Der Nuklearmediziner 2016; 39(04): 243-244
DOI: 10.1055/s-0042-113851
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neurobildgebung – zentrales Thema der Nuklearmedizin

Neuroimaging – a key issue of Nuclear Medicine
A. Drzezga
1   Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Köln, Köln
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Publication Date:
14 December 2016 (online)

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Prof. Dr. Alexander Drzezga

Das Gebiet der Neurobildgebung in der Nuklearmedizin war in den letzten Jahren durch eine sehr dynamische Entwicklung gekennzeichnet, wie sie in kaum einem anderen Bereich unseres Fachgebiets so zu beobachten war. Bedingt war dies in besonderem Maße durch die Entwicklung und Zulassung von PET-Tracern für die Bildgebung der Amyloid-Ablagerungen (Plaques), die ein Kernmerkmal der Alzheimer-Erkrankung darstellen. Das Interesse an diesen neuen Tracern entwickelte sich parallel zur gesteigerten Wahrnehmung der gesellschaftlichen Relevanz der Demenzerkrankungen, die in ihrer Anzahl aufgrund der höheren Lebenserwartung gravierend ansteigen. Innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne sind 3 verschiedene 18F-markierte Amyloid-Tracer mit Unterstützung beteiligter Firmen sowohl seitens der FDA als auch der EMA zur klinischen Anwendung zugelassen worden. Eine Entwicklung, die für PET-Tracer in Deutschland so bisher nicht zu beobachten war. Durch die Markierung mit 18F sind diese Tracer im Prinzip auch außerhalb von Zentren mit eigenem Zyklotron kommerziell verfügbar.

Gleichzeitig spiegelt das Beispiel der Amyloid-Bildgebung die Schwierigkeiten der Etablierung neuer Bildgebungsmethoden wider, die sich in Form von Problemen mit der Kostenerstattung, aber auch der Komplexität der Befundung und Interpretation äußern. Erstmals wird eine gesonderte Schulung des anwendenden Nuklearmediziners vorausgesetzt und erstmals steht eine bildgebende Methode zur Verfügung, die keine Diagnose einer konkreten Erkrankung liefert, sondern im Sinne eines Biomarkers zu bewerten ist. Der Nachweis von positiven Befunden bereits bei noch beschwerdefreien Personen und die bisher noch fehlenden kausalen Therapieoptionen bedingen auch ethische Probleme.

Wir gehen im vorliegenden Heft daher nochmals konkret auf die Auswahl geeigneter Indikationen und die Interpretation dieser neuen Option der Neurobildgebung ein.

In logischer Folge hat das derzeit große wissenschaftliche Interesse am Gebiet der Demenzforschung nach der Etablierung der Amyloid-Bildgebung auch zur Entwicklung von Markern für die Tau-Bildgebung geführt. Das Tau-Protein lagert sich in Form der sog. „Tangles“ oder Neurofibrillen als zweites Kernmerkmal der Alzheimer-Erkrankung aber auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen ab. Auch wenn für diese Methode bisher noch keine klinische Relevanz zu definieren ist, wollten wir erste interessante Ergebnisse mit diesem neuen Verfahren den Lesern als einen ersten Ausblick präsentieren.

Auch wenn moderne Verfahren wie die Amyloid-Bildgebung Eingang in die Demenzdiagnostik finden und möglicherweise in der sehr frühen Diagnostik einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung anderen Methoden überlegen sind, so bietet die gut etablierte [18F]FDG-PET Bildgebung durch ihre Vielseitigkeit komplementäre Stärken, die weiterhin Bestand haben werden. Im Übersichtsartikel der Kollegen Buchert und Förster wird daher nochmals der aktuelle Stellenwert der [18F]FDG-PET in der Differenzialdiagnostik neurodegenerativer Demenzerkrankungen in der klinischen Patientenversorgung dargelegt. Diese wichtige Zusammenfassung wird sehr gut ergänzt durch den Beitrag von Philipp Meyer und Kollegen, die den Stellenwert der [18F]FDG-PET wiederum in der Differenzialdiagnostik der Parkinson-Syndrome beleuchten. Da die [18F]FDG-PET für diese Indikation erfreulicherweise Eingang in die S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms gefunden hat, ist ein guter Kenntnisstand über die diversen Erscheinungsbilder in diesem Bereich von großer konkreter klinischer Relevanz für die nuklearmedizinische Praxis. Aus diesem Grund haben wird den zugehörigen Artikel für eine Selbstkontrolle (CME-Beitrag) vorgesehen.

