Sprache · Stimme · Gehör 2016; 40(04): 202
DOI: 10.1055/s-0042-116257
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Stimmhygiene

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Publication Date:
30 December 2016 (online)

 

Jeder hat es schon einmal an sich beobachtet: Mal klingt die Stimme klangvoll und ausdrucksstark, mal klingt sie schwach und farblos. Die Grundlagen, Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Stimme beeinflussen die Leistungskraft und damit, wie lange, wie laut, wie oft und in welcher Tonhöhe gesprochen bzw. gesungen werden kann. Auch Laien können hier Bescheid wissen und ihr Verhalten entsprechend ausrichten.

Allgemeine Einflüsse auf die stimmliche Leistungsfähigkeit

  • Konstitution

    • körperliche Konstitution (Mobilität, Atmung, Tonus)

    • Stimmkonstitution (Stimmlippen, speziell die Gewebestruktur der Schleimhäute, Kehlkopf, Ansatzräume)

  • Kommunikativ-situativer Rahmen

    • Sprech-/Singanlass

    • emotionale Befindlichkeit

    • entsprechende Lautstärke, Tonhöhe, Klangfarbe

    • Dauer der Stimmbelastung

  • Umgebungseinflüsse

    • Eigenschaften des Raumes (Größe, Schallhärte, Luftfeuchtigkeit, Staubbelastung)

    • Umgebungslärm

Was aber kann dagegen getan werden, wenn die Stimme die gewohnten Anforderungen und Intentionen nicht mehr erfüllt? Hier beginnt das Gebiet der Stimmhygiene. Es umfasst Maßnahmen und Verhaltensweisen, die die Stimme gesund und leistungsfähig erhalten. Stimmhygiene beginnt bei der allgemeinen Lebensführung:

Verhältnis zwischen Belastung und Erholung: Als Ergebnis verschiedenster Muskeltätigkeiten ist die Stimme abhängig von körperlicher Leistungskraft und geistiger Frische. Diese können im individuellen Tagesverlauf sehr unterschiedlich sein. Also: Planen Sie Erholungszeiten ein.

Ernährung: Alle an der Stimmgebung beteiligten Organe sind mit Schleimhaut ausgekleidet. Achten Sie darum vor allem auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (bevorzugt Wasser oder ungesüßter Tee: 1,5–2 Liter pro Tag). Die Nahrung sollte ausgewogen sein und dem individuellen Biorhythmus entsprechend eingenommen werden. Zu vermeiden ist eine zu späte und zu reichliche Nahrungsaufnahme.

Verzicht auf Rauchen Tabakrauch, besonders von Zigaretten, kommt beim Inhalieren mit allen Schleimhäuten der Atmungsorgane in Kontakt – und er wird diese nachteilig beeinflussen. Hauptsächlich die stark schleimhautreizenden Stoffe wie Formaldehyd, Stickoxide und Ammoniak schädigen nicht nur die Atemwege und damit die Stimme der Raucher, sondern gefährden auch die Passivraucher.

Training des Immunsystems durch äußerliche Wasseranwendung: Hier sind vor allem Sauna und kalt-warme Wassergüsse gemeint. Diese regen die Durchblutung der Haut an und können somit Erkältungen vorbeugen. Bitte beachten Sie, dass Sie die Stimme nach einem ausgiebigen Saunabesuch für mehrere Stunden nicht belasten.

Stressmanagement: In unserer heutigen Zeit ist kaum jemand vor Reizüberflutung gefeit. Diese kann zu erheblichem Disstress und bei dauerhaftem Einfluss zu emotionalen Verstimmungen führen, die sich auch in der Stimme äußern. Stimmung und Stimme bedingen einander. Strategien, den zunehmenden Stress zu bewältigen, können nur individuell entwickelt werden. Wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden, innezuhalten und Spannungen zu lösen. Übungen, die dem autogenen Training entlehnt sind, sprechen dabei besonders das autonome Nervensystem an.

Leichte sportliche Betätigung: Solange das Sporttreiben Freude, Lockerheit und Wohlbefinden auslöst, noch dazu an der frischen Luft, wird es sich auf die Stimme positiv auswirken. Abzuraten ist vor intensivem Krafttraining im Fitnessstudio, da viele dieser Übungen einen Atemüberdruck erzeugen, der sich negativ auf die Stimme auswirken kann.


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Spezielle Maßnahmen bei berufsmäßig starker Stimmbelastung

Angehörige stimmintensiver Berufe (z. B. Sänger, Lehrer, Rechtsanwälte, Pfarrer, Mitarbeiter in Callcentern) sollten zunächst eine stimmliche Disposition mitbringen, welche die Ausübung solcher Berufe ermöglicht. Wenn nicht bereits in der Ausbildung, so lernen sie im Verlauf des Berufslebens, mit ihrer Stimme zu haushalten sowie eine individuelle Sprech- bzw. Gesangstechnik zu entwickeln. Grundsätzlich wird empfohlen, sich durch entsprechende Übungen (Warm-up) auf die Stimmbelastung vorzubereiten. Anschließend sollte sich wieder gezielt regeneriert werden (Cool-down), damit die intensiven Belastungsmuster in der Atmung und im Kehlkopf nicht zu einer dauerhaften Gewohnheit werden.

Fazit

Stimmtherapie, Sprecherziehung, Rhetorikschulung oder Gesangsunterricht unterstützen die Selbstwahrnehmung und helfen, die Stimme optimal zu gebrauchen. Ob im Beruf oder in der Freizeit – es gilt: Jeder ist für seine Stimme verantwortlich.

Dr. Michael Büttner, Potsdam


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