Hintergrund
Die Aktinische Keratose ist ein In-situ-Plattenepithelkarzinom [1]. Sie ist eine Erkrankung des höheren Alters und wird durch die kumulative Dosis
ultravioletter Strahlung im Laufe des Lebens verursacht [2]
[3]. Es besteht das Risiko der Konversion in ein Plattenepithelkarzinom. Daher besteht
die Indikation zur Behandlung [4]
[5]. Therapeutisch stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung: ablative Verfahren, Exzision,
Kürettage, Kryotherapie, topische Behandlungen wie 5-Fluoruracil, Diclofenac in Hyaluronsäure,
Ingenolmebutat [6], Imiquimod 5 % Creme, die Fotodynamische Therapie sowie die Lasertherapie, Dermabrasio
oder chemisches Peeling. Imiquimod 5 % Creme, in Deutschland zugelassen unter dem
Namen Aldara®, zählt zu den am häufigsten genutzten topischen Medikamenten. Die Therapie mit Imiquimod
5 % Creme erfordert das mehrmalige, wöchentliche Auftragen der Creme über einen längeren
Zeitraum. Für den Erfolg der Therapie ist eine gute Compliance des Patienten notwendig.
Gerade ältere Patienten haben große Probleme, die Hautläsionen zu finden und korrekt
zu behandeln. Eingeschränkte Sehkraft und manuelle Fertigkeiten verstärken die Schwierigkeiten,
das Medikament auf die betroffenen Stellen aufzutragen. Zusätzlich führen eine lange
Therapiedauer und unangenehme Hautirritationen zu vorzeitigen Therapieabbrüchen.
Um die Verantwortung des Patienten und den Einfluss der Compliance zu minimieren,
wurde ein modifiziertes Therapieschema mit selteneren Anwendungen und einer kürzeren
Therapiedauer entwickelt. In einer Berliner dermatologischen Praxis wurde Imiquimod
5 % Creme durch instruiertes Praxispersonal aufgetragen und anschließend für 14 Stunden
mit einer Plastikfolie abgeklebt, um das versehentliche Entfernen des Medikaments
durch Kleidung oder Waschen zu verhindern. Anschließend wurde der Heilungsverlauf
der Aktinischen Keratosen retrospektiv analysiert und ausgewertet.
Methoden
Nach klinischer Diagnose einer Aktinischen Keratose wurde in der ambulanten Versorgung
eine Anamnese erhoben, Zahl und Fläche der Hautläsionen gemessen und Vorerkrankungen
schriftlich und fotografisch dokumentiert. Vor Beginn der Therapie erfolgte eine Aufklärung
über die modifizierte, okklusive Anwendung von Imiquimod 5 % Creme. Die Aufklärung
wurde durch eine Notiz in der Patientenakte dokumentiert. 40 Patienten wurden im Rahmen
dieser retrospektiven Analyse mit Imiquimod 5 % Creme behandelt. Niemand brach die
Therapie vorzeitig ab. Das Medikament wurde auf die betroffenen Hautläsionen aufgetragen
und anschließend für 14 h mit einer Plastikfolie abgeklebt. Dieses Procedere wurde
einmal wöchentlich für fünf Wochen durchgeführt. Ziel der Behandlung war es, eine
starke Entzündungsreaktion zu provozieren. Bei Auftreten einer Entzündung nach 5 Wochen
wurde die Behandlung beendet. Ansonsten wurde ein weiterer Zyklus durchgeführt. Insgesamt
wurden nicht mehr als vier Zyklen durchgeführt. Vier, acht und zwölf Wochen nach Ende
der Therapie sowie an einem festen Datum (Follow-up) wurden die Patienten in die Praxis
einbestellt, um Anzahl und Fläche der Läsionen und die Schwere der Hautreaktion zu
beurteilen. Dazu wurden die Merkmale Erythem, Schuppen, Krusten, Ödem, Bläschen und
Erosionen mit null bis vier Punkten bewertet und zum ‚lokal-skin-response-Score‘ (LSR-Score)
addiert (0 bis 24 Punkte). Die Ergebnisse wurden mit den Werten vor Beginn der Therapie
verglichen. Die Untersuchung zum Follow-up wurde Anfang 2013 durchgeführt. Abhängig
vom Start der Therapie fand das Follow-up zwischen sechs und neun Monaten nach Beginn
der Therapie statt. Die Patienten wurden gebeten, sich bei Auftreten eines Rezidives
erneut in der Praxis vorzustellen. Die Abheilung der Läsionen wurde in die Kategorien
‚complete remission‘ (Abheilung aller Aktinischen Keratosen), ‚partial remission‘
(Reduktion der Anzahl der Läsionen um mehr als 75 %) und ‚stable disease‘ (Reduktion
der Anzahl der Läsionen um weniger als 75 %) eingeteilt. In Anlehnung an andere Studien
über Aktinische Keratosen [10]
[12]
[13] werden die kompletten Remissionen auch in der Gruppe der partiellen Remissionen
gezählt.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 40 Patienten mit Imiquimod 5 % Creme behandelt, 26 männlich, 14 weiblich.