Vervollständigt wird die Übersicht über die zur Auswahl stehenden Methoden bei den Bewegungsstörungen durch den Beitrag von Klaus Tatsch, der die diagnostische Aussagekraft und Limitationen der Bildgebung des dopaminergen Systems bewertet und ebenfalls die in Leitlinien festgehaltenen Einsatzbereiche diskutiert.

An vielen Zentren stellt die Hirntumorbildgebung mit markierten Aminosäuren ein schon routinemäßig etabliertes diagnostisches Verfahren mit hohem klinischen Stellenwert dar. Karl-Josef Langen und Norbert Galldiks schildern in ihrem Beitrag wie diese Methode die regelhaft durchgeführte MRT-Bildgebung in puncto Biopsie-, OP- und Bestrahlungsplanung sowie in der Prognoseerstellung ergänzen kann und in der Rezidivdiagnostik und Therapiekontrolle überlegene Eigenschaften zeigt. Die Autoren präsentieren den aktuellen Kenntnisstand auch in Bezug auf den besonderen Stellenwert dynamischer Aufnahmen bei dieser Indikation.

Ebenfalls bereits seit langem etabliert ist die Rolle der funktionellen Hirnbildgebung mittels PET und SPECT in der prächirurgischen Epilepsiediagnostik. Christian la Fougère und Peter Bartenstein bringen die herausragenden diagnostischen Qualitäten der entsprechenden nuklearmedizinischen Verfahren umfassend in Erinnerung und definieren wie diese Verfahren heutzutage in multimodale diagnostische Algorithmen sinnvoll integriert werden sollten.

Als wichtiger Faktor, der bei beinahe allen ZNS-Erkrankungen eine mehr oder weniger bedeutende Rolle spielt, wird in den letzten Jahren zunehmend die Inflammation diskutiert. Die Erfassung der ZNS-Inflammation mittels der Bildgebung ist einerseits von großem wissenschaftlichen Interessen. Andererseits könnte sich hier auch ein klinischer Stellenwert z. B. in der Auswahl und Kontrolle antiinflammatorischer Behandlungsansätze ergeben. Bisher war die Inflammationsbildgebung mit kurzlebigen 11C-markierten Tracern auf wenige Zentren limitiert. Neue 18F-markierte Varianten erlauben jedoch grundsätzlich auch eine weitere Verfügbarkeit. Alexander Gerhard geht in seinem Beitrag zur Inflammationsbildgebung auch auf diese neueren 18F-markierten Tracer ein und liefert einen guten Überblick über den aktuellen Kenntnisstand der Entzündungsbildgebung bei verschiedenen Erkrankungen des Nervensystems.

Das Feld der Neurobildgebung hat sich aber nicht nur durch die Einführung neuer Tracer in den letzten Jahren stark entwickelt, sondern auch durch die Vorstellung neuartiger Gerätetechnologie, allen voran die integrierte PET/MR-Technik. Peter Werner fasst die Vorteile zusammen, die sich durch die Kombination zweier Modalitäten besonders für die Gehirnbildgebung ergeben könnten, auch wenn das Verfahren derzeit noch nicht flächendeckend verfügbar ist. Er diskutiert verschiedene Indikationen und dazugehörige Untersuchungsprotokolle und skizziert auch Probleme, wie die fehlende CT-basierte Schwächungskorrektur zuverlässig gehandhabt werden kann. Auch ohne Zugang zur integrierten PET/MR-Technik ist dieser Beitrag sehr lehrreich im Hinblick auf die Einschätzung des komplementären Wertes der beiden bildgebenden Methoden für die Diagnostik des ZNS.

Es ist sehr erfreulich, dass sich eine Reihe von renommierten Experten zur Mitarbeit an dieser Ausgabe bereit erklärt hat. Ich möchte allen Autorinnen und Autoren für ihr Engagement sehr herzlich danken. Ich glaube, dass es ihnen sehr gut gelungen ist, die neuesten Entwicklungen und auch zukünftige Optionen aufzuzeigen, ohne dabei jeweils den aktuellen Stellenwert im klinischen Alltag aus den Augen zu verlieren. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre der interessanten Beiträge.