl bei erhöhten als auch bei
verringerten mittleren Blutdruckwerten verzeichnet: Es ergab sich eine steile J-Kurve.
Patienten mit Werten ≥ 140 mmHg hatten ein 1,5 bis 2,5-fach erhöhtes Risiko, den primären
Endpunkt zu erreichen. Lagen die RR-Werte systolisch < 120 mmHg, war das Risiko für
schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse 1,6-fach erhöht. Diastolische Messwerte
≥ 80 mmHg waren mit einem 1,4 bis 3,7-fach erhöhten Risiko assoziiert; diastolische
Werte < 70 mmHg führten zu einer 1,4 bis 2-fachen Risikoerhöhung. Darüber hinaus fanden
sich separate Risikoerhöhungen für
Der J-Kurven-Effekt zeigte sich stabil nach Adjustierung im Hinblick auf mögliche
Confounder.
In der Subkohorte der > 75-jährigen Patienten war eine Verschiebung der J-Kurve des
systolischen Blutdrucks nach rechts zu verzeichnen, was laut den Autoren im Einklang
mit Empfehlungen steht, die Blutdruckwerte bei älteren Personen etwas höher einzustellen.
Nicht nur zu hohe, sondern auch zu niedrige Blutdruckwerte (systolisch < 120 mmHg,
diastolisch < 70 mmHg) sind bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit jeweils
mit einer Verschlechterung der kardiovaskulären Prognose vergesellschaftet. Die Daten
sprechen dafür, dass hier ein J-Kurvenphänomen existiert. Die Einstellung einer arteriellen
Hypertonie sollte deshalb bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit vorsichtig erfolgen,
so die Autoren.
Obwohl eine Blutdrucksenkung das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit Bluthochdruck
nachgewiesenermaßen mindert, ist der optimale Zielblutdruck immer noch unklar.
Bildnachweis: Regina Friedle / Thieme Verlagsgruppe