Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2017; 22(01): 35-42
DOI: 10.1055/s-0042-111422
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auf der Suche nach der unbekannten Zahl: Bestimmung der Patientenpopulation für die frühe Nutzenbewertung am Beispiel Diabetes mellitus Typ 2

How to Determine the Target Population in Early Benefit Assessments in Germany? The Case of Diabetes Mellitus Type 2

Authors

  • Corinna ten Thoren

    1   Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Ressort Versorgung und Gesundheitsökonomie, Köln, Germany
  • S. Mostardt

    1   Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Ressort Versorgung und Gesundheitsökonomie, Köln, Germany
  • A. Schwalm

    1   Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Ressort Versorgung und Gesundheitsökonomie, Köln, Germany
  • M. Zhou

    1   Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Ressort Versorgung und Gesundheitsökonomie, Köln, Germany
  • Andreas Gerber-Grote

    2   Institut für Gesundheitsökonomie, und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln, Köln
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Publication Date:
02 August 2016 (online)

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Zusammenfassung

Zielsetzung Seit 2011 durchlaufen in Deutschland alle neu zugelassenen Arzneimittel die frühe Nutzenbewertung. Pharmazeutische Unternehmen reichen ein Dossier beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) ein, der das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit dessen Bewertung beauftragen kann. Die Angaben im Dossier zur Größe der Zielpopulation, für die das zu bewertende Arzneimittel infrage kommt, spielen u. a. eine Rolle in den nachfolgenden Preisverhandlungen. Bei den neu zugelassenen Arzneimitteln in der Indikation Diabetes mellitus Typ 2 variiert die Größe der Zielpopulation beträchtlich zwischen den Dossiers. Ziel dieser Untersuchung war es, die Ursachen hierfür aufzuspüren.

Methodik 20 Dossiers mit Antidiabetika für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 wurden analysiert, deren Bewertungsverfahren zwischen Januar 2012 und Mai 2015 publiziert worden sind. Informationen, die sich auf die Größe der Zielpopulation beziehen, wurden extrahiert und verglichen. Basierend auf der Extraktionsliste wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, um Gründe für unterschiedlich große Zielpopulationen zu kategorisieren.

Ergebnisse Die Abschätzung der Größe der Zielpopulation erfolgte in der Regel auf der Basis einer Sekundärdatenanalyse von Arzneimittelverordnungen. Bei der Analyse dieser Daten zeigten sich große Unterschiede in den Annahmen und bei den Methoden. Wesentliche Gründe für die Unterschiede waren verschiedene Datenbanken, das betrachtete Zeitfenster, die Operationalisierung der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die Spezifikation der Zielpopulation, die Kontraindikationen laut Fachinformation, die Berücksichtigung von unentdeckten Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die Hochrechnung der Stichprobe auf die Gesamtbevölkerung sowie der Anteil der Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind. Es ist nicht möglich, den Einfluss einzelner Ursachen zu quantifizieren; vielmehr scheinen verschiedene Faktoren zu interagieren.

Schlussfolgerung Es zeigte sich, dass die Annahmen und Methoden der verwendeten Datenbanken, die den Berechnungen in den Dossiers zugrunde liegen, dringend transparenter darzustellen sind. Abweichungen sind nicht vollständig vermeidbar, aber eine Harmonisierung der Methoden kann die Vergleichbarkeit der ermittelten Patientenzahlen erhöhen.

Abstract

Aim Since 2011, an early benefit assessment is required for all new drugs being launched in Germany. Evidence submitted by pharmaceutical companies in dossiers is assessed by the Institute for Quality and Efficiency in Health Care (IQWiG) and subsequently appraised by the German Federal Joint Committee (FJC). The exact determination of the patient target population plays an important role for subsequent price negotiations. In diabetes mellitus type 2 the size of target population varies considerably between dossiers. Our aim was to explore the reasons for these differences.

Method We analyzed 20 dossiers with drugs for diabetes mellitus type 2 published between January 2012 and May 2015. Details regarding the estimation of the target population were extracted and compared. Based on the extractions a criteria list was developed to categorize possible reasons for different sizes of the target population.

Results The estimations of the target population were mainly based on secondary data analyses of drug prescriptions. The methods and assumptions used to analyze these data varied widely.

Important reasons for differences in the estimations are the kind of database, the time frame, the operationalization of diabetes patients, the specification of the target population, the type of contraindications, the consideration of currently undetected patients, the mode of extrapolation to the overall population, and the portion of statutory health insurance patients. We could not identify one reason that could explain most of the deviations in the size of the target population. Several reasons seem to interact and it was not possible to determine the direction or size of the effect.

Conclusion There is a strong need for more detailed descriptions of the methods and databases used in the dossiers to estimate the size of the target populations. A harmonization of the methods seems to be helpful to reduce the variation.