Das Durchschnittsalter betrug 76 Jahre (Standardabweichung SD: 8,8 Jahre). Die weiblichen
Patienten waren mit durchschnittlich 77 Jahren ein Jahr älter als die männlichen Patienten.
17 der 40 Patienten erhielten bereits eine Vorbehandlung, die mehr als drei Monate
vor Beginn der Therapie beendet wurde. Davon wurden 9 Patienten bereits mit 3 % Diclophenac
in 2,5 % Hyaluronsäure-Gel und 12 Patienten mit Imiquimod 5 % Creme behandelt. Das
Medikament wurde jeweils vom Patienten selbst aufgetragen ([Abb. 1]).
Abb. 1 Dieses Diagramm zeigt die durchgeführten Vortherapien. 17 der 40 Patienten erhielten
eine Vortherapie, davon 9 mit 3 % Diclofenac in 2,5 % Hyaluronsäure-Gel und 12 mit
Imiquimod 5 % Creme.
Die Aktinischen Keratosen waren am häufigsten auf der Stirn (n = 15) lokalisiert,
des Weiteren auf dem Oberkopf (n = 10), der Wange (n = 4), der Schläfe (n = 4), der
Nase (n = 4), der Oberlippe (n = 1), dem Jochbein (n = 1) und der Hand (n = 1) ([Abb. 2]).
Abb. 2 In diesem Diagramm sind die Lokalisationen der behandelten Aktinischen Keratosen
abgebildet. Die Aktinischen Keratosen waren am häufigsten auf der Stirn (n = 15) lokalisiert,
des Weiteren auf dem Oberkopf (n = 10), der Wange (n = 4), der Schläfe (n = 4), der
Nase (n = 4), der Oberlippe (n = 1), dem Jochbein (n = 1) und der Hand (n = 1).
Im Mittel wurden 2,4 Läsionen pro Patient behandelt. Im Verlauf der Behandlung nahm
die Anzahl der Läsionen kontinuierlich ab. Vier Wochen nach Ende der Therapie wurden
im Mittel 1,8 Läsionen, acht Wochen nach Therapieende 1,6 Läsionen und 12 Wochen nach
Therapieende 1,2 Läsionen pro Patient gezählt. Zum Zeitpunkt des Follow-up ließen
sich durchschnittlich 0,8 Läsionen erheben ([Abb. 3]).
Abb. 3 Dieses Diagramm bildet die durchschnittliche Anzahl der Läsionen im Verlauf der Therapie
ab. Während der Therapie nahm die Anzahl der Läsionen kontinuierlich ab. Vier Wochen
nach Therapieende konnten 1,8 Läsionen gezählt werden, acht Wochen nach Therapieende
1,6 Läsionen und zwölf Wochen nach Therapieende durchschnittlich 0,8 Läsionen pro
Patient.
Die Fläche der betroffenen Läsionen vergrößerte sich nach der ersten Behandlung. Vier
Wochen nach Beendigung der Therapie betrug sie 164 % der Ausgangsfläche. Acht und
zwölf Wochen nach Beendigung der Therapie war die gemessene Fläche mit 49 % und 47 %
der Ausgangsfläche erheblich kleiner. Zum Zeitpunkt des Follow-up wurden 65 % der
Ursprungsfläche ermittelt ([Abb. 4]).
Abb. 4 Gezeigt wird die betroffene Fläche im Verlauf der Therapie. Zur ersten Messung, vier
Wochen nach Therapieende, zeigte sich eine Vergrößerung der Fläche um 64 %. Acht und
zwölf Wochen nach Therapieende verkleinerte sich die Fläche auf 49 % und 47 % der
Ausgangsfläche. Zum Zeitpunkt des Follow-up fand sich eine Reduktion auf 65 % der
ursprünglich betroffenen Fläche.
Vor Beginn der Therapie konnte ein LSR-Score von 4,4 (von 24 Punkten) gemessen werden.
Vier Wochen nach Therapieende wurde mit 7,9 die größte Punktzahl im Verlauf errechnet.
Acht Wochen nach Therapie erreichte der LSR-Score 2,3 Punkte und 2,5 Punkte nach 12
Wochen. Zum Zeitpunkt des Follow-up war der LSR-Score mit 1,25 Punkten am niedrigsten.
Bei einzelner Betrachtung der sechs zugrunde liegenden Hauteffloreszenzen zeigte sich,
dass sie alle nach der ersten Ablesung am stärksten ausgeprägt waren. In absteigender
Reihenfolge erreichten Erythem-, Schuppen- und Krustenbildung die höchsten Punktzahlen.
Verglichen mit dem Beginn der Therapie zeigte sich die Ausprägung aller Hauteffloreszenzen
zum Follow-up gebessert ([Abb. 5]).
Abb. 5 Dieses Diagramm zeigt den LSR-Score im Verlauf der Therapie. 4,4 von 24 Punkten wurden
vor Beginn der Therapie gemessen. Vier Wochen nach Therapieende wurde mit 7,9 Punkten
die größte Reaktion gemessen. Zu späteren Zeitpunkten fand sich ein niedriger LSR-Score,
verglichen mit den Werten vor Beginn der Therapie.
Die mittlere Therapiedauer betrug 5,8 Wochen (SD: 3,73 Wochen). Im Mittel wurden pro
Patient 5,53 (SD: 3,51) Anwendungen mit dem Medikament durchgeführt. In 77,5 % aller
Fälle wurde das Medikament fünfmal oder seltener aufgetragen.
Zwölf Wochen nach Therapieende waren mit einem Anteil von 40 % erstmalig komplette
Remissionen zu beobachten. Zum Zeitpunkt des Follow-up zeigten sich komplette Remissionen
in 63 % der Fälle (CR), partielle Remissionen in 68 % der Fälle (PR) und stabile Krankheitsverläufe
in 32 % der Fälle (SD) ([Abb. 6]). Ein Patient entwickelte zu diesem Zeitpunkt ein Rezidiv.
Abb. 6 Das Outcome der Therapie wurde in den Kategorien ‚complete remission‘ (CR: Läsionen
komplett abgeheilt), ‚partial remission‘ (PR: ≥ 75 % Reduktion der Anzahl der Läsionen)
und ‚stable disease‘ (SD: Reduktion der Anzahl der Läsionen um weniger als 75 %) eingeteilt.
In Anlehnung an weitere Studien bezüglich der Aktinischen Keratose [10]
[12]
[13] enthält die Gruppe der partiellen Remissionen auch die Patienten mit kompletten
Remissionen. Zwölf Wochen nach Therapieende wurden in 40 % der Fälle komplette Remissionen
dokumentiert. Zum Zeitpunkt des Follow-up zeigten sich 63 % komplette Remissionen
(CR), 68 % partielle Remissionen (PR) und 32 % stabile Krankheitsverläufe (SD).
Diskussion
Die Anwendung von Imiquimod 5 % Creme durch den Patienten in der ambulanten Routine
unterscheidet sich von der beschriebenen Anwendung der Zulassungsstudien. Aus Erfahrung
wissen wir, dass die Compliance im ambulanten Bereich oft gering ist. Die Aktinische
Keratose ist eine Erkrankung des höheren Alters. Oft erschweren Seheinschränkungen,
Polyneuropathie, kognitive Einschränkungen, mangelnde Anleitung oder Verständnis des
Patienten und andere Probleme die korrekte Durchführung der Therapie. Zusätzlich ist
die Immunantwort aus Sicht des Patienten häufig nicht nachvollziehbar. Die genannten
Probleme führen in der ambulanten Versorgung zu einer verkürzten Anwendung und frühzeitigem
Therapieabbruch.
Diese Probleme wurden 2012 von einer Expertentagung in London bestätigt [7]. Acht internationale Experten diskutierten über die topische Therapie der Aktinischen
Keratose. Es wurden mehrere Empfehlungen ausgesprochen, um die Compliance der Patienten
zu erhöhen: Eine kürzere Behandlungsdauer mit gleichem klinischen Effekt sollte entwickelt
werden. Die Anwendung selbst sollte für den Patienten einfach sein. Erwartungen und
Therapieverlauf sollten klar kommuniziert und anhand einer Fotodokumentation erklärt
werden. [7]
Um diese Punkte umzusetzen, wurde die topische Therapie mit Imiquimod 5 % Creme wie
folgt modifiziert: Die Läsionen wurden fotodokumentiert und der Patient genau über
den Verlauf der Behandlung aufgeklärt. Um einheitliche und optimale Therapieergebnisse
zu erhalten, wurde das Medikament durch geschultes Personal aufgetragen. Um ein versehentliches
Wegwischen der Creme zu verhindern, wurden die Läsionen anschließend mit einer Plastikfolie
abgeklebt. Ein dadurch entstehender Okklusionseffekt könnte die Wirkung des Medikaments
zusätzlich verstärkt haben. Im Gegensatz zu den üblichen acht Stunden [8] wurden die Patienten gebeten, die Folie erst nach 14 Stunden am darauffolgenden
Tag zu entfernen. Aufgrund dieser zeitintensiven Behandlung und der verlängerten Einwirkungszeit
wurde die Therapie nur einmal wöchentlich für fünf Wochen wiederholt. Bei Bedarf wurde
dieser Zyklus bis zu viermal wiederholt.
Aufgrund der großen Unterschiede im Studiendesign zwischen den randomisiert-kontrollierten
Zulassungsstudien und dieser retrospektiven Analyse ist ein direkter statistischer
Vergleich der Ergebnisse nicht sinnvoll. Beim Vergleich der Abheilungsraten fällt
jedoch auf, dass mit der modifizierten Anwendung von Imiquimod 5 % Creme ähnlich gute
Ergebnisse erzielt werden können, wie in den genannten Studien beschrieben ([Abb. 7]). Auch der Verlauf und die Intensität der Hautreaktionen ähneln den Ergebnissen
dieser Studien.
Abb. 7 Dieses Diagramm vergleicht die Abheilungsraten von vier randomisiert-kontrollierten
Studien mit dieser retrospektiven Analyse. Mithilfe des gezeigten modifizierten Anwendungsverfahrens
von Imiquimod 5 % sind ähnliche Ergebnisse in der Behandlung der Aktinischen Keratose
zu erwarten.
Die mittlere Behandlungszeit unserer modifizierten Therapie betrug 5,8 Wochen. Diese
ist deutlich kürzer, verglichen mit den 12 bzw. 16 Wochen der angesprochenen Studien
([Tab. 1]). Des Weiteren wurde das Medikament weniger oft aufgetragen ([Tab. 1]).
Tabelle 1
Dargestellt sind die Abheilungsraten, die Anzahl der Anwendungen pro Woche und die
Therapiedauer der randomisiert-kontrollierten Studien über Aktinische Keratosen verglichen
mit dieser retrospektiven Analyse. Die Therapiedauer dieser modifizierten Anwendung
war deutlich kürzer und das Medikament wurde weniger häufig aufgetragen, verglichen
mit den genannten Studien.
Studie
|
Standort
|
Outcome in Prozent
|
Frequenz der Anwendung
|
Therapiedauer in Wochen
|
Diese Analyse
|
Germany, Berlin
|
CR: 63 PR: 68
|
1 tgl. × 1/Wo
|
5,8 (mean)
|
Korman et al., 2005 [10]
|
United States
|
CR: 48 PR: 64
|
1 tgl. × 3/Wo
|
16
|
Stockfleth et al., 2002 [11]
|
Germany
|
CR: 84 PR: 88
|
1 tgl. × 3/Wo
|
12
|
Lebewohl et al., 2004 [12]
|
United States and Canada
|
CR: 45 PR: 59
|
1 tgl. × 2/Wo
|
16
|
Szeimies et al., 2004 [13]
|
6 European countries
|
CR: 57 PR: 72
|
1 tgl. × 3/Wo
|
16
|
Die Compliance in der topischen Therapie der Aktinischen Keratose wurde im Jahr 2013
untersucht. 88 % der Patienten, welche das topische Medikament zur Therapie der Aktinischen
Keratose selbstständig auftrugen, führten die Anwendung entweder falsch durch, brachen
die Therapie vorzeitig ab oder beides [14]. Mangelnde Compliance kann dagegen durch den hier gezeigten Ansatz minimiert werden,
da der Patient deutlich weniger Einfluss auf die Therapie hat. Keiner der hier behandelten
Patienten brach die Therapie vorzeitig ab.
Fazit
Die gezeigte modifizierte Anwendung von Imiquimod 5 % Creme führte zu einer deutlich
kürzeren Therapiedauer, weniger Anwendungen pro Woche, besserer Compliance seitens
der Patienten und weniger Therapieabbrüchen bei ähnlichen Therapieerfolgen, verglichen
mit der herkömmlichen Anwendung von Imiquimod 5 % Creme.