Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(03): 94
DOI: 10.1055/s-0042-108471
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Neonatologie
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Allergieprävention – Frühzeitige Einführung allergener Lebensmittel sinnvoll?

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Publication Date:
21 June 2016 (online)

Hintergrund: Verschiedene Leitlinien empfehlen, Säuglinge optimalerweise 6 Monate lang ausschließlich zu stillen und häufige Lebensmittelallergene in den ersten Monaten zu vermeiden. Aktuelle Untersuchungen wie die LEAP-Studie haben aber Hinweise erbracht, dass der frühzeitige Verzehr von genau diesen Lebensmitteln die Entstehung von Allergien vermindern könnte. Perkin et al. sind dem weiter nachgegangen.

Methoden: In die britische randomisierten Studie EAT (Enquiring About Tolerance) wurden zwischen November 2009 und Juli 2012 insgesamt 1303 Säuglinge im Alter von 3 Monaten aufgenommen. Die Kinder waren bis zu diesem Alter ausschließlich mit Muttermilch ernährt worden und wurden nun nach dem Zufallsprinzip einer von 2 Gruppen zugewiesen:

  • Kinder in der Standardgruppe wurden bis zum Alter von 6 Monaten weiterhin ausschließlich gestillt; danach wurden Erdnüsse, gekochte Hühnereier, Kuhmilch, Sesam, Fisch und Weizen nach elterlichem Ermessen in den Speiseplan aufgenommen (n = 595)

  • Kinder in der Interventionsgruppe erhielten dagegen ab dem 3. Lebensmonat zusätzlich zur Muttermilch die genannten Allergene, wobei Kuhmilch (Joghurt) am Anfang und Weizen am Ende standen, die Reihenfolge der anderen Lebensmittel gehorchte dem Zufallsprinzip (n = 567).

Als primären Endpunkt beurteilten die Forscher das Auftreten von Allergien gegen eines der 6 Lebensmittel zwischen dem 1. und 3. Lebensjahr. Bei Säuglingen, die zu Studienbeginn auf eines der Lebensmittel allergisch reagierten, wurde dieses gestrichen, die anderen aber wie geplant verabreicht.

Ergebnisse: Bei der Intent-to-treat-Auswertung fand sich kein signifikanter Unterschied beim primären Endpunkt: In der Interventionsgruppe hatten bis zum 3. Lebensjahr 5,6 % der Kinder eine Allergie gegen eines oder mehrere der untersuchten Nahrungsmittel entwickelt, in der Standardgruppe waren es 7,1 %. Erfolgte allerdings eine Per-Protocol-Analyse, ergab sich ein anderes Bild:

In der Interventionsgruppe waren nur 208 der 567 Kinder tatsächlich nach den Vorgaben ernährt worden, in der Standardgruppe waren es 524 von 595. Und der Vergleich zwischen diesen protokollgerecht ernährten Kindern zeigte eine signifikant geringere Häufigkeit von Allergien bei Teilnehmern der Interventionsgruppe, mit 2,4 % gegenüber 7,3 %. Das galt auch separat für Allergien gegen Erdnüsse (0 vs. 2,5 %) und Eier (1,4 vs. 5,5 %); bei den restlichen 4 Nahrungsmitteln fanden sich keine Unterschiede, die Raten lagen sämtlich unter 1 %. Anaphylaktische Reaktionen oder sonstige unerwünschte Wirkungen traten in keinem Fall auf.

Fazit

Nach den Daten der Intent-to-treat-Analyse scheint eine Verminderung von Lebensmittelallergien durch frühzeitige Exposition nicht gegeben, so die Autoren. Allerdings hatten in der Interventionsgruppe mehr als 50 % der Mütter die Vorgaben zur Einführung der jeweiligen Lebensmittel aus verschiedenen Gründen nicht befolgt. Betrachtet man nur die Kinder, bei denen die Intervention protokollgerecht abgelaufen war, fand sich ein deutlicher Nutzen, mit einer um 67 % verminderten Allergierate. Zukünftige Studien dieser Art müssten versuchen, die Adhärenz der Beteiligten zu verbessern.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim