Aktuelle Rheumatologie 2016; 41(05): 371
DOI: 10.1055/s-0042-108685
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Genetische Erkrankungen mit Manifestationen am Bewegungsapparat

Genetic Diseases Affecting the Musculoskeletal System
Johannes-Peter Haas
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Publication Date:
13 October 2016 (online)

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Prof. Dr. Johannes-Peter Haas

In den vergangenen 3 Jahren hatten Frau Dr. C. Lampe, Herr Prof. B. Manger und ich mehrfach die Gelegenheit Weiterbildungen zum Thema: „Seltene Differenzialdiagnosen bei Verdacht auf Arthritis“ zu organisieren. Diese fanden reges Interesse und immer wieder äußerten Kolleginnen und Kollegen den Wunsch nach einer komprimierten Zusammenfassung zu diesem Thema. Es freut uns daher im Thieme-Verlag einen Partner gefunden zu haben, der uns hierzu eine Themenausgabe der „Aktuellen Rheumatologie“ ermöglicht.

Die komplette Sequenzierung des menschlichen Genoms und die immer bessere Verfügbarkeit und Detailauflösung molekulardiagnostischer Analyseverfahren haben in den letzten Jahren unser Verständnis für die Pathophysiologie vieler Erkrankungen des muskulo-skelettalen Systems grundlegend erweitert. Dieses verbesserte pathophysiologische Verständnis hat bei einigen seltenen Erkrankungen bereits zu therapeutischen Entwicklungen geführt. Beispiele hierfür sind die Enzymersatztherapien bei einigen lysosomalen Speichererkrankungen und natürlich die Biologika – hier vor allem die Blockade der Pathways von Interleukin (IL) 1- und IL6 – bei der Behandlung autoinflammatorischer Erkrankungen.

Galten früher seltene genetische Erkrankungen und Immundefekte als reine Domäne der Pädiatrie, so erreichen heute die meisten Betroffenen das Erwachsenenalter. Patienten mit einer Trisomie 21 haben durch die Verbesserungen der kinderherzchirurgischen Versorgung eine nahezu normale Lebenserwartung. Gerade über die mit der Trisomie 21 assoziierte Polyarthritis ist noch viel zu wenig bekannt, wie die in diesem Heft erscheinende Orginalarbeit von M. Krumrey-Langkammerer deutlich zeigt.

Die verbesserte Diagnostik zeigt auch, dass bei einigen Erkrankungen (z. B. Mukopolysaccharidose Typ I) Phänotypen mit gemilderten Verläufen existieren, die häufig erst im Erwachsenenalter zu einem typischen Symptommuster führen. Die Frühsymptome können sehr variabel und unspezifisch sein, wie die Übersicht von C. Lampe et al. eindrücklich zusammenfasst.

Eine hohe Varianz bezüglich Manifestation, Phänotyp und Verlauf findet sich auch beim Morbus Farber, einer lysosomalen Speichererkrankung, aufgrund der Ablagerung von Ceramiden. Wie A. Solyom et al. in ihrer Übersichtsarbeit zeigen, sollte diese Stoffwechselerkrankung bei therapieresistenten Verläufen einer Arthritis in Erwägung gezogen werden.

Zwei Arbeiten in diesem Heft beschäftigen sich – unter anderen Erkrankungen – mit der seltenen Pseudorheumatic-progressive arthropathy of Childhood (PPAC, dt. progressive pseudorheumatoide Dysplasie (PPRD)). Während R. Häfner sich der PPAC im Kontext anderer autoimmuner- und v. a. autoinflammatorischer Erkrankungen nähert, wird sie in der Übersicht von B. Zabel et al. in die Nosologie hereditärer Skeletterkrankungen eingeordnet. Dies zeigt die Notwendigkeit, auch in der Pathophysiologie noch weiter an einer interdisziplinären Taxonomie zu arbeiten.

Jede Einzelne der in diesem Heft behandelten Erkrankungen ist für sich genommen selten. In Summe betrachtet bilden sie in der täglichen Praxis einen wichtigen differenzialdiagnostischen Pool. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer seltenen hereditären Erkrankung unter Miteinbeziehung des muskulo-skelettalen Systems, oder einer chronischen Arthritis bei einer chromosomalen Aberration sollten frühzeitig Spezialisten hinzugezogen werden. Dies kann für eine effiziente Diagnostik, vor allem aber für die Einleitung einer Therapie entscheidend sein.

Viel Spaß beim Neu- und Wiederentdecken wünscht Ihnen im Namen aller Autorinnen und Autoren,

Johannes-Peter Haas