Studienpopulation
An der Kleintierklinik des Tierspitals Bern wurden zwischen Januar 2005 und Juli 2015
23 Tiere mit einer
Ruptur des Achillessehnenapparats vorgestellt. Dazu gehören 16 Hunde und 7 Katzen.
Von den 16 Hunden
waren 8 männlich und 8 weiblich. Insgesamt waren 7 Hündinnen und 3 Rüden kastriert.
Das durchschnittliche
Alter der Tiere lag bei 5,85 Jahren (1,83–14,0 Jahre). Von der Achillessehnenruptur
waren vorwiegend
mittelgroße und große Hunde mit einem durchschnittlichen Gewicht von 23,38 kg (8–40 kg)
betroffen. Zwei
der Hunde wurden zur Jagd und einer als Arbeitshund unbekannter Nutzung eingesetzt.
Ein Hund hatte
anamnestisch bereits eine partielle Achillessehnenruptur an der kontralateralen Gliedmaße
und ein anderer
hatte eine Totalruptur an derselben Gliedmaße 4 Jahre zuvor.
Unter den 7 europäischen Kurzhaarkatzen waren 5 kastrierte Kater, eine kastrierte
und eine intakte Katze.
Das durchschnittliche Alter betrug 5,26 Jahre (3,5–10 Jahre) und das durchschnittliche
Gewicht lag bei
5,38 kg (3,21–9,53 kg). Zwei Katzen waren Wohnungskatzen und 5 Katzen waren Freigänger.
Analyse
Die Analyse erfolgte retrospektiv und deskriptiv in einer Gruppe für Hunde und einer
für Katzen. Die
Daten für die Studie wurden aus dem Polypoint, einem Datenerfassungsprogramm der Vetsuisse
Fakultät Bern
entnommen. Bei fehlenden Informationen über den Heilungsverlauf wurden die jeweiligen
Privattierärzte
und/oder die Besitzer telefonisch kontaktiert.
Ätiologie, Klinik und Befunde
Die Achillessehnenrupturen wurden in akute (< 48 Stunden), subakute (48 Stunden bis
3 Wochen) oder
chronische Stadien (> 3 Wochen) eingeteilt (▶
Tab.
[
1
]). Ätiologie, Symptomatik, Lokalisation und Befunde der vorgestellten Tiere sind
in
▶
Tab.
[1] ersichtlich.
Tab. 1
Achillessehnenrupturen im Tierspital Bern.
Achillessehnenruptur
|
Anzahl der Hunde
|
Anzahl der Katzen
|
Auftreten der Symptome
|
|
|
plötzlich
|
14
|
5
|
schleichend
|
2
|
2
|
Ätiologie
|
|
|
Ruptur ausgelöst durch Schnitt
|
7
|
2
|
Ruptur ausgelöst durch Trauma anderer Art
|
6
|
2
|
kein beobachtetes Trauma
|
3
|
3
|
Symptome
|
|
|
Lahmheit
|
16
|
7
|
Wunde
|
5
|
4
|
plantigrades Auffußen
|
4
|
7
|
tieferer Tarsus
|
3
|
0
|
Schwellung
|
5
|
0
|
Muskelatrophie
|
1
|
0
|
Lokalisation
|
|
|
links
|
8
|
3
|
rechts
|
10*
|
4
|
Diagnose
|
|
|
akute, partielle, offene Ruptur
|
2
|
0
|
akute, partielle, geschlossene Ruptur
|
0
|
1
|
akute, komplette, offene Ruptur
|
4
|
3
|
subakute, partielle, geschlossene Ruptur
|
4
|
2
|
chronische, partielle, geschlossene Ruptur
|
6
|
0
|
chronische, komplette, offene Ruptur
|
0
|
1
|
* Bei 2 Hunden wurde neben einer chronischen partiellen Ruptur auf der linken Seite
zusätzlich auf der rechten Seite eine chronische Tendinopathie diagnostiziert.
|
Therapie
Die Therapie erfolgte konservativ oder chirurgisch (▶
Tab.
[
2
]). Die konservativ behandelten Hunde wurden entweder mit externer Ruhigstellung
oder mittels interner Immobilisation durch einen Fixateur externe therapiert. Drei
der 4 mit externer
Ruhigstellung behandelten Hunde wurden im Median für 6 Wochen (2–8 Wochen) mit Verbänden
mobilisiert. Ein
Hund wurde nur mit Physiotherapie behandelt. Von den Hunden mit alleiniger interner
Fixation konnten 2
Tiere nachverfolgt werden. Diese wurden für 3 und 6 Wochen immobilisiert, dann mit
Verbänden für 4 und 8
Wochen progressiv mobilisiert.
Tab. 2
Therapie, Komplikationen und Heilungsverlauf der Achillessehnenrupturen der am Tierspital
Bern
vorgestellten Tiere.
Achillessehnenruptur
|
Anzahl der Hunde
|
Anzahl der Katzen
|
Therapie
|
|
|
konservativ mittels externer Ruhigstellung
|
4
|
0
|
konservativ mittels interner Fixierung mit Fixateur externe
|
3
|
0
|
chirurgisch mit Sehnennaht und interner Fixation
|
7
|
6
|
andere chirurgische Technik
|
2
|
1
|
Komplikationen
|
|
|
minimal
|
5
|
2
|
schwerwiegend
|
4
|
2
|
keine
|
3
|
2
|
minimal und schwerwiegend
|
2
|
0
|
keine Informationen vorhanden
|
2
|
1
|
klinisches Endergebnis
|
|
|
gut
|
15
|
3
|
schlecht
|
0
|
2
|
keine Informationen vorhanden
|
1
|
2
|
Von den 9 chirurgisch therapierten Hunden wurden 7 mit einer Sehnennaht genäht. Fünf erhielten zur
Immobilisation einen Fixateur externe, ein Hund erhielt eine calcaneotibiale Stellschraube
und ein Hund
eine Kombination beider Maßnahmen. Diese Tiere wurden im Median für 5,5 Wochen (4–9
Wochen)
immobilisiert. Ein Hund war nicht nachverfolgbar. Bei den 2 Hunden, die ohne Sehnennaht
therapiert
wurden, lag eine Luxation des M. flexor digitalis superficialis und eine Avulsion
der Fersensehnenkappe
vor. Beide wurden mit Pins fixiert. Die Gliedmaße wurde in diesen beiden Fällen nicht
immobilisiert. Alle
chirurgischen Patienten wurden progressiv mit einer Kombination aus Schiene und/oder
Cast und/oder
Verbänden im Median für 7 Wochen (0–33 Wochen) progressiv mobilisiert.
Alle Katzen wurden chirurgisch versorgt (▶
Tab.
[
2
]). Fünf Katzen wurden nur mittels Sehnennaht therapiert. Ein knöcherner Ausriss wurde,
wie bereits beschrieben, mittels Knochentunneln und einer Sehnennaht therapiert. Bei
der Katze mit der
chronischen vollständigen Ruptur wurde eine Tarsusarthrodese vorgenommen. Die 3 partiellen
Rupturen
wurden mittels calcaneotibialer Stellschraube (▶
Abb.
[
4
]), die anderen 4 mittels Fixateur externe im Median für 5 Wochen (4–16 Wochen) komplett
immobilisiert. Darauf folgte bei allen eine progressive Mobilisation mittels Schiene
und Verband für im
Median 3,5 Wochen (0–10 Wochen).
Abb. 4 Postoperatives Röngten: Immobilisierung des Gelenks mit einer calcaneotibialen
Stellschraube. (© Bianca Hettlich, Vetsuisse Fakultät Bern)
Komplikationen
Die am Tierspital Bern aufgetretenen Komplikationen wurden in minimal und schwerwiegend
unterteilt
(▶
Tab.
[
2
]).
Minimale Komplikationen:
Schwerwiegende Komplikationen:
-
Osteomyelitis
-
Schraubenbruch
-
Pininstabilität
-
Allgemeininfektionen
-
Trauma mit Entfernung des Fixateur externe
-
Infektionen mit multiresistentem Staphylococcus aureus
-
schlechtes klinisches Endergebnis
Diskussion
Obesitas wird als prädisponierender Faktor beschrieben [[7]]. Diesbezüglich
ist am Tierspital Bern eine Katze aufgefallen. Die Katze war 4 Jahre und 2 Monate
alt, wog 9,53 kg und
erlitt einen partiellen Abriss der Achillessehne ohne beobachtetes Trauma. Im Ultraschall
waren
mineralisierte Bereiche zu sehen, weshalb auf ein chronisches Geschehen geschlossen
werden konnte. Es ist
beschrieben, dass vor allem alte Katzen mit Übergewicht und chronisch-degenerativen
Veränderungen eine
atraumatische Achillessehnenruptur entwickeln können [[16]]. Vermutlich
könnte es aber durch das massive Übergewicht der Katze bereits frühzeitig in diesem
Alter zu einer
solchen Schwächung der Sehne und Degeneration mit Ruptur gekommen sein.
In der Literatur wird von konservativen Therapien meist nur im Zusammenhang mit missglückten
Therapieversuchen gesprochen [[6], [13]].
Die am Tierspital Bern mit konservativer Therapie behandelten Hunde waren soweit nachvollziehbar
alle gut
abgeheilt. Die missglückten konservativen Therapien, die in den genannten Studien
angesprochen wurden,
könnten auf eine zu wenig konsequente Immobilisation zurückzuführen sein [[6], [13]]. Unter Umständen könnte auch eine falsche Indikation für
eine konservative Therapie gewählt worden sein. Muskelzerrungen, partielle Muskelrupturen,
partielle
Rupturen einzelner Sehnenanteile und chronische partielle Rupturen scheinen gute Kandidaten
für eine
konservative Therapie zu sein.
Die Tendenz, dass die meisten Komplikationen im Zusammenhang mit der Immobilisierung
auftreten [[2], [11]], konnte auch in dieser
Studienpopulation gesehen werden. Der größte Anteil umfasste Druckstellen bei 4 Tieren
gefolgt von
oberflächlichen Pintraktinfektionen bei 2 Tieren. In der Klinik sollte deshalb ein
besonderes Augenmerk
auf der guten Polsterung, den guten Sitz des Verbands und gegebenenfalls der Schiene
liegen. Beim Umgang
mit dem Fixateur externe sollte auf eine gute Hygiene geachtet und gegebenenfalls
vermehrt mit
desinfizierenden Salben, zum Beispiel einer Bedatine® Salbe, gearbeitet werden.
Die adipöse Katze erlitt einen Bruch der calcaneotibialen Stellschraube ohne Reruptur
der Sehne. Es wird
vermutet, dass die Schraube aufgrund der erhöhten Belastung gebrochen ist. Unter Umständen
sollte bei
obesen Tieren daher eine zusätzliche Immobilisation verwendet werden. Falls möglich,
könnte zusätzlich
ein Fixateur externe eingesetzt werden oder eine zusätzliche Schiene angewendet werden.
Haustiere mit einer Achillessehnenruptur haben eine gute Prognose [[2], [9], [11]]. Diese Resultate
konnten auch bei der Hundepopulation am Tierspital Bern gesehen werden, da alle nachvollziehbaren
Hunde
ein gutes klinisches Endergebnis zeigten. Von 5 nachverfolgbaren Katzen zeigten 2
ein schlechtes
klinisches Endergebnis.
In 2 Publikationen ist beschrieben, dass es keine Auswirkungen auf das klinische Endergebnis
hat, ob es
sich ursprünglich um eine offene oder geschlossene, eine akute, subakute oder chronische,
eine partielle
oder komplette Ruptur handelt [[2], [11]].
Meist sei ein gutes klinisches Endergebnis zu erwarten [[2], [9], [11], [19]].
Zusätzlich scheint auch die Technik der chirurgischen Therapie keine Auswirkungen
auf das klinische
Endergebnis zu haben, solange eine gute Immobilisation und somit eine Entlastung der
Sehne gewährleistet
werden kann [[9]]. Diese Tendenzen konnten auch bei den Patienten des
Tierspitals Bern gesehen werden. Wichtig scheint in jedem Fall eine adäquate Beurteilung
aller relevanten
Faktoren und eine angemessene Diagnostik der Läsion, um eine optimale Therapie mit
einer erfolgreichen
Immobilisation erzielen zu können